Altarantependium (A. In der katholischen Kirche)
englisch: Altar front(al) (Roman Catholic), Antependium (Roman Catholic); französisch: Devant d'autel (catholique); italienisch: Antependium (cattolico).
Joseph Braun, S.J. (1934)
RDK I, 441–459
I. Begriff, Verwendung, Benennung
Unter A. (altarium, antependile, dorsale, frontale, füraltar, fürhang, palla, pallium, pannus, paramentum, tabula, velamen, vestimentum, vestis) versteht man eine als Schmuck gedachte Bekleidung des Stipes des Altares, des Trägers der Mensa. Seit wann es Brauch wurde, außer mit einem Altartuch auch noch mit einer solchen den Altar auszustatten, läßt sich nicht feststellen. Immerhin ist im Osten eine Altarbekleidung bereits seit dem 4., im Westen seit dem 5. Jh. bezeugt. Frühe Darstellungen eines mit ihr versehenen Altares bieten die Wiener Genesis sowie die Mosaiken in S. Vitale zu Ravenna und in S. Apollinare in Classe. Welche Verbreitung der Brauch in altchristlicher Zeit und im Beginn des Mittelalters hatte, läßt sich nicht feststellen. Im 8. und 9. Jh. war er jedenfalls bereits weithin heimisch geworden, wie die nun sich häufende Erwähnung der Altarbekleidung erkennen läßt. Die frühesten Zeugnisse für ihre Verwendung auf deutschem Boden bieten ein Inventar von Milz (ca. 800), von Staffelsee (ca. 810) und von St. Bavo zu Gent (860), sowie das Testament des Grafen Eberhard von Friaul (867). Im Beginn des 11. Jh. erscheint sie in der Kanonessammlung des Burchard von Worms als ebenso zur Ausrüstung des Altares gehörig wie die Altartücher; sie war also wohl damals auch schon in Deutschland allgemein eingebürgert. Daß das in der zweiten Hälfte des Mittelalters dort der Fall war, bekunden nicht bloß die schriftlichen Quellen, zumal die Inventare und Chroniken, sondern auch die Bildwerke aus dieser Zeit. Die ältesten deutschen Altarbekleidungen aus Metall, die sich erhalten haben, sind das in jüngerer Zeit zu einem Retabel umgestaltete, wahrscheinlich von Otto III. gestiftete A. im Münster zu Aachen und die Baseler „Goldene Tafel“ Heinrichs II., die sich heute im Cluny-Museum zu Paris befindet (Abb. 6). Die älteste, reich mit figürlichen Stickereien verzierte unter den noch vorhandenen mittelalterlichen deutschen Altarbekleidungen ist das A. vom Rupertsberg bei Bingen im Mus. Cinquantenaire zu Brüssel (Abb. 1).
Eine allgemein verbindliche Vorschrift, den Altar mit einer Bekleidung auszustatten, liegt im Westen selbst noch aus der zweiten Hälfte des Mittelalters nicht vor. Diesbezügliche partikulärrechtliche Verordnungen wurden hier nur sehr wenige erlassen. Daß man, und zwar besonders auch in Deutschland, den Altar mit einer Bekleidung zu schmücken pflegte, beruhte demnach nicht sowohl auf einer förmlichen Vorschrift, als vielmehr auf Brauch und Herkommen. Allgemein vorgeschrieben wurde die Altarbekleidung für den katholischen Kult erst durch die Rubriken des Missales Pius V. von 1570 (Rubr. gen. A. XX.) und das Caeremoniale episcoporum Klemens VIII. von 1600 (L. 1, ca. 12, N. 11), doch ist sie in neuerer Zeit infolge reicherer Ausschmückung des Altarstipes vielerorten wieder außer Gebrauch gekommen.
Ursprünglich verhüllte die Altarbekleidung alle vier oder wenigstens drei Seiten des Altarstipes, doch begnügte man sich schon im 9. Jh. auch wohl damit, nur seine Vorderseite mit einer solchen auszustatten, zumal wenn sie aus Metall bestand. Im späteren Mittelalter wurde das dann das Gewöhnliche und zuletzt ausschließlicher Brauch, auch in Deutschland. Die Altarbekleidung war nunmehr, wenn aus Zeug gemacht, ein Vorhang, ein A., wenn aus Metall oder Holz, eine Vorsatztafel.
