Altarretabel (B. In der protestantischen Kirche)
englisch: Retable (Protestant); französisch: Retable (protestant); italienisch: Ancona (protestante), pala d'altare (protestante).
Helmuth Eggert (1934)
RDK I, 565–602
Die Geschichte des protestantischen A. spielt sich fast ausschließlich innerhalb der lutherischen Kirche ab, da die Reformierten das A. in der Regel ablehnten. Aber auch gewisse lutherische Landeskirchen, so vor allem die württembergische, standen dem A. ablehnend gegenüber (vgl. Sp. 430ff.). So kommt es, daß die protestantische Altarbaukunst in erster Linie eine Angelegenheit Mittel- und Norddeutschlands ist. Hier hat sie zu allen Zeiten Bedeutendes geleistet. Unter den Ausstattungsstücken protestantischer Kirchen steht das A. im Vordergrund des künstlerischen Interesses. Erst in einigem Abstand folgen Kanzel und Taufe.
I. Geschichte
Die Lutheraner haben sich gegenüber den Denkmälern des mittelalterlichkatholischen Kultes, besonders gegenüber dem A., sehr duldsam gezeigt. Noch heute stehen in vielen lutherischen Kirchen die mittelalterlichen Altarschreine unverändert an ihrem Platz, namentlich soweit es sich um ehemalige Hochaltäre handelt. In anderen Fällen wurden die Schreine später verändert, „modernisiert“, um- und überbaut, die alten Skulpturen und Gemälde jedoch ganz oder teilweise übernommen. Diese konservative und tolerante Haltung der Lutheraner hatte zur Folge, daß in den meisten lutherischen Kirchen lange Zeit, vielfach bis auf den heutigen Tag, kein Bedarf nach neuen A. bestand. Andererseits lassen sich aber schon um die Mitte des 16. Jh. Retabeln nachweisen, die sich – weniger durch eine besondere Form, als durch den Inhalt ihrer Darstellungen – als protestantische Neuschöpfungen zu erkennen geben. Auch in der Folgezeit ist es meist das ikonographische Programm, das die protestantischen Altäre von den gleichzeitigen katholischen unterscheidet. Die stilistische Entwicklung im eigentlichen Sinn ist – wie bei der Gleichartigkeit der allgemeinen kulturellen Struktur nicht anders zu erwarten – selbstverständlich die gleiche. Doch kann man beobachten, daß sich, bald stärker bald schwächer ausgeprägt, besondere protestantische A.typen entwickeln, zu denen es innerhalb der katholischen Altarbaukunst keine genauen Parallelen gibt. Ohne zu verkennen, daß es an zahlreichen drastischen Ausnahmen nicht fehlt, darf gesagt werden, daß die protestantischen A. in der Anbringung von Bildschmuck zurückhaltender, im ganzen überhaupt einfacher sind als die gleichzeitigen katholischen, ein Unterschied, der sich jedoch erst seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges entschiedener durchsetzte. Besonders selbständig und zugleich besonders leistungsfähig in der Gestaltung des protestantischen A. ist Norddeutschland (Oldenburg, Schleswig-Holstein, Ostpreußen) kurz vor und während des Dreißigjährigen Krieges gewesen. Die spätere Zeit ist demgegenüber im ganzen weniger erfindungsreich, hat aber als protestantisches Spezifikum im Kanzelaltar eine Neuschöpfung von bedeutenden Entwicklungsmöglichkeiten hervorgebracht.
II. Formen
a) Im Zeitalter der Renaissance (ca. 1540-1650)
Am Vorabend der Reformation ist der bevorzugte Retabeltyp in Deutschland der Flügelaltar, d. h. das ganz oder teilweise geschnitzte oder gemalte Triptychon mit beweglichen Flügeln (vgl. Sp. 537f.). Dieser Typus wird vom lutherischen Protestantismus übernommen. Hauptverbreitungsgebiet des gemalten Flügelaltars ist Mitteldeutschland, der Hauptmeister Lukas Cranach d. Ä. und seine Werkstatt (Sp. 579ff. und Abb. 2). Andere Beispiele dieser Art auch in Nord- und Süddeutschland (Sp. 584/85 u. 592). Sie reichen bis in die Spätzeit des 16. Jh., bilden aber innerhalb der protestantischen Altarbaukunst die Ausnahme. Das gleiche gilt vom geschnitzten Schreinaltar, der besonders in Ostpreußen und Schleswig-Holstein (Abb. 12) um 1600 eine Nachblüte erlebt (Sp. 585-88). Sonst wird überall im Laufe des 16. Jh. mit der Ablösung gotischer durch Renaissanceformen das A. mit beweglichen Flügeln – entsprechend der katholischen Entwicklung (s. Sp. 543f.) – durch unbewegliche A. verdrängt, wenn auch in seiner äußeren Erscheinung, in der vertikalen und horizontalen Dreiteilung des Aufbaus, die Erinnerung an den spätgotischen Schreinaltar noch nachklingt. In seiner einfachsten Form besteht das protestantische A. des 16. Jh. aus Predella, Hauptgeschoß und Aufsatz. Das Hauptgeschoß setzt sich aus einem breiteren und höheren Mittelstück und schmäleren und niedrigeren Flankenstücken zusammen (vgl. Sp. 432, Abb. 2). Dazu treten dann bald noch Rahmenstücke, Bekrönungen, Statuetten und Ornamentmotive, die den Umriß beleben und dem Altar in zunehmendem Maße eine reiche Silhouette verleihen. Säulen und Pilaster, oft verdoppelt, Gesimse und Friese dienen zur Abgrenzung der einzelnen Stockwerke und Felder. Bevorzugtes Material ist bei diesem Altartypus im 16. Jh. allerorts, auch in Norddeutschland, der Stein, doch fehlt es auch nicht an Holzaltären und der Verbindung von Holz und Stein.
Auch die Verbreiterung des A. zu einer den ganzen Chor einnehmenden Altarwand mit seit lichen Durchgängen kommt im 16. Jh. bereits vereinzelt vor (Naumburg, Dom; Bristow, Mecklenburg Abb. 7; vgl. auch Altarumgang, prot.). Dagegen läßt sich das Prinzip des Kanzelaltars nur in einer unvollkommenen Vorstufe nachweisen. In der Schloßkapelle zu Schmalkalden ist die Kanzel zwar hinter und über dem Altar angebracht, aber noch nicht in organische Verbindung mit ihm getreten.
Mit dem Ausgang des 16. Jh., im Zeitalter der manieristischen Spätrenaissance, beginnt die eigentliche Blütezeit des protestantischen A. Die Größe der Altäre wächst; in Höhe und Breite wetteifern sie mit den riesigen Schreinen der späten Gotik. Die Zahl der Stockwerke wird vermehrt, und auch in der Breite setzt sich eine über die bis dahin übliche Dreiteilung hinausgehende Gliederung durch. Durch außen angehängte Ornamentstücke oder auf Konsolen gestellte Figuren, durch Durchbrechung des Hintergrundes, Ein- und Ausschwingen des Konturs, Häufung von Reliefs und Statuetten wird ein ungemein reicher Eindruck erzielt. Namentlich im norddeutschen Gebiet (Oldenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein, Ostpreußen), wo Holz das bevorzugte Material wird, entstehen in dieser Zeit riesenhafte Altäre von reichster Durchbildung und teilweise hervorragender Qualität. Auch in Mitteldeutschland, wo nach wie vor Stein als Material bevorzugt wird, kommt es in dieser Periode zu sehr reichen, gelegentlich mit Skulpturen und Ornament überladenen Altären (Pirna, 1611, Abb. 8).
b) Im Zeitalter des Barock (ca. 1650 bis 1800)
Nur im äußersten Norden und Osten Deutschlands halten sich diese prunkvollen Altartypen der Spätrenaissance bis über den Dreißigjährigen Krieg hinaus, in Ostpreußen sogar bis zum Ende des 17. Jh. In den künstlerisch tonangebenden Gebieten setzte sich seit M. 17. Jh. der Barockaltar durch. Der Aufbau wird einfacher, das architektonische Element mehr hervorgehoben, der Bilderschmuck eingeschränkt. Das Mittelstück mit der Hauptdarstellung wird fortan stark betont, das Beiwerk unterdrückt. Die Dimensionen bleiben bedeutend, die Gesamtwirkung wird monumentaler durch das Zurückdrängen des Details und der Nebenmotive. Im Verlauf der Weiterentwicklung gewinnt in vielen Gegenden das Ornament wieder eine größere Bedeutung, bis mit dem Beginn des Klassizismus eine Ernüchterung eintritt, die fast nur einen strengen architektonischen Aufbau übrigläßt.
