Augustiner (Chorherren, Eremiten)

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englisch: Augustinian, Augustinian Canons, Austin Friars; französisch: Augustin, Chanoines de Saint Augustin, Ermites de Saint Augustin; italienisch: Agostiniani, Augustini, ordo canonicorum (regularium), ordo eremitarum, ordo fratrum eremitarum.


Oskar Thulin (1937)

RDK I, 1252–1268


RDK I, 1253, Abb. 1. Augustiner-Chorherr.
RDK I, 1253, Abb. 2. Augustiner-Eremit.
RDK I, 1255, Abb. 3. Ravengiersburg, 12./13. Jh.
RDK I, 1255, Abb. 4. Halberstadt, Liebfrauenkirche, 12. Jh.
RDK I, 1255, Abb. 5. Landau (Pfalz), 14. Jh.
RDK I, 1257, Abb. 6. Polling, 1416-20 und 1621ff.
RDK I, 1257, Abb. 7. Rohr, 1717-19.
RDK I, 1259, Abb. 8. St. Florian, 1686ff.
RDK I, 1259, Abb. 9. Wien, 1330-40.
RDK I, 1261, Abb. 10. München, 1327ff. und 1621ff.
RDK I, 1263, Abb. 11. Erfurt, 1289-1325.
RDK I, 1263, Abb. 12. Breslau, Dorotheenkirche, 2. H. 14 Jh.
RDK I, 1265, Abb. 13. Mainz, Augustinerkirche, 1769-74.
RDK I, 1265, Abb. 14. Mainz, Augustinerkirche, 1769-74.

I. Name

Der Name „Augustiner“ ist nur eine ungenaue Bezeichnung für eine verschiedenartige Gruppe von Orden. Die beiden bedeutendsten sind der Kleriker-Orden der Augustiner-Chorherren und der Bettelorden der Augustiner-Eremiten, zwei in Geschichte, Aufgabenkreis und Baugestaltung völlig verschiedene Ordensbildungen der mittelalterlichen Kirche. Die Berufung auf den Kirchenväter Augustin hat insofern ihre Berechtigung, als die sog. „Augustiner-Regel“ die innere Lebensnorm für diese Orden bildet. Daß diese Regel von Augustin selbst stammt, hat die Forschung nicht bestätigen können, ebenso auch nicht die Gründung der Orden durch Augustin selbst. Wohl aber liegen die Quellen der A.-Regel, und zwar der dritten (Regula ad servos Dei) der unter diesem Namen im Mittelalter vorhandenen Regeln in einem Briefe Augustins an das Frauenkloster in seiner Bischofsstadt Hippo. Die dort gegebenen Anweisungen zum klösterlichen Leben wurden im 7. Jh. auf männliche Klöster übertragen und gewannen nach Umänderungen durch Benedikt von Aniane im 9. Jh. ihre erste größere Bedeutung in der Reformbewegung des 11. Jh., wo sie als Kanonikerregel die Grundlage für die Augustiner-Chorherrenstifte bildeten. Bei über 40 großen und kleinen Orden fand die A.-Regel Anwendung (u. a. auch bei den Dominikanern), bis sie im 13. Jh. wieder bei der Namengebung eines Ordens Pate stand, bei dem Bettelorden der Augustiner-Eremiten.

Schon die Tatsache des Gebrauchs bei ganz verschiedenartigen Genossenschaften läßt vermuten, daß die Regel sehr allgemein gehalten sein muß. In der Tat gibt sie nur grundsätzliche Anweisungen zu den verschiedenen Gebieten des klösterlichen Lebens, wie eine Übersicht über die 12 Kapitel der Regel zeigt, die von folgenden Dingen handeln: 1. Von der Liebe Gottes und des Nächsten. 2. Von der Demut. 3. Vom Gebet und Fasten. 4. Von der Erquickung des äußeren und inneren Menschen. 5. Von der Pflege der Kranken. 6. Von der äußeren und inneren Kleidung. 7. Von der brüderlichen Zurechtweisung. 8. Von der Belehrung der gemeinsamen Sachen. 9. Von der Reinheit des Leibes und der Seele. 10. Von der Bitte um Verzeihung und Nachlassung der Beleidigung. 11. Vom Gehorsam. 12. Von der beständigen Betrachtung der Regel. Ihre Bedeutung in der Geschichte des Mönchtums beruht wesentlich darauf, daß sie die mönchischen Ideale den Anforderungen des gemeinschaftlichen Klosterlebens ein- und unterordnete und so zur Bildung größerer, einheitlich organisierter Klosterverbände und Orden führte. Alle Sonderbestimmungen blieben den einzelnen Orden, Kongregationen oder Stiften vorbehalten.

