Apokalypse (Geheime Offenbarung des hl. Johannes)
englisch: Apocalypse; französisch: Apocalypse; italienisch: Apocalisse.
Wilhelm Neuß (1935)
RDK I, 751–781
I. Name, Verfasser, Entstehung
Die A. (Ἀποϰάλυψις Ἰωάννου), in der Vulgata mit Beibehaltung des griechischen Wortes als Apocalypsis beati Johannis apostoli, in den deutschen Übersetzungen gewöhnlich als Geheime Offenbarung bezeichnet, steht ihres besonderen Charakters wegen am Schluß des neutestamentlichen Kanons. In Benutzung einer schon in der späteren jüdischen Literatur nicht unbekannten Form von Visionenbüchern (Henochbücher, Himmelfahrt des Moses, Himmelfahrt des Elias u. a.) hat sie der Apostel Johannes in der Spätzeit seines Lebens, gegen Ende der Regierung des Kaisers Domitian (81–96), unter dem Eindruck der von diesem ins Werk gesetzten Christenverfolgung verfaßt. Johannes war damals der oberste Leiter der kleinasiatischen Christengemeinden. Nach seiner eigenen Angabe (fui in insula quae appellatur Patmos propter verbum Dei et testimonium Jesu, Apok. I, 9) und der schon vom hl. Irenäus von Lyon, dem Schüler des Johannes-Schülers Polykarp (Adv. haer. V, 30, 3), bezeugten Überlieferung weilte er als Verbannter auf der Insel Patmos. Der Gesamtinhalt ist eine glutvolle Ermahnung an die bedrängten Christen, speziell an die von Kleinasien, sich durch Abstellung alles Bösen der Hilfe Gottes würdig zu machen, und eine Schilderung des Kampfes der im Heidentum lebendigen teuflischen Mächte gegen die Kirche, aber auch des endlichen Sieges der Kirche. In erster Linie ist die A. daher zeitgeschichtlich. Aber indem der Kampf als ganzer geschaut und bis zum Ende verfolgt wird, erheben sich die Visionen in eine überzeitliche Höhe. Darauf beruht die Möglichkeit sowohl zeitgeschichtlicher als auch allgemein-eschatologischer Deutung, d. h. die eigentliche Schwierigkeit derselben, und der Anreiz, der in Zeiten großer religiöser Erregung immer neu wirksam wird, aus der A. Aufklärung für die dunkeln Fragen der Gegenwart und nächsten Zukunft zu schöpfen.
II. Inhalt
Im einzelnen ist die Anlage diese: Johannes sieht zwischen 7 Leuchtern Christus, goldgegürtet, 7 Sterne in der Rechten, ein zweischneidiges Schwert von seinem Munde ausgehend; er fällt ihm zu Füßen und wird von ihm geheißen, Mahnschreiben an die 7 kleinasiatischen Gemeinden (Kirchen) Ephesus, Smyrna, Pergamum, Thiatira, Sardis, Philadelphia, Laodicea zu richten (c. 1–3). Eine 2. Vision läßt Johannes Gott im Himmel erblicken, auf einem Thron, von einer Regenbogenglorie umgeben, vor dem Thron 7 brennende Lampen, ferner 4 Lebende, d. h. Löwe, Rind, Mensch und Adler, mit je 6 augenbedeckten Flügeln, ringsum 24 Älteste, sitzend, in weißen Gewändern mit goldenen Kränzen (coronae, Kronen), die sie Gott, vor dem Thron niederfallend, darbringen (c. 4). Ein Lamm mit 7 Hörnern und 10 Augen erscheint vor dem Thron, das von Gott gehaltene Buch zu empfangen und die 7 Siegel zu lösen, unter den Lobgesängen der Engel, der Lebenden und der Ältesten, die den Gesang mit dem Spiele ihrer Zithern begleiten und die Gefäße der aufsteigenden Gebete der Heiligen tragen (c. 5). Es folgt die Öffnung der 7 Siegel, einzeln nacheinander, durch das Lamm (c. 6 bis c. 8, 1). Nach der Öffnung der ersten 4 Siegel erscheint je ein Reiter mit Bogen auf einem weißen Pferde, die Gewalt, mit Schwert und feurigem Pferde, der Krieg, mit Waage auf schwarzem Pferde, der Hunger, und endlich auf gelbem Pferde ein Reiter ohne Abzeichen, aber hinter ihm der „infernus“ (die Hölle), der Tod (c. 6, 2–8). Nach der Öffnung des 5. Siegels erscheinen unter einem Altare die Seelen der Ermordeten (der Märtyrer), denen weiße Gewänder gegeben werden (c. 6, 9–11). Nach der des 6. Siegels bebt die Erde, die Sonne wird schwarz, der Mond blutrot, die Sterne fallen, der Himmel rollt sich auf wie eine Buchrolle, Berge und Inseln weichen, die Könige und Mächtigen der Welt verbergen sich in den Höhlen der Erde (c. 6, 12–17). Ehe das 7. Siegel geöffnet wird, halten 4 Engel die 4 Vernichtungswinde zurück, bis 144 000 Gerechte, 12 000 aus jedem Stamm Israels, die, weißgekleidet und gewaschen im Blute des Lammes, Palmen in den Händen, den Thron Gottes umstehen, an ihren Stirnen bezeichnet sind (c. 7). Der Öffnung des 7. Siegels folgt ein halbstündiges Schweigen im Himmel, das Erscheinen von 7 Engeln, die jeder eine Posaune erhalten, eines goldenen Weihrauchaltars, von dem die Gebete der Gerechten aufsteigen und Feuer auf die Erde geworfen wird, dort furchtbare Gewitter erzeugend (c. 8, 1–5), und dann das Blasen der 7 Engel je in ihre Posaune. Jedem Posaunenstoße folgt ein furchtbares Schreckzeichen: 1. Feuer, Hagel und Blut vom Himmel verbrennt ein Drittel der Erde, 2. ein vom Himmel fallender flammender Berg macht ein Drittel des Meeres zu Blut, 3. ein fallender brennender Stern vergiftet ein Drittel der Flüsse, 4. von Sonne und Mond wird ein Drittel verfinstert, 5. ein Engel öffnet den Brunnen des Abgrunds, dem gepanzerte Unwesen, gleich Heuschrecken mit Skorpionenschwänzen, Pferdeleibern und gekrönten langhaarigen Menschenhäuptern, entsteigen, die Menschen zu quälen, 6. vier böse Engel am Euphrat werden entfesselt, und an der Spitze eines Heeres, das auf löwenhäuptigen und schlangenschwänzigen Pferden reitet, aus deren Mund Feuer, Rauch und Schwefel dringen, töten sie ein Drittel der Menschen (c. 8, 7 bis c. 9, 21). Ein von einer Wolke umgebener Engel, mit Füßen gleich Feuersäulen, den einen auf die Erde, den anderen auf das Meer gestellt, gibt Johannes ein Buch zu essen, in dessen Kraft er die Strafbotschaft den Heidenvölkern und -fürsten verkündigen soll, und einen Stab, den Tempel zu messen (c. 10, 1 bis 11, 2). Zwei Zeugen werden den Bösen 1260 Tage predigen, von ihnen getötet, aber dann zum Himmel entrückt werden (c. 11, 3 bis 14). Der 7. Engel bläst, und Jubel im Himmel kündigt den Sieg des Reiches Christi an, den das Erscheinen der Bundeslade im Tempel Gottes im Himmel unter Blitz, Donner und Erdbeben bestätigt (c. 11, 15–19). Der Kampf bricht aus, indem im Himmel ein sonnenumkleidetes Weib erscheint, den Mond zu Füßen, 12 Sterne um das Haupt, in Geburtswehen schreiend. Gegen sie und das alsdann von ihr geborene Kind erhebt sich ein roter Drache mit 7 gekrönten Häuptern und mit 10 Hörnern mit seinen „Engeln“. Indes das Weib in die Wüste entflieht und ihr Kind zu Gottes Thron in Sicherheit gebracht wird, wirft Michael mit seinen Engeln den Drachen und seine Schar auf die Erde (c. 12), wo sich zunächst eine dem Meer entsteigende Bestie, gleichfalls mit 7 Köpfen und 10 gekrönten Hörnern, eine Mischgestalt aus Panther, Bär und Löwe, ihm zugesellt und, von den Menschen angebetet, den Kampf gegen die Guten entfesselt, dazu dann noch ein der Erde entsteigendes Tier, mit Hörnern wie ein Schafbock (c. 13), während auf dem Berge Sion das Lamm sichtbar wird, dem die 144 000 unter Zitherklang ihr Lied singen (c. 14, 1–5), ein Engel mit dem „ewigen Evangelium“ mitten durch den Himmel fliegt, die Gerechten zu ermutigen, ein zweiter Engel Babylons Fall, ein dritter die Strafe der Bösen hinausruft (c. 14, 6–13), endlich auf einer weißen Wolke der gekrönte Menschensohn mit einer Sichel in der Hand erscheint, zum Zeichen, daß die Ernte des Zorns reif ist, die von Engeln an Getreide und Weinreben vollzogen wird, wobei Blut den gekelterten Trauben entströmt, so daß die Pferde 1600 Stadien weit im Blute waten (c. 14, 14–20).
Die Vollziehung des Gerichts im einzelnen zeigt eine neue Vision. 7 Engel treten aus dem Bundeszelt im Himmel, erhalten jeder eine goldene Schale, voll vom Zorn Gottes, und gießen sie, Tod verbreitend, der Reihe nach aus (c. 15 u. 16): der 1. auf die Erde, der 2. auf das Meer, der 3. auf die Flüsse, der 4. auf die Sonne, der 5. auf den Thron der Bestie, der 6. auf den Euphrat. Drache, Bestie und der „falsche Prophet“ erscheinen; aus ihrem Munde gehen, wie Frösche, die bösen Geister aus. Der 7.Engel gießt seine Schale in die Luft, und unter furchtbarem Gewitter zerfällt „die große Stadt“ (d. h. Rom, das neue Babel). Als Buhlerin, reitend auf scharlachfarbigem, 7köpfigem Tier mit 10 Hörnern, erscheint Babel am Wasser, trunken vom Blute der Heiligen. Engel verkünden ihren Untergang. Einer wirft einen Mühlstein in das Meer, als Sinnbild ihrer Versenkung in gänzliche Vernichtung (c. 17 u. 18). Im Himmel erklingt Alleluja zur Feier der „Hochzeit des Lammes“ (c. 19, 1–10); auf weißem Rosse reitet aus dem Himmel Christus als Reiter „Wahrhaft und Treu“ an der Spitze eines Heeres, um die Herrschaft über die Völker anzutreten (c. 19, 11–16), indes ein „Engel in der Sonne“ die Vögel des Himmels bereits herbeiruft, sich auf die Beute zu stürzen (c. 19, 17 u. 18). Das Heer Christi siegt, die Bestie und der „falsche Prophet“ werden in den Schwefelpfuhl geworfen (c. 19, 19–21), und ein Engel bindet den Drachen für 1000 Jahre im verschlossenen Abgrund (c. 20, 1–3; vgl. Antichrist, Sp. 721 u. 722, Abb. 1 u. 2). Die erste Auferstehung, die der Gerechten, erfolgt (c. 20, 4–6), bis nach den 1000 Jahren der Satan gelöst wird, mit „Gog“ und „Magog“ den letzten Kampf gegen Gott wagen darf, dann aber mit dem falschen Propheten für immer in den Feuerpfuhl geworfen wird, wohin die nunmehr auch auferstehenden und gerichteten bösen Menschen folgen (c. 20, 7–15). Ein neuer Himmel und eine neue Erde erscheinen. Auf die Erde läßt sich nieder das neue Jerusalem, wie eine Braut geschmückt. 12 Tore aus Perlen umgeben die aus Gold gebaute und auf Edelsteinen begründete Stadt, deren Leuchte das Lamm ist (c. 21). Vom Thron Gottes und des Lammes geht ein „Fluß des Wassers des Lebens“ aus, an dessen Ufern nie verwelkende Fruchtbäume wachsen (c. 22, 1–5). Christus, der „Erste und Letzte“, das „Α und Ω“, „der Anfang und das Ende“, wird bald kommen, alles zu verwirklichen (c. 22, 7–21).