Häufiger als in der vorhergehenden Epoche findet man in der Barockzeit die Vergrößerung des A. zu Altarwänden in voller Breite der Chöre oder die Verbindung des A. mit Chorgittern, Umgängen, Beichtkammern, Pastoren- und Patronatsgestühlen. Besonders fruchtbar erwies sich die Verschmelzung von A. und Kanzel zum Kanzelaltar, den als erster der Architekt und Architekturschriftsteller Joseph Furttenbach d. Ä. in einem 1649 in Augsburg erschienenen Werk „Kirchen-Gebäw“ propagiert. Bis 1700 nur selten verwendet (Abb. 24 u. 25), wird er im 18. Jh. in allen Teilen Deutschlands beliebt (Abb. 26 u. 27 u. Sp. 433/34; vgl. Kanzelaltar).
Eine große Rolle spielt beim Barockaltar, besonders beim kleineren, das Altargemälde (s. Altarblatt) in mehr oder weniger prunkvollem Rahmen. Ganz vereinzelt werden Skulpturen unmittelbar auf dem Altartisch aufgestellt (Sp. 509/10, Abb. 5). Ein merkwürdiger Altartypus, bei dem das Retabel unten ausgeschnitten und offen ist, kommt gelegentlich in Mitteldeutschland vor. Vielleicht entstand er in Erinnerung an den oben (Sp. 430) zitierten Ausspruch Luthers, daß der Geistliche sich zum Volke wenden, also hinter dem Altar mit dem Gesicht zur Gemeinde stehen solle; vgl. Behrungen in Thüringen (Inv. Sachsen-Meiningen II, S. 366) und Sp. 434, Abb. 6.
Das Material der Barockaltäre ist sehr verschieden. In Norddeutschland wird Holz, auch für große Altarbauten, verwendet. Daneben kommt aber auch Stein aller Arten, auch Marmor und Ersatzstoffe wie Stuckmarmor vor.
III. Ikonographie
Die Darstellungen auf prot. A. sind fast ausschließlich der Bibel entnommen, ausgenommen gewisse Allegorien (Tugenden) und Symbole (Pelikan, Phönix, Lamm Gottes, Auge Gottes). Ein allgemeiner ikonographischer Unterschied zwischen Renaissance- und Barock-A. ergibt sich schon dadurch, daß in der älteren Zeit (besonders in der Epoche um und nach 1600) zahlreiche und vielfigurige Szenen auf dem Retabel Platz hatten, während man sich in der Barockzeit, entsprechend der einfacheren Gestaltung des A., auf wenige große Figuren beschränkte; Kanzelaltäre bleiben oft ohne figürlichen Schmuck. So geraten in der Zeit etwa nach 1650 – von Ausnahmen provinzieller Rückständigkeiten abgesehen – eine ganze Anzahl früher gern dargestellter Szenen in Fortfall. Andrerseits werden einige wenige bildliche Themen neu aufgenommen.
Mit Vorliebe wird das Abendmahl dargestellt. Luther sagte schon: „Wer hier Lust hätte, Tafeln auf den Altar lassen zu setzen, der sollte lassen das Abendmahl Christi malen ... Denn weil der Altar dazu geordnet ist, daß man das Sacrament drauf handeln solle, so könnte man kein besser Gemälde dran machen; ...“ (Luthers sämmtliche Schriften, hrsg. von I. G. Walch, St. Louis (Mo.), 1896, Bd. 5, Sp. 1083). Es kommt dementsprechend ungemein häufig vor, seltener und vor allem in der Frühzeit im A.-Mittelstück, später fast ausnahmslos in der Predella. Weitaus der beliebteste Vorwurf für das A.-Mittelstück ist die Kreuzigung, ferner die Himmelfahrt und die Auferstehung. Im Aufsatz Kreuzigung oder Auferstehung, seltener Himmelfahrt; darüber oft noch die Statuette Christi mit der Siegesfahne oder das Lamm Gottes.
a)Renaissance
Während die ersten protestantischen A., die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Reformation entstanden, sich durch die Auswahl ihrer Bildthemen bewußt gegen die katholische Tradition absetzen, knüpft das Ende des 16. Jh. und die unmittelbar darauf folgende Zeit neu an die mittelalterliche ikonographische Tradition an. So kommen an protestantischen A. aus der Jugendgeschichte Christi – allerdings meist als Nebenszenen – vor: die Verkündigung an Maria und an die Hirten, die Geburt, Anbetung der Hirten, Anbetung der Könige, Darbringung im Tempel, Beschneidung, Flucht nach Ägypten, Bethlehemitischer Kindermord, der 12jährige Jesus im Tempel. Es folgt die Taufe Christi und aus der Reihe der großen Wunder die Beschwichtigung des Meeres und die Auferweckung des Lazarus; aus der Passion: Einzug in Jerusalem, Ölberg, Judaskuß, Petrus und Malchus, Christus vor Pilatus, die Geißelung, Dornenkrönung, Kreuztragung, Kreuzabnahme, Grablegung, Noli me tangere, Christus in der Vorhölle; Pfingstwunder; schließlich das Jüngste Gericht. Ungewöhnlich sind 2 Bilder, die – auf die mittelalterliche Kelterdarstellung zurückgehend – Christus mit dem Kreuz zeigen, aus dessen Seitenwunde sich das Blut in einen Kelch ergießt (Friedersdorf, Inv. Brandenburg, Kreis Lebus, S. 58, und Hohenwalde, ebendort, S. 139; beide im 18. Jh. entfernt). Szenen aus dem Alten Testament kommen, entsprechend der mittelalterlichen Typologie, in der Regel nur in Beziehung zu solchen aus dem Neuen Testament vor. Beispielsweise wird die Aufrichtung der ehernen Schlange oder das Opfer Abrahams der Kreuzigung gegenübergestellt, Passahmahl und Mannaregen dem Abendmahl, Jakobs Traum, Simson mit den Toren, Jonas der Auferstehung, Himmelfahrt Eliä der Himmelfahrt Christi, Sintflut und Vision Hesekiels dem Jüngsten Gericht. Häufig dargestellt werden ferner: der Sündenfall, oft in Verbindung mit der Erlölung (vgl. Sp. 155), und die Vertreibung aus dem Paradiese. An göttlichen und biblischen Einzelpersonen kommen hauptsächlich vor: die Dreifaltigkeit, Gottvater, Christus mit der Weltkugel, Christus als Schmerzensmann und als Weltenrichter; die 4 Evangelisten, die Apostel, Johannes d. T., Adam und Eva; häufig in Gegenüberstellungen: Petrus und Paulus, Moses, Aaron, (vgl. Sp. 8), Elias und Jesaias, David. Als symbolisch-repräsentative Figuren sind zu nennen: Engel mit Leidenswerkzeugen (hindeutend auf die Passion), Posaunenengel (aus dem Jüngsten Gericht), der Pelikan (für den Opfertod Christi), der Phönix (für die Auferstehung); außerdem kommen Tugenden vor, am häufigsten Glaube, Liebe und Hoffnung.
Zu diesen aus der mittelalterlichen Tradition erwachsenen, wenn auch im Sinne der neuen Lehre besonders ausgewählten Themen kommt neu hinzu die Darstellung der Reformatoren, vor allem Luthers und Melanchthons, vereinzelt auch anderer (z. B. Bugenhagens, vgl. Abb. 2). Zuweilen werden Luther und andere Reformatoren mit Christus beim Abendmahl dargestellt (vgl. Sp. 35 und Sp. 589). Rein protestantisch ist ferner die Darstellung der Austeilung des Abendmahls in beiderlei Gestalt (Abb. 4 unten, vgl. Sp. 41 und Altartuch, prot.). Nur ausnahmsweise spiegelt sich in protestantischen Altären die Kampfstimmung der Reformationsjahre, die in Flugblättern so oft zum Ausdruck kommt, so z. B., wenn in der Franziskanerkirche zu Salzwedel der Weingarten des Herrn gezeigt wird, der von den Reformatoren gepflegt, von den Papisten verwüstet, und der Lebensbrunnen, der von den einen benutzt, von den anderen zugeschüttet wird (Abb. 6). – Stifterbildnisse kommen an protestantischen A. selten und fast nur vor 1650 vor. Für den Sonderfall der Verbindung von A. und Epitaph vgl. Epitaphaltar. – Eine große Rolle spielen am protestantischen A. die Inschriften; neben bildliche Darstellungen oder an ihre Stelle tritt das geschriebene Wort, meist in deutscher Sprache (vgl. Abb. 1). Entsprechend der ausschließlichen Wichtigkeit der Hl. Schrift werden Bibelsprüche, oft von bedeutender Länge, bevorzugt.
b) Barock
Gemäß der sich seit M. 17. Jh. vollziehenden Wandlung im formalen Aufbau des A. (vgl. Sp. 571f.) übernimmt das barocke A. von der vorhergehenden Zeit hauptsächlich solche Szenen, die einen geringen Figurenapparat benötigen und meist mehr repräsentativen als erzählenden Charakter haben; Szenen aus der Jugendgeschichte Christi verschwinden bis auf die Verkündigung fast ganz; von den übrigen kommen vor: Abendmahl, Ölberg, Kreuzigung, Kreuzabnahme, Grablegung, Auferstehung, Himmelfahrt, Pfingsten. An biblischen und symbolischen Einzelfiguren verwendet die Barockzeit fast genau dieselben wie die Renaissance (s. oben), nur treten am einzelnen Altar jeweils weniger Figuren auf, dafür häufig aber in Lebensgröße. Als Motive, die im Barock neu an protestantischen A. zur Darstellung gelangen, können nur genannt werden: das Auge Gottes und der Name Gottes in der Strahlenglorie, meist als oberer Abschluß des A. Nur ganz vereinzelt kommen katholische Heilige an protestantischen A. vor; es handelt sich dann meistens um den Titelheiligen der Kirche wie am A. der Martinikirche in Halberstadt von 1696, wo auf dem Aufsatz die freiplastischen Figuren des hl. Martins mit dem Bettler und Martin Luthers mit dem Schwan einander gegenüberstehen.
