Angel, Angler
englisch: Angler, fisherman; französisch: Ligne, pêcheur à la ligne; italienisch: Amo, canna da pesca, pescatore.
Liselotte Stauch (1935)
RDK I, 694–698
A. Symbol. Das von Jesus bei der Berufung der Jünger geprägte Gleichniswort: „Folget mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen“ (Matth. 4, 19) führte in die christliche Symbolik die Gestalt des Anglers ein. Das Wort vom Menschenfischen gab in der Folgezeit Anregung zu zahlreichen symbolischen Ausdeutungen. So sagt u. a. Cyrill von Jerusalem († 386): „Jesus fängt dich mit der Angel, nicht um dich zu töten, sondern um dir durch den Tod das Leben zu geben (Procatechese 5, Migne, P. G. 33, 343) und Clemens von Alexandria († um 217) nennt in seinem „Hymnus in Christum Salvatorem“ (ed. Ferd. Piper, Göttingen 1835, Vers 23ff.) Christus den:
Piscator animantium
Qui servantur
Pelagi vitii
Pisces sacratos
Unda ex infesta
Jucunda vita inescans.
Bildlichen Niederschlag hat diese Symbolik nur in der frühchristlichen Kunst gefunden. Auf Sarkophagen besonders häufig, seltener in Katakombenmalereien und in Einzelwerken wie z. B. einem Flachrelief in Mainz (Garucci 411, 3), einer Grabstele aus Smyrna (Garucci 393, 4), einem geschnittenen Stein (Garucci 477, 18) trifft man eine männliche Gestalt, die sitzend oder stehend eine Angel ins Wasser hält, mit einem Fisch herauszieht oder mit dem daran hängenden Fisch nach Hause trägt. Man wird darin fast immer Christus oder einen Christusjünger zu sehen haben in der symbolischen Handlung des Fischfangs, wenngleich das Motiv sicherlich auch in der christlichen Kunst gelegentlich, wie schon in der antiken, rein genrehaft vorkommt (vgl. Wilpert, Katakomben, S. 263). Die Darstellungen der Sakramentskapellen von S. Callisto aus der 2. H. 2. Jh. (Wilpert, Taf. 17, 2 u. 3) scheinen einen noch über die allgemeine Symbolik hinausgehenden symbolischen Bezug auf das Sakrament der Taufe zu haben, wie aus der Nachbarschaft von Darstellungen wie Taufe, Moses schlägt Wasser aus dem Felsen und Abendmahl hervorgeht.
Während die auf Matth. 4, 19 gegründete Angel-Symbolik schon früh aus der bildenden Kunst verschwindet, führt eine andere die Angel erwähnende Schriftstelle auch noch in späterer Zeit zu ausgedehnten theologischen Spekulationen und vereinzelt auch zu künstlerischen Darstellungen. Die Hiobstelle 40, 20: „Kannst du den Leviathan ziehen mit der Angel und seine Zunge mit einem Strick fassen?“ wurde, obwohl zunächst nur als Ausdruck der Kleinheit und Ohnmacht des Menschen Gott gegenüber gedacht, schon in patristischer Zeit symbolisch ausgelegt und hat die Schriftsteller bis ins 12. Jh. hinein immer wieder beschäftigt (s. Martin-Cahier, Monographie de la Cathédrale de Bourges, S. 137). Man brachte das Wort vom Fangen des Leviathan mit der Angel in Beziehung zum Erlösungswerk Christi: Christus gab seinen Leib, in dem der Angelhaken verborgen war, als Köder für Leviathan, den Teufel, hin, damit dieser gefangen und die Menschheit von ihm erlöst würde. Schon bei Gregor dem Großen findet sich wiederholt (s. Martin-Cahier, S. 157ff.) diese Symbolik: „In hamo autem esca ostenditur, aculeus occultatur. Hunc ergo (Leviathan) Pater omnipotens hamo cepit, quia ad mortem illius unigenitum Filium incarnatum misit, in quo et caro passibilis videri posset, et divinitas impassibilis videri non posset. Cumque in eo serpens iste per manus persequentium escam corporis momordit, divinitatis illum aculeus perforavit. (Homilie 25, Migne, P. L. 76, 1194). – Honorius von Autun († 1152) führt die Symbolik noch weiter, indem er die Angelschnur, an der Christus hängt, als den Stammbaum Christi deutet und die Angelrute als das heilige Kreuz (Speculum ecclesiae, Migne, P. L. 172; in annuntiatione S. Mariae, S. 906; de paschali die, S. 937): „Per mare hoc saeculum insinuatur, quod voluminibus adversitatum jugiter elevatur. In hoc diabolus circumnatat ut Leviathan, multitudinem animarum devorat. Deus autem coelo praesidens hamum in hoc mare porrexit, dum Filium suum ad capiendum Leviathan in hunc mundum direxit. Huius hami linea est Christi genealogia ab evangelistis contexta. Aculeus est Christi divinitas, edulium vero eius humanitas. Porro virga per quam linea hami in undas protenditur, est sancta crux in qua Christus ad decipiendum diabolum suspenditur.“ (De pasch. die). – Rupert von Deutz († 1129) bringt, die Symbolik bis zum äußersten treibend, die Tatsache, daß der Stammbaum Christi von Joseph und nicht von Maria abgeleitet wird, in Beziehung zu diesen Vorstellungen: „Constat vero quia non carni, sed ferro linea piscatoris innexa est. In hoc igitur similitudinis pulchritudo perfecta est, quod saepe dicta Salvatoris prosapia, non secundum carnalem genituram ad Mariam deducta est, sed secundum divinam propinquitatem pervenit ad Joseph, qui cum Christi non carnalis sit pater, sed fidei et supradictae promissionis penultimus haeres, quasi non carni, sed hamo ferreo linea subligata est.“ (De divinis officiis Lib. III, 19; Migne, P. L. 170, 79.)
Auch in die Kunst haben diese Gedankengänge Eingang gefunden. Die Darstellung des Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg (Abb. 1) ist im Anschluß an das Speculum ecclesiae des Honorius entstanden. Der Text zu der Darstellung ist der des Speculum. Gottvater in der Höhe hält eine riesige Angel, deren Schnur aus Medaillons mit den Brustbildern der Ahnen Christi gebildet ist; am Angelhaken, der dem in der Tiefe schwimmenden Ungeheuer in den Rachen gedrungen ist, hängt der Gekreuzigte als Köder. – Eine andere Darstellung des den Leviathan mit der Angel fangenden Gottvaters, doch ohne den Gekreuzigten und ohne Stammbaum Christi, findet sich in einem Chorbuch aus Zwiefalten (zwischen 1138 und 1147, Cod. hist. fol. 415 der Stuttgarter Landesbibliothek, Abb. 2) und eine dritte unter den Gemälden des Brixener Domkreuzgangs (um 1400): zwei Hände langen aus dem Himmel herab; die eine hält eine Angel, an der der Leviathan hängt, die andere schneidet ihm mit einer Sichel den Bauch auf, um die von ihm verschlungene Menschheit zu erlösen. – Die nimbierte angelnde Gestalt auf dem Triptychon des South Kensington-Museums aus der Werkstatt des Godefroi de Claire (um 1150) hält Cornell (Biblia pauperum, S. 128 Taf. D) für eine Illustration zu Hiob 40, 20, da sie mit alttestamentlichen Darstellungen zusammen in typologischer Gegenüberstellung zu Szenen des Neuen Testaments vorkommt. – Auch in die Typologie der Armenbibeln hat die Hiobstelle 40, 20 Eingang gefunden. Sie tritt mit anderen alttestamentlichen Zitaten bei der Gegenüberstellung von Kreuzigung, Isaaksopfer und eherner Schlange auf und dient als Hinweis auf die Kreuzigung (s. z. B. die biblia pauperum von St. Florian, Heider, Wien 1863, Taf. XXIII).
B. Als Attribut gehört die Angel dem hl. Zeno, Bischof von Verona, weil Angeln die Lieblingsbeschäftigung des Heiligen war.
Zu den Abbildungen
1. Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg, E. 12. Jh. Nach Straub-Keller, Taf. 24.
2. Stuttgart, Landesbibliothek, Chorbuch aus Zwiefalten, cod. hist. fol. 415. Zwischen 1138 u. 1147. Phot. Württ. Bildstelle, Stuttgart.
Literatur
1. Friedr. Münter, Sinnbilder und Kunstvorstellungen der alten Christen, Altona 1825. 2. Wolfgang Menzel, Christliche Symbolik, Regensburg 1854, I, S. 61. 3. Franz Xaver Kraus, Realenzyklopädie der christlichen Altertümer, 1882, I, S. 525ff. 4. Joseph Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes, Freiburg 19242, S. 223. 5. Wilhelm Molsdorf, Christliche Symbolik der mittelalterlichen Kunst, Leipzig 19262, 443. 6. Joh. Zellinger, Der geköderte Leviathan im Hortus Deliciarum, Hirt. Jb. 45, 1925, S. 161ff. Ferner im Artikel Attribut.
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