III. Einzeldarstellungen in der bildenden Kunst
Von diesem reichen, in auf- und nieder- steigenden Bildern sich darbietenden Inhalt hat das altchristliche Denken und, ihm folgend, bald auch die altchristliche Kunst auf doppelte Weise Gebrauch gemacht und damit der Zukunft Wege gewiesen, die auch die deutsche Kunst des Mittelalters und der Neuzeit nicht verlassen hat. Einzelne, leicht faßliche und ansprechende Visionen erhielten früh ihren festen Platz in der einheitlichen Auslegung der Theologen und daher auch in der Symbolik der Kunst. In der Gesamtauslegung und -illustrierung dagegen zeigen sich größere Schwierigkeiten und Unterschiede. Christus, der thront über den 4 Lebenden, der die Schlüssel des Todes und der Unterwelt hat, Christus als das Lamm, das allein die 7 Siegel des Buches lösen kann, oder als das Lamm auf dem Berge Sion, Christus mit dem Α und dem Ω, die Auserwählten mit Palmen, Kronen und weißen Gewändern, das sind Motive, die wir schon seit dem 2. Jh. bei den Theologen als Bilder der Gottheit Christi und der Herrlichkeit des Himmels finden. Seit dem 4. Jh. erhalten sie auch ihre feste Stelle in der Kunst, um sie für immer zu behaupten. Die 4 Lebenden erscheinen schon um 400 in S. Pudenziana in Rom neben dem thronenden Christus, und zwar in der Bedeutung als Sinnbilder der 4 Evangelisten, einer Bedeutung, die wir zuerst bei dem hl. Irenäus von Lyon in der 2. H. 2. Jh. bezeugt finden. Christus über den 7 Leuchtern und den 24 Ältesten begegnet uns im 5. Jh. auf dem Triumphbogen von S.Paul vor den Mauern in Rom, als Lamm auf dem Berge, dazu die Buchrolle mit den 7 Siegeln und die 7 Leuchter, in den Mosaiken, die Papst Felix IV. (526–530) in S. Cosma e Damiano machen ließ. Das Lamm auf dem Berge, von dem 4 Flüsse niederströmen, kommt, außer in der altkirchlichen Malerei, besonders häufig auf Sarkophagen, vor allem denen von Ravenna, vor. Die Seligen in weißen Gewändern, Christus ihre Kronen darbringend, waren wahrscheinlich schon zur Zeit Konstantins auf der Fassade der Peterskirche dargestellt.
Bei der Gesamtauslegung der A. aber stand man vor den Schwierigkeiten, die sich aus den zeitgeschichtlich-realistischen Motiven des Textes ergeben mußten, besonders aber vor der Frage, ob vor der allgemeinen Auferstehung noch die erste, nur der Gerechten, und ihr tausendjähriges Reich angenommen werden dürfe (Chiliasmus) oder nicht. Im Kampf mit schwärmerischen chiliastischen Sekten ging man in weiten Gebieten des christlichen Ostens vom 3. bis zum 6. Jh. von kirchlicher Seite sogar so weit, die Apostolizität der A. selbst, auf die sich jene beriefen, zu bestreiten. Die Folge davon war, daß auch die Kunst des Ostens gegen die A. in jenen Jahrhunderten sehr zurückhaltend war und anscheinend keine anderen apokalyptischen Motive übernahm als das Α und Ω neben dem Kreuz oder Christus-Monogramm als Symbol der Gottheit Christi. Vor allem hat der Osten aus dem genannten Grund in der älteren Zeit keine durchgehende Illustration der A. hervorgebracht. Das hat nur das Abendland getan. Aus frühmittelalterlichen illustrierten A.-Handschriften können wir nicht weniger als 3 voneinander ganz unabhängige altchristlich-abendländische Zyklen der Buchmalerei erschließen: einen spanisch-nordafrikanischen, erhalten in dem 786 von dem asturischen Mönche Beatus von Liébana verfaßten Kommentar, einen italischen und einen vermutlich gallischen (vgl. über die 3 Zyklen [7]).
Die monumentale Kunst des deutschen Mittelalters (wie auch der übrigen Länder des christlichen Abendlands) hat von den Einzelmotiven zunächst und vor allem die Majestas Christi übernommen (Soest, 12. Jh.; Abb. 1). Die karolingischen Kuppelmosaiken der Aachener Pfalzkapelle enthielten Christus mit Α und Ω, den 4 Lebenden und den 24 Ältesten (vgl. Paul Clemen, Die romanische Monumentalmalerei der Rheinlande, Düsseldorf 1916, S. 21ff. u. 62ff.). Auf eine ähnliche Darstellung in einer nicht mehr zu ermittelnden Kirche weist ein Titulus Alkuins hin (M. G. Poetae lat. I, 292). Der Nachhall solcher Monumentalmalereien sind wohl die Majestasdarstellungen der Londoner Alkuinbibel (Brit. Mus. Add. 10546), der Pariser Bibel Karls d. Kahlen (Bibl. Nat., lat. 1), des Cod. aureus aus S. Emmeram der Münchener Staatsbibl. (lat. 14 000) und der Bibel von S. Paul vor den Mauern bei Rom. Die Majestas mit den 4 apokalyptischen Lebenden als Symbolen der Evangelisten ist dann für die ganze abendländische Kunst, also auch für die deutsche, kanonisch geworden; einzelne Beispiele anzuführen erübrigt sich. Reste einer anscheinend nicht zu einer Majestas gehörenden Darstellung der Lebenden, mit Beischrift nach Apok. 5, 5 aus dem 11. Jh. sind in der Stiftskirche zu Münstereifel erhalten (Clemen, Roman. Monumentalmalerei, S. 2oof.). Stark von apokalyptischen Zügen bestimmt sind im 12. Jh. die Deckengemälde der Oberkirche von Schwarzrheindorf bei Bonn, deren Thema die Hochzeit des Lammes (Apok. 19, 7) ist, wobei die Seligen mit apokalyptischen Schriftstellen gekennzeichnet werden (Apok. 7, 13). Vielleicht ist auch Johannes vom Künstler gedacht im Schauen des himmlischen Jerusalem (Apok. 21, 9); das Schriftband ist heute erloschen; das Lamm im Mittelfelde ist nicht mehr erhalten (Ildef. Herwegen, Der Gemäldezyklus in der Oberkirche zu Schwarzrheindorf; Anhang zu W. Neuß, Das Buch Ezechiel in Theologie und Kunst bis zum E. 12. Jh., Münster i. W. 1912, S. 308ff.; Clemen, Roman. Monumentalmalerei, S. 343ff.). Auch in den Fresken der Westempore des Domes von Gurk (13. Jh.) ist Johannes als Seher des himmlischen Jerusalems dargestellt (K. Ginhart u. B. Grimschitz, Der Dom zu Gurk, Wien 1930, S. 61f.). Selbst in die Paramentik drangen apokalyptische Motive ein, wie auf dem ursprünglich als Kasel für die Kirche von Stephan d. Hl. 1031 gestifteten ungarischen Krönungsmantel (J. Braun, Die liturgische Gewandung im Occident und Orient, Freiburg i. B. 1907, S. 229).