Die Altarbekleidung erscheint in den mittelalterlichen schriftlichen Quellen unter einer sehr großen Zahl von Benennungen, die freilich zum Teil nicht allgemein gebräuchlich waren. In den deutschen Quellen heißt es vestimentum (Inventar von Milz, um 800), pallium (Inventar von Staffelsee um 810 und Inventar von Martinsberg, Ende des 12. Jh.), palla (Inventar von Prüfening, 1165 und noch in Inventaren des Prager Domes von 1358 und 1387), pannus (Inventar des Klosters Heilsbronn, 1544), velamen (Inventar von Gandersheim, 12. Jh.), altarium (Inventar von Lamspringe, 10. Jh.), tabula (Chronik von Lorsch, Biographie Meinwerks von Paderborn, 9. bzw. 11. Jh.). Die Benennung antependium begegnet uns zuerst in einem Inventar des Prager Doms von 1483 und in der Form antependile in einem Inventar zu Oldesloe in Holstein von 1489. Sie ist die Übersetzung der deutschen Benennung „fürhang“, die schon in einem Inventar von St. Johann zu Köln von 1406, sowie der St. Morandskapelle zu Wien von 1426 vorkommt. Auf deutschem Boden entstanden und in nachmittelalterlicher Zeit allgemein üblich, hat sie über dessen Grenzen hinaus fast keine Verbreitung gefunden. Statt „fürhang“ hieß die Altarbekleidung auf deutsch in der Volkssprache auch wohl „füraltar“, wie in einem Inventar von St. Georg zu Hagenau von 1492. Keine Aufnahme fanden in Deutschland die anderswo sehr gebräuchlichen Benennungen vestis, paramentum, dorsale, sowie besonders auch nicht das bezeichnende frontale.
Nach dem Material, aus dem die Altarbekleidung angefertigt wurde, lassen sich unterscheiden Altarbekleidungen aus Zeug, aus Metall und aus Holz.
II. A. aus Stoff und Leder; Farbe; Darstellungen; Befestigung; Überhang; Behänge
Altarbekleidungen aus Zeug waren, wie die frühesten, so auch zu aller Zeit die gebräuchlichsten. Schon im Mittelalter bestanden sie mit Vorzug aus Seide, auch in Deutschland. Mittelalterliche seidene Altarbekleidungen gibt es dort heute freilich nur mehr sehr wenige, eine große Menge dagegen noch aus der Zeit des Barock und des Rokoko, besonders in süddeutschen Kirchen. Aus Leinwand oder Wollzeugen gemachte pflegte man durch Stickereien, leinene auch durch Malereien zu verzieren. Gute Beispiele mittelalterlicher deutscher A. aus bemalter Leinwand gibt es noch im Mus. zu Braunschweig, im Mus. des Sächsischen Altertumsvereins zu Dresden, im Provinzialmus. zu Hannover, im Nationalmus. zu München, zu Gries bei Bozen, aus bestickter in der Marienberger Kirche zu Helmstedt, im Mus. zu Wernigerode, im Mus. des Sächsischen Altertumsvereins zu Dresden und im Provinzialmus. zu Stralsund. Mittelalterliche A. aus Wollstoff finden sich z. B. noch in der Stiftskirche zu Obernkirchen (rotes Tuch), im Dom zu Xanten (blaues Tuch), im Provinzialmus. zu Hannover (blaues Tuch), im Kestner-Mus. daselbst (schwarzes Tuch), in der Kirche zu Sülzenbrücken in Thüringen (blaues Tuch), die alle mehr oder weniger ausgiebig mit Stickereien verziert sind. In Gobelintechnik hergestellte Woll-A. aus dem 15. und der ersten Hälfte des 16. Jh., deren damals manche entstanden, haben sich z. B. erhalten im Hist. Mus. zu Thun, im Städtischen Mus. zu Freiburg i. Br., im Historischen Mus. zu Basel, in der Marienberger Kirche zu Helmstedt, im Münster zu Freiburg i. Br. und in größerer Zahl im Nationalmus. zu München, das auch zwei ganz in derber Wolle gestickte spätmittelalterliche A. besitzt.
Einen Ersatz für A. aus Zeug bildeten, besonders auch in Deutschland, im Spätbarock, zumal in der Zeit des Rokoko häufig A. aus gepreßt gemustertem, bemaltem und vergoldetem Leder, aus dem ja auch zur gleichen Zeit liturgische Gewandstücke (Kaseln, Dalmatiken, Stolen, Manipeln) hergestellt wurden.
Beispiele solcher gibt es noch manche, besonders in Schlesien (Dom zu Glogau, Klosterkirche zu Grüssau sowie im Ledermus. zu Offenbach, das zehn besitzt). Ein anderer, in Italien in nachmittelalterlicher Zeit beliebter Ersatz, A. auf Malerleinwand mit Ornament und Figurenwerk in Ölmalerei, scheint sich in Deutschland dagegen wenig eingebürgert zu haben.
Bezüglich der Farbe der aus Zeug gemachten Altarbekleidung bestand bis in das 16. Jh. weder eine ausdrückliche Vorschrift noch ein verpflichtender Brauch, was auch in den spätmittelalterlichen Inventaren deutlich zum Ausdruck kommt. Erst das Missale Pius V. von 1570 bestimmte, es solle die Farbe der Altarbekleidung der jeweiligen liturgischen Farbe des Tages oder Offiziums entsprechen, jedoch mit dem Zusatz: soweit möglich.
Großes Gewicht hat man im Mittelalter wie auch noch in nachmittelalterlicher Zeit auf eine reiche Ausstattung der an Festtagen oder bei sonstigen festlichen Gelegenheiten zu verwendenden Altarbekleidungen aus Zeug gelegt, und zwar auch in Deutschland. Im Mittelalter war es vornehmlich in Stickerei ausgeführtes Figurenwerk, mit dem man dieselben zu schmücken pflegte. Die A. dieser Art, die sich in Deutschland erhalten haben und zum Teil zum Vorzüglichsten gehören, was dort noch an mittelalterlichen figuralen Stickereien vorhanden ist, bilden dafür ebensoviele Belege. Zu den hervorragendsten zählen das schon genannte, aus purpurfarbiger Seide hergestellte, trotz schlichter Technik vorzüglich wirkende Rupertsberger A. (Abb. 1) mit gefällig angeordnetem, edel gezeichnetem Figurenwerk aus der Zeit Bischof Siegfrieds II. von Mainz (1201–1230); das ebenfalls bereits erwähnte Leinen-A. in der Marienberger Kirche zu Helmstedt; das auf Leinenunterlage ganz in Seide und Gold ausgestickte, aus Pirna stammende A. im Mus. des Altertumsvereins zu Dresden, ein ungemein prächtiges, italienischen Einfluß verratendes, wohl zu Prag entstandenes Werk; ein aus grünem langflorigem Samt gearbeitetes A. zu Kamp am Niederrhein, eines der zierlichsten, die das frühe 14. Jh. entstehen sah; ein technisch wie künstlerisch gleich hochstehendes, aus dem Dom zu Bamberg stammendes ganz besticktes A. im Nationalmus. zu München; eine hervorragend schöne, infolge Adels, Fülle und Gehalt ihres Bildwerkes wie auch ihrer technischen Vollendung erstklassige Altarbekleidung im Dom zu Salzburg; drei A. im Historischen Mus. zu Bern, darunter zwei aus Kloster Königsfelden, von denen eines, das aus rotem Samt angefertigt ist, ein Geschenk der Königin Agnes von Ungarn († 1364), das andere ganz ausgestickte, ein ungemein prächtiges Werk, eine Stiftung des Herzoges Albrecht II. v. Österreich († 1358, Abb. 2) ist. Andere mit besticktem Bildwerk geschmückte A. deutscher Herkunft sind ein A. in St. Michael zu Hildesheim mit zwanzig Szenen aus der Legende einer Märtyrerin; ein weniger durch seine derbe Technik als durch den symbolischen Gehalt seines Figurenwerkes bemerkenswertes A. im Mus. daselbst; ein aus Hildesheim stammendes A. im Viktoria-und-Albert-Mus. zu London; ein aus Göß kommendes A. im Wiener Kunstgewerbemus., eine Arbeit aus der zweiten Hälfte des 13. Jh. sowie zwei mit der Darstellung der Einhornjagd geschmückte A. in der Pfarrkirche zu Unkel am Rhein und zu Niederwert bei Vallendar, die etwa der Frühe des 16. Jh. entstammen; ein A. von 1521 mit Figuren in vortrefflicher Lasurstickerei im Dom zu Xanten sowie drei etwas jüngere nur mit einem Bild in der Mitte ausgestattete aus rotem bzw. grünem Samt bestehende, bei aller Einfachheit sehr wirkungsvolle A. im Dom zu Köln. Urkundlich deutscher Herkunft ist auch ein großartiges, ganz gesticktes A. des 13. Jh. in der Kathedrale zu Anagni, eine Gabe Bonifacius VIII., mit einer Darstellung des Lebensbaumes. Die Stickereien eines A. aus der zweiten Hälfte des 13. Jh. im Provinzialmus. zu Hannover sind in echten Perlen und Schmelzperlen unter gleichzeitiger Verwendung vergoldeter Zierplättchen ausgeführt, die eines der gleichen Zeit angehörigen A. im Dom zu Halberstadt aus weißen und farbigen Schmelzperlen, die eines ebenfalls im ausgehenden 13. Jh. entstandenen A. zu Eger in Korallen und Schmelzperlen. Nicht deutscher, sondern burgundischer Herkunft ist das zum Meßornat des Goldenen Vließes gehörende Pracht-A. im Wiener Mus.
A., die nur oder fast nur mit gesticktem Ornament verziert waren, wie ein um 1320 angefertigtes ganz in Seide gesticktes A. zu Engelberg in der Schweiz, das abgesehen von den Darstellungen des Agnus Dei und der Evangelistensymbole nur mit ornamentalen Gebilden bestickt ist, und ein ausschließlich ornamentale Stickereien aufweisendes spätes A. im Provinzialmus. zu Hannover, scheinen im Mittelalter nur selten hergestellt worden zu sein. Begreiflich übrigens, da die prächtigen Muster der mittelalterlichen Paramentenstoffe einen ausreichenden Ersatz für rein ornamentale Stickereien boten.
Die nachmittelalterliche Zeit schuf in Deutschland nur mehr wenige mit Bildwerk bestickte A. Vielleicht das vorzüglichste ist ein um 1650 entstandenes A. in der Mariä-Himmelfahrts-Kirche zu Köln, die Arbeit eines Jesuitenbruders Joh. Lüdgens (Abb. 4). Ein anderes, mit drei Figuren in Lasurstickerei von 1630, befindet sich im Dom zu Xanten. Hervorragende Beispiele aus dem Beginn des 18. Jh. sind aus Neuburg a. d. D. Stammende, von dortigen Ursulinen geschaffene A. im Nationalmus. zu München. Häufiger entstanden im 17. und 18. Jh. nur mit Ornament bestickte A., die höchstens in der Mitte ein Medaillon mit einer figürlichen Darstellung aufweisen, gewöhnlicher aber in ihr nur ein Kreuz, einen Pelikan, eine Taube oder sonst ein Sinnbild enthalten. Goldstickereien wurden auf ihnen gern in Form schwerer Reliefstickereien ausgeführt.
Befestigt wurden die Altarbekleidungen aus Zeug, seitdem mit ihnen nur mehr die Front des Altars ausgestattet wurde, im Mittelalter bald, indem man sie der Länge nach an eines der Altartücher oder an einen Zeugstreifen, der unter diesen auf der Mensa ausgebreitet wurde, annähte, bald, indem man sie mittels Ringen oder Bändern an Haken, Pflöcken oder einer Stange, die Sich an der Kante der Mensa befanden, aufhängte, bald endlich, indem man sie durch Ringe oder Bänder an einem dem Stipes des Altares vorgesetzten Holzgerät (telare) befestigte, seit dem 17. Jh. aber in Weiterentwicklung der letztgenannten Weise, indem man sie fest auf einen Rahmen spannte, so daß Sie zu einer förmlichen Vorsatztafel wurden und den Charakter eines Behanges völlig verloren.