IV. Denkmäler
Während die Denkmäler der katholischen Altarbaukunst von verschiedener Seite, insbesondere von Jos. Braun, gesammelt und in ihren wichtigsten Beispielen veröffentlicht sind, fehlt es noch an einer Geschichte des protestantischen A. in seiner Gesamtheit. Nur vereinzelt und mit landschaftlicher Beschränkung finden sich Ansätze zur Sammlung des umfangreichen Materials (vgl. die in Sp. 439 genannte Literatur). Wir bemühen uns daher, im folgenden erstmalig eine Zusammenstellung der wichtigsten protestantischen A.-Typen und ihrer Denkmäler, zeitlich und landschaftlich geordnet und unter möglichster Berücksichtigung des Darstellungskreises, zu geben.
a) Renaissance
1. Mitteldeutschland
Vom Ursprungsland des Protestantismus nimmt auch der protestantische Altarbau seinen Ausgang. Die ältesten protestantischen A. Hammen aus der Werkstatt Lukas Cranachs d. Ä. In der Form unterscheiden sie sich nicht vom katholischen A. der gleichen Zeit, um so mehr aber im inhaltlichen Programm, das im einen oder anderen Fall vielleicht direkt auf Anregungen Luthers zurückgeht. Drei Werke sind in erster Linie zu nennen: die A. in Schneeberg (angebl. 1539; Inv. Sachsen 8, S. 40ff.), Wittenberg (angebl. 1547) und Weimar (1552-55; Inv. Sachsen-Weimar-Eisenach I, S. 358ff.; vgl. auch Friedländer-Rosenberg, Lukas Cranach, 1932). Der wichtigste ist der Wittenberger Altar (Abb. 2).
Man könnte ihn einen protestantischen Sakramentsaltar nennen. Im Gegensatz zu jenen spätmittelalterlichen Retabeln,auf denen die 7 Sakramente der katholischen Kirche dargestellt sind (vgl. Roger v. d. Weyden, Antwerpen), zeigt das Wittenberger nur die 3 von Luther anerkannten Sakramente; im Mittelfeld das Abendmahl, im linken Flügel Melanchthon, ein Kind taufend, rechts Bugenhagen, Beichte hörend. In der Predella ist Luther als Prediger dargestellt. Am Schneeberger sowie am Weimarer Altar ist die Erlösung von der Erbsünde durch Christi Kreuzestod geschildert. In Weimar faßt Cranach zahlreiche Szenen in einem Bild zusammen (Kreuzigung, eherne Schlange, Adam verfolgt von Tod und Teufel, Christus besiegt Tod und Teufel, Verkündigung an die Hirten; unter dem Kreuz Luther und Cranach, dessen Haupt von einem Blutstrahl aus der Seitenwunde Christi getroffen wird). Im Schneeberger Altar sind die Szenen auf verschiedene Tafeln verteilt und noch um einige vermehrt (Sündenfall, Sintflut, Loth und seine Töchter, Ölberg, Auferstehung, Himmelfahrt, Weltgericht, Adam unter dem Kreuz). Werke der Cranachschule sind weiterhin das A. in der Schloßkapelle zu Augustusburg von 1571, wo der Gekreuzigte mit dem Stifter, Kurfürst August von Sachsen, und dessen Familie dargestellt ist, und das A. der Franziskanerkirche in Salzwedel (Abb. 6), dessen Mittelbild bereits besprochen wurde (Sp. 577); auf seinen Flügeln sind innen Beschneidung und Taufe, Passahmahl und Abendmahl dargestellt, außen Luther und Melanchthon in ganzer Figur; im Aufsatz folgende Gemälde: Anbetung der Hirten, Kreuzigung, Abrahams Opfer, Auferstehung; in der Predella ein umfängliches Gedicht als Erläuterung der Hauptdarstellung mit dem Weinberg des Herrn (abgedruckt bei Fr. Hartleb, Die Mönchskirche u. das ehem. Franziskanerkloster in Salzwedel, 46./47. Jahresbericht d. altmärkischen Vereins f. vaterländ. Gesch. in Salzwedel, 1930).
Auch außerhalb der Cranachschule lassen sich, teilweise bis ins 17. Jh. hinein, gemalte Flügelaltäre nachweisen. Wir nennen als Beispiel die A. von 1577 in Walkenried (Mittelstück: Abendmahl; Innenseiten der Flügel: Maria mit dem Kind und Johannes d. T.; Außenseiten: Petrus und Paulus; im Aufsatz Inschrift), von ca. 1580 in Zabeltitz (Inv. Sachsen 37, S. 476), in der Stiftskirche zu Mühlberg a. d. Elbe von 1569 und in der dortigen Friedhofskapelle von 1614 (Inv. Prov. Sachsen 29, S. 146 u. 184, s. auch Sp. 43/44, Abb. 16). Aber diese Altäre bilden die Ausnahme.
Auch in Mitteldeutschland setzt sich in der 2. H. 16. Jh. das unbewegliche, architektonisch behandelte A. durch. Gemalte Altäre dieser Art sind dabei selten und meist unbedeutend (Ampfurth, ca. 1575, Inv. Prov. Sachsen 31, S. 16; Stolzenhain, ca. 1600, Inv. Prov. Sachsen 29, S. 214; Prießnitz, 1616, Inv. Sachsen 15, S. 96). Im Mittelpunkt der Entwicklung steht fortan der mit plastischem Bildwerk ausgestattete, meist steinerne Aufsatz. Zu den frühesten Denkmälern (1562) gehört das A. eines Torgauer Bildhauers in Schwerin (Sp. 432, Abb. 2). 1564 schuf Christoph Walther den Altar zu Penig (Inv. Sachsen 14, S. 44); in der Mitte der Predella Abendmahl, daneben die Spendung des Sakraments in zweierlei Gestalt durch Christus (s. Sp. 44, Abb. 15); Mittelstück Kreuzigung; links Gottvater, Taufe Christi, Anbetung der Hirten; rechts Weltenrichter, Himmelfahrt, Pfingsten; im Aufsatz Opfer Abrahams, Auferstehung u. a. 1579 ist das A. der Dresdener Annenkirche vollendet (später in die Kreuzkirche übertragen und verändert), ca. 1580 das A. in Cavertitz (Inv. Sachsen 27, S. 70), wo in den Mittelfeldern übereinander Abendmahl, Kreuzigung und Auferstehung, in den Seitenstücken Verkündigung und Geburt dargestellt sind. Das A. in Torgau aus der Dresdener Schloßkirche (Sp. 431, Abb. 1) zieht im Hauptfeld Geburt, Kreuzigung, Kindermord und Kindersegnung in ein einziges Relief zusammen; in der Predella wie üblich das Abendmahl, im Aufsatz Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies, in der Bekrönung Gottvater und Christus; seitlich vom Hauptfeld die Statuen Johannes’ d. T. und Moses’. Im Ostchor des Domes zu Naumburg (1576 und später) und in Lauenstein (um 1595, Inv. Sachsen 2, S. 48) finden sich zum erstenmal Altarrückwände in voller Chorbreite mit Durchgängen (vgl. Altarumgang, prot.); in Lauenstein sind über den Türöffnungen die Kniefiguren der Stifter angebracht. Aus dem frühen 17. Jh. seien als besonders prunkvolle Werke die A. in Strehla von 1605 (Inv. Sachsen 28, S. 304), in Burg bei Magdeburg (Oberkirche, 1607 von Michael Spieß) und in der Stadtkirche zu Pirna, 1611 von David Schwenke (Abb. 8), genannt. In Strehla nehmen an dem in der Predella dargestellten Abendmahl die Stifter teil. Der Pirnaer Altar (s. a. Inv. Sachsen, N. F. I, 1929, Taf. 20ff.) ist wegen der außergewöhnlichen Fülle der Darstellungen geradezu ein Kompendium der protestantischen Ikonographie dieser Zeit: in der Predella das Abendmahl zwischen Anbetung der Hirten und Kreuzigung, auf dem Sockelgesims des Hauptgeschosses die 4 Evangelisten, darüber in der Mitte Auferstehung Christi, links Jakobs Traum, rechts Himmelfahrt des Elias; unter der Auferstehung die Vision des Hesekiel. Im Aufsatz Simson mit den Toren von Gaza und die Jonasgeschichte, darüber Himmelfahrt. Außerdem Statuetten der Temperantia, Justitia, Fortitudo, Sapientia, Spes, Fides und Caritas, Posaunenengel, Phönix und Pelikan. Die genannten Denkmäler sind – mit Ausnahme des A. in Strehla – aus Stein.
