Apotheose

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englisch: Apotheosis; französisch: Apothéose; italienisch: Apoteosi.


Clemens Sommer (1935)

RDK I, 842–852


RDK I, 843, Abb. 1. Rom, 2. H. 2. Jh. n. Chr.
RDK I, 845, Abb. 2. Oströmisch, M. 5. Jh. London.
RDK I, 847, Abb. 3. Rubens, 1621-25.
RDK I, 849, Abb. 4. Balthasar Permoser, 1721.
RDK I, 851, Abb. 5. J. A. D. Ingres, 1853.
RDK I, 851, Abb. 6. G. Schadow, 1811.

I. Das Wort

Das griechische Wort ἀποϑέωσις (= Vergöttlichung, Erhebung eines Sterblichen unter die Götter; im heutigen Sinne: Verherrlichung profaner Personen in Anlehnung an antike Vorstellungen), zuerst nachweisbar bei Cicero (ad Atticum XII, 36) und bei Strabo (VI, 284), scheint eine Wortbildung der hellenistischen Zeit zu sein. Als Verbum ἀποϑεόω kommt es schon früher vor, so bei Nicolaos Comicos (Fragm. I, 35) ... Γανυμήδης ... ἀποϑεούμενος. Polybios (XII, 23.4) sagt von Kallisthenes, daß er Alexander d. Gr. ἀποϑεοῦν ἐβουλήϑη. In der späthellenistischen und römischen Zeit ist der Gebrauch des Wortes allgemein zu belegen. Es findet auch in den ersten christlichen Jahrhunderten noch vielfache Anwendung, so wenn Prudentius sein Carmen über die Göttlichkeit Christi und die Trinität als „Apotheosis“ bezeichnet (Migne, P. L. 59, S. 915ff.). In neuerer Zeit kommt in Deutschland der Gebrauch des Wortes im 16. Jh. wieder auf, und zwar nur in direkter Beziehung auf die antike Vorstellung (z. B. W. Hamelman in der Vorrede zum „Oldenburgisch chronicon“ 1599), häufiger aber erst im 18. Jh. (Schulz, Fremdwörterbuch 1913, S. 43). Die Anwendung des Wortes auf Werke der bildenden Kunst erfolgt wohl erst im 19. Jh.

II. Die A. in der griechischen Antike

In den griechischen Kulturkreis ist die A. aus dem Orient eingedrungen, wo bei den Ägyptern, Babyloniern und Assyrern die Vergöttlichung des Herrschers seit alters zum sakralen Bestand gehörte. Zunächst setzte allerdings der in Griechenland schon seit frühen Zeiten bestehende Heroenkult ihrer Aufnahme Widerstand entgegen. Erst unter Alexander d. Gr. kam es zu einer Synthese dieser beiden Elemente. Der Heroenkult, dessen uralte Wurzeln aufs engste dem Ahnen- und Totenkult verwandt sind, bildete immer mehr einen wichtigen Bestandteil der religiösen Vorstellungswelt der Hellenen. Zunächst wurden fast alle Helden der griechischen Mythologie heroisiert, im Laufe der Zeit erweiterte sich der Kreis dieser zwischen Göttern und Menschen die Mitte haltenden Heroen aber nach allen Seiten. Ruhmreiche Krieger, Gesetzgeber, Stadtgründer und Könige, aber auch minder bedeutende Verstorbene wurden der kultischen Ehren als Heroen teilhaftig. Die Heroisierung eines lebenden Menschen ist, wenn man von der halb mythischen Persönlichkeit des spartanischen Gesetzgebers Lykurgos absieht, zuerst bei Dion von Syrakus bekannt (Diod. XVI, 20). Ebenso wurden dem spartanischen Feldherrn Lysandros nach der Schlacht bei Aigospotamoi (405) kultische Ehren zugebilligt. Nachdem dann Philipp von Makedonien bereits seine ganze Familie in die Heroisierung seiner Person einbezogen hatte, tat sein Sohn Alexander d.Gr. den entscheidenden Schritt zur eigentlichen Vergöttlichung. Aus dem Bedürfnis heraus, zur Festigung seiner weit gespannten Herrschaftspläne eine einheitliche Formung des Staatsgebäudes durch Verschmelzung griechischer und orientalischer Kultur zu erreichen, suchte er in einem nach den verschiedenen Landesteilen variabeln Herrscherkult diese Ansprüche zu überbauen. Dabei darf die einmalig bezwingende Gewalt seiner Persönlichkeit nicht vergessen werden. Entsprechend dem Zerfall des nur in seiner Gestalt geeinten Reiches unter seinen Nachfolgern nahm die lokale Ausgestaltung des Kultes immer ausgeprägtere Formen an, bei denen Charakter und Familiengeschichte der einzelnen Diadochengeschlechter von Einfluß waren.