II. Augustiner-Chorherren

Das Bestreben, auch die Geistlichen an den Kirchen zu einem gemeinsamen, besitzlosen Leben nach Art der Mönche zu vereinigen, ist älter als die Gründung des Ordens der A. Seit Augustins erstem Versuch hat es immer wieder Ansätze in dieser Richtung gegeben unter Zugrundelegung verschiedener Regeln, meist unter teilweiser Benutzung der A.-Regel; in karolingischer Zeit (Aachener Synode 817) suchte man diese Lebensform sogar zwangsweise für die Kleriker durchzusetzen, freilich ohne Erfolg. Erst in der kirchlichen Reformbewegung des 11. Jh. gab die Lateran-Synode des Jahres 1059 den entscheidenden neuen Anstoß in dem can. 4., der den Geistlichen einer Kirche auferlegte, gemeinsam zu speisen und zu schlafen, die Einkünfte gemeinsam zu haben (Aufgabe des Privateigentums) und ein apostolisches Leben zu führen. Die Chorherren bzw. die Chorherrenstifte, Kanonikate, die sich nun auf die A.-Regel als die den drei Gelübden zugrunde liegende regula canonica verpflichteten, hießen Augustiner-Chorherren, auch Regulierte Chorherren, Regular-Kanoniker oder Regulierte Augustiner-Chorherren. Die Stifte nannte man Augustiner-Chorherrenstifte oder auch Augustiner-Klöster. Bei dem letzteren Namen muß man daher immer erst feststellen, ob es sich um Chorherren oder Bettelmönche handelt. Von einem eigentlichen Ordensgründer kann man bei den Augustiner-Chorherren nicht reden, wenn man nicht Augustin selbst, dessen Autorität hinter der Regel stand, nennen will. Ein Zweig der Augustiner-Chorherren, der sich speziell mit Krankenpflege befaßte, hatte eine selbständige Geschichte, wohl schon seit dem 11. Jh. Es waren dies die Antoniter (Sp. 742ff.). Ein weiblicher Zweig der Augustiner-Chorherren entstand dadurch, daß 1080 die A.-Regel für die Kanonissen verpflichtend gemacht wurde, die sich nunmehr in verschiedenen Kongregationen der regulierten Chorfrauen des hl. Augustin zusammenschlossen.

Die Verfassung und Organisation entsprach – wie überhaupt der Orden in Geschichte und Bauentwicklung – ungefähr dem Benediktinerorden. An der Spitze des ziemlich selbständigen Stiftes stand der Propst, z. T. Abt oder Prior genannt, auf Lebenszeit gewählt, ihm zur Seite der auf einige Jahre vom Kapitel gewählte Dekan.

Die Ordensgeschichte führte im 14. Jh. zu Reformen und zentralisierenden Tendenzen. Die zunächst lose an bedeutende Klöster angeschlossenen oder von dort reformierten kleineren Konvente bildeten jetzt feste „Kongregationen“ (über 20 entstanden im Laufe der Zeit), die sich meist nach dem führenden Stift nannten (z. B. die lateranensischen Augustiner-Chorherren, im Anschluß an Kirche und Stift S. Giovanni in Laterano in Rom). Der gesamte Orden wurde in Provinzen eingeteilt, die jährlich ihr Provinzialkapitel abhielten. Die Reformbestrebung führte sogar zu selbständigen Ordensbildungen, im besonderen des Prämonstratenserordens – ähnlich der Entstehung der Cisterzienser aus dem Schoße des Benediktinerordens. Die Wirksamkeit der Windesheimer Kongregation unter Joh. Busch und des Kardinallegaten Nikolaus von Cues im 15. Jh. (Synode von Magdeburg 1451) führten den Orden auf seine Höhe; man zählte im 16. Jh. über 4000 Reg. Augustiner-Chorherrenstifte in Europa. Durch Reformation und spätere Säkularisation verloren die Augustiner-Chorherren den größten Teil ihres Bestandes wie ihrer Klöster, so daß heute nur mehr sechs Kongregationen bestehen, von denen für das deutsche Gebiet (Congregatio Austriaca) Bedeutung haben – neben St. Bernhard und St. Moritz in der Schweiz – die Stifte St. Florian, Klosterneuburg, Herzogenburg, Neustift b. Brixen, Reichersburg, Vorau (zus. ca. 325 Mitglieder).

Die Ordenstracht hat viel Wandlungen durchgemacht. Sie glich der Normalklerikertracht: Talar, Schulterkragen und Mantel (Cappa), der später an den Seiten ganz geöffnet wurde (Abb. 1). Auch die Farben wechselten nach Stiften und Kongregationen zwischen schwarz, weiß, rot und violett. Da die Lateranensische Kongregation ursprünglich weiße Tracht hatte, tragen die Päpste noch heute von dieser ehemaligen päpstlichen Hauptkirche her den weißen Talar.

Die Wirksamkeit des Ordens bestand neben der Erziehungsarbeit in eigenen Schulen vor allem in der Seelsorge in den zahlreichen an die Stifte angeschlossenen Pfarreien. Da die Klöster über die damit zusammenhängenden Einnahmen verfügten, konnten sich zugleich Wissenschaft und Kunst weitgehend entwickeln. Große Bibliotheken zeugen noch heute in Klosterneuburg und St. Florian davon, wie andererseits die zahlreichen Miniaturen in Handschriften von der Blüte der Klosterneuburger Miniaturmalerei am Ende des 15. Jh. Der Humanismus fand eifrige Förderung in den Chorherrenstiften. Ivo von Chartres, † 1117, Thomas van Kempen, † 1471, der Spätscholastiker Gabriel Biel, † 1495 (seine Schriften wurden für Luthers theologische Ausbildung einflußreich), gehörten dem Orden an, auch Erasmus von Rotterdam zeitweilig. 27 Heilige, 36 Päpste gingen aus ihm hervor.

Im Kirchenbau haben die Augustiner-Chorherren keine ausgeprägte Sonderform geschaffen, aber durch ihre große Ausbreitung einen überraschend großen Anteil an der gesamten Kirchenbaukunst von der Romanik bis zum Barock bekommen. (Beispiele: Süddeutschland: Baumburg, Berchtesgaden, Beuerberg, Höglwörth, Ilmmünster, Indersdorf, Moosburg, Pfaffmünster, Polling, Abb. 6, Reichenhall, Rohr, Abb. 7, Tübingen, Ulm; Österreich: Klosterneuburg, St. Florian, Abb. 8; Südwestdeutschland: Höningen, Landau, Abb. 5, Marbach, Odilienberg, Ravengiersburg, Abb. 3, Schiffenberg b. Gießen; Mitteldeutschland: Erfurt, Kaltenborn, Wittenberg; Nordwestdeutschland: Diesdorf, Fredelsloh, Frenswegen, Goslar, Halberstadt, Abb. 4, Magdeburg, Hamersleben, Lippstadt, Blomberg; Nordostdeutschland: Bordesholm, Breslau, Neumünster.) Sie schließen sich den örtlichen Traditionen oder, besonders im Beginn ihrer Geschichte, den Bautendenzen der Hirsauer an, die ja auf dem Gebiete des Mönchtums die parallele Reformbewegung bilden. Oft kann man sogar über Hirsau hinaus ein Eingehen auf genuin cluniazensische Bauregeln feststellen (Nebenchöre der Querhausarme: Hamersleben, Halberstadt, Petersberg b. Halle; Türme an den Enden der Nebenschiffe und fast als Vorkirche ausgebautes Paradies: Marbach i. E.). Die großen Linien des hirsauischen Einflusses lassen sich in der Frühzeit des Ordens bis nach Norddeutschland durchführen, wo Goslar (romanischer, 1527 zerstörter Zentralbau auf dem Georgenberg; Riechenberg und Grauhof bei Goslar) neben Kloster Bergen bei Magdeburg als Einflußzentrum hervorragt. Die dort entstandenen Kirchbauten sind zu den bedeutendsten des niedersächsischen zu rechnen, so wenig sie auch durch Sonderformen auffallen mögen: Anf. 12. Jh. die flachgedeckten Säulenbasiliken von Riechenberg und Hamersleben, die Pfeilerbasiliken von Fredelsloh und Königslutter, alle mit Westwerk und Eingang im Norden; M. 12. Jh. mit gewölbter Decke und ursprünglich wohl quadratischem Turm (westfäl. Einfluß) Heiningen, Wunstorf, Marienwerder, Wennigsen.