IV. Illustration
a) Miniaturen
Das eigentliche Feld der künstlerischen Behandlung der A. ist aber im Mittelalter die Buchmalerei und der ihr entwachsende Holzschnitt. Von den 3 obenerwähnten, letztlich auf altchristliche illustrierte A. zurückgehenden Reihen ist die spanische ohne Einfluß auf die deutsche Kunst geblieben. Die gallische reicht in die deutsche Kunst hinein durch Cod. 31 der Trierer Stadtbibl., eine durchillustrierte A. des 9. Jh., bei der 76 ganzseitige Bilder je einer Seite Text gegenüberstehen (Abb. 2 u. 3). Eine ungefähr gleichzeitige, vielleicht ein wenig jüngere Schwesterhandschrift ist die A. Ms. 366 der Bibl. mun. von Cambrai (Sp. 723, Abb. 3). Beide entstammen dem ostfränkischen Gebiet, die in Trier vermutlich dieser Stadt selbst. Die Cambraier Handschrift hat einige Blätter verloren. Die Bilder stimmen in beiden fast genau überein; nur sind die Cambraier besser ausgeführt, aber in einzelnen Zügen der Vorlage weniger treu als die Trierer. Die Illustration ist sehr ausführlich, aber ohne besonderen Schwung. Auf die spätere Kunst hat der Zyklus dieser beiden Handschriften anscheinend keinen Einfluß ausgeübt.
Der auf eine italische altchristliche Vorlage zurückgehende Zyklus besteht in 5 Handschriften des 9.–12. Jh., von denen 3 der deutschen Kunst angehören und eine weitere für diese wichtige Aufschlüsse vermittelt. In stark reduzierter, von ungeschickter Hand gestalteter Form liegt er vor in den beiden illustrierten, untereinander naheverwandten, dem 9.–10. Jh. entstammenden Α., Paris, Bibl. Nat., Nouv. acq., lat. 1132, und Valenciennes, Bibl. mun. Ms. 99 (Abb. 4 u. 6; Sp. 721, Abb. 1 [5]). Die erstgenannte ist durch althochdeutsche Glossen, die zweite durch den Namen des Schreibers (Otholt) als oberdeutsch, vermutlich des zum Salzburger Sprengel gehörenden Gebietes, erkennbar. Auf den gleichen Archetypus geht, trotz ihrer auf den ersten Blick ganz anderen Art, die Bamberger A. (Bamberg, Staatsbibl., Ms.-Bibl. 140, früher A II 42 [4]) zurück, ein Hauptwerk der Reichenauer Schule um 1000, von großartiger stilistischer Kraft, und Einheit, mit 50 Miniaturen zum Text (Abb. 5, 7–10; Sp. 722, Abb. 2). Daß die stilistische Schönheit nicht immer mit ikonographischer Treue gegen den Archetypus verbunden ist, ergibt eine genauere Analyse der beiden anderen Vertreter der Gruppe: der zur A. gehörenden Illustration im 4. Bande der katalanischen Bibel aus Sant Pere de Roda (Paris, Bibl. Nat., lat. 6) aus dem 11. Jh. und den anspruchslosen Federumrißzeichnungen in dem Beatus-Kommentar (s. oben) der Berliner Staatsbibl., Theol. lat. fol. 561, der in der 2. H. 12. Jh. in Italien geschrieben und, ganz unabhängig von der eigentlich zugehörigen spanischen, mit einer neuen Miniaturenfolge des italischen Typus versehen worden ist (Abb. 11–13; vgl. über die ganze Gruppe [7]; über die Trierer A. noch besonders M. Keuffer, Beschreibendes Verzeichnis der Hss. der Stadtbibl. zu Trier, Bd. I, Trier 1888; über die von Paris und Valenciennes [5]; über die Bamberger [4]).
Die Illustration des Berliner Beatus ist der Schlüssel zur Erkenntnis, daß auch die sog. anglo-normannischen, besser vielleicht „englisch-französischen“ illustrierten A. (Abb. 14 u. 15), von denen wieder die spätmittelalterliche deutsche Illustration der A. abhängt, auf eine Handschrift des italischen Typus zurückgehen. In etwa 60 Vertretern des 13.–15. Jh. noch erhalten, enthalten sie ca. 80 gotisch schwungvolle Miniaturen, begleitet von einem biblischen und einem moralisch-erklärenden Texte, dazu als Einleitungs- und Schlußbilder bis zu 17 Szenen aus der Legende des hl. Johannes (vgl. über die Hss. und ihren Inhalt [2], über ihren Zusammenhang mit der italischen Gruppe [8, S. 185ff.], über den Bestand an Hss. auch, aber ohne richtige Erkenntnis der Zusammenhänge, M. R. James, The apocalypse in art, London 1931. James hat auch in den Veröffentlichungen des Roxburghe Club, 1909 u. 1922, mehrere der engl. Hss. herausgegeben).
In welcher Weise die englisch-französische A. aus dem italischen Typus hervorgegangen ist, steht noch nicht fest. Möglich ist, daß der Weg über Deutschland gegangen ist, da das „Scriptum super apocalypsim“ (über dieses siehe weiter unten), dessen Illustrationen auch dem Typus der „englisch-französischen“ A. angehören, nach einer Vorlage gearbeitet zu sein scheint, deren Prototyp älter gewesen ist, als die erhaltenen englischen und französischen Exemplare selbst (Beschreibung der Dresdener Hs. bei R. Bruck, Die Malereien in den Hss. des Königreichs Sachsen, Dresden 1906; vollständ. Reproduktion der Prager in [1]). Auf eine ähnliche Vorlage gehen auch zurück die A.-Illustrationen in der sog. Bilderbibel Velislavs des Fürsten Lobkovicz (z. T. abgebildet bei A. Matějček, Velislova Biblie, Prag 1926). Die fertige englisch-französische A. dringt nach Deutschland im 14. und 15. Jh. Bekannt sind die 3 Exemplare: London, Brit. Mus. Add. 19 896 (deutsch, 15. Jh.); ebd. Add. 16 243 (mit deutscher Glosse, 14. Jh.); Paris, Bibl. Nat. Ms. néerlandais 3 (15. Jh.). In dieser Handschrift werden die normalen ca. 90 Miniaturen zu 23 Bildern zusammengezogen.
Um die Mitte des 14. Jh. wird die englisch-französische A. im Deutschordensland als Vorlage benutzt für die Illustration der gereimten deutschen Bearbeitung der A., die um 1310 der Deutschordensritter Heinrich v. Hesler verfaßt hatte (K. Helm, Dichtungen des deutschen Ordens I, Die Apokalypse Heinrichs v. Hesler, Berlin 1907). Von den 12 ganz oder in Fragmenten erhaltenen Handschriften sind 3 mit Miniaturen geschmückt: Königsberg, Staatsbibl. 891 u. 891 b, Stuttgart, Landesbibl. Hb. XIII, 11, Vgl. [10].
Der merkwürdigste illustrierte, in Deutschland entstandene Kommentar zur A. ist aber das „Scriptum super apocalypsim“, in lateinischer Sprache verfaßt von einem deutschen Franziskaner Alexander (wohl sicher aus dem Kloster zu Stade) zwischen 1235 u. 1248, der Versuch einer kirchen- und zeitgeschichtlichen Auslegung, bereits unter dem Einfluß der Schriften des Joachim v. Fiore. (Vgl. zu diesen Ideen E. Benz, Die Geschichtstheologie der Franziskanerspiritualen des XII. u. XIV. Jh. nach neuen Quellen; Zeitschr. f. Kirchengesch. 14, 1933, S. 90ff.) Dementsprechend arbeitet auch die Illustration die kirchengeschichtlichen Ereignisse in die Bilder des englisch-französischen Typus hinein. Bekannt sind 3 illustrierte Hss. des 13. Jh. (Breslau, Staats- u. Univ.-Bibl. Qu 19; Dresden, Sächs. Landesbibl. A. 117; Cambridge, Univ. Library V, 31), 2 illustrierte des 14. Jh. (Prag, Bibl. des Metropolitankapitels Cim. 5 – Federzeichnungen –; Vatikan, Lat. 3819 – nur ganz wenige Bilder). Dazu kommen noch 3 nichtillustrierte Exemplare (2 in Wolfenbüttel, Landesbibl., und 1 in der Bibl. munic. zu Châlons-s.-M.). Vgl. G. Prausnitz im Zentralblatt f. Bibliothekswesen 38-40, 42, 44 (1921-27), H. Grundmann ebd. 45 (1928), A. Kleinhans im Antonianum 2 (Rom 1927) und M. Huggler in [9]. Aus dem Scriptum hat der Maler des A.-Altars des Victoriau. Albert-Mus. in London, um 1400 aus der Werkstatt des Meister Bertram in Hamburg, bis auf eins die 45 Einzelbilder seines reichen Zyklus entnommen (abgeb. bei V. C. Habicht, Niedersächsische Kunst in England, Hannover 1930), vgl. [9].
Die gelegentliche Verwendung apokalyptischer Motive ist in mittelalterlichen deutschen Handschriften verhältnismäßig selten. Die großen illustrierten Bibeln des 12. Jh. haben 1 oder 2 Szenen, so die Admonter Bibel (Admont, Stiftsbibl. Cod. I) in der oberen Hälfte eines Bildes Christus in der Glorie, von Johannes geschaut, in der unteren Hälfte den Antichrist, die beiden Zeugen tötend (G. Swarzenski, Die Salzburger Buchmalerei, Leipzig 1913, II, Abb. 97), die Gumpertsbibel der Erlanger Univ.-Bibl. (Cod. 121) Johannes, Christus zwischen den 7 Leuchtern erblickend. Die Heisterbacher Bibel der Berliner Staatsbibl. (Theol. lat. fol. 379), aus dem 13. Jh., illustriert die A. nur durch Michaels Kampf gegen den Drachen, der auch sonst öfter vorkommt, z. B. im Antiphonar aus St. Peter in Salzburg, 12. Jh. (K. Lind, Ein Antiphonarium ... im Stifte St. Peter in Salzburg, Wien 1870, Taf. XIX). Ebenso kommt vor das Lamm, die Siegel des verschlossenen Buches öffnend, als Beigabe zur Majestas, so im Evangeliar des hl. Bernward des Domes zu Hildesheim (St. Beissel, Die Bilder der Hs. des Kaisers Otto III. im Münster zu Aachen, Aachen 1886, S. 38) oder die Darstellung der 24 Ältesten bei der Majestas, z. B. im Zwiefaltener Kollektar der Stuttg. Landesbibl.(Brev. 128; K. Löffler, Schwäbische Buchmalerei in romanischer Zeit, Augsburg 1928, Taf. 19), endlich das vom Munde Christi ausgehende Schwert in den Weltgerichtsbildern, z. B. im Psalter der graphischen Slg. der Münch. Staatsbibl. (B. Inv. 1222/215; A. Boeckler, Die Regensburg-Prüfeninger Buchmalerei des 12. und 13. Jh., Abb. 47) und im Landgrafenpsalter der Stuttg. Landesbibl. vom A. 13. Jh. (K. Löffler, Der Landgrafenpsalter, Leipzig 1925, Taf. 18). Nur diese Weltgerichtszutat ist auch in das Speculum humanae salvationis (Heilsspiegel) und die Biblia pauperum (Armenbibel) übergegangen.
In die Tafelmalerei des späteren Mittelalters gingen die mit der Darstellung der Majestas Christi verbundenen apokalyptischen Motive ein. Genau in der kreisförmigen Anordnung wie auf dem einzigen, nicht dem Scriptum super apocalypsim entnommenen Hauptbilde des Londoner A.-Altars ist das Lamm und die Lösung der Siegel zwischen den 24 Ältesten auf einer Altartafel des Wallraf-Richartz-Museums zu Köln (2. H. 15. Jh., Abb. 23) dargestellt und, verbunden mit einer Krönung Mariä, auf einer gleichzeitigen Tafel desselben Museums.
b) Blockbücker und Holzschnittfolgen
Bedeutungsvoller wurde für die deutsche Kunst des späten Mittelalters, daß von einer Handschrift des englisch-französischen Typus, höchstwahrscheinlich auf dem Wege über die Niederlande, im 15. Jh. die Blockbuch-A. ausgingen (Abb. 16 u. 17; vgl. Abb. 15). Auf 48 oder 50 Blättern geben sie den gesamten Bildinhalt der Handschriften wieder, indem jedes Blatt, quergeteilt, zwei Szenen mit den zugehörigen Bibeltexten und kurzen Erklärungen enthält. W. L. Schreiber (Manuel de l’amateur de la gravure sur bois et sur métal au XVe siècle, Tome IV, Leipzig 1902, S. 160ff.) kennt 64 Exemplare, zu denen noch ein weiteres in der Kölner Diözesanbibl. hinzugenommen werden muß, und unterscheidet 6 Ausgaben (das Kölner gehört zur Ausgabe IV b), die er in den Jahren 1460-70 entstanden sein läßt, Ausgabe I–III in der Rhein-Maasgegend, Ausgabe IV in der Maingegend, Ausgabe V–VI in Oberdeutschland. E. von Rath (Buchdruck und Buchillustration bis zum Jahre 1600, in F. Milkau, Hdb. der Bibl.-Wiss. I, Leipzig 1931, S. 341) datiert die ältesten Blockbücher früher, ca. 1430, und nimmt als ihre Heimat die Niederlande an. P. Kristeller, dem wir die einzige Gesamtnachbildung einer Blockbuch-A. (München, Univ.-Bibl. Xyl. 2) verdanken [3], tritt gleichfalls für niederländische Herkunft und eine Entstehung nicht später als das 3. Jahrzehnt des 15. Jh. ein.