In der bildenden Kunst fand die A. der griechischen Zeit geringen Niederschlag, entsprechend der Wandelbarkeit der sakralen Kultformen. Die Darstellungen hellenistischer Fürsten und Feldherren unter der Gestalt von Göttern auf Münzen sind nicht als A. aufzufassen, da bei ihnen nicht der Akt der Erhebung dargestellt wird, sondern die vollendete Tatsache anerkannt wird. Von einer bildlichen Darstellung des Begriffes der A. kann man eher bei den Reliefs reden, die Antiochos von Kommagene an seinem Grabmal auf dem Nemrud-dagh anbringen ließ. Auf ihnen reicht der Herrscher einer Reihe von Göttern die Hand, die ihn durch diesen Gestus als ihresgleichen anerkennen.

Die einzige Darstellung einer A., die einen festen Typus bildete, ist diejenige des Herakles, die schon auf schwarzfigurigen Vasenbildern in ihrer Form anzutreffen ist und in gleicher Weise noch in hellenistischer Zeit wiedergegeben wird. Doch ist dazu zu bemerken, daß die Elemente dieser Darstellung alle dem Mythos gerade dieses Heros entstammen und daher nur für die bildliche Wiedergabe seiner Entrückung charakteristisch sind.

III. Die A. in der römischen Antike

Die eindeutige Festlegung des Begriffes der A. in einem bestimmten bildlichen Typus ist der römischen Kunst vorbehalten geblieben. In den römischen Herrscherkult der Kaiserzeit sind, entsprechend der weitgehenden Durchdringung mit griechischen Kulturelementen, auch vereinzelte Bestandteile der griechischen A. eingegangen. Eigentliche Quelle der A. der römischen Kaiser ist aber die „Konsekration“, die als Einreihung einer Person oder Sache in die Kategorie des Heiligen zum alten sakralen Rechtsbestande der römischen Republik gehörte. Sie konnte ausschließlich durch Senatsbeschluß erfolgen. Nur der tote Kaiser konnte ihrer teilhaftig werden: maledictum est ante apotheosin deum Caesarem nuncupare (Tertullian, Apol. 34, Migne P. L. 1, 451). Seine A. erfolgte im Zusammenhang mit der Bestattung, gedacht als Entrückung des Kaisers vom Scheiterhaufen in den Himmel, die durch Zeugeneid bekräftigt wurde. Diese fiktive Entrückung ist das wesentliche Element der Kaiser-A. „Der Kaiser wurde vergöttlicht, weil, und darum erst, nachdem er entrafft war“ (Bickermann [4]). Daß später diese Entrückung nicht mehr bezeugt wurde, sondern durch eine zweite Bestattung, bei der man statt des Toten sein Wachsbild verbrannte, ersetzt wurde (zuerst bei Trajan), änderte nichts an dieser Tatsache, da das Verschwinden des Wachsbildes als Beweis der Entrückung gewertet wurde.

Diese Eigenart der römischen Kaiser-A. hat auch ihre bildliche Wiedergabe bestimmt. Frühestes Beispiel ist wohl die A. Cäfars an einem unter Augustus angefertigten Altarsockel im Vatikan (Strong [2], Taf. 7). Der Divus Julius, auf einer Quadriga von Flügelrossen emporgetragen, wird von Jupiter, dessen Halbfigur von den Falten des Weltenmantels getragen rechts oben schwebt, empfangen, während die Quadriga des Sol in der linken oberen Ecke erscheint. Der Divi filius Augustus mit den Prinzen seines Hauses wohnt dem Vorgang bei, mit erhobenem Arm den Entschwebenden grüßend. In der A. des Antoninus und der Faustina am Sockel der Antoninssäule (Abb. 1) werden die Halbfiguren des Herrscherpaares, als Jupiter und Juno charakterisiert, von dem riesigen geflügelten Aion zum Himmel emporgetragen, während zwei Adler, die symbolischen Vögel der Entrückung, sie begleiten. Der Flug des Aion geht von der Personifikation des Campus Martius aus, wo die Verbrennungen der verstorbenen Kaiser stattfanden; rechts die sitzende Gestalt der Roma von Waffen umgeben. Der Gedanke der leiblichen Entrückung zu den Göttern ist noch klarer auf einem Elfenbein des Britischen Museums ausgedrückt (Abb. 2). Die Gestalt des Kaisers (Antoninus?) wird von zwei Winddämonen durch den Tierkreis zum Himmel getragen, wo ihn die Götter durch Handreichung begrüßen. Unten der Scheiterhaufen (rogus) mit der Quadriga des Sol, von dem zwei Adler auffliegen; davor ein Elefantenwagen (tensa) mit der Imago des Verstorbenen. Ein Carneo der Pariser Nat.-Bibl. zeigt eine abbrevierte A. (angeblich des Germanicus), wo der Vergöttlichte, von einem Adler emporgetragen, durch eine ihm entgegenschwebende Nike gekrönt wird. Zu Ehren des Konsekrierten wurden Münzen mit Darstellung der Entrückung geprägt, die letzte für Konstantin. Sie zeigt den Entrückten auf einer Quadriga aufwärtsfahrend und von der Hand Gottes emporgezogen.

IV. Die A. in neuerer Zeit

Die Konsekrationsmünze Konstantins ist sinngemäß die letzte Darstellung einer A. Für die christliche Ideenwelt konnte dieser Begriff nicht existieren. Auch die Himmelfahrt Christi ist keine A., da es sich ja um die Rückkehr, nicht um eine Erhebung in den Himmel handelt, obwohl in der Darstellungsform wesentliche Beziehungen zur antiken A. festzustellen sind, s. Himmelfahrt. Ebensowenig sind die Entrückung Mariä oder die zahllosen Verherrlichungen von Heiligen, die später, besonders im 18. Jh., eines der Hauptthemata der kirchlichen Malerei bilden, als A. zu bezeichnen, weil sie nur ein Aufsteigen menschlicher Wesen in die Daseinssphäre Gottes, nicht aber ihre Vergöttlichung bedeuten. Ganz abwegig ist es, etwa von einer A. des Benediktinerordens oder einer A. des hl. Meßopfers (Inv. Bayern I, 2, S. 2038 und IV, 20, S. 252) zu sprechen. Vgl. die Art. Heroisierung, Triumph, Verherrlichung, Verklärung, Verzückung.

Von einer Wiederaufnahme des Gedankens der A. kann man daher erst in dem Augenblick sprechen, wo sie, völlig dem Bereich des Sakralen entzogen, zur metaphorischen Verherrlichung fürstlicher Verdienste verwandt wird. Den Anstoß hierzu gab der französische Hof, der bereits im 16. Jh. unter direkter Anlehnung an antik-römische Vorstellungen sein höfisches Zeremoniell ausbaute (vgl. die interessante Übernahme der Doppelbestattung in effigie aus dem Ritus der römischen Kaiserbestattung; Bickermann [4], S. 32). So kann man als die erste A.-Darstellung neuerer Zeit wohl das Gemälde der Entrückung Heinrichs IV. aus Rubens’ Zyklus der Maria von Medici im Louvre (1621 bis 1625) bezeichnen, der sich ja durchgehend aus antikem Ideengut aufbaut (Abb. 3). Hier sind die wesentlichen Elemente der römischen Kaiser-A. verwandt: das Emporschweben zur himmlischen Sphäre, in der die Götter auf Wolken vom Tierkreis umschlossen thronen, der Adler u. a. Auch von Jakob I. von England und Wilhelm d. Schweiger von Oranien hat Rubens Apotheosen gemalt (Leningrad und London).

a) Frankreich

In der französischen Kunst hören die A.-Darstellungen seitdem nicht mehr auf. In einer so reinen und eindeutigen Form wie bei Rubens treten sie allerdings nicht wieder in Erscheinung. Weder bei den Verherrlichungen Le Bruns oder Le Sueurs, die der Person Ludwigs XIV. gelten, noch bei den Hofbildhauern wie Puget, Girardon und andern sind die wesentlichen Züge der A. klar zum Ausdruck gebracht, sondern nur einzelne der zugehörigen antikischen Vorstellungen mit christlichen Gedankengängen – oft in enger Verbindung – verwoben. Ein schönes Beispiel solcher Durchdringung verschiedener Bestandteile ist das Grabmal des Marquis de Vaubrun in Château de Serrant von Coysevox (1705), wo dem zwischen Trophäen auf dem Sarkophag gelagerten Verstorbenen zu Füßen die Witwe klagt, während ein Genius mit der Rüstung emporschwebend den Lorbeerkranz über seinem Haupte hält (Michel VI, 2, S. 741). Aus ähnlichen Assoziationen heraus entstand auch der Aufbau an Pigalles Grabmal des Marschalls Moritz von Sachsen in der Thomaskirche zu Straßburg.

Der leer gewordene Begriff wird noch einmal gefüllt durch das Erscheinen Napoleons I., des Herrschers, der in seinem Wollen, Handeln und Sein auf das Erbe der Cäsaren zurückgriff. Auf J. P. Cortots Verherrlichung Napoleons am Arc de l’Etoile(1824) fehlt allerdings das Moment der Entrückung. Aber alle Bestandteile dieses allegorischen Aufbaus sind dem Umkreis der römischen Kaiserverehrung entnommen, wenn es sich auch mehr um eine Heroisierung als um eine A. im eigentlichen Sinne handelt. Dies gilt dagegen von dem nur im Entwurf erhaltenen Deckengemälde mit der A. Napoleons, das Ingres 1853 für das Pariser Rathaus malte(Abb. 5). Hier fährt der als antiker Heros charakterisierte Kaiser, von einer Nike gekrönt und von dem Adler begleitet, auf der Quadriga durch den Tierkreis zum Himmel; unter ihm der leere Thronsessel an Stelle des Rogus, links das trauernde Paris hinter ihm herblickend. (Die sog. A. des Homer des gleichen Künstlers entbehrt dagegen wieder aller wesentlichen Züge und stellt sich als *Heroisierung dar.) Zu Lebzeiten Napoleons entstand die A., die Andrea Appiani im Palazzo Reale zu Mailand (1808) malte. Antiker Vorstellung entspricht die Gestalt des Kaisers mit den Attributen der Herrschaft, das Emporsteigen zu dem Zodiakus, der sich über seinem Haupte spannt, der Adler zu seinen Füßen; ungewöhnlich dagegen ist das Emporheben des Thrones durch geflügelte Genien – hier scheint der Gedanke der Schilderhebung hereinzuspielen – sowie der Chor von Genien oder Niken, die mit Kronen herbeischweben und die wohl als Verkörperungen der Siege und Eroberungen des Herrschers zu verstehen sind (Abb. bei Emilio Cecchi, Pittura italiana dell’ ottocento, Rom-Mailand o. J., Taf. 2).

b) Deutschland

In der deutschen Kunst finden wir die A. völlig im Fahrwasser der französischen Entwicklung. In unendlichen Varianten und in jedem Material bis zum Porzellan gibt es Verherrlichungen der absolutistischen Fürsten aller Grade, die stets dem Beispiel, das die Umwelt des Roi soleil gab, ihre Form verdanken. Sie als A. zu bezeichnen, würde eine völlige Entleerung des Begriffes bedeuten. Nur einige markante Beispiele seien genannt: die berühmte „Apotheose“ des Prinzen Eugen von Balthasar Permoser im Wiener Belvedere (1721, Abb. 4) ist ein wahres Sammelsurium allegorischer Gedankengänge, von denen eigentlich nicht ein einziger dem Bereich der A. angehört. Weder der Besiegte unter seinen Füßen noch die Fama, weder die Sonnenscheibe in der Hand des geflügelten Genius noch die Putten oder die Attribute des Herkules sind der antiken Typik entnommen. Es handelt sich um eine reine Allegorisierung fürstlichen Heldentums. Nicht anders ist es bei den weiteren sog. A. des gleichen Künstlers, die er zu Ehren Augusts des Starken schuf (Dresden und Elitra). Die A. Karls VI. von Raphael Donner (1734) im Wiener Barockmuseum hat wenigstens die krönende Nike aus dem römischen Herrscherkult übernommen. Im übrigen ist aber auch sie nur eine Verherrlichung des Kaisers, bei der das wesentliche Element der Entrückung zu den Göttern nicht einmal angedeutet ist. Ähnlich verhält es sich bei den meisten der sog. A. Angesichts einer Darstellung wie derjenigen Christian Jorhans d. J. in der Passauer Residenz (Inv. Bayern IV, 3, S. 401), wo die Büste des Fürstbischofs Thomas von Thun in einer Leier von einem ofenartigen Untersatz getragen wird, an den sich ein Genius mit Fackel lehnt (1796), von A. zu reden, heißt den letzten Sinn aus diesem Worte vertreiben.

Neben den Werken der Plastik boten die dekorativen Malereien an Decken und Wänden der Paläste des 17. und 18. Jh. Gelegenheit zu Verherrlichungen profanen Inhaltes, bei denen die unbegrenzte Steigerungsmöglichkeit der Figurenzahl zu einer wahren Hypertrophie des allegorischen Apparates führte. Auf Altomontes „Apotheose“ des Prinzen Eugen im Wiener Belvedere (1716) ruht der Verherrlichte, von den Gestalten der Tapferkeit und der Fama umgeben, auf Wolken, während der Götterbote Hermes zu ihm herniederschwebt und Apoll auf dem Sonnenwagen über ihm seine Bahn zieht. Putten, Genien und weitere allegorische Gestalten beleben den übrigen Raum. Also wieder von den wesentlichen Zügen der antiken A. keine Spur.

Es erübrigt sich, auf die unendliche Zahl gleichartiger Decken- und Wandgemälde einzugehen, die in immer neuen Variationen das Thema der Verherrlichung irgendeiner Person oder Sache mit ungeheurem Aufwand figürlicher Allegorie ausmalen (vgl. z. B. Deckengemälde des Carlone in Schloß Brühl; Renard-Metternich, Berlin 1934, Taf. 32). Man hat sich heute gewöhnt, diese Darstellung als A. zu bezeichnen, aber, abgesehen davon, daß von der Herausbildung eines erkennbaren Typus überhaupt nicht die Rede sein kann, entbehren sie alle das für den Begriff der A. fundamentale Moment der Entrückung zu den Göttern.

Der Klassizismus brachte zwar auch in Deutschland ein stärkeres Zurückgreifen auf antike Formen und Vorstellungen, aber es fehlte im Gegensatz zu Frankreich hier die Persönlichkeit, um die sich diese Ideenwelt kristallisieren konnte. Die bürgerliche Haltung des 19. Jh. widerstrebte im bewußten Gegensatz einer Verherrlichung des Ausnahmemenschen im napoleonischen Sinne. Die A. der Königin Luise von Schadow in der Kirche zu Paretz (1811, Abb. 6) läßt das deutlich erkennen. Die Formen sind klassizistisch, aber die dünnblütige Symbolik ist weit von aller antiken Vorstellung entfernt. Die christlichen Tugenden: Hoffnung, Liebe, Glaube, Treue in antiker Gewandung umgeben die von der Erdkugel aufschwebende Gestalt der Königin, die durch ihre Haltung der Immakulata und den Sternennimbus in eine sonderbare Parallele zur Himmelskönigin gebracht ist. Das antike Element ist in die unterste Zone gebannt, wo neben Brennus (Brandenburg) mit dem Berliner Bär vor allem die Gestalt der trauernden Borussia und der Adler an den römischen Vorstellungskreis erinnern. Die Fremdheit des Klassizismus gegenüber antiker Begriffsklarheit spricht sich ebenso aus, wenn etwa Dannecker seine Kolossalbüste Schillers als „Apotheose“ des Dichters bezeichnet; vgl. auch Sp. 364, Abb. 14.

Wenn schon der Klassizismus in Deutschland der Darstellung der A. völlig fremd gegenüberstand, so ist es nicht zu verwundern, daß die weitere Entwicklung kein Wiedererstehen dieses Begriffes in der Kunst bringen konnte. Nicht einmal die Kunst der Gründerjahre, die doch sonst der Allegorie in antikischer Form, wenn auch in dünnstem Aufguß, erneutes Interesse zuwandte, hat zu einer Neubelebung der A. geführt, trotzdem das Wort in der Sprache, allerdings jeder klaren Begriffsbestimmung entleert, zum gebräuchlichen Terminus geworden ist.

Zu den Abbildungen

1. Rom, Vatikan. Museum, Relief vom Sockel der Antoninus-Säule, 2. H. 2. Jh. n. Chr. Nach Walther Amelung, Die Skulpturen des Vatican. Museums, Berlin 1903, Taf. 116.

2. London, Brit. Museum. Elfenbeindiptychon, M. 5. Jh. Nach Rich. Delbrück, Die Consulardiptychen, Berlin und Leipzig 1929, Taf. 59.

3. P. P. Rubens, Gemälde aus dem Zyklus der Maria von Medici, 1621-25. Paris, Louvre. Phot. Alinari, Florenz.

4. Balthasar Permoser, Prinz Eugen, 1721. Wien, Barockmuseum. Phot. Anton Schroll & Co., Wien.

5. J. A. D. Ingres, Entwurf für ein Deckengemälde, 1853. Phot. Neurdin (Giraudon), Paris.

6. Gottfried Schadow, Tonrelief in der Gutskirche zu Paretz, 1811. Phot. Dr. F. Stoedtner, Berlin.

Literatur

1. Pauly-Wissowa II, 1, Sp. 184ff. (Apotheose); ebd. IV, 1, Sp. 896ff. (Consecratio); ebd. Suppl.-Bd. IV, Sp. 806ff. (Kaiserkult). 2. Mrs. Arth. Strong, Apotheosis and after Life, London 1915. 3. Fr. Cumont, L’aigle funéraire d’Hiérapolis et l’apothéose des empereurs, Etudes Syriennes, Paris 1917, S. 85. 4. Elias Bickermann, Die römische Kaiserapotheose, Arch. f. Religionswissenschaft 27, 1929, S. 1ff. 5. Hubert Schrade, Zur Ikonographie der Himmelfahrt Christi, Vorträge der Bibl. Warburg 1928-29, Leipzig 1930, S. 66ff.