Da oft zahlreiche Pfarreien einem Augustiner-Chorherrenstift inkorporiert waren, bildete sich leicht bedeutender Reichtum; die Prachtentfaltung der Kirchen und Klöster ging der Vergrößerung dieses priesterlichen Wirkungskreises parallel, auch Schulgebäude und große Bibliotheken (Österreich besonders) erweiterten den Gebäudekomplex, der ursprünglich nur den Priestern zur Wohnung diente. Die Tendenz späterer Jahrhunderte, Einzelkurien für die Stiftsherren zu schaffen, lockerte die geschlossene Klosteranlage oft wieder erheblich auf.

Die zahlreichen Augustinernonnenklöster bildeten daneben keine anderen Baugewohnheiten aus. Differenziertere Formen ergaben sich z. T. durch die Eigenart der Doppelklöster, die neben den Wohnräumen für die Chorherren noch abgeschlossene für die Chorfrauen und Laienbrüder hatten; im Kirchbau ergab sich hierfür die Notwendigkeit besonderer Emporen über den Seitenschiffen oder in der Westturmanlage (Beispiel: Barsinghausen, Rekonstruktion bei Coers [11] Taf. 3).

III. Augustiner-Eremiten

Die Augustiner-Eremiten gehören im Gegensatz zu den Augustiner-Chorherren zu den Bettelorden; auch sie können sich nicht auf einen Ordensgründer berufen und führen ihren Namen nach der A.-Regel, die (neben besonderen Ordensregeln) ihrer Gemeinschaft zugrunde liegt. Das Jahr 1256 gilt als Gründungsjahr, weil durch die Bulle „Licet ecclesiae catholicae“ des Papstes Alexander IV. die Mehrzahl der damals bestehenden Eremitenverbände (Wilhelmiten, Johann-Boniten u. a.) unter gemeinsamer Verpflichtung auf die A.-Regel zu dem neuen Orden der Augustiner-Eremiten (Ordo Eremitarum S. Augustini, O. E. S. Aug.) zusammengeschlossen wurden. Acht Jahre später erfolgte die Vereinigung in Deutschland, wo in Regensburg, Köln, Marienthal, Freiburg i. d. Schw. u. a. Orten schon Niederlassungen bestanden. Die erste Einteilung in vier Provinzen (Italien, Frankreich, Deutschland, Spanien) reichte bald nicht mehr aus; 1299 wurde die deutsche wieder in vier Provinzen eingeteilt (die kölnisch-belgische, die rheinisch-schwäbische, die bayrische, die sächsische Provinz), da der Orden eine außerordentliche Ausbreitung gefunden hatte.

Die Verfassung des Ordens entspricht ungefähr der der anderen großen Bettelorden (Franziskaner, Dominikaner, Serviten). Gegenüber dem monarchischen und aristokratischen Prinzip der Benediktiner und Cisterzienser hat jetzt das demokratische gesiegt und äußert sich in der Wählbarkeit auf Zeit. Prior des Klosters, Provinzialprior und ihm zur Seite stehende Definitoren werden vom Provinzialkapitel auf drei Jahre, Generalprior mit Kurie vom Generalkapitel auf sechs Jahre gewählt. Dabei ist andererseits ein starker zentralistischer Zug maßgebend gegenüber den relativ selbständigen Benediktinerklöstern. Der Mönch ist wesentlich Glied des Gesamtordens, nicht so sehr des Einzelklosters; die Versetzbarkeit spielt daher eine große Rolle. Über den einzelnen Klöstern steht die Provinz, über der Provinz der sehr unabhängige Generalprior; nur ein päpstlicher Einfluß schränkt ihn ein in Gestalt eines zum Protektor des Ordens bestimmten Kardinals, dem wieder von der Ordensseite der gewählte Generalprokurator entspricht, der Geschäftsträger des Ordens im Vatikan, durch dessen Hände jedes Ordensschreiben an die Kurie geht. Die Geschichte des Ordens führte nach Verfallszeiten im 15. Jh. zur Bildung von Reformkongregationen in den verschiedensten Ländern. Für Deutschland wurde wichtig die in der sächsischen Provinz schon 1422 begonnene Reform (Joh. Zachariä, Andreas Proles) die 1493 zur Teilung in eine strenge Reformpartei (Regulierte Observanten) und die der neuen Kongregation nicht angeschlossenen Klöster führte. Als 1510 diese Reform von der Kurie als für die gesamte sächsische Provinz verpflichtend gemacht wurde, ging Luther als Vertreter der strengen Richtung, die sich gegen die zwangsweise Einverleibung der weniger strengen Klöster sträubte, nach Rom. Die Reformation führte zur fast völligen Auflösung der sächsischen Provinz; Revolution, Josephinimus und Säkularisation taten ein übriges, so daß heute in der 1895 neu gegründeten bayrisch-deutschen Provinz nur noch wenige Klöster existieren: Würzburg, Münnerstadt als größtes mit Studienseminar und Gymnasium, Regensburg u. a. mit ca. 350 Mitgliedern.

