Balken, Balkenlage

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englisch: Beam; französisch: Poutre, poutrage, charpente; italienisch: Trave, travatura.


Otto Gruber-Aachen (1937)

RDK I, 1409–1418


RDK I, 1409, Abb. 1. Balkenlage mit angeschnittenen Konsolen am Pfosten.
RDK I, 1411, Abb. 2 a. Pfosten mit Unterzug unter der Balkenlage (Kopfbänder).
RDK I, 1411, Abb. 2 b. Pfosten mit Unterzug unter der Balkenlage (Sattelholz).
RDK I, 1413, Abb. 3. Aufgekämmte Balkenlage mit Unterzug.
RDK I, 1413, Abb. 4. Balkenkonstruktion aus dem Pfleghof des Klosters Bebenhausen in Tübingen, um 1500.
RDK I, 1413, Abb. 5. Zwei miteinander verzahnte und verdübelte Balken.
RDK I, 1413, Abb. 6 a, b: Balkenlage auf Tragwand, c: Balkenlage auf Wandbalken über Kragsteinen.
RDK I, 1415, Abb. 7. Ausgekragte Balkenlage mit Stichbalken.
RDK I, 1415, Abb. 8. Balkenlage mit parallelen Unterzügen.
RDK I, 1415, Abb. 9 a, b. Balkenlage aus halben Hölzern.
RDK I, 1417, Abb. 10. Balkengefach mit Kreuzstakung mit Lehmwickeln.
RDK I, 1417, Abb. 11. Dübelgebälk.
RDK I, 1417, Abb. 12. Bohlenbalkendecke.

Balken im statischen Sinne nennt man jedes Tragwerk, das bei senkrechter Belastung ausschließlich senkrechte Auflagerdrucke erzeugt, somit im Gegensatz zum Gewölbe mit Schubkräften in schrägen Auflagerdrucken steht. Man unterscheidet A. Holz-, B. Stein-, (C. Eisen- und Eisenbetonbalken für die modernen Konstruktionen).

A. Holzbalken.

I. Rohmaterial ist der Baumstamm: Eiche, Kiefer, Tanne, Buche, Lärche, der jeweils besondere Eigenschaften, also Biege-, Druck-, Zug-, Knickfestigkeit aufweist. Eiche wird für besonders stark beanspruchte Konstruktionsteile bevorzugt. Die Verwendung von Eiche für ganze konstruktive Gefüge, also Fachwerkhäuser oder Dachstühle ist meist ein Beweis für zeitlich frühere Bauten, da Eichenholz schon im späteren Mittelalter teurer wurde. Später findet man Eiche nur noch an Bauten von besonderer Aufwendigkeit. Ausnahmen bilden die reinen Laubholzgebiete. Tannen- oder Kiefernholz überwiegt, nachdem im 18. Jh. das Fachwerk unter Putz verborgen wurde. Eichene Holzbalken halten sich an der Luft, sobald sie gegen Nässe geschützt sind, sehr lange. Die ältesten in Deutschland noch an Ort und Stelle befindlichen Holzkonstruktionen in Eiche gehen bis ins 13. Jh. zurück (mittelalterliche Kirchendachwerke Reichenau-Mittelzell, St. Michael-Hildesheim, Maulbronn, Münster zu Konstanz u. a.). Nadelhölzer werden rascher zerstört. Unter Wasser hält sich Holz fast unbegrenzt (Pfahlbaureste, Pfahlroste der Dome von Straßburg und Mainz, die erst durch Absenkung des Grundwasserspiegels infolge der Rheinkorrektion schadhaft wurden). Am schädlichsten für die Erhaltung sind Wechsel von Trockenheit und Nässe und Luftabschluß (Entstehung von Fäulnis, Naß- und Trockenfäule und Schwammbildung).

Die Bearbeitung eines Stammes zum B. erfolgte im ganzen Mittelalter aus dem vollen entrindeten Stammquerschnitt mit dem Beil (gebeiltes Holz); daraus ergibt sich die formale Behandlung mit angeschnittenen Konsolen, Figuren und sonstigem Zierwerk (vgl. Abb. 1 und 4 und die Fachwerkbauten Niedersachsens in Hildesheim, Goslar, Halberstadt, Braunschweig usw., vgl. auch Fachwerkbau). Seit dem 16./17. Jh. geschieht das Schneiden in Sägewerken zu schnittfertiger Ware. Bearbeitungsart der B. gibt oft eine Möglichkeit zur Datierung, ebenso die Art und Weise, wie der Zimmermann die Hölzer für ihre Zusammenfügung zeichnet [1–8].