2. Norddeutschland
Seit E. 16. Jh. entstehen in Norddeutschland zahlreiche protestantische A.; besonders fruchtbar ist die 1. H. 17. Jh., eine Epoche, in der im übrigen Deutschland unter dem Druck des Dreißigjährigen Krieges künstlerisch verhältnismäßig wenig geleistet wurde. Aus dem niedersächsischen Gebiet sei als Frühwerk der gemalte Flügelaltar von Marten de Vos, 1569, in der Schloßkapelle zu Celle genannt (in der Mitte Kreuzigung, auf den Flügeln die fürstlichen Stifter). Um 1600 ist der geschnitzte Flügelaltar aus Duttenstedt im Herzog-Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig entstanden (Sp. 41/42, Abb. 13; Außenansicht mit den Malereien der 4 Evangelisten im Inv. Braunschweig II, S. 265; im Aufsatz Christus am Ölberg). Ihm gegenüber bedeutet der prachtvolle Altar der Hauptkirche in Wolfenbüttel von 1618 (Abb. 9) etwas ganz Neues; er ist ein Werk des Bernhard Dietrich in Freiberg i. Sa. und ursprünglich für eine Prager Kirche bestimmt gewesen; die seitlichen Durchgänge sind nachträglich angefügt. – Oldenburg, das im 16. Jh. keine nennenswerte A. aufzuweisen hat, wird im 17. Jh. wichtigster Schauplatz für die Tätigkeit des Hamburgers Ludwig Münstermann (gest. 1637/38). Sein großer Altar in Varel (1614, Inv. Oldenburg 5, S. 115), Holzarchitektur mit Alabasterplastik, zeigt bei allem Reichtum der Gliederung und des figürlichen Schmucks noch ein verhältnismäßig straff durchgeführtes architektonisches Gerüst. Später, in Hohenkirchen (1620, Inv. Oldenburg 5, S. 224/25) und in Rodenkirchen (1629, Abb. 10), wird das architektonische Gefüge gelockert. Der Aufbau geht mehr in die Breite, die Fülle der Skulpturen und des Ornaments wächst so sehr, daß die Architektur kaum mehr zu Worte kommt. Im Mittelfeld der ganz aus Holz gefertigten Altäre in tiefen Gehäusen das Abendmahl; die Predella zeigt in Hohenkirchen rechts und links von der Anbetung der Hirten die Austeilung des Abendmahls in beiderlei Gestalt; zu Seiten des Mittelstücks die Evangelisten, außen auf angehängten Flankenstücken Luther und Melanchthon, im Aufsatz die Kreuzigung. Ähnlich Rodenkirchen (Abb. 10), nur daß hier in der Predella statt der Austeilung des Abendmahls Verkündigung und Taufe Christi dargestellt sind; über dem Abschlußgesims des Hauptgeschosses die Evangelisten, zu Seiten des Abendmahls zwei Statuen, vermutlich Petrus und Paulus, oben der Auferstehende. Allegorien der Tugenden an beiden Altären. – In Hamburg entstanden später einige bedeutende Silberaltäre: 1652-54 schuf Eustachius Erdmüller den Altar der Storkyrka in Stockholm (Inv. Schweden, Stockholm I, S. 367ff.). Ein schöner Silberaltar, 1666 von Hans Lambert, in der Schloßkapelle zu Gottorp.
In Schleswig-Holstein hält sich der Flügelaltar, in der Frühzeit vorwiegend gemalt, später geschnitzt, bis M. 17. Jh. Daneben Mischformen wie das A. zu Heiligenstedten (1580, Inv. Schleswig-Holstein II, S. 466), das im Schrein ein Hochrelief der Kreuzigung, auf den gemalten Flügeln innen Verkündigung, Geburt, Auferstehung und Himmelfahrt, außen die Anbetung der Könige zeigt; im Aufsatz das Jüngste Gericht, in der (späteren?) Predella das Abendmahl. – Für die Entwicklung des gemalten Flügelaltars sind am E.. 16. Jh. ausschlaggebend die im niederländischen Manierismus verwurzelten Meister Marten und Govert van Achten (Theodor Riewerts in „Nordelbingen“, Bd. 9, 1933, S. 1ff.): Aus dem Jahre 1596 das A. in Garding von Marten van Achten mit Darstellungen aus der Kindheitsgeschichte und Passion Christi, des Abendmahls und der Auferstehung. Einfacher der Altar von 1592 in Oldensworth mit Abendmahl, Geißelung und Dornenkrönung; ähnlich die A. in Welt und Poppenbüll von 1601. Von Govert van Achten der Altar in Kathrinenheerd, 1616 (Inv. I, S. 203).
Das 1598 datierte A. der Marienkirche in Flensburg (Inv. I, Taf. vor S. 263) ist eine riesige, überwiegend gemalte Schauwand in Renaissanceformen. Zu beiden Seiten der Mensa durchbrechen Türen das bis zum Boden hinabgeführte A.; im Mittelteil das Abendmahl, in den unbeweglichen Seitenteilen biblische und allegorische Szenen; im Aufsatz neben Geburt und Salvator zwei Stifterbildnisse.
In der 1. H. 17. Jh. überwiegt zunächst – unter Hamburger Einfluß – der geschnitzte Flügelaltar. Von dem Hamburger Hein Baxmann Altäre in Ochsenwärder, 1632 (Abb. 12), Allermöhe, 1613/14, Sieck, Beydenfleth, 1636/37 und andere (H. Schwindrazheim, Zs. des Ver. f. Hamburg. Gesch., Bd. 30-32, 1929-31). Sie zeigen übereinstimmend im Mittelfeld die Kreuzigung, auf dem linken Flügel alttestamentliche Szenen (Sündenfall, Vertreibung aus dem Paradies, Isaaks Opfer, Passahmahl), auf dem rechten die entsprechenden neutestamentlichen (Verkündigung, Geburt, Beschneidung, Abendmahl); als Bekrönung die Himmelfahrt flankiert von Moses und Johannes d. T.; oberster Abschluß Christus mit der Siegesfahne. – Ähnlich die A. von Jürgen Heitmann d. Ä., z. B. in St. Margarethen von 1639. – Ein Flügelaltar mit festen Flügeln von Henni Heitrider in Oldesloe, 1634, mit ausführlichen Passionsszenen, ist nicht im alten Zustand erhalten (Joh. Biernatzki in Festschrift für R. Haupt, Kiel 1922). – Für die ganze Folgezeit bleibt das A. mit festen Flügeln und die daraus entwickelte architektonische Schauwand der durchgängige Typus. Mit besonders reichem, auf 24 Reliefs verteiltem ikonographischen Programm ist das A. in Itzehoe (vor 1661) ausgestattet. Die Ausartung des manieristischen Stiles führt zu phantastisch bewegten Formen (Brunsbüttel, um 1640, Abb. 13). Einen abweichenden Typus vertritt der Altar in Rendsburg, 1640 von Johann Hennings (Karl Stork, Diss. Kiel 1932).
Für das schleswigsche Gebiet und den anschließenden Norden ist von ausschlaggebendem Einfluß der Meister Hans Gudewerdt d. J. von Eckernförde († 1671), der in der Auflösung des Architektonischen und in der Häufung des Ornaments noch über Münstermann (Sp. 585) hinausgeht. Am Altar in Eckernförde (1640, Abb. 11) ist im Hauptfeld die Kreuzigung dargestellt, daneben Johannes d. T. und Moses, oben die Evangelisten, Engel und Tugenden. Noch viel reicher, aber schlechter erhalten der Altar in Kappeln (Inv. Schleswig-Holstein II, S. 258/59) mit Abendmahl, Kreuzigung und Auferstehung, Anbetung der Hirten und Himmelfahrt; ferner Johannes d. T. und Moses, Adam und Eva, Evangelisten, Engel. In Schönkirchen (1653, Inv. I, S. 542) ist das Abendmahl in das Mittelfeld, die Kreuzigung in den kühn gestalteten Aufsatz gerückt; dazu die auch sonst üblichen Figuren. Das in der Anlage ähnliche A. in Preetz (aus Dänischenhagen, 1656, Inv. II, S. 172) ist seines plastischen Schmuckes größtenteils beraubt.
Auch in den skandinavischen Ländern finden sich vereinzelt protestantische Altäre norddeutscher Herkunft. In Norwegen arbeitet der Schleswiger Peter Neelsen (Kinn, 1640; Mus. Bergen, ca. 1648; Kjöllefjord, 1662). Über die Gudewerdt-Schüler A. L. Smith und Lorentz Jories vgl. W. Jessen, H. Gudewerdt, 1931. Ein A. des Ewert Fries von 1672 in Gärle (Schweden), vom Meister A. S. (Abel Schröder?) in Galten (Jütland, Abb. 14).
3. Ostdeutschland
Ostdeutschland hat verhältnismäßig zäh am beweglichen A. festgehalten. Eine Gruppe gemalter Flügelaltäre gibt es in Pommern. Das 1577 von dem Italiener G. B. Perini vollendete A. der Schloßkirche zu Stettin zeigt bei geöffneten Flügeln die Anbetung der Könige zwischen Kreuzigung und Auferstehung, in der Predella das Abendmahl. Auf der Rückseite der Flügel – mittelalterlicher Tradition entsprechend – die Verkündigung. Außerdem sind feststehende Flügel mit Geburt und Heimsuchung vorhanden. Der verwandte Altar in Bast (Kr. Köslin) von 1588 gibt statt der Anbetung der Könige das Abendmahl, an den feststehenden Flügeln Adam und Eva. Einfacher der Altar in Kremzow (Kr. Pyritz), 1607 von Martin Redtel. Ein 1580 datierter Flügelaltar von David Redtel in Greifenhagen ist nur fragmentarisch erhalten. – Auch in anderen Teilen Ostdeutschlands finden sich gemalte Flügelaltäre. Wir nennen das auch ikonographisch interessante A. von 1559 der Gotthardtkirche in Brandenburg: im Mittelteil das Abendmahl, auf den Flügeln Taufe, Brotvermehrung, Adam und Johannes d. T., Christus am Kreuz und das Lamm Gottes; auf den festen Außenflügeln (1561 hinzugefügt) Paulus und Petrus; in der Predella Anbetung der Hirten; im Aufsatz Gnadenstuhl. – In Ostpreußen lebt um 1600 der geschnitzte Schreinaltar noch einmal auf; in Alt-Pillau, Fischhausen, Tolksdorf und Pobethen sind im Mittelstück die Figuren der Dreieinigkeit, in den Flügeln die Evangelisten dargestellt (Abbildungen bei Anton Ulbrich, Geschichte der Bildhauerkunst in Ostpreußen, Königsberg 1926-29, Bd. 1, S. 59ff.).
Das unbewegliche, oft aus Stein gefertigte Renaissance-A. läßt sich zuerst in Mecklenburg nachweisen. Der Altar in der Schweriner Schloßkirche von 1562, einer der ältesten in Stein ausgeführten protestantischen Altäre überhaupt (jetzt im Landesmuseum, Sp. 432, Abb. 2), ist bezeichnenderweise das Werk eines mitteldeutschen Meisters, des Bildhauers Georg Schröder aus Torgau; im Mittelfeld die Kreuzigung, links eherne Schlange, rechts Auferstehung, im Aufsatz Gottvater mit der Taube. Ausnahmsweise ist hier auch der Stipes mit Bildwerk (Evangelisten) geschmückt (vgl. Sp. 437). – In Basedow (Inv. 5, S. 121) wurde 1592 eine ungewöhnlich breite Retabelwand errichtet, deren seitlich über den Altar hinausragende Teile von Säulen gestützt sind. Die prächtige Altarwand in Bristow von 1598 (Abb. 7), die die ganze Chorbreite einnimmt, ist wegen des Umgangmotivs in anderem Zusammenhang noch zu erwähnen (s. Altarumgang, prot.). Ein reich geschmückter Altaraufsatz, wie alle anderen genannten aus Stein, in Kittendorf 1603 (Inv. 5, S. 207); daneben gibt es auch nicht wenige Holzretabeln (Kirchdorf Mecklenburg, 1622, Inv. 2, S. 282).
Auch Brandenburg ist verhältnismäßig reich an Renaissance-A., besonders der Spätzeit, wenn auch die Qualität nur selten hervorragt. Eines der ältesten, das A. zu Rheinsberg von 1574 (Inv. I, 3, S. 220), zeigt in der Predella Luther und andere Reformatoren als Teilnehmer am Abendmahl; im Aufsatz als Gegenstück zur Taufe Christi der Gnadenstuhl. Wenig jünger, aber formal schon sehr viel entwickelter das A. in der Stadtkirche zu Schwedt (Inv. III, 3, Taf. 12). Besonders große und reiche A. in Eberswalde 1606 (Bergan, S. 331), in der Dominikanerkirche zu Prenzlau 1609 (Inv. III, 1, Taf. 34/35) und, mit einer ungewöhnlich großen Zahl von Stockwerken, in Drossen 1627 (Inv. VI, 3, S. 42). Alle diese Altäre sind aus Holz und geschnitzt. Daneben vereinzelt auch gemalte A. Aus Stein sind die A. in Spandau, St. Nikolai von 1582 (Bergau, S. 728), Beesdau ca. 1600 (Inv. V, 1, S. 9) und Stölln um 1615 (Inv. II, 1, S. 236), sämtlich Epitaph-Altäre mit den Figurenporträts der Stifterfamilien.
Pommern besitzt sein ältestes Steinretabel in Nehringen (Kr. Grimmen) 1598; die figürlichen Teile aus Alabaster. Ähnlich, wenn auch einfacher im Aufbau, und etwa gleichzeitig Standemin (Kr. Belgard). Ein Sandsteinaltar von 1603 (Abendmahl, Kreuzigung, Christus und Maria Magdalena, Evangelisten, Tugenden) in Vilmnitz auf Rügen. Das älteste Holz-A., in Friedrichswalde von ca. 1570 (Inv. Kreis Naugard, S. 182), ahmt im Mittelstück inhaltlich (Passionsszenen) und in der Anordnung einen spätgotischen Flügelaltar nach; in den Seitenstücken Kreuzigung und Auferstehung; Bekrönung: Pelikan; in der Predella zu Seiten der Grablegung Bildnisse Luthers und des Herzogs Barnim XI., des Stifters und angeblichen Schnitzers. Der 1614 ausgeführte Altar zu Daber (Inv. Kreis Naugard, S. 159) zeigt demgegenüber entwickelte Renaissanceformen und lehnt sich wohl an ein Steinretabel an. Aus der Spätzeit sei der große Altar der Marienkirche in Stolp, ca. 1650, erwähnt; die Mittelfelder aller Stockwerke sind auf der Vorder- und Rückseite bemalt und mit typologischen Darstellungen versehen: Abendmahl – Passahopfer, Kreuzigung – eherne Schlange, Auferstehung – Jonas, Himmelfahrt – Elias; in der rahmenden Architektur zahlreiche Statuen aus Holz. – Eine Sonderstellung nimmt der Silberaltar der Stadtkirche zu Rügenwalde ein, der 1616 von Johannes Körver aus Braunschweig und Christoph und Zacharias Lencker in Augsburg für die Schloßkapelle in Rügenwalde ausgeführt wurde (Abb. 15). Dargestellt sind unten die Taufe Christi und die 12 Apostel, im Hauptteil die Anbetung der Könige, umgeben von Reliefs aus der Leidensgeschichte, im Aufsatz der musizierende König David; die Architektur aus Ebenholz.
Aus Westpreußen nennen wir als schönstes Renaissancewerk den Altar der Johanniskirche in Danzig von 1611 mit mehreren Darstellungen aus der Geschichte des Täufers, Stein; ferner die hölzernen A. in Langenau, 1601, und Rasenberg, Anf. 17. Jh. (Inv. Westpreußen III, S. 168 u. 208).
In Ostpreußen hält sich der Typus des Spätrenaissance-A. fast ohne barocken Einschlag bis ins späte 17. Jh. Da auch hier der 30jährige Krieg keine Unterbrechung der Kunsttätigkeit bringt, ist die Zahl der Denkmäler sehr groß. Bevorzugt wird ein hoher, pyramidenförmig zugespitzter Aufbau aus Holz mit vielen Figuren, Reliefs und reicher Ornamentik; öfters sind die Mittelfelder auch gemalt. Bei den älteren Denkmälern (Altstädtische Kirche in Königsberg und Insterburg) kommen trotz entschiedener Renaissancehaltung im architektonischen Aufbau noch bewegliche Flügel vor; sie verlieren sich aber bald. Alle im folgenden genannten Altäre sind bei Anton Ulbrich, Geschichte der Bildhauerkunst in Ostpreußen (I u. II), abgebildet: Königsberg, Altstädtische Kirche, 1606 (I, Taf. 3); Insterburg (Abb. 16), 1622-24; Wehlau, 1633 (I, Taf. 4; über der Predella der Fall Christi unter dem Kreuz in Verbindung mit der Weinstocksymbolik); Bartenstein (Abb. 17), ca. 1650/60; Schippenbeil, ca. 1660/70 (I, Taf. 13 u. Abb. 257; in der Aufsatzbekrönung die Jünger, die zum himmelfahrenden Christus emporblicken; dieser am Gewölbe befestigt). Erst die Altäre in Pr. Holland, 1687 (I, Taf. 20, Abb. 374), Tharau, 1688 (I, Taf. 17), Mohrungen, ca. 1690 (I, Taf. 26) und Mühlhausen, ca. 1693/94 (I, Taf. 20, Abb. 380) leiten in der architektonischen Haltung und im Stil der Skulpturen entschiedener zum Barock über. – Ikonographisch bieten die ostpreußischen A. gegenüber den Spätrenaissance-A. anderer Gegenden wenig Neues. Die größte Rolle spielt auch hier die Passion, doch kommen häufig auch Szenen aus der Jugendgeschichte Christi (Anbetung der Hirten usf.) vor. Im ganzen fällt der starke Kontakt mit der mittelalterlichen Ikonographie auf. Mit dem Abnehmen des figürlichen Apparats in der 2. H. 17. Jh. wird das Programm eintöniger. Als Norm der Blütezeit zählen wir die Darstellungen der hier abgebildeten Altäre von Insterburg und Bartenstein auf. Insterburg (Abb. 16): im Hauptfeld Kreuzigung, in den Innenseiten der Flügel die Evangelisten, dahinter in Nischen Petrus und Paulus; Predella: Abendmahl und Fußwaschung (gemalt), eherne Schlange, Moses und Johannes d. T.; im Aufsatz Grablegung (gemalt), David, Jeremias und 2 Apostel oder Propheten; in den Seitenstücken Tugenden und Engel, in der Bekrönung Lamm Gottes und Auferstandener. Bartenstein (Abb. 17): im Hauptfeld die Anbetung der Hirten, seitlich Petrus und Paulus; Predella: Abendmahl; Aufsatz: Kreuzigung, darunter am Gesims die Evangelisten; in der Bekrönung Lamm Gottes (gemalt) und Auferstandener. Auf dem Gesims der seitlichen Durchgänge (s. Altarumgang, prot.) Tugenden.
Die wenigen A. dieser Epoche in Schlesien, die Erwähnung verdienen, sind alle aus Holz: Rudelstadt, Kr. Bolkenhain, 1600; Schedlau, Kr. Falkenberg, 1616; etwa gleichzeitig Gießmannsdorf, Kr. Bunzlau, Begräbniskirche. Ikonographisch halten Sie Sich im Rahmen des Üblichen. Abbildungen bei Alfred Wiesenhütter, Der evangelische Kirchbau Schlesiens, Breslau 1926.
4. Süd- und Westdeutschland
Süd- und Westdeutschland sind aus den oben (Sp. 565) erwähnten Gründen für die Geschichte des protestantischen A., insbesondere der älteren Zeit, nicht sehr ergiebig. Eine interessante Sonderform ohne bildlichen Schmuck, zugleich eines der frühesten Denkmäler protestantischer Altarbaukunst überhaupt Stellt der Altar der Heiliggeistkirche in Dinkelsbühl von 1537 dar (Abb. 1; vgl. Sp. 437/38). Er ist mit einem niedrigen, von einem Muschelgiebel bekrönten Aufsatz versehen; auf dem Mittelfeld die Einsetzungsworte des Abendmahls, auf den Seitenfeldern die 10 Gebote in erhabener Schrift. – Ein protestantisches A. in der Form des gemalten Triptychons wurde 1553–55 von M. Ostendorfer für die Neupfarrkirche in Regensburg geschaffen (heute im Stadtmuseum; Abb. 3–5). Im Mittelfeld oben die Aussendung der Apostel, darunter Predigt und Beichte; auf den Innenseiten der Flügel links Passahmahl, letztes Abendmahl und Austeilung des Abendmahls in beiderlei Gestalt, rechts Beschneidung, Taufe Christi und Kindertaufe; auf den Außenseiten Verkündigung, Geburt, Kreuzigung und Grablegung.
An westdeutschen Beispielen ist vor allem zu nennen das in seiner Form einzig dastehende A. der Kirche zu Bismarck von 1574 (Inv. Westfalen, Gelsenkirchen-Stadt, Taf. 2) mit einem großen Abendmahlsrelief in mächtiger Renaissancearchitektur, die ein Kruzifix bekrönt. In der lutherischen Kirche zu Marburg (Lahn) reiches Stein-A. von Adam und Philipp Franck, vollendet 1626 (Marb. Jb. f. Kw. 1, 1924, S. 153ff.); in der Predella Abendmahl, Verkündigung und Anbetung der Hirten; im Hauptgeschoß Kreuzigung, Taufe, Verklärung; in den Aufsätzen Grablegung, Opferung Isaaks, eherne Schlange, ferner Auferstehung, Petrus und Paulus, Tugenden und Putten.
b) Barock
In der Zeit des Barock wird die Zahl der protestantischen A. 10 groß, daß wir uns auf die Erwähnung der wichtigsten Typen beschränken müssen. Für die in dieser Epoche sehr verbreitete Verbindung von A. und Kanzel vgl. Kanzelaltar, für das neu aufkommende Altarciborium vgl. oben Sp. 486ff., für das starke Anwachsen des Umgangmotivs vgl. Altarumgang; weiterhin vgl. Altarblatt, Sp. 471/72.
1. Mitteldeutschland
Auch in der Altarbaukunst des Barock spielt das sächsisch-thüringische Gebiet eine führende Rolle. Im 3. V. 17 Jh. finden sich noch vereinzelt Ausläufer des Manierismus, wie die A. von Valentin Otte in St. Afra in Meißen (nach 1650, Inv. Sachsen 39, S. 358) und Leisnig (1664, Abb. 18). Ausgeprägt barocke Formen zeigen dann die A. von 1668 in der Petri-Pauli-Kirche und von 1680 in der Hospitalkirche zu Zittau (Inv. Sachsen 30, S. 33 u. 176) sowie der Altar von 1674 in Hainichen (Inv. Sachsen 25, S. 74). 1680 entstand das riesige A. der Wenzelskirche in Naumburg (Abb. 20), das in der Vielzahl seiner vertikalen und horizontalen Teilungen noch an die Formensprache der älteren Epoche anklingt. Im Gegensatz dazu beschränkt sich der Altar von 1714 in Lommatzsch (Abb. 19) auf eine einzige monumentale Säulenordnung mit verkröpftem Gebälk und einem geöffneten Rundgiebel; als oberster Abschluß Strahlenkranz und Puttenreigen um das Auge Gottes. Dieser Typus einer einheitlichen Rahmenarchitektur für eine einzige große plastische oder gemalte Darstellung hält sich das ganze 18. Jh. hindurch; vgl. den Altar der Dreikönigskirche in Dresden von 1738 (Inv. Sachsen 21, S. 137: im Mittelfeld das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen in hohem Relief) und noch das A. von 1802 in Großschönau (Inv. Sachsen 29, Taf. 1). In freier Variierung dieser Retabelform bringt der Altar von 1721 in der Stadtkirche zu Schleiz (Inv. Reuß j. L. II, S. 47) eine fast vollplastische Darstellung des Abendmahls, flankiert von den Kolossalstatuen des Matthäus und Marcus. Eine großartige aus diesem Typus entwickelte, mit der Orgel kombinierte und in die Architektur einbezogene Altaranlage in der Dresdener Frauenkirche von 1739 (Inv. Sachsen 21, S. 55). Ähnlich die Altar-Kanzel-Orgel-Komposition in der Stadtkirche zu Großenhain von 1755 (Inv. Sachsen 38, Taf. 2). Vorherrschend sind im 18. Jh. in Mitteldeutschland – besonders in kleineren Kirchen – die Kanzelaltäre, die, oft ohne figürlichen Schmuck, fast die ganze Chorwand der Kirche ausfüllen. Beispiel: Der Altar der Schloßkapelle in Coburg von 1738 (Abb. 26). Vgl. auch Sp. 431-32, Abb. 3, und Sp. 434, Abb. 6.