Den Blockbüchern der A. stehen in gewissem Sinne als Ergänzung nahe die Antichristblockbücher, die auf 29 Seiten (3 S. Text u. 26 S. Bilder) die Taten des Antichrist und auf weiteren 12 Bildseiten die 15 Vorzeichen seines Erscheinens behandeln und darstellen. Nur 13 mehr oder minder fragmentarische Exemplare haben sich erhalten. Die älteste Ausgabe, nach Schreiber von ca. 1460, war chiro-xylographisch; ihr folgten ca. 1470-80 2 xylographische (Schreiber, Manuel IV, S. 217ff.; Faksimileausgabe „Das Buch von dem Entkrist“, nach dem in der Bayr. Staatsbibl. [Xyl. 1] befindlichen Original, Leipzig 1925). Auf 2 erhaltene Einzelholzschnittblätter im Nürnberger Germ. Nat.-Mus., ehedem aufgeklebt auf einen Altar der Nürnberger Katharinenkirche, macht W. L. Schreiber (Hdb. der Holz- und Metallschnitte des 15. Jh., I, Leipzig 1926, Nr. 596 u. 597) aufmerksam. Das eine stellt Christus als Weltrichter mit den 24 Ältesten, das andere die Versenkung des Antichrist in den Feuerpfuhl dar.
Noch wichtiger aber als die Blockbücher wurde ein anderer deutscher Schößling der englisch-französischen A. Vermutlich im Anschluß an eine Handschrift, die, wie Ms. néerl. 3 der Bibl. Nat. Paris, mehrere Szenen auf je einer Bildseite zusammenzog, brachte der Künstler, der die Holzschnitte für die 1478 oder 1479 bei Heinrich Quentell in Köln erscheinende westniederdeutsche Bibelübersetzung, die sog. Kölner Bibel, anfertigte, durch kühne Verbindung von losgelösten Elementen der einzelnen Visionen zu neuen Szenenbildern den ganzen Stoff in nur 9 Holzschnitten unter (Abb. 18). Die übrigen Bücher des N.T. mußten sich mit einem Titelbilde, zumeist nur den betreffenden Autor darstellend, begnügen. Diese Holzschnitte übernahm Anton Koburger in Nürnberg für seine oberdeutsche Bibelübersetzung 1483; sie sind 1520 nochmals für die bei Johann Trutebul in Halberstadt erschienene Übersetzung verwendet worden. Vereinfacht und verkleinert erscheinen sie in der Straßburger Übersetzung von 1485, wieder etwas anders umgearbeitet in der Augsburger bei Hans Schönsperger 1487 und 1490, deren Holzschnitte dann ihrerseits wieder von Johann Othmar in Augsburg 1507 und 1518 benutzt werden. (Über den Zusammenhang der Holzschnitte der Kölner Bibel mit der englisch-französischen A. vgl. [8].) Die Holzschnitte der Kölner Bibel waren es nun, die auf dem Wege über die Koburgersche Bibel Dürer bekannt wurden, durch ihre bizarre Zusammenziehung der verschiedenen Bildelemente seine Phantasie mächtig anregten und so für die Kompositionen seiner berühmten Holzschnittfolge, die 1498 mit deutschem Text, 1511 mit lateinischem Text erschien, maßgebend wurden (Abb. 19 u. 20 [6 u. 8]). Dürer hat die allzuweitgehende Zusammenziehung der Kölner Bibel an einzelnen Stellen wieder rückgängig gemacht, auch die Elemente teilweise anders zusammengesetzt, sich aber doch im ganzen von der Anordnung und Art der Kölner Bibel führen lassen. Von den 3 Szenen des 1. Kölner Holzschnittes ließ er die 2. (Johannes auf Patmos) weg und gestaltete die 1. und 3. (Johannes im Ölkessel und Johannes, Christus zwischen den 7 Leuchtern erblickend) zu besonderen Bildern aus. Das 3. Blatt, die Gottesvision mit dem die Siegel lösenden Lamme, fügte er hinzu. Die Anordnung und Idee des 2. Kölner Holzschnittes benutzte er in seinen 4 apokalyptischen Reitern, wie auch den 3. und 4. Kölner Holzschnitt bei seinen Blättern des 5. und 6. Siegels. Den Inhalt des 5. und 6. Kölner Schnittes, die 7 Posaunenengel und den Engel mit den Säulenfüßen, verteilte er auf 3 Blätter. Aus dem 7. entnahm er, unter Verzicht auf die beiden Zeugen, nur den Kampf des Drachens gegen das sonnenumkleidete Weib, aus dem 8. den Kampf Michaels gegen den Drachen, dem 8. und 9. nur die Anbetung der Bestie und Christus als Schnitter, sein 12. Blatt, und sein 14., die babylonische Hure, indem er dazwischen die große Anbetung im Himmel einfügte und schließlich, was der Kölner Künstler nur ganz rudimentär angedeutet hatte, in einem großen Schlußbilde neugestaltete: die Versenkung des Satans in den Feuerpfuhl und das Erscheinen des himmlischen Jerusalems. So war der Stoff von 9 wieder auf 15 Holzschnitte angewachsen. Ikonographisch und kompositionell ohne allen Zweifel an die Kölner Bibel und durch sie an die letzten Endes altchristliche Illustration des italischen Typus anschließend, sind Dürers Holzschnitte rein künstlerisch eine durchaus eigenartige und geniale Schöpfung. Sie haben für die Folge die künstlerische Bearbeitung der A. bestimmt. Zunächst griff die erregte Stimmung der Reformationszeit nach ihnen. Indem man dem durch die vorlutherischen Bibelübersetzungen bereits verbreiteten Vorbilde der Kölner Bibel auch darin folgte, nur die A. mit einer ausführlichen Illustration zu versehen, trat diese noch um so mehr hervor. Das Beispiel gab Luther selbst, für dessen 1. Ausgabe des N.T., das sog. Septembertestament 1522, in der Werkstatt von Lukas Cranach d. Ä. in Wittenberg in Anlehnung an Dürer 21 Holzschnitte zur A. gefertigt wurden (Abb. 21 u. 22). Dabei wurde in einzelnen Fällen gegenüber Dürer verkürzt, im allgemeinen aber der immer noch für das volkstümliche Verständnis zu sehr zusammengedrängte Bildinhalt wieder weiter auseinandergelegt. Neu ist gegen Dürer bei Luther das 7. Blatt: der Brunnen des Abgrundes, die Zusammenziehung von Dürers 10. und 11. Holzschnitt, Kampf des Drachens gegen das Weib und Kampf Michaels gegen den