Fortuna

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englisch: Fortune; französisch: Fortune; italienisch: Fortuna.


Sibylle Appuhn-Radtke (2005)

RDK X, 271–401


RDK VI, 1379, Abb. 4. Paris, E. 13. Jh.
RDK VII, 1153, Abb. 3. A. Bronzino, um 1565 - 1570, Florenz.
RDK VIII, 507, Abb. 6. Maarten van Heemskerck (Entw.) und Phil. Galle (Ausf.), 1563.
RDK IX, 565, Abb. 15. Claude de Ruelle (Entw.) und Matth. Merian d. Ä., 1611.
RDK X, 273, Abb. 1. Glücksrad. Italien, 11. Jh.
RDK X, 273, Abb. 2. F. anceps mit ihrem Opfer Croesus.
RDK X, 275, Abb. 3. F. dreht das Glücksrad.
RDK X, 277, Abb. 4. F. und Sapientia.
RDK X, 279, Abb. 5. F. mit ihrem Opfer Tankred.
RDK X, 281, Abb. 6. F. dreht das Glücksrad.
RDK X, 283, Abb. 7. Schemazeichnung eines Glücksrades.
RDK X, 285, Abb. 8. Glücksrad mit Parzen. Scheyern, 1241.
RDK X, 287, Abb. 9. F. dreht das Glücksrad.
RDK X, 289, Abb. 10. Glücksrad mit Zahnradantrieb. Frankreich, um 1360.
RDK X, 291, Abb. 11. F. dreht das Lebensrad. Alcobaça, 1364.
RDK X, 293, Abb. 12. F. in der "Cité de Dieu". Burgund, 1405.
RDK X, 295, Abb. 13. Wohnort der F. Paris, nach 1404.
RDK X, 297, Abb. 14. Wohnort der F. Frankreich, A. 15. Jh.
RDK X, 297, Abb. 15. Wohnort der F. Frankreich, um 1410.
RDK X, 299, Abb. 16. Kampf der F. gegen die Armut.
RDK X, 299, Abb. 17. Kampf der F. gegen die Armut.
RDK X, 301, Abb. 18. F. mit dem Lebensrad. Erfurt (?), 2. V. 15. Jh.
RDK X, 303, Abb. 19. F. bona. Frankreich, M. 15. Jh.
RDK X, 305, Abb. 20. F. mala. Frankreich, M. 15. Jh.
RDK X, 307, Abb. 21. F. und Virtus. Simon Marmion, nach 1447.
RDK X, 309, Abb. 22. Boccaccio beschreibt F. Frankreich, 1458.
RDK X, 311, Abb. 23. F. präsidiert beim Tanz. Frankreich, 1464.
RDK X, 313, Abb. 24. F. im Mond.
RDK X, 315, Abb. 25. F. als Patronin der Liebenden.
RDK X, 317, Abb. 26. Philosophia unterrichtet Boethius über F.
RDK X, 319, Abb. 27. F. und Juno als Verteilerinnen materieller Gaben.
RDK X, 321, Abb. 28. F. zwischen Raison und Vertu. Frankreich, E. 15. Jh.
RDK X, 323, Abb. 29. Studie nach einem röm. Sarkophagrelief.
RDK X, 323, Abb. 30. Medaille mit segelnder F.
RDK X, 325, Abb. 31. "Das kleine Glück".
RDK X, 325, Abb. 32. F. am Berg der Weisheit.
RDK X, 327, Abb. 33. F. und Amor.
RDK X, 329, Abb. 34. F. nach antikem Münzbild.
RDK X, 331, Abb. 35. F. mit dreifachem Glücksrad.
RDK X, 333, Abb. 36. F.-Statuette.
RDK X, 333, Abb. 37. F. mit dem Reichsapfel.
RDK X, 335, Abb. 38. F. bona.
RDK X, 337, Abb. 39. F. arbeitet am Sturz ihres Günstlings.
RDK X, 339, Abb. 40. Nachstiche trajanischer Münzen mit F. Guillaume du Choul, 1556.
RDK X, 341, Abb. 41. Die wankelmütige F. auf dem Drehpunkt einer Wippe.
RDK X, 343, Abb. 42. F. vaga et instabilis.
RDK X, 343, Abb. 43. F. stabilis.
RDK X, 345, Abb. 44. Wappenscheibe mit F.
RDK X, 347, Abb. 45. Muschelpokal mit F.
RDK X, 349, Abb. 46. F. ändert das Wesen des Menschen nicht.
RDK X, 349, Abb. 47. F. bevorzugt den Unwürdigen. Gabriel Rollenhagen, 1613.
RDK X, 351, Abb. 48. Prunkschlitten mit F. Esaias van Hulsen, 1618.
RDK X, 353, Abb. 49. Das Glück des Kf. Friedrich V. von der Pfalz. Flugblatt, 1621.
RDK X, 357, Abb. 50. F. Bona. Johann Jacob Sandrart, 1680.
RDK X, 359, Abb. 51. Instabilität der gallischen F.
RDK X, 359, Abb. 52. F.-Figur als Bekrönung eines Torbaus.
RDK X, 361, Abb. 53. Hzg. Theodo I. von Bayern mit F. anceps.
RDK X, 363, Abb. 54. F. zwischen Virtus und Victoria.
RDK X, 365, Abb. 55. F. hilft den Mutigen. Hieronymus Sperling, um 1740.
RDK X, 367, Abb. 56. Prudentia dominiert F.
RDK X, 369, Abb. 57. F. in den Fesseln des Todes.
RDK X, 371, Abb. 58. Antikisierende F. als Fassadenfigur.
RDK X, 373, Abb. 59. Typen von F.
RDK X, 375, Abb. 60. Lotterietrommel mit F.
RDK X, 377, Abb. 61. Schützenscheibe mit F.
RDK X, 381, Abb. 62. F. rotans. Edward Burne-Jones, zw. 1875 und 1883.
RDK X, 385, Abb. 63. Hochzeitsgeschenk mit F. auf der Kugel.
RDK X, 387, Abb. 64. Modell für eine F.-Figur.
RDK X, 389, Abb. 65. Dreifaches Glücksrad.
RDK X, 393, Abb. 66. Ohne Titel. Jörg Immendorff, 2000.

I. Begriff

Das Wort „fortuna“ gilt als Ableitung von „fors“ (lat. für „Zufall, Glück“: Alois Walde, Lat. Etymologisches Wb., neubearb. von Johann Baptist Hofmann, Hdbg. 31938, Bd. 1, S. 534; Thes. ling. Lat., Bd. 6, Sp. 1175; zu weiteren Ableitungen vom selben Wortstamm: Du Cange, Bd. 3, S. 378).

In deutschsprachigen Quellen ist „Glück“ die häufigste Entsprechung zu F. (mhd. „gelücke, glücke“: Lexer, Bd. 1, Sp. 829; nhd. Quellen bei Grimm, Bd. 4,I,5, Sp. 362-364 und 386-390, s. v. „Glück[s]fall“, „Glücksrad“ usw.; vgl. auch Adelung, Bd. 2, Sp. 728-730, bes. Nr. 4, und [92]).

F. ist sowohl Name als auch Personifikation der antiken Gottheit. Mehrere griech. und lat. Namen und Begriffe verschmolzen in unterschiedlichem Ausmaß mit F., vor allem Tyche, Nortia und Fatum sowie Kairos, Occasio und Nemesis. Das breite Spektrum von Benennungen hatte entsprechend weit gestreute Definitionen, Interpretationen und Darstellungen von F. zur Folge.

Die griech. Schicksalsgöttin Tyche stand ebenso wie F. für positive und negative Ereignisse; wenn nur eine ihrer Seiten benannt werden sollte, erhielt der Name ein entsprechendes Epitheton (Konrat Ziegler, Art. „Tyche“, in: RE 13, Sp. 1643-1696, bes. Sp. 1644; [79] S. 59; [77] VIII,1, S. 139).

Nortia war als Schicksalsgöttin das etruskische Gegenstück von Tyche und F. (so bei Juvenal, Saturae X, 74f.: [5] S. 206 und 403, Anm. 28; Friedhelm Prayon, Art. „Nortia“, in: DNP 8, Sp. 1007).

Für das Verständnis von Fatum (Heimarmene) gab es schon in vorröm. Zeit zwei Hauptrichtungen der Interpretation, die sich in der lat. Philosophie und Literatur fortsetzten: Während die Epikuräer „fatum“ als zufälliges Geschehen begriffen und weitgehend mit F. gleichsetzten, verstand die Stoa es als übergeordnetes Gesetz des menschlichen Lebens im wiederkehrenden Zyklus von Geburt, Tod und Reinkarnation (Georg Pfligersdorffer, Fatum und F. ..., Lit.wiss. Jb. der Görres-Ges. N.F. 2, 1961, S. 1-30). Wenn diese Abfolge personifiziert dargestellt wurde, dann in Form der drei Fata, die mit den *Parzen oder Moiren gleichgesetzt wurden. Bild des Fatum in platonischer Sicht ist das sich drehende Rad ([62] S. 226). Bei Augustinus wurde „fatum“ in stoischer Tradition zu der den Beweggründen innewohnenden Ordnung, die allein auf den Willen Gottes zurückgeht (De civitate Dei V, 8: [2] S. 135f.; Harry Austryn Wolfson, Religious Philos., Cambr., Mass. 1961, S. 169f.). Spätere chr. Autoren gebrauchten Fatum und F. oftmals als Gegensatz (sofern F. überhaupt als reale Wirkkraft akzeptiert wurde), wobei dem Fatum als Ausdruck des göttlichen Willens Präferenz zuerkannt wurde (vgl. [62] S. 229ff.).

Manche der F. zugeschriebenen Eigenschaften (s. Sp. 276f.) waren auch Kairos eigen, so daß F. gelegentlich dessen Phänotyp und Attribute erhielt. Kairos, der „Günstige Zeitpunkt“, das „Rechte Maß“, wurde in der griech. Antike als Begriff und Gottheit zugleich verstanden (Hans Lamer, Art. „Kairos“, in: RE 10, Sp.

1508-1521; Paolo Moreno, Art. „Kairos“, in: LIMC V,1, S. 920-922; Brigitte Schaffner, Art. „Kairos“, in: DNP 6, Sp. 138f.). Occasio, röm. Äquivalent zu Kairos, wurde in der Neuzeit häufig mit F. Bona gleichgesetzt (Raphael Michel, Art. „Occasio“, in: DNP 8, Sp. 1090; Horst Rüdiger, Göttin Gelegenheit ..., Arcadia 1, 1966, S. 121-166).

Die rächende Nemesis (Rhamnusia, Adrastia) wurde durch ihren Einfluß auf das menschliche Geschick zunächst mit Tyche, in der röm. Kaiserzeit mit F. assimiliert (Paulina Karanastassi, Art. „Nemesis“, in: LIMC VI,1, Sp. 733-762, bes. Sp. 735). Alternativbezeichnungen sind gelegentlich auch „casus“ und „sors“ (s. u.a. Sp. 283, 328).

II. Antike

A. Quellen

1. Kultus

Als Begründer des F.-Kultes in Rom galt Servius Tullius (Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia III, 4, 3: ed. Carl Kempf Bln. 1854, S. 277).

Ovid erzählt eine Liebesgeschichte zwischen F. und Servius Tullius, dem sechsten König Roms; die Göttin habe ihren Liebhaber - den einzigen Mann, für den sie nicht blind gewesen sei - nachts durch ein Fensterchen aufgesucht (Fasti VI, 573ff.: [6] S. 362).

Seit der Zeit des Augustus war der Kult der F. mit den römischen Kaisern verbunden. Seit 11 oder 14 n. Chr. wurden jährlich „Ludi Divi Augusti et Fortunae Reducis“ gefeiert (Hans Drexler, Art. „Fortuna“, in: [78] Bd. I,2, Sp. 1526).

Sueton berichtet, Kaiser Galba habe F. im Traum gesehen und vernommen, daß sie ermüdet vor seiner Tür stehe und daß, wenn er sie nicht einlasse, sie von jedem zufälligen Passanten entführt werden könne. Als er erwachte, fand er ein Bronzebild der F. vor seiner Tür und nahm es nach Tusculum mit, wo er es verehrte. Kurz vor seiner Ermordung weihte Galba ein zunächst für F. bestimmtes Halsband aus Perlen und Edelsteinen der Venus capitolina; daraufhin drohte F. ihrem Günstling, daß sie ihn aller Gaben berauben wolle. Galba befahl unverzüglich ein Sühneopfer in Tusculum vorbereiten zu lassen; bei seiner Ankunft fand er jedoch nur einen Greis in Trauerkleidung und erkaltende Asche auf dem Altar vor (Sueton, De vita Caesarum VII, Galba 4 u. 18: [13] Bd. 2, S. 196-198, 218).

Der Kult der F. blieb jedoch keineswegs an den Herrscher gebunden, sondern umfaßte alle Schichten der Bevölkerung. Ihre breitgefächerte Verehrung spiegelt sich in einer auffallend großen Zahl von Beinamen (Plutarch, Quaestiones Romanae, 281, in: ders., Moralia, ed. Thomas E. Page u.a., Ld.-Cambr., Mass. 1936, Bd. IV, S. 110 passim; Plutarch, De F. Romanorum, in: ebd., S. 322 passim).

Bei Ettore de Ruggiero, Diz. epigrafico (Rom 1906, Bd. III, S. 189ff.) sind 81 Epitheta genannt, die sich auf alle Bereiche des menschlichen Lebens beziehen, ebenso die private (F. Privata, F. Muliebris, F. Virilis) wie die öffentliche Sphäre (F. Publica, F. Augusta). Sie können das überzeitliche Wirken der F. (F. Bona, F. Obsequens, F. Dubia) genauso betonen wie ihr Eingreifen bei einem bestimmten Ereignis (F. Huiusce Diei, F. Redux, F. Equestris). Weitere Belege bei Iesse Benedictus Carter, Epitheta Deorum ..., in: [78] Suppl.-Bd. III, S. 38f. und [76] S. 182.

Pausanias gab in seiner „Periegesis“ mehrere Beschreibungen von Bildern der Tyche, die Attribute der F. vorwegnahmen und das Bild von F. bis in die Neuzeit mitprägten.

Das älteste Bild habe der Bildhauer Bupalos geschaffen (Periegesis IV, 30, 6: Description of Greece, übers. von William HS. Jones und Henry A. Ormerod, Bd. II, Ld. 1926, S. 338; dazu [74] Bd. 1, S. 458: um 540 v. Chr.). Die mit einem Polos gekrönte Göttin habe das Horn der Amalthea getragen. Die Bildhauer Xenophon und Kallistonikos stellten die Thebener Tyche als Frau mit dem Plutos-Knaben auf dem Arm dar (Periegesis IX, 16, 1: ebd., Bd. IV, Ld. 1935, S. 240). Das hochverehrte Kultbild der Tyche am Orontes sei ein Werk des Lysipp-Schülers Eutychides gewesen (Periegesis VI, 2, 7: ebd., Bd. III, Ld. 1933, S. 10; dazu: Tobias Dohrn, Die Tyche von Antiochia, Bln. 1960, S. 9: um 300/296 v. Chr.).

In Rom besaß F. mehrere literarisch oder aus Inschriften bekannte Heiligtümer (Walter Otto, in: RE 7, Sp. 16-20; [79]; zu weiteren Kultstätten, insbesondere zum Losorakel von Praeneste s. [74] Bd. 1, S. 84ff., Karte I).

Das Kultbild der „F. primigenia“ in Praeneste beschrieb Cicero (De divinatione II, 85f.: ed. Christoph Schäublin, Mchn. und Zh. 1991, S. 214) als Bild einer Frau, die Jupiter und Juno als Säuglinge auf ihrem Schoß halte; der Jupiter-Knabe greife nach ihrer Brust (dazu ferner [74] Bd. 1, S. 40-47).

2. Gestalt und Attribute

F. ist blind (Pacuvius, Chryses X, 105: [10] S. 78; weitere Belege bei Ovid, Ex Ponto ... III, 1, 125f.: [8] S. 380; Plinius d. Ä., Naturalis historia II, 22: [11] S. 26 u.ö.). Der wechselnde Gesichtsausdruck der F. „quasi gemina“ (Ammianus Marcellinus, Res gestae XXVII, 11, 2: [1] Bd. 4, S. 86) spiegelt ihre unvorhersehbaren Launen wider (Horaz, Epistulae I, 11, 20: [4] S. 460).

F. hat Flügel (Horaz, Carmina III, 30, 53: [4] S. 170; Ammianus Marcellinus, Res gestae XXVII, 11, 2: [1] S. 86); auch steht sie auf einer Kugel („saxus globosus“ bei Pacuvius, Chryses X, 106: [10] S. 78; „orbis“ bei Ovid, Tristium libri quinque V, 8, 7f.: [9] S. 240). Als Attribute besitzt sie ein ständig sich drehendes Rad (Ammianus Marcellinus, Res gestae XXVI, 8, 13 und XXXI, 1, 1: [1] Bd. 4, S. 40 und 242; Boethius, s. unten), ein Ruder (Plutarch, De F. Romanorum, 4: [12] Bd. 2, S. 330) oder ein Füllhorn (Petronius, Satyricon, 29, ed. Edward Capps u.a., Ld. 1929, S. 42).

Eine der ausführlichsten und bekanntesten Beschreibungen von F. gab Anicius Manlius Severinus Boethius im 2. Buch seines Werks „De consolatione philosophiae“ ([3] S. 42-50 und passim; vgl. Jerold C. Frakes, The Fate of F. in the Early MA. The Boethian Tradition, Leiden 1988).

F. ist blind und hat ein doppelseitiges Antlitz („vultus ambigui“). Sie dreht ihr Rad, durch das alle Menschen ihr rasch wechselndes Schicksal erleiden (z.B. Croesus und Cyrus). Aus einem Füllhorn verteilt F. die irdischen Gaben des Glücks und Wohlergehens, auf die der Mensch keinen rechtmäßigen Anspruch hat und von denen er nie genug bekommen kann. Reichtum und Ehren sind Dienerinnen der F. und folgen ihr, wenn sie sich zurückzieht. F. ist wankelmütig; wer sie sich als Herrin erwählt, muß sich nicht über ihre Launen wundern. Allein ihre Wandelbarkeit hat Bestand. Doch gerade eine widrige F. kann dem Menschen zum Nutzen gereichen.

3. Eigenschaften und Wirkungen

a. Aus dem großen Spektrum F. zugeschriebener Eigenschaften treten in der Literatur - im Gegensatz zum Kult - vor allem die negativen Aspekte hervor.

F. ist mächtig (Vergil, Aeneis VIII, 334: [14] S. 336; Horaz, Carmina I, 35: [4] S. 58-62; vgl. auch Ovid, Tristium libri quinque V, 14, 29f. [9], S. 260) und Herrin des Meeres (Horaz, Carmina I, 35, 6: [4] S. 58). Sie gilt als boshaft (Vergil, Aeneis II, 80: [14] S. 52: „improba“), trügerisch (Plautus, Captivi, 304, übers. von Paul Nixon, Ld. - N.Y. 1916, S. 490) und flüchtig (Ovid, Tristium libri quinque V, 8, 15: [9] S. 240: „Fortuna volubilis errat“; Plinius, Naturalis hist. II, 22: [11] S. 26: „volucris volubilisque ... vaga, inconstans, incerta, varia“). Sie gibt und nimmt irdische Würden (Horaz, Carmina I, 34, 14-16: [4] S. 58). Sie ist zerbrechlich wie Glas (Publilius Syrus, Sententiae F, 24: ed. Hermann Beckby, Mchn. 1969, S. 28: „vitrea est: tum cum splendet, frangitur“). Allein in ihrer Veränderlichkeit ist sie beständig („constans in levitate sua“; Ovid, Tristium libri quinque V, 8, 18: [9] S. 240).

b. Von größtem Interesse waren die positiven Wirkungen von F. (im Sinne von „glücklichem Zufall“: [75] Sp. 184). Wenn ihre Wirkungen hingegen in ein Verhältnis zur Moralität des Menschen gesetzt wurden, galten Gaben von F. entweder als verdient oder als unverdient.

Es gab einerseits die Ansicht, daß F. demjenigen gewogen sei, der tugendhaft lebe, stark oder mutig sei: z.B. „Virtute duce, comite fortuna“ (Cicero, Epistolae ad familiares X, 3, 2: ed. Helmut Kasten, Mchn. 31980, S. 558), „Fortis fortuna adiuvat“ (Terenz, Phormio I, 203: hg. von Robert Kauer und Wallace M. Lindsay, Oxf. 41961), „Audentis fortuna adiuvat“ (Vergil, Aeneis X, 284: [14] S. 420). F. (Tyche) als Stadtgöttin und die „virtus“ der Stadtgründer konnten ihre positive Wirkung gegenseitig steigern (Plutarch, De F. Romanorum, 316, 320 u. ö.: [12] S. 322, 342 u. ö.).

Zu der hierauf basierenden Sprichworttradition im MA vgl. Hans Walther, Proverbia sententiaeque latinitatis medii aevi, T. 2, Gött. 1964, S. 166, Nr. 9804; T. 5, Gött. 1967, S. 800, Nr. 33 703; ähnlich: T. 1, Gött. 1963, S. 193, Nr. 1702ff., und ders., Proverbia sententiaeque medii ac recentioris aevi, nova ser. I (T. 7), Gött. 1982, S. 887, Nr. 37037d, e, m.

F. begünstigt andererseits die Unwürdigen („indignorum fautrix“: Plinius, Naturalis hist. II, 22: [11] S. 26; ähnlich auch „peiora fovens“: Seneca, Phaedra, 977f., ed. Theodor Thomann, Zh. und Mchn. 1978, S. 380).

Handelt F. zu Ungunsten des Menschen, kann seine Virtus ihm Zuflucht bieten; sie ist in diesem Fall Helferin gegen F., nicht die Ursache von deren Gunst (Horaz, Carmina III, 29, 53-56: [4] S. 174). Bei Boethius tritt Philosophia als „Ärztin“ auf, die durch Vermittlung von Erkenntnis die von F. bewirkten Verletzungen heilen kann. Philosophia verhilft Boethius zur Einsicht, daß dort, wo F. als blind waltendes Glück - wie in lib. II beschrieben - am Werke scheint, „casus“ als Dienerin der alles ordnenden „Divina Providentia“ tätig ist (De consolatione philosophiae V: [3] S. 228-232).

Bei einigen Autoren, vor allem in Spätantike und Christentum, wurden Zweifel an der Autonomie von F. laut ([75] Sp. 193-196). Damit war das Postulat der Handlungsfreiheit des Menschen gegenüber F. verbunden.

Sallust hielt Menschen für grundsätzlich unabhängig von F.: Jeder sei seines Glückes Schmied („... fabrum esse suae quemque fortunae“: Gaius S. Crispus Sallustius, Epistolae ad Caesarem Senem de re publica I, 2: hg. und übers. von Wilhelm Schöne und Werner Eisenhut, Mchn. 51975, S. 392). Zu vergleichbaren Dicta bei Plautus und Cornelius Nepos: Georg Büchmann, Geflügelte Worte ..., Bln. und Mchn. 321972, S. 521. - Juvenal adressierte F. in später oft zitierten Versen und entlarvte die Gottheit zugleich als menschliche Fiktion: „Keine göttliche Macht hättest du, wenn es Vernunft gäbe: Wir sind es, die dich, Fortuna, zur Göttin machen.“ (Decimus Junius Juvenalis, Saturae XIV, 315f. und ähnlich X, 365f.: [5] S. 298 und 228).

Marc Aurel vertrat die Ansicht, daß der scheinbare Zufall der Vorsehung unterworfen sei (Marcus Aurelius Antoninus, Ad se ipsum 2, 3: Wege zu sich selbst, hg. und übers. Rainer Nickel, Mchn. 2003, S. 18). - Laktanz lehnte eine personale F. ab; diese sei lediglich ein Bild für unerwartet erscheinende akzidentielle Vorgänge; er stimmte Juvenas Definition zu (Lucius Caecilius Firmianus Lactantius, Divinae institutiones III, 28f., edd. Samuel Brandt, Georg Laubmann, Prag usw. 1890 [CSEL, 19], S. 264-271; vgl. [90] S. 180f.). - Augustinus sprach F. bei seiner Kritik an den antiken Göttern aufgrund ihres ambivalenten Charakters jegliche Göttlichkeit ab, da jede Gottheit gut sein müsse (Aurelius Augustinus, De civitate Dei IV, 18: [2] S. 112f.; zur Abgrenzung F.s von „Felicitas“ vgl. [85] S. 57). In der Nigidius-Episode, in der Augustinus Stellung gegen astrologische Vorherbestimmung bezog (De civitate Dei V, 3: [2] S. 130f.), ist zwar nicht F. genannt, sondern „casus“, aber franz. Übers. gaben diesen Begriff mit „fortune“ wieder, so daß die Stelle durch ein Bild der F. illustriert werden konnte (s. Sp. 316f.).

B. Darstellungen

Römische Einzeldarstellungen von F. sind nach derzeitigem Forschungsstand in folgende Typen zu gliedern: Schon in archaischer Zeit wurde eine Muttergottheit mit Kind verehrt, die eine Frucht, das Füllhorn sowie eine Blütenkrone oder den Modius als Attribute trug (F. Primigenia von Praeneste; F. Muliebris); diese konnte auch in Doppelgestalt auftreten. Ebenfalls als zweifache Gottheit wurde die F. von Antium verbildlicht. Hellenistische F.-Figuren trugen neben dem Füllhorn auch das von Tyche entlehnte Ruder als Herrschaftszeichen. Glückverