Altarblatt

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englisch: Altar-piece; französisch: Retable, (tableau d'autel); italienisch: Quadro d'altare.


Liselotte Stauch (1934)

RDK I, 471–473


Altarblatt (auch Altarbild) nennt man das die Mitte eines Altarretabels einnehmende, meist auf Leinwand gemalte Gemälde. Der Ausdruck A. scheint mit dem Aufkommen dieser Bildform E. 16. Jh. entstanden zu sein; für 1636 jedenfalls läßt er sich bereits nachweisen (Rechnungseintragung im Schloßarchiv Grafenegg, Inv. Österreich, Bd. I, S. 540); im 19. Jh. ist er noch gebräuchlich (s. v. Ramdohrs Polemik gegen den Tetschener Altar C. D. Friedrichs), und so ist er auch in die moderne kunstwissenschaftliche Literatur eingegangen.

Das A. beginnt in der Spätrenaissance Einfluß auf den Altarbau zu gewinnen, nachdem noch das ganze 16. Jh. hindurch – neben verspäteten Ausläufern des gotischen Schrein- und Flügelaltars – das aus Stein oder Holz gefertigte, mit plastischem Bildwerk ausgestattete Altarretabel die Regel gebildet hatte. Zum erstenmal tritt es in Deutschland am Hochaltar von St. Michael in München von Christoph Schwarz 1586–90 auf [3, Abb. 90]. Hochrechteckig mit halbkreisförmigem oberen Abschluß beansprucht es hier gleich einen sehr wichtigen Platz, indem es das hohe Obergeschoß des Retabels fast in voller Höhe und Breite einnimmt.

Der Wille des Barock zur Konzentration, der sich in starker Betonung des Hauptmotivs und Unterordnung aller Nebenmotive äußert, läßt das A. bald zum beherrschenden Faktor des Altaraufbaus werden. Gewaltig in der Ausdehnung nimmt es die ganze Mitte des Retabels ein; bei den großen Altären wird es von mächtigen Architekturen gerahmt, an den bescheideneren von reich dekoriertem Rahmenwerk umgeben, Öfters, besonders in der weiteren Entwicklung, macht sich das A. innerhalb des architektonischen Aufbaus selbständig; der Rahmen tritt stärker plastisch und von der Architekturgliederung gelöst hervor, so daß das A. nicht mehr als Bestandteil der Architektur erscheint, sondern wie ein vor sie gehängtes, selbständiges Bild (z. B. Regensburg, Alte Kapelle, Seitenaltar [3, Abb. 233]; Landshut, ehem. Dominikanerkirche, Seitenaltar, gegen 1750 [3, Abb. 171]; das sich leicht über den Rahmen legende Ornament macht den Eindruck, als solle es das zu selbständig gewordene Bild mit der Hinterwand gleichsam wieder verklammern). Zuweilen wird dieser Eindruck noch durch Engelsfiguren, die knieend oder schwebend zu Seiten des A. angebracht sind und es zu halten scheinen, verstärkt (wohl Einfluß des im Entwurf von Bernini stammenden Hochaltars von S. Tommaso in Castel Gandolfo) oder das A. ist von einer Strahlenglorie umgeben, so daß es vor der Architektur zu schweben scheint (München, St. Peter, Maria-Hilf-Altar, 1756 [3, Abb. 229]). Das A. kommt auch ganz losgelöst vom Altar vor, als selbständig gerahmtes und hinter dem Altar an der Chorwand aufgehängtes Bild, das durch eine Öffnung im Retabelaufbau sichtbar ist (Banz und viele andere Orte). – Die Formen des A. werden im Barock reicher und unregelmäßiger, um im Rokoko phantastischen und kapriziösen Gebilden Platz zu machen, die schließlich im Zeitalter des Klassizismus wieder ganz einfach werden.

Abbildungen s. Altarretabel, kath. und prot.

Literatur

1. Karl Atz, Die christl. K. in Wort u. Bild, Regensburg 1899. 2. Joseph Braun, Der christl. Altar, 2 Bde., München 1924. 3. Richard Hoffmann, Bayr. Altarbauk., München 1923. 4. Martin Riesenhuber, Die kirchl. Barock-K. in Österreich, Linz a. d. D. 1924. 5. Otto Schmidt, Altäre u. andere kirchl. Einrichtungsstücke aus Österreich, Wien 1902.

Verweise