Drachen, zu einem Bilde, je 1 besonderes Bild für den Schnitter mit der Sichel, die 7 Schalenengel, den Fall Babels, den Reiter Wahrhaft und Treu, endlich die Auseinanderlegung des Inhalts von Dürers Schlußblatt auf 2 Bilder. Scharfe antipäpstliche Zutaten (Papstkrone des Drachens, des Tieres aus dem Abgrunde und der babylonischen Hure, Babel unter dem Bilde Roms) wurden in der sogleich folgenden Dezemberausgabe 1522 zwar weggelassen, tauchten aber in späteren lutherischen Bibeln wieder auf. Die Cranachschen Holzschnitte leben nun in den fast Jahr für Jahr sich folgenden Wittenberger Drucken des N.T. und später der ganzen Bibel fort. Sie werden ihrerseits wieder mehr oder minder umgearbeitet, und in weiterer Reaktion gegen die Zusammenziehung in der Kölner Bibel und bei Dürer erlangen noch mehr Szenen ihre Selbständigkeit wieder. Besonders beliebt wurde die Bearbeitung in 26 Bildern des Georg Lemberger, zuerst in der Wittenberger Oktavausgabe von 1524, wieder neubearbeitet vom sog. Meister der Jakobslegende seit 1526 und nochmals in der Gesamtbibel bei Hans Lufft von 1534. Die Cranach-Lembergersche Fassung geht auch in die Ausgaben von Leipzig, Magdeburg, Erfurt, Lübeck und Frankfurt a. M. über, ja sogar in die katholische Bibelübersetzung des Hieronymus Emser, Dresden 1527 und 1528. Anton Woensam von Worms bearbeitete sie für das 1526 bei Hieronymus Fuchs in Köln erscheinende N.T. Im A.-Kommentar des Rupert von Deutz, der bei Franz Birkmann in Köln 1526 erschien, werden seine Stöcke wieder benutzt, aber auch für die Ausgabe der Lutherbibel bei Peter Schöfer in Worms 1529 und die Bibelübersetzung des Dominikaners Johann Dietenberger bei Peter Jordan in Mainz 1534 und Peter Quentell in Köln 1550.
In Süddeutschland ließ sich Hans Schäufelein durch die Wittenberger Vorlagen beeinflussen in seinen Holzschnitten für die Augsburger Ausgaben des N.T. bei Hans Schönsperger, 1523 und 1524, Hans Holbein d. J. in seinen 21 Holzschnitten für Thomas Wolf in Basel, 1523, die wieder von Christoph Frischauer in Zürich 1531 nachgedruckt wurden. Hans Burgkmair d. Ä. verarbeitete Dürer und Cranach für die Augsburger Ausgaben bei Silvan Othmar, 1523 und 1524, während die Nürnberger bei Hans Hergott, 1524ff., bei Jobst Gutknecht, 1531, und Kunigund Hergottin, 1533, die Wittenberger Vorlagen bevorzugen. Auch Hans Sebald Beham schloß sich noch an Dürer an, wenngleich er seine Abhängigkeit möglichst zu verdecken suchte, in einer Folge von 26 großen Holzschnitten zur A. (1539, 1540, 1552 und 1558) und in einer zweiten Folge von 19 kleineren Holzschnitten (G. Pauli, Hans Sebald Beham, Straßburg 1901, S. 353–359), endlich Tobias Stimmer in den Illustrationen der in Basel von Thomas Gwarin 1576 zuerst, 1578 schon in 4. Aufl. herausgegebenen Vulgata. (Vgl. über die vorlutherischen und die ältesten lutherischen Bibelausgaben R. Muther, Die ältesten deutschen Bilderbibeln, München 1883, und dens., Die deutsche Bücherillustration der Gothik und der Frührenaissance, München-Leipzig 1884; über die Kölner Bibel Albert Schramm, Der Bilderschmuck der Frühdrucke, Bd. VIII, Die Kölner Drucker, Leipzig 1924; über die Wittenberger Drucke der Lutherbibel ders., Die Illustration der Lutherbibel, Leipzig 1923; über die sonstigen frühen Lutherbibeln Hildegard Zimmermann, Beiträge zur Bibelillustration des 16. Jh., Stud. z. deutsch. K.-Gesch., Straßburg 1924.) Auf einen Lembergerschen Holzschnitt geht wohl zurück das Tafelgemälde: Johannes auf Patmos, unter Palmen sitzend, Maria in den Wolken erblickend, von Hans Burgkmair (1518) in der Alten Pinakothek.
Nicht nur in Deutschland bestimmte Dürers geniales Werk die Darstellung der A., sondern auch im Auslande, wo man es kennen lernte. Emile Mâle (L’art religieux de la fin du moyen âge en France, Paris 19253, S. 449ff.) weist auf die Abhängigkeit französischer Livres d’heures (das des Hardouyn 1507) von Dürer unmittelbar, von Bibelillustrationen in den Niederlanden und in Frankreich (französische Bibel in Antwerpen bei Martin l’Empereur 1530, bei Sebastian Gryphius in Lyon 1541 und die Figures du Nouveau Testament, gezeichnet von Bernard Salomon, erschienen bei Jean de Tournes in Lyon 1553), sowie von nicht weniger als 5 Zyklen französischer Glasmalerei hin, die von Dürer, teils unmittelbar, teils mittelbar über Wittenberger Holzschnitte abhängig sind (der bedeutendste um 1558 in der Kapelle zu Vincennes, der späteste 1598 in der Kirche St. Nicolas in Ferté-Milon, Aisne). In Venedig wurde in einer A. von Alexander Paganini 1515 Dürers Werk nachgeahmt [6, S. 43].
V. Weiterleben von Einzelthemen in nachmittelalterlicher Zeit
In der Plastik, sowie in der Monumental- und Tafelmalerei des späteren Mittelalters werden die früher erwähnten Einzelmotive der Apokalypse weiter benutzt, und zwar in den Majestasbildern (den 4 Lebenden), den Weltgerichtsbildern (dem Schwert, das vom Munde Christi ausgeht, gewöhnlich dazu noch in Anlehnung an Jes. 11, 4 ein Lilienstab) und besonders den Darstellungen Mariens als des apokalyptischen Weibes. Ein Tafelbild mit Christus in Glorie nach Apok. c. 1 und c. 4–5 (Abb. 23) und ein weiteres mit der Krönung Mariens durch Gottvater, der von den Ältesten umgeben ist und im Schoße das verriegelte Buch liegen hat, zu dem das Lamm sich emporreckt, um die Siegel zu lösen, beide von unbekannten Kölner Meistern der 2. H. 15. Jh., besitzt das Wallraf-Richartz-Museum zu Köln.