Die Tracht besteht in einer schwarzen wollenen Kutte mit langer spitz zulaufender Kapuze und schwarzem Ledergürtel (Abb. 2). In manchen Gegenden, wo keine Dominikaner waren, kommt auch weiße Tracht vor.

Die Wirksamkeit des Ordens besteht vor allem in Seelsorge und Predigt. Große päpstliche Privilegien machten die Klöster von der bischöflichen Jurisdiktion unabhängig und stellten den Mönchen die Gemeindekirchen zur Verfügung, sofern keine eigenen Kloiterkirchen vorhanden waren. Manche Kämpfe mit der Pfarrgeistlichkeit waren die Folge. Gegenüber Franziskanern und Dominikanern fehlte dem Orden der Radikalismus nach Seiten des Armutsideals oder der Ketzerbekämpfung; er war ein praktisch-kirchlicher Orden und seine Prediger als Volksmissionare bekannt. Auch die äußere Mission machte ein Hauptarbeitsgebiet des Ordens aus in Afrika, Amerika und Ostasien, und bis heute ist diese Arbeit nicht aufgegeben. In der Wissenschaft sind keine so überragenden Scholastiker zu nennen (Aegidius Romanus, Gregor von Rimini; auch die Ordensheiligen Nikolaus von Tolentino, Friedrich von Regensburg u. a. gewannen keine allgemeinere Bedeutung; die größte Verehrung genoß natürlich Augustin) wie bei den anderen Bettelorden; aber auch die Augustiner-Eremiten hatten an zahlreichen Universitäten feste Lehrstühle; ihre Theologie war in mehreren Universitäten d i e Theologie, so in Erfurt, Wittenberg, Tübingen, Heidelberg, ja eine eigene theologische Richtung ihres Ordens, die sog. Augustinerschule, hatte jahrhundertelang große Bedeutung. Der Lehrtätigkeit an Universitäten schloß sich die Unterrichtstätigkeit in Schulen an. Größte Bedeutung gewann der Orden für die deutsche Geschichte durch den Untergang seiner deutschen Kongregation, aus der die Führer der Reformation hervorgingen: Martin Luther (Staupitz blieb im Orden), Gabriel Zwilling, Stephan Agricola, Wenzeslaus Link u. a.

Augustiner-Eremitinnen waren im Mittelalter sehr verbreitet und haben sich auch in Deutschland bis heute erhalten, wenn auch nur in wenigen Klöstern. Sie widmen sich besonders der Armen- und Krankenpflege. Den Namen Augustinerinnen tragen auch noch verschiedene Gruppen von Hospitalschwestern.

In der Stellung zur Kunst und bei der Frage nach den Bauformen der Kirchen und Klöster muß zunächst gegenüber den Benediktiner- und Cisterzienserbauten eben so wie im Vergleich mit den im 13. und 14. Jh. noch sehr wechselnden Formen der Pfarrkirchen das Negative betont werden, die dem Wesen des Bettelordens entsprechende Reduzierungstendenz. Wesentlich bleibt, besonders für die Anfangszeit, die Traditionslosigkeit; man ist an kein festes Bauschema gebunden, hat die Freiheit zu neuen und einfachen Raumformen. Das Kloster selbst war für diese Mönche nicht die Welt, es war nur der Ausgangspunkt zur Arbeit in der Welt. Die einfachen Wohnbauten für die Mönche sind der Anfang; als Kirchen stehen kleine Kapellen oder die Pfarrkirchen (z. B. Wittenberg, wo es durch die Reformation zum eigenen Kirchenbau nicht mehr gekommen ist) zur Verfügung. Man siedelt sich an der Stadtmauer oder im armen Stadtteil am Flußlauf an, nicht an bevorzugter Stelle in der Stadt. Gegenüber dem reichen Sakralbau kann man von einer Tendenz zum einfachen Zweckbau sprechen, einem Verzicht auf hierarchische Sonderstellung neben dem Bürgertum. Die eigenen Kirchen haben keinen Glockenturm, kein Querschiff, oft keine Seitenschiffe oder nur ein einziges, oft sind es einfache Saalbauten mit glattem Chorschluß und einfacher Holzdecke. Der gesamte Außenbau ist unbetont, schmucklos, besteht aus billigstem Feld- oder Bruchsteinmaterial oder Ziegelsteinen; größere Wirtschaftsgebäude und Klosterländereien fehlen. Die Augustiner-Eremiten schieben sich zwischen das alte Mönchtum und das städtische Priestertum hinein, gehen mit dem aufstrebenden Bürgertum mit. Der vorhandene billige Bauplatz wird ausgenutzt, ein schematischer Grundriß ist selten rein durchführbar, auch nicht mehr nötig. Oft baut man an fertigen Straßen an einer zufällig freien Stelle.

Beispiele für diese einfachere Bauform sind: Bitsch, Bedburg, Erfurt (ältester Bau, s. Abb. 11), Gmünd, Hillesheim (Eifel), Köln, Konstanz, Lauingen, Leipa, Marienthal, Münnerstadt, Ramsau, Rösrath u. a. Doch diese auf Verkündigung und Anhören eingestellten Zweckbauten blieben nicht immer maßgebend. Das Mönchische als selbständiges Gemeinschaftsprinzip suchte auch im Kirchengebäude seinen Ausdruck und Sonderraum neben der Laienkirche: Chöre werden angebaut oder bei Neubauten in großer Ausdehnung mit vorgesehen, manchmal sogar erhöht und durch einen Lettner von der übrigen Kirche getrennt. Das mönchische Priesterkolleg trennt seine Gottesdienste von den Laien, wenn auch selten so betont wie bei Benediktiner-, Cisterzienser- und großen Kathedralkirchen. Die Klosterkirchen in Biela, Brünn, Erfurt (Abb. 11), Freiburg i. B., Landau, München (Abb. 10), Niederviehbach, Prag, Regensburg, Rössel, Taus, Uttenweiler, Weißenburg, Wien (Abb. 9), Würzburg u. a. sind hier zu nennen.

Die Mehrzahl der Bauten stammt aus dem 14. und 15. Jh., vorher waren kaum Monumentalbauten vorhanden. Die Grundrisse schwanken zwischen oblongem Saalbau, zwei- und dreischiffigen Basiliken (selten) und Hallenkirchen. Das Kloster selbst hat den üblichen Kreuzgang, oft zwei, und etwas Garten; manchmal, besonders in späteren Jahrhunderten, auch Schulanbauten. Die Innenausstattung der Augustinerkirchen zeichnet sich in den Anfangszeiten durch große Einfachheit aus. Das 17. und 18. Jh. dagegen hat auch vor den damals noch bestehenden Klosterkirchen der Augustiner-Eremiten in seinem Bestreben nach reichen Schmuckformen nicht Halt gemacht. Einzelne mittelalterliche Kirchen wurden barock überarbeitet oder reicher ausgestattet (Gmünd; Wien; Breslau, Abb. 12), manche auch im 18. oder 19. Jh. abgetragen (Eßlingen, Nürnberg) oder anderen Bestimmungen zugeführt (München, Magdeburg, Straßburg). Von den Neubauten der letzten Jahrhunderte seien genannt Tittmoning, Mainz. Die Augustinerkirche in Mainz (Neubau 1769-74, Abb. 13 u. 14), in ihrer Einräumigkeit eindrucksvoll, enthält glücklich restaurierte Deckenmalereien von Enderle, die in besonders reicher Form den Ordenspaten Augustin verherrlichen: als patriarcha religiosorum, discipulus veritatis, doctor ecclesiae, malleus haereticorum. Das Leben Augustins und Szenen aus dem Leben und Martyrium großer Ordensangehöriger vervollständigen diesen augustinischen Zyklus.

Zu den Abbildungen

1. Augustiner-Chorherr. Holzschnitt aus Luthers Schrift „Das Papsttum mit seinen Gliedern gemalet und beschrieben“, 1526. Nach Luthers Werke (Weimarer Ausg.) 19, 1897, S. 28.