II. In der Regel ist der B. ein einzelnes Konstruktionsholz der Balkenlage (BL.). Der Deckenbalken mit einem Querschnitt von 18/24 cm trägt sich auf 6 m frei ohne Unterstützung. Je nach der aufzunehmenden Nutzlast muß der Querschnitt größer genommen werden, so daß B.-Querschnitte bis zu 40/60 cm bei weitgespannten Deckenkonstruktionen vorkommen. Aus dieser Länge von 6 m für den freitragenden B. ergibt sich die Breite des mittelalterlichen Kleinbürger- und Handwerkerhauses. Die freitragende Länge eines B. kann durch „Kopfbänder“ (Abb. 2 a) oder „Sattelhölzer“ (Abb. 2 b) verkürzt werden.

Wird die freitragende Länge größer als 6 m, so muß der einzelne B. eine Mittelstütze erhalten oder es muß unter der BL. ein Unterzug angeordnet werden, der seinerseits wieder abzustützen ist (Abb. 3). Diese Unterzüge bestehen im Bereiche des südwestdeutschen Fachwerkbaues oft aus doppelten oder dreifach übereinander gelegten B. Ferner können sehr stark belastete B. aus zwei Hölzern, die miteinander verzahnt (Abb. 5) und verdübelt sind, hergestellt werden (vgl. Abb. 4).

Eine BL. entsteht, indem man die Deckenbalken auf genau gleicher Höhe nebeneinander verlegt und zwar unterscheidet man BL. aus ganzen Hölzern, BL. aus halben Hölzern und Dübelgebälke.

a) Die BL. aus ganzen Hölzern besteht aus B. in Stärken von etwa 14/18 bis 25/30 cm und mehr je nach Spannweite und Beanspruchung, die in einer Entfernung von 0,80 bis 1,20 m nebeneinander verlegt werden. Die B. liegen auf den Tragwänden auf (Balkenauflager Abb. 6 a und b). Das Balkenauflager kann aber auch durch über Kragsteine gelegte Wandbalken gebildet werden (Abb. 6 c). Sind die Tragwände Fachwerkwände, dann werden die B. auf den Rahmenhölzern aufgekämmt oder sonst unverschieblich befestigt (Abb. 3 a u. 6 b). Bei der BL. aus ganzen Hölzern liegen die B. meist senkrecht zu First und Traufe (Abb. 8). Sind Fachwerkbauten in ihren oberen Geschossen nach den Giebel- und den Traufseiten ausgekragt, so wird die Auskragung an den Giebelseiten durch Stichbalken gebildet (Abb. 7). (Eckhäuser oder freistehende Häuser; Beispiel: Knochenhauer-Amtshaus in Hildesheim.) Die Unterzüge liegen bei Decken aus ganzen B. parallel zu First und Traufe (Abb. 8). Verbreitungsgebiet der Decken aus ganzen Hölzern ist das Land rechts des Rheines, jedoch einschließlich der Gebiete der Rheinpfalz und des Elsaß.

b) Zur BL. aus halben Hölzern werden Holzstärken von etwa 10/20 bis 15/30 cm verwendet, Balkenabstand 30–45 cm. Im Gegensatz zur Decke aus ganzen Hölzern liegt nicht immer, aber in den zahlreichen Beispielen des Mittelalters die BL. aus halben Hölzern parallel zu First und Traufe (Abb. 9). Ihr Verbreitungsgebiet liegt links des Rheines, jedoch ausschließlich von Pfalz und Elsaß, außerdem in Frankreich etwa von der Loire nordwärts bis zum Ärmelkanal. Es deckt sich also mit dem Gebiete des Hauses mit Pfettendach (s. Dach). Die Ausfüllung der Gefache zwischen den B. geschieht durch einfache oder Kreuzstakung mit Lehmwickeln (Abb. 10).

c) Die Dübelgebälke bestehen aus dicht nebeneinander gelegten Ganzhölzern, die durch Dübel miteinander verbunden sind. Die B. liegen in der Richtung der kürzesten Abmessung des Raumes. Das Verbreitungsgebiet ist die Gegend der mittleren Donau etwa von Linz bis Wien (Abb. 11). Die Untersicht der Decken zeigt entweder die BL. mit geputzten Zwischenfeldern oder sie wird getäfelt. Ganz geputzte Decken kommen erst im 16./17. Jh. auf (s. Decke).