In der Kunst des Barock ist Maria als das apokalyptische Weib, umgeben von Sonnenglanz, den Mond zu Füßen und 12 Sterne um das Haupt, besonders zur Andeutung ihrer unbefleckten (erbsündelosen) Empfängnis beliebt. Ein berühmtes Beispiel ist das von Rubens gemalte ehemalige Hochaltarbild des Domes von Freising, heute in der Alten Pinakothek (Abb. 24). Auch die apokalyptischen Majestasbilder und die Darstellungen des Lammes mit dem versiegelten Buche leben fort, wie z. B. in den Fresken der Klosterkirche zu Weingarten von Kosmas Damian Asam, oder das Lamm mit dem Buche in den Skulpturen des Chorgestühls von Weingarten. Besonders aber entnimmt man der A. mehrere Motive, vor allem die palmentragenden Seligen, in den zahlreichen Bildern der himmlischen Herrlichkeit. So ist fast ganz auf die A. aufgebaut der großartige 1743 vollendete Deckenschmuck mit der Verherrlichung des Martyriums von C. T. Scheffler in der Paulinuskirche zu Trier (Abb. 25).
Einen Gesamtzyklus hat dann die deutsche Kunst noch einmal im 19. Jh. hervorgebracht in den 17 Kartons, die Peter v. Cornelius von 1843 bis zu seinem Tode 1867 für eine Freskenfolge in dem von Friedrich Wilhelm IV. von Preußen geplanten Campo Santo der Hohenzollern gezeichnet hat (heute in der Nat.-Gal. in Berlin). Obschon von großartiger Erfindungskraft und Selbständigkeit, lassen auch sie noch Dürers Vorbild in einzelnen Kompositionen und in der Verbindung mehrerer Szenen zu einem Bilde durchleuchten.
Zu den Abbildungen
1. Soest, Dom, Tympanon des Paradiesportals, 12. Jh. Phot. Dr. F. Stoedtner, Berlin.
2. Trier, Stadtbibl., Cod. 31, illustrierte Apokalypse aus St. Matthias in Trier, 9. Jh., fol. 51. Nach A. Boinet, La Miniature carolingienne.
3. Desgleichen, fol. 59.
4. Valenciennes, Bibl. mun., Ms. 99, 9.–10. Jh., fol. 35. Nach W. Neuß [7].
5. Bamberg, Staatsbibl., Ms.-Bibl. 140, Reichenau um 1000, fol. 14r. Nach H. Wölfflin [4].
6. Valenciennes, Bibl. mun., Ms. 99, 9.–10. Jh., fol. 31. Nach W. Neuß [7].
7. Bamberg, Staatsbibl., Ms.-Bibl. 140, Reichenau um 1000, fol. 43 r. Nach H. Wölfflin [4].
8. Desgleichen, fol. 29v.
9. Desgleichen. fol. 41v.
10. Desgleichen, fol. 37r.
11. Berlin, Staatsbibl., Theol. lat. fol. 561, Apokalypse-Kommentar des Beatus von Liébana, 2. H. 12. Jh., fol. 78v. Phot. Verf.
12. Desgleichen, fol. 3v.
13. Desgleichen, fol. 19v.
14. Paris, Bibl. Nat., Ms. franç. 403, Anf. 13. Jh., fol. 6. Nach L. Delisle et P. Meyer [2].
15. Desgleichen, fol. 30.
16. München, Univ.-Bibl., Blockbuch-Apokalypse, 2. V. 15. Jh. Nach P. Kristeller [3].
17. Desgleichen.
18. Niederdeutsche Bibel, Köln, H. Quentell, um 1479 (sog. „Kölner Bibel“). Nach Worringer, Die Kölner Bibel.
19. Albrecht Dürer, Apokalypse, 1498, Holzschnitt B. 70.
20. Desgleichen, Holzschnitt B. 74.
21. Lukas Cranach, Holzschnitt in Luthers Septemberbibel, Wittenberg 1522. Nach W. Scherer, Deutsche Drucke älterer Zeit I, Berlin 1883.
22. Desgleichen.
23. Kölner Meister, Vision des Evangelisten Johannes, 2. H. 15. Jh., Köln, Wallraf-Richartz-Mus. Phot. Bildarchiv des Rhein. Mus., Köln.
24. P. P. Rubens, Das apokalyptische Weib, um 1610–12, München, Alte Pinakothek. Phot. Mus.
25. C. T. Scheffler, Deckengemälde in St. Paulinus in Trier, 1743. Phot. N. Haas, Trier.
Literatur
1. Scriptum super Apocalypsim cum imaginibus. Codex Bibliothecae Capituli semper Fidelis Metropolitani Pragensis, Pragae 1873, Einleitung von A. Frind. 2. Léop. Delisle et P. Meyer, L’apocalypse en français au XIIIe siècle, Paris 1901. 3. Paul Kristeller, Die Apokalypse, älteste Blockbuchausgabe in Lichtdrucknachbildung, Berlin 1916. 4. Heinr. Wölfflin, Die Bamberger Apokalypse, eine Reichenauer Bilderhandschrift vom Jahre „1000“, München 19212. 5. Henri Omont, Manuscrits illustrés de l’apocalypse aux IXe et Xe siècles. Bull. de la Soc. franç, de reprod. de manuscrits à peinture, T. VI, Paris 1922. 6. Carl Schellenberg, Dürers Apokalypse, Monograph. z. deutschen K., Bd. III, München 1923. 7. Wilh. Neuß, Die Apokalypse des hl. Johannes in der altspanischen und altchristlichen Bibelillustration, Münster i. W. 1931. 8. Ders., Die ikonographischen Wurzeln von Dürers Apokalypse, in: Volkstum und K.politik, eine Slg. von Aufsätzen, gewidmet G. Schreiber, hrsg. von H. Konen und J. P. Steffes, Köln 1932, S. 185ff. 9. Max Huggler, Der Bilderkreis in den Handschriften der Alexander-Apokalypse. Antonianum 9, Rom 1934, Fasc. 1 u. 2 10. Toni Herrmann, Der Bildschmuck der Deutsch-Ordensapokalypsen Heinrichs v. Hesler, Königsberg 1934.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Neuß, Wilhelm , Apokalypse (Geheime Offenbarung des hl. Johannes), in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1935), Sp. 751–781; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89636> [06.10.2024]
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