2. Augustiner-Eremit, dgl. Nach Luthers Werke (Weimarer Ausg.) 19, 1897, S. 15.

3. Ravengiersburg, als A.-Chorherrenstift gegr. 1074. Westfassade 12./13. Jh. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.

4. Halberstadt, Liebfrauenkirche des ehem. A.-Chorherrenstifts, 12. Jh. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin. – Inneres des Chors Sp. 867 Abb. 10, Langhaus Sp. 1044 Abb. 5.

5. Landau (Pfalz), Augustiner-Eremitenkirche, E. 13. Jh. Phot. Bayer. Landesamt f. Denkmalpflege, München.

6. Polling (Obb.), ehem. A.-Chorherrenstiftskirche. Die gotische Anlage (1416-20) barockisiert 1621ff. Phot. d’Arloz, Polling.

7. Rohr (Niederbayern), Kirche des 1133 gegr. A.-Chorherrenstifts. Neubau 1717–19 von Egid Asam. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.

8. St. Florian (Oberösterreich), A.-Chorherrenstift. Ein bestehendes Kloster 1071 den regulierten Chorherren übergeben. Neubau des Stiftes 1686 bis M. 18. Jh. Verlag Mathias Kar, Innsbruck.

9. Wien, Augustinerkirche (beschuhte A.-Eremiten), 1330-39. Die zweischiffige Georgskapelle (erbaut als Versammlungsort für die 1379 wieder aufgehobene Templaise), geweiht 1341, wurde 1631 den unbeschuhten A. übergeben. Nach Inv. Österreich Bd. 14.

10. München, ehem. Augustinerkloster (Eremiten). Erste Gründung 1240, Neubau der Kirche nach Brand 1327, 1621 barock überarbeitet, jetzt profanisiert. Nach Höggmayer [10].

11. Erfurt, Augustinerklosterkirche (Eremiten). Erste Niederlassung 1266, Kirche 1289-1325 erbaut. Lithographie v. J. 1851. Nach Inv. Prov. Sachsen, Stadt Erfurt 2, 1 S. 64.

12. Breslau, Dorotheenkirche (A.-Eremiten), 2. H. 14. Jh., überarbeitet 1686, Ausstattung spätes 17. Jh. Phot. Rud. Jagusch, Breslau.

13. u. 14. Mainz, Augustinerkirche (Eremiten). Neubau des Klosters 1737, der Kirche 1769-74. Phot. Prof. Dr. E. Neeb, Mainz. Grdr. nach Inv. Hessen.

Literatur

I. Geschichte: 1. Max Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, Bd. 1, Paderborn 19333, S. 392ff.; Bd. 2, Paderborn 19343, S. 660. 2. RGG. I Sp. 667f. 3. Buchberger Bd. 1 Sp. 812ff. 4. Theodor Kolde, Die deutsche Augustinerkongregation und Johann von Staupitz, Gotha 1879. 5. Revista Augustiniana, Madrid 1881ff. 6. Analecta Augustiniana, Rom 1905ff. 7. Jahrbücher des Stiftes Klosterneuburg, 1908ff. 8. Hedwig Vonschott, Geistiges Leben im Augustinerorden am Ende des MA. und zu Beginn der Neuzeit, Hist. Stud. 129, Berlin 1915. 9. Joh. Wirges, Die Anfänge der Augustiner Chorherren und die Gründung des Augustiner Chorherren Stifts Ravengiersburg, Diss. Freiburg 1928 (ausführl. Literaturangaben).

II. Denkmäler: 10. M. Höggmayer, Catalogus provincialium OESA per provinciam totius Germaniae seu Alemanniae, Monachii 1729. 11. Paul Coers, Die Bautätigkeit der Augustiner in Niedersachsen während des 12. Jh., Diss. Hannover 1909. 12. Hans Kunze, Die kirchliche Reformbewegung des 12. Jh. im Gebiet der mittl. Elbe und ihr Einfluß auf die Baukunst, Sachsen u. Anhalt I, 1925, S. 400ff. 13. Joh. Ramackers, Marienthal, des ersten deutschen Augustinerklosters Gesch. und Kunst, Cleve-Duisburg 1930. 14. F. Köpps, Das ehemalige Augustiner-Chorherren-Kloster Grauhof bei Goslar am Harz, Grauhof 1930. 15. Ernst Neeb, Die Deckengemälde der Augustinerkirche zu Mainz, Mainz 1936.

Verweise