III. Der Verwendung der BL. im Baugefüge nach unterscheidet man: Die Stockwerks-BL., die Dach-BL. und die Kehl-BL.

a) Die Stockwerksbalkenlage trennt die Stockwerke voneinander, bildet nach unten die Decke des Raumes und trägt nach oben den Fußboden (Abb. 8, 9). In Süddeutschland und den deutschsprachigen Alpenländern erscheint als Sonderkonstruktion die Bohlenbalkendecke. Sie stellt unter dem eigentlichen tragenden Stockwerksgebälk eine zweite, nur raumabschließende Decke dar, die keine Nutzlast zu tragen hat (Abb. 12). Die BL. der Bohlenbalkendecke besteht aus B., die im Abstand von 30-40 cm voneinander verlegt und untereinander durch in Nuten eingeschobene Bohlen verspannt sind. Die Decke kann eben oder flach gewölbt sein. Durch die Verspannung von B. und Bohlen ist die freitragende Länge zum Teil 10–12 m. Die B. liegen an beiden Enden in den Einschnitten der Stirnbohlen auf und werden nach Bedarf bei sehr langen Räumen durch Unterzüge gestützt. Die Bohlenbalkendecke wird über heizbaren Räumen, also über der Hauptwohnstube des Bürgerhauses oder der Burg verwendet, ebenso in den großen Rathaussälen und in Refektorien (zahlreiche Beispiele in den Klöstern, Rathäusern, Bürgerhäusern und Burgen im südlichen Baden und Württemberg, der deutschen Schweiz, Tirols und Oberbayerns: Rathaussaal Überlingen, Refektorien in Stein a. Rhein und Bebenhausen, Bürgerhäuser in Schaffhausen, Zürich, Konstanz, Überlingen, Ravensburg, Füssen i. A. u. a. [9]). Diese doppelten Decken sind sehr feuergefährlich, wenn Schornsteine durchgeführt sind (Schloßbrand in Stuttgart 1931; s. Decke).

b) Die Dachbalkenlage (Abb. 8, 9) trennt das oberste Stockwerk vom Dachraum. Sie gehört entweder wie beim Kehlbalkendach zur Dachkonstruktion und bildet dann in festem Verband mit den Sparrenpaaren das Dach durch Reihung von Gespärren (Abb. 8) oder aber sie liegt beim Pfettendach unabhängig von der Sparrenlage über dem obersten Stockwerk (Abb. 9 [10]). Das Dach kann entweder auf einem Kniestock (Abb. 9) oder auch auf einer Fußpfette unmittelbar auf der BL. aufsitzen (Abb. 9 a). Verbreitungsgebiete dieser beiden verschiedenen Dach-BL. und Dachkonstruktionen decken sich mit jenen der Decken aus ganzen und halben Hölzern.

c) Die Kehlbalkenlage trennt bei großen Dächern die ihrer Höhenlage nach durch die Konstruktion bestimmten einzelnen Stockwerke des Daches selbst. Sie dient beim Kehlbalkendach (Abb. 8) unmittelbar zur Aussteifung der Gespärre und ist ein wesentlicher Konstruktionsteil des Daches. Die Kehl-B. liegen dann senkrecht zu First und Traufe und werden wie die Stockwerks-BL. notwendigenfalls durch Unterzüge (Rähme) und Pfosten unterstützt (Abb. 8). Beim Pfettendach liegt die Kehl-BL. unabhängig von der Dachkonstruktion parallel zum First wie die Stockwerks-BL. aus halben Hölzern und dient zur Aufnahme der Bodenbretter (Abb. 9, s. Dach).

B. Steinbalken. Er spielt in der Architektur der Mittelmeerländer eine bedeutende Rolle als Balken über Pfeiler- und Säulenstützen (Architrave) und über Maueröffnungen. In der deutschen Baukunst wird er selten verwendet: Sturzbildung der karolingischen und frühromanischen Kirchentüren, und wird früh durch den gewölbten Bogen ersetzt (siehe Tympanon).

Über die formale Entwicklung s. Decke.

Balkenanker und Ankerbalken s. Sp. 708ff.

S. auch Holzbau.

Zu den Abbildungen

1–12 nach Zeichnungen des Verfassers.

Literatur

1. Vitruv, lib. II, cap. 9. 2. L. B. Alberti, Zehn Bücher vom Bauen II, cap. 4–7. 3. C. A. d’Aviler, Cours d’Architecture, Paris 1694. 4. Dictionnaire d’Architecture, Paris 1693. 5. V. Scamozzi, L’ Idea dell’ architettura universale, Venedig 1615 u. ö., Bd. VII, cap. 25. 6. Chr. Freiherr v. Wolf, Anfangsgründe aller mathematischen Wissenschaften Bd. II, Wien 1763, S. 16ff. 7. J. Rondelet, Traité théorique et pratique de l’art de bâtir, Paris 1817, Teil IV, Sect. 1, article I–IV. 8. Viollet-le-Duc, Architecture II S. 212ff. 9. O. Gruber, Deutsche Bauern- und Ackerbürgerhäuser, Karlsruhe 1926, S. 43ff. 10. Fr. Ostendorf, Geschichte des Dachwerks, Leipzig-Berlin 1908, Kap. 2 und 3.

Verweise