Überhang: eine Vervollständigung der Altarbekleidung aus Zeug bildete der Überhang, ein in der ganzen Breite der Mensa oben über sie herabreichender, etwa 15–20 cm hoher Zierbehang. Er war ursprünglich ein Sonderparament und am oberen Altartuch angebracht, wie einige Beispiele im Dom zu Halberstadt, im Provinzialmus. zu Hannover und im Kestner-Mus., bei denen er noch am Altartuch befestigt ist, zeigen. Seit dem späten 14. Jh. löste man ihn jedoch von dem Altartuch ab und verband ihn oben mit der Altarbekleidung, auf der er jedoch allmählich so sehr zu einem bloßen Zierbesatz verkümmerte, daß man ihn schon in der zweiten Hälfte des 16. Jh. oft nur mehr durch ein etwa 15 cm vom oberen Rande der Altarbekleidung entfernt horizontal angebrachtes Börtchen andeutete. Nur die Fransen, die den Zierbesatz oder das Börtchen vielfach unten begleiteten, erinnerten daran, daß sie der Überrest eines ehemaligen Überhanges waren. Im 17. Jh. verschwanden aber auch diese und damit jeder Hinweis auf den ehemaligen Überhang. Zur Verwendung kam der Überhang seit etwa dem späten 12. Jh. Jedenfalls ist er für diese Zeit schon bezeugt. In den Inventaren des ausgehenden Mittelalters ist sehr oft von ihm die Rede, ein Beweis für die Beliebtheit und die Verbreitung, deren er sich damals erfreute, auch in Deutschland.
Genannt wird der Überhang in den Inventaren, die uns vornehmlich über ihn Aufschluß geben, aurifrisium, frontale (frontellum), paramentum, parura, praetexta, instita. In deutsch abgefaßten Inventaren heißt er Leiste, Lysten, liste. Hergestellt wurde er meist aus Seide, immer aber aus besserem Zeug. Am unteren Saum pflegte man ihn mit Fransen aus Gold oder Seide zu besetzen. Seine Ausstattung bildeten in Seide und Gold, ja selbst in Perlen ausgeführte, ornamentale wie namentlich auch figurale Stickereien. Die letzteren bestehen hier in Einzelfiguren, dort in szenischen Darstellungen. Die Einzelfiguren erscheinen meist in Form von Brust- oder Halbbildern. Ein mit Figurenwerk reich bestickter Überhang deutschen Kunstfleißes ist ein Überhang aus dem Kloster Königsfelden im Historischen Mus. zu Bern, wie das zugehörige A. eine Stiftung Albrechts II. von Österreich; andere gibt es im Mus. des Altertumsvereins zu Dresden, im Mus. zu Schwerin, im Dom zu Halberstadt und in der Marienkirche zu Danzig. Ein Überhang im Schloßmus. zu Berlin zeigt nur in der Mitte Figurenwerk, Mariä Krönung; im übrigen ist er mit Blumenwerk und den Monogrammen der Namen Jesus und Maria gefüllt. Nur ornamentalen Schmuck weisen einige Beispiele im Mus. zu Braunschweig auf. Ein Überhang im Provinzialmus. zu Hannover ist mit einer Rosenranke bestickt und die beiden Säume entlang mit vergoldeten Pailletten eingefaßt, ein anderer im Kestner-Mus. daselbst, mit großen, runden, vergoldeten Zierplättchen im Wechsel mit je zwei gegenständig zueinander angeordneten Spangen besetzt.
Behänge: eine eigenartige Bereicherung, die jedoch bald sich allenthalben, auch in Deutschland einbürgerte, erfuhr der Überhang im 14. Jh. in Flandern oder Nordfrankreich. Sie bestand in zwei an seinen beiden Enden oder nahe an ihnen, unter ihm etwa 20 bis 30 cm lang vortretenden, streifenförmigen, 15–20 cm breiten, ringsum mit einem Börtchen eingefaßten, unten gern mit Fransen geschmückten Behängen (Abb. 4). Häufig begegnen uns diese bis in das 16. Jh. hinein auf den Bildwerken, auch auf deutschen. In den Inventaren ist von ihnen nur selten die Rede, waren sie ja doch kein selbständiger Schmuck. In einem Inventar des Prager Domes von 1357 heißen sie angularia, im späteren desselben pendilia. In deutsch abgefaßten Inventaren führen sie den Namen schilt, in Ermländer Inventaren des späteren 16. Jh. appenditiae, appendiculae, hangende Tücher, beyhangende palchen. Erhalten hat sich ein spätmittelalterlicher Überhang mit seinen Behängen in der Marienkirche zu Danzig. Als der Überhang vom Altartuch auf das A. übertragen wurde, folgten ihm natürlich auch die beiden Behänge, im 17. Jh. aber verschwinden sie fast allenthalben völlig von ihm, wie namentlich auch in Deutschland, oder erhalten sich auf ihm nur in Form von zwei die Seiten abschließenden, bis zum unteren Saum reichenden Besätzen. Daß man auch die Behänge bisweilen mit Stickereien und Zierplättchen bedachte, ersehen wir aus den Inventaren.