2. Norddeutschland
Auf niedersächsischem Gebiet entstand am Nordrand des Harzes um 1700 eine ganze Anzahl von A. eines bestimmten Typus: zweigeschossige Aufbauten mit großen Standfiguren zwischen gedrehten Säulen, weiterem reichen Skulpturenschmuck und Umgangstüren. Von 1696 der Altar in St. Martini zu Halberstadt (vgl. oben Sp. 578, Inv. Prov. Sachsen 23, S. 400), um 1700 das heute im Museum befindliche A. der Stiftskirche zu Quedlinburg mit architektonisch durchgeführtem Umgang (Inv. Prov. Sachsen 33, 1, S. 30) und das A. in St. Benedikti zu Quedlinburg (Abb. 21): ein Jonasgemälde im Untergeschoß, seitlich die Statuen Davids und Moses’; im Obergeschoß als Gemälde die Jünger auf dem Wege nach Emmaus, flankiert von Petrus und Johannes; außen links Christus mit dem ungläubigen Thomas, rechts Christus und Magdalena; als oberster Abschluß die Auferstehung. Weitere A. dieser Gruppe in Ilsenburg (1706, Inv. Prov. Sachsen 32, S. 73) und die Kanzelaltäre von 1704 in St. Johannes und von 1723 in St. Blasien zu Quedlinburg (Inv. Prov. Sachsen 33, 2, S. 133 und S. 8). Im Aufbau ähnlich das A. von 1705 in der Stephanskirche zu Tangermünde (Inv. Prov. Sachsen, N. F. 3, Taf. 151); im Obergeschoß die Darstellung des Löwen vom Stamm Judä mit Schwert und Krone, zu seinen Füßen Tod und Teufel mit Ketten gefesselt. – Als Sondererscheinung muß erwähnt werden das A. von 1659 in der Marktkirche zu Goslar: eine Schauwand in der ganzen Breite des Chores mit schlichtem, von Pilastern gegliedertem Sockel und einem zweiten Geschoß gleicher Ausdehnung, das im Mittelfeld einen Kruzifixus und rechts und links davon je 3 Statuen (die Evangelisten und die Apostelfürsten) zeigt; als Bekrönung des Mittelteils Maria und Johannes; darüber der triumphierende Christus (Inv. Hannover II, 1 u. 2, Fig. 120). – Als ikonographische Merkwürdigkeit ist zu erwähnen das A. in Bodenburg (1688, Inv. Braunschweig V, S. 21) mit den Darstellungen des Abendmahls auf der Predella und auf der Rückseite des A., was auf den Brauch der Umwandlung des Altars beim Empfang des Abendmahls hindeutet. – Im 18. Jh. ist die großartigste Leistung dieser Gegend auf dem Gebiet der Altarbaukunst das Alabaster-A. in St. Martini zu Braunschweig (1722-25 von A. D. Jenner, Abb. 22), dessen Untergeschoß zu beiden Seiten des Altartisches hohe Durchgänge zeigt. Im Mittelstück das Abendmahl zwischen Moses und Jesaias, auf dem Hauptgesims die Statuen der 4 Evangelisten, im Obergeschoß der Gekreuzigte, im Aufsatz figurenreiche Auferstehung.
In Schleswig-Holstein wird in der Barockzeit der Typus des Kanzelaltars vorherrschend. Namentlich in Dorfkirchen schmückt man die Chorwand des Kirchenraums gern mit einem Altar, der Kanzel und Retabel in sich vereinigt. Auch die Orgel wird häufig in diese Verbindung einbezogen: Ütersen 1748 (Abb. 27), Kappeln 1789; in Gelting 1793 (Inv. Schleswig-Holstein V, S. 701) sind Altar und Orgel (nicht aber die Kanzel) zu einer großen Schauwand verbunden. Die reine Retabelform vertritt daneben in einem besonders schönen Beispiel der offenbar von Hamburg angeregte Altar von 1699 in Heide (Inv. I, S. 79), dessen Mittelfelder gemalt und von reich bewegten Engel- und Evangelistenfiguren flankiert sind. – In der 2. H. 18. Jh. verbreitet sich in Holstein ein von Lübeck (s. Sp. 597) ausgehender A.-Typus: in einer tiefen Nische zwischen mächtigen Säulen die Kreuzigungsgruppe, zur Seite meist Petrus und Paulus; im Aufsatz der triumphierende Christus von Engeln umgeben. Das Material ist Holz, doch ahmt man in der Bemalung die farbige Wirkung der Lübecker Marmoraltäre nach (vgl. Abb. 23).
Abgesehen von den eben genannten, auch für das südliche Skandinavien wichtigen A.-Typen, läßt sich eine besondere Entwicklung der barocken Altarbaukunst in Skandinavien kaum feststellen. Die herrschende Form ist das Altarblatt. Eine bedeutende Rolle spielt daneben ein Typus, der – anscheinend in zahlreichen Beispielen – unter einer rahmenden Architektur die isolierte Einzelfigur zeigt. Ein Musterbeispiel ist das imposante A. in der Erlöserkirche in Kopenhagen mit dem betenden Christus am Ölberg. – Für die schwedische Entwicklung dieses Typus war von großer Bedeutung der in Bremen geborene, in Hamburg geschulte Burchardt Precht (1651-1738). Von ihm sind die A. in Ludgo (Södermanland) mit der Statue des Schmerzensmanns (1688-96), Västervik (Småland) mit dem gleichen Thema (1696) und in der Schloßkapelle zu Eriksberg (Södermanland) mit dem auferstandenen Christus (ca. 1700); vgl. Johnny Roosval in Utställningen af Äldre Kyrklig Konst i Strängnäs 1910, Studier II, Stockholm 1913, S. 59, und Thieme-Becker 27, S. 365.
3. Ostdeutschland
Größere Barockanlagen findet man besonders in den Hansestädten des Ostseegebiets. 1696 ist der zweigeschossige Hochaltar des Doms in Lübeck entstanden (Inv. III, 1, S. 49). Ein großartiges, auch durch sein Material ausgezeichnetes Werk ist das Marmor A. in der Lübecker Marienkirche von Thomas Quellinus (1697, Abb. 23). In der Predella das Abendmahl, darüber in tiefer Nische die 3figurige Kreuzigung, seitlich Glaube und Hoffnung; als Krönung der Auferstandene. – Dieses Werk wird vorbildlich für eine Reihe meist geringerer A. aus Holz (Beispiel: Lübeck, St. Jakobi 1717, Inv. III, 2, S. 342).
Als bedeutendere A. in Mecklenburg sind folgende zu nennen: Rostock, St. Marien 1721 (Inv. Mecklenburg-Schwerin I, S. 20), Wismar, St. Marien 1749 (Inv. II, S. 28), in St. Nikolai ebendort 1774 (Inv. II, S. 128), Rostock, St. Jakobi 1781-83 (Inv. I, S. 76). Im übrigen findet man im 18. Jh. auch hier überwiegend den Kanzelaltar (Gerhard Stade, Mecklenburgische Kanzelaltäre, Diss. Braunschweig 1931). – Das gleiche gilt von der Mark Brandenburg; vgl. Dobberzin 1699 (Abb. 25), Buch bei Berlin 1731-36 (Sp. 433, Abb. 5), Fürstenwalde 1754 (Inv. VI, 1, Taf. 12).
In Pommern nimmt der mit Figuren reich belebte Kreuzaltar der Nikolaikirche zu Stralsund eine Sonderstellung ein. Seit 1708 nach Entwürfen Schlüters angefertigt, verbindet er das Retabel mit einem prächtigen Chorgitter; über diesen und weitere Altäre Stralsunder Werkstätten vgl. Karl Möller, Die Stralsunder Bildhauerkunst des 18. Jh., Diss. Greifswald 1933. – Hohe zweigeschossige A. in Wolgast 1738 (1920 verbrannt), Stettin, St. Jakobi 1709, Stralsund, St. Jakobi 1786-88.
In Westpreußen sind zu nennen: die A. in Tiegenort 1687 (Inv. IV, S. 364), in Freistadt 1696 (Inv. III, S. 152), in Altfelde 1711 (Inv. IV, S. 2), in Dt. Eylau 1740 (Inv. III, S. 138) und in Stalle 1785 (Inv. IV, S. 296), ferner die Kanzelaltäre in Gr.-Albrechtau, Finckenstein (Inv. III, S. 150), beide aus M. 18. Jh., und Christburg 1792 (Inv. III, S. 274, Taf. 11). – Einen schönen Altar mit Umgang von ca. 1785 besitzt die Kreuzkirche in Posen (Inv. Posen II, S. 63). Von ca. 1800 ist das A. der Kreuzkirche in Lissa (Inv. Posen III, S. 219), wenig später der klassizistische Altar-Kanzel-Aufbau in Rawitsch (Inv. Posen III, S. 240).
Einen besonders großen Reichtum an A. der Barockzeit hat Ostpreußen aufzuweisen: von durchweg guter handwerklicher Qualität zeichnen sie sich durch Häufung plastischer Einzelfiguren aus; sogar die Kanzelaltäre zeigen reiche Verwendung von Statuen. Den vorherrschenden Typus des Retabels in der Zeit um 1700 in Ostpreußen schafft der Bildhauer Isaac Riga: im Mittelteil des A. meistens die Kreuzigung, zur Seite – eingefaßt von Säulen und reichem Akanthusrankenwerk – die Evangelisten oder die üblichen symbolischen Figuren; darüber ein prunkvoller Abschluß mit einem Relief (Eherne Schlange, Grablegung usw.), Putten und Salvator mundi (Abb. bei Anton Ulbrich, a. a. O., Bd. I, S. 343ff.). Dieser ungewöhnlich reiche Typus hält sich bis weit in das 18. Jh. hinein; nur vereinzelt kommen daneben einfachere Aufbauten vor.
Die Altäre Schlesiens unterscheiden sich nicht wesentlich von der allgemeinen Typenbildung; neben großen Altären mit reichem figürlichen und ornamentalen Schmuck (Schönberg 1688, Landeshut, Gnadenkirche 1730) begegnen einfachere Rahmenarchitekturen etwa für eine gemalte Passionsszene (Juliusburg 1693, Pawellau 1709). Prunkvolle Anlagen in Verbindung von Altar und Orgel haben die Gnadenkirche zu Hirschberg ca. 1725, die Friedenskirche zu Schweidnitz 1752 und Warmbrunn 1774. Erst verhältnismäßig spät setzt sich der Kanzelaltar durch. Alle genannten und weitere Beispiele abgebildet bei Alfred Wiesenhütter, Der evangelische Kirchbau Schlesiens, Breslau 1926.
4. Süd- und Westdeutschland
Für die Betrachtung des prot. A. scheidet Württemberg aus, da die dortige lutherische Kirche das A. ablehnt. Über die Ausnahme in Giengen vgl. Sp. 430. Man findet im übrigen allenfalls ein Abendmahlgemälde auf oder hinter dem Altar, wie in reizendem Rokokorahmen in der Spitalkirche zu Schwäb. Hall (Inv. Württemberg, Jagstkreis 1, S. 532).
Für das übrige Süddeutschland läßt sich allgemein sagen, daß man – in bewußtem Gegensatz zu den prächtigen gleichzeitigen Altären der katholischen Kirche – besonderen Wert auf einfache Gestaltung des A. legte. Verhältnismäßig häufig sind Altarblätter in Rahmen ohne reicheren figürlichen oder ornamentalen Schmuck (Weißenburg i. B., Karmelitenkirche 1730, Inv. Bayern V, 5, S. 59) oder der von Rankenwerk umrahmte Gekreuzigte (ebendort, Spitalkirche, ca. 1720; gleiches Inv. S. 69). Beispiele dieser Art aus Bayr. Schwaben bei Otto Häcker in „Schwäbisches Museum“, 1933. – Eine reichere, mitunter auch im Material kostbare Umrahmung des Altarblattes durch mehrere Säulen mit stark verkröpftem Gebälk findet man im Südwesten: Worms, Dreifaltigkeitskirche, Marmor, 1. V. 18. Jh. (Inv. Hessen S. 206-07); Heidelberg, Schloßkapelle im Friedrichsbau, um 1710 (Inv. Baden 8, 2, S. 480); in beiden Fällen im Aufsatz eine figurale Szene. – Auch das 1680 errichtete Altarwerk der Katharinenkirche zu Frankfurt a. M. mit einer Ölbergdarstellung als Altarblatt, beiderseitigen Durchgängen und bekrönenden Marmorfiguren von J.W. Frölicher gehört zu den reicheren der Gattung (Inv. Frankfurt I, Fig. 251); wesentlich einfacher der Altar der ehemaligen Peterskirche (ebendort Fig. 176). In den übrigen Frankfurter Kirchen Kanzelaltäre (Bornheim 1779, deutsch-reformierte und französisch-reformierte Kirche, beide spätes 18. Jh., Paulskirche 1832; vgl. Inv. Frankfurt I, Fig. 276, 286, 294, 296). – Auch in Unterfranken ist der verbreitete A.-Typus der Kanzelaltar: Fischbach um 1758 (Inv. Bayern III, 15, S. 91), Völkershausen um 1790 (Inv. Bayern III, 21, S. 144) und Castell 1787-88 (Inv. Bayern III, 8, S. 50-51). Rheinland und Westfalen gehören im weitesten Umfang der reformierten Kirche an und bieten daher für die Geschichte des protestantischen A. wenig Material. In der Ludwigskirche zu Saarbrücken sind Altar (ohne Retabel), Kanzel und Orgel zu einer wirkungsvollen Einheit komponiert, ohne aber miteinander verbunden zu sein (1774-75, Inv. Saarbrücken S. 104). – Die A. in den wenigen lutherischen Kirchen Westfalens zeigen dagegen in der Regel die enge Verbindung von Altar, Kanzel und Orgel in einem großen Aufbau ohne figürlichen Schmuck: Rönsahl und Stadt Altena (Inv. Westfalen, Kr. Altena, S. 23 u. 91), Freiheit Blankenstein und Vörde (Inv. Westfalen, Kr. Hattingen, S. 22 u. Taf. 15), alle aus dem 18. Jh. Ähnliches gilt von Nassau, z. B. Schloß Oranienstein (Inv. Reg.-Bez. Wiesbaden III, S. 28 5), Bierstadt (gleiches Inv. V, S. 223), Neunkirchen (gleiches Inv. VI, S. 146), sämtlich Kanzelaltäre. Die Pfarrkirche in Weilburg (Lahn) besitzt einen Kanzelaltar von ca. 1710 mit einem Altarblatt, das dem Gang des Kirchenjahres entsprechend ausgewechselt werden kann (Inv. Reg.-Bez. Wiesbaden III, S. 8-9).
Vgl. auch die Artikel: Altar, prot. (Sp. 430ff.), Altarblatt (Sp. 471ff.), Altarciborium (Sp. 486ff.), Altarschranken, Altarumgang, Epitaphaltar, Kanzel, Kanzelaltar, Orgel.
Zu den Abbildungen
1. Dinkelsbühl, Heiliggeistkirche, A. von 1537. Die Vasen spätere Ergänzung. Phot. Ing. Georg Martin, Dinkelsbühl.
2. Wittenberg, Stadtkirche, A. von Lukas Cranach d. Ä., angebl. 1547. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.
3. Regensburg, Mus. der Stadt, ehem. Flügelaltar der Neupfarrkirche von Michael Ostendorfer, 1553–55. Mittelfeld. Phot. Kunstverlag Hoefle (M. Lang), Augsburg.
4. Desgl., linker Flügel, Innenseite.
5. Desgl., rechter Flügel, Innenseite.
6. Salzwedel, Franziskanerkirche, A. aus der Werkstatt Lukas Cranachs d. J., 1582. Mittelbild und Flügel. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.
7. Bristow (Mecklenbg.), A. von 1598. Nach Inv. Mecklenburg-Schwerin V.
8. Pirna, Stadtkirche, A. von David Schwenke und Anton von Saalhausen, 1611. Phot. Sächs. Landesamt f. Denkmalpflege, Dresden.
9. Wolfenbüttel, Hauptkirche, A. von Bernhard Dietrich (Ditterich) 1618. Phot. Herzog-Anton-Ulrich-Museum, Braunschweig.
10. Eckernförde, Nikolaikirche, A. von Hans Gudewerdt, 1640. Phot. W. Baasch, Eckernförde.
11. Rodenkirchen (Oldenburg), A. von Ludwig Münstermann, 1629. Phot. Landesmus. Oldenburg.
12. Ochsenwärder (Schleswig-Holstein), A. von Hein Baxmann, 1632. Phot. Hans Wentzel, Elmshorn.
13. Brunsbüttel (Schleswig-Holstein), A. aus Glückstadt, 1640. Phot. Bockmann.
14. Galten (Jütland), A. vom Meister A. S. (Abel Schröder?), um 1650. Nach Otto Rydbeck, Två märkliga Konstnärer, Stockholm 1918.
15. Rügenwalde, Marienkirche (ursprünglich Schloßkapelle), Silber-A. 1616 von Johannes Körver aus Braunschweig und Chr. und Zachar. Lencker in Augsburg. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.
16. Insterburg, ev. Pfarrkirche, A. von 1622-24. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.
17. Bartenstein (Ostpr.), ev. Kirche, A. von ca. 1650 -60. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.
18. Leisnig, St. Matthäi, A. von Johann Richter und Valentin Otte, 1663-64. Nach Inv. Sachsen 25, Taf. nach S. 118.
19. Lommatzsch (Sachsen), A. von 1714. Phot. Sächs. Landesamt f. Denkmalpflege, Dresden.
20. Naumburg, St. Wenzel, A. von 1680. Phot. Dr. F. Stoedtner, Berlin.
21. Quedlinburg, St. Benedikti, A. von 1700. Phot. Konservator der Prov. Sachsen, Halle.
22. Braunschweig, Martinikirche, A. von Anton Detlev Jenner, 1722-25. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.
23. Lübeck, St. Marien, A. von Thomas Quellinus, 1697. Phot. Dr. F. Stoedtner, Berlin.
24. Kissenbrück (Braunschweig), Kirche, Kanzelaltar um 1665. Nach Inv. Braunschweig III, 2, Taf. 3.
25. Dobberzin (Kr. Angermünde), Kanzelaltar von 1699. Nach Inv. Brandenburg III, 3, S. 348.
26. Coburg, Ehrenburg, Schloßkapelle, Kanzelaltar um 1737. Nach Aufnahme im Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Jena.
27. Ütersen, Kirche, Kanzelaltar um 1745. Phot. Provinzialkonservator für Schleswig-Holstein, Kiel.
Literatur
s. Altar, prot. (Sp. 439).
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Eggert, Helmuth , Altarretabel (B. In der protestantischen Kirche), in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1934), Sp. 565–602; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=95462> [08.11.2024]
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