III. A. aus Metall und Holz; Gliederung; Darstellungen
Altarbekleidungen aus Metall waren bisweilen aus Gold hergestellt, gewöhnlich bestanden sie aber aus Silber oder vergoldetem (versilbertem) Kupfer. Wir hören erst von ihnen in Quellen des 8. Jh., doch wurden auch in Deutschland Altarbekleidungen dieser Art schon in karolingischer Zeit geschaffen. Manche entstanden daselbst im 10., 11. und 12. Jh., so im Martinskloster zu Zyfflich am Niederrhein, im Kloster Petershausen bei Konstanz, zu Kaufungen, Freising, auf der Reichenau, zu St. Gallen, Hildesheim, Paderborn, Merseburg, Xanten, Speyer und Stavelot, wie wir den Chroniken entnehmen. Erhalten haben sich aus dieser Zeit die von Heinrich II. dem Münster zu Basel gestiftete goldene Vorsatztafel, jetzt im Cluny-Mus. (Abb. 6), eine mit Grubenschmelz geschmückte Vorsatztafel aus vergoldetem Kupfer in der Kirche zu Groß-Komburg bei Schwäbisch Hall (Abb. 7) und eine aus Quern (Schleswig-Holstein) stammende Vorsatztafel aus vergoldetem Kupfer im Germanischen Mus. zu Nürnberg, doch werden wir ihnen, wenn auch nicht als Werke deutscher Goldschmiedekunst, lo doch als von dieser abhängig die aus vergoldetem Kupfer bestehenden Vorsatztafeln aus Tvenstrup, Lisbjerg und Oels in Jütland im Nationalmus. zu Kopenhagen, zu Stadil und zu Sahl in Jütland (Abb. 8) sowie die gleichartige Vorsatztafel aus Broddetorp (Westgötland) im Histor. Mus. zu Stockholm beifügen dürfen [6.]. Nur noch die Reliefs sind vorhanden von einer goldenen Vorsatztafel im Münster zu Aachen, die diesem wahrscheinlich von Otto III. geschenkt wurde. Im späten Mittelalter sind in Deutschland wenige Altarbekleidungen aus Metall hergestellt worden. Erhalten haben sich nur die Reliefs einer silbernen Vorsatztafel aus der zweiten Hälfte des 15. Jh. im Münster zu Aachen. In erheblicherer Anzahl entstanden in Deutschland Altarbekleidungen aus Metall wieder in der Zeit des Barock und des Rokoko. Beispiele finden sich, um nur diese zu nennen, im Dom zu Hildesheim (Abb. 9), im Dom zu Fulda (Abb. 10), in der Minoritenkirche zu Brünn und in der Stiftskirche zu Berchtesgaden. Eine Neuerung des Rokoko waren Vorsatztafeln mit Samtgrund und aufgenähtem silbergetriebenem Ornament. Kennzeichnend ist auch für die Metall-A. des Barock und des Rokoko das Vorwiegen des Ornaments.
Altarbekleidungen aus Holz in Form einer mit gemaltem oder plastischem Schmuck ausgestatteten Vorsatztafel aus Holz lassen sich erst in der zweiten Hälfte des Mittelalters nachweisen, in Katalonien schon im 11. und 12. Jh., in England im späten 12., in Deutschland erst im 13. Jh. Die älteste bemalte Vorsatztafel, die sich hier erhalten hat, befindet sich heute im Provinzialmus. zu Münster; sie stammt aus dem Walpurgiskloster zu Soest und gehört der Zeit um 1200 an. Dem Ende des 13. Jh. gehört eine prächtige mit figürlichen Malereien geschmückte hölzerne Altarbekleidung aus Lügumkloster in Schleswig-Holstein im Nationalmus. zu Kopenhagen, der Zeit um 1300 eine bemalte Vorsatztafel zu Lüne bei Lüneburg an. Ein hervorragend schönes Beispiel, das einst den Hochaltar der Wiesenkirche zu Soest schmückte, befindet sich heute im Deutschen Mus. zu Berlin (Abb. 11), ein anderes aus dem 14. Jh. noch in der Paulikirche zu Soest. Zwei bemalte Vorsatztafeln aus Holz aus dem 15. Jh. gibt es im Nationalmus. zu München, zwei weitere aus der gleichen Zeit im Kloster Seligenthal zu Landshut, eine aus Kavelstorf (Mecklenburg) stammende, im Mittelfeld die Darstellung des Schmerzensmannes zwischen Maria und Johannes aufweisende im Mus. zu Schwerin. Welche Verbreitung mit Malereien geschmückte Altarvorsatztafeln aus Holz im späteren Mittelalter in Deutschland hatten, läßt sich den wenigen Beispielen, die sich erhalten haben, nicht entnehmen; sie bekunden nur, daß auch solche damals daselbst Verwendung fanden.
Mit Schnitzwerk verzierte Altarbekleidungen aus Holz scheinen im Mittelalter in Deutschland nur in geringer Zahl entstanden zu sein. Erhalten hat sich ein Beispiel aus dem ausgehenden 15. Jh. zu Gries bei Bozen, ein anderes aus dem Jahre 1509 im Nationalmus. zu München. In größerer Zahl wurden mit Schnitzereien ausgestattete Holz-A., auf denen jedoch figürliche Darstellungen nur eine bescheidene Rolle spielten, in der Zeit des Spätbarock und des Rokoko geschaffen. Als Beispiel diene das A. der Seelenkapelle zu Rimbach in Niederbayern (Abb. 12).
Das Bildwerk der mittelalterlichen deutschen Altarvorsatztafeln bestand (wie das der nichtdeutschen) teils aus Einzelfiguren, teils aus szenischen Darstellungen, die jedoch in der Regel durch die Gemeinschaft des Grundgedankens oder doch wenigstens durch die Art der Anordnung zu einer Einheit, einer ein Ganzes bildenden Bildtafel zusammengeschlossen wurden. Es lassen sich vier Typen der Anordnung unterscheiden. Bei dem ersten stehen alle Figuren bzw. Szenen in einer oder auf zwei Reihen verteilt in fortlaufender Folge, hier durch Arkaturen oder durch Leisten geschieden oder in Medaillons eingeschlossen, dort ohne Trennung gleichwertig nebeneinander. Bei dem zweiten erscheint der erste Typus um ein rundes, mandorlaförmiges oder ovales, in der Mitte dem Bildwerk eingefügtes Medaillon bereichert, das nur etwa die halbe Höhe des A. hat und das Hauptbild enthält. Bei dem dritten ist das A. vertikal durch Leisten oder Friese in drei Abteilungen geschieden, von denen die mittlere wiederum das Hauptbild aufweist, die seitlichen in einer, zwei oder drei Zonen die übrigen Bilder. Beim vierten Typus, der erst im Lauf des 15. Jh. auftritt, zeigt das A. nur eine Darstellung, die jedoch so groß ist, daß sie es ganz ausfüllt. Die Vertreter alle dieser vier Typen haben den Charakter einer förmlichen Bildertafel. Nur in der Mitte mit einem Bilde, im übrigen aber bloß mit Ornament verziert ist ein A. aus dem späten 13. Jh. im Provinzialmus. zu Hannover. Andere deutsche der gleichen Art haben sich aus dem Mittelalter nicht erhalten. Im 17. Jh. verlieren sich auch in Deutschland die vorgenannten vier mittelalterlichen Typen; damit büßt das A. seinen Bildertafelcharakter ein. In der Regel beschränkt sich nunmehr sein ganzer figürlicher Schmuck auf ein in seiner Mitte in einer Kartusche oder einem Medaillon angebrachtes Bild; höchstens, daß man rechts und links von diesem in ähnlicher Umrahmung noch je ein kleineres beifügt.
Zur Darstellung kamen auf den mittelalterlichen Altarbekleidungen, auch auf den deutschen, vor allem Christus, sei es als Majestas, oder, doch erst seit dem 13. Jh., als der Gekreuzigte, sowie auch wohl als der „Schmerzensmann“, Begebenheiten aus dem Leben, dem Leiden und der Verherrlichung des Herrn, die Trinität in Gestalt des sog. Gnadenstuhles, Maria als Gottesmutter mit dem Jesuskinde, im Grunde nur eine andere Form der Darstellung Christi, und die Krönung Marias, ferner Engel, das Kollegium der hl. Zwölfboten, die Evangelisten in Gestalt ihrer Symbole, Heilige, Propheten und alttestamentliche Typen, von Sinnbildern aber besonders das Lamm, die Taube, der Löwe, der Baum des Lebens, die meist von Symbolen Marias begleitete Einhornjagd, sowie die Kirche und die Synagoge. Neues findet sich unter dem Bildwerk der Altarbekleidungen nicht. Es sind bekannte, auch sonst immer wieder vorkommende Darstellungen, die wir auf ihnen sehen. Der Anlaß, gerade sie hier anzubringen, war die Symbolik des Altars, den man seit altchristlicher Zeit auf Christus zu deuten pflegte, sowie die auf ihm sich vollziehenden heiligen Handlungen, auf deren mannigfachen Sinn und Gehalt sie hinweisen sollten. Was an Heiligen auf ihnen dargestellt wurde, waren zumeist Patrone der Kirche, des betreffenden Altars, des Stifters u. a. Stifterbilder finden sich auf dem Gößer A. im Kunstgewerbemus. zu Wien, der Baseler goldenen Tafel Heinrichs II., einem der A. im Mus. zu Bern und dem Rupertsberger A. im Mus. zu Brüssel. Auffallend ist angesichts der großen Vorliebe, die man im Mittelalter für zierende Inschriften hatte, deren geringe Zahl auf den mittelalterlichen A. Stifterinschriften gibt es auf dem Gößer und Rupertsberger A. sowie auf dem A. im Dom zu Salzburg und im Stift Engelberg.
Die Ikonographie der an Bildwerk armen nachmittelalterlichen A. bietet nichts des Bemerkenswerten.
Zu den Abbildungen
1. Brüssel, Mus. Cinquantenaire, A. aus Kloster Rupertsberg bei Bingen. Figurenstickerei auf Seide, 1. Drittel 13. Jh. Phot. Mus.
2. Bern, Hirt. Mus., A. mit Überhang. Stickerei aus Kloster Königsfelden, um 1350. Nach L. de Farcy.
3. Privatbesitz, Gesticktes A. mit Überhang. Deutsch, 1. H. 16. Jh. Photo-Slg. „Stimmen der Zeit“.
4. Köln, St. Mariä Himmelfahrt, A. mit Reliefstickerei, um 1650. Phot. Verf.
5. A. mit Überhang und Behängen. Zeichnung des Verf.
6. Paris, Mus. Cluny, Goldenes A. aus dem Basler Münster. Gestiftet um 1019 von Kaiser Heinrich II. Phot. Kg. Seminar Marburg.
7. Groß-Komburg (Württ.), ehem. Klosterkirche, A. aus vergoldetem Kupferblech. Rheinisch (?), 3. V. 12. Jh. Nach Inv. Württemberg, Jagstkreis.
8. Sahl (Jütland), Kirche, A. aus vergoldetem Kupferblech. Nordisch, E. 12. Jh. Phot. Verf.
9. Hildesheim, Dom, A. aus getriebenem Silber. Um 1700. Phot. Verf.
10. Fulda, Dom, A. aus getriebenem Silber mit dem Wappen des Fürstabts Adolf von Dalberg (1726-37). Phot. Verf.
11. Berlin, Deutsches Mus., A. aus der Wiesenkirche in Soest. Temperamalerei auf Holz, um 1250–70. Phot. Mus.
12. Rimbach (Niederbayern), Geschnitztes A. in der Seelenkapelle, um 1720. Phot. Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, München.
Literatur
1. Jos. Braun, Der christliche Altar II, München 1924, 1–132, wo auch die Literatur zu den bemerkenswertesten der noch vorhandenen mittelalterlichen Antependien angegeben ist. 2. Fr. Bock, Geschichte der liturg. Gewänder des Mittelalters, Bonn 1871, Bd. III. 3. Heinr. Otte, Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie I. Leipzig 18835, 134f. 4. Eckart von Sydow, Die Entwicklung des figuralen Schmucks der christlichen Altarantependia bis zum 14. Jh., Straßburg 1912. 5. Jos. Braun, Die liturgischen Paramente in Gegenwart und Vergangenheit, Freiburg 1924, 191f. 6. Poul Nørlund, Gyldne Altre, Kopenhagen, 1926.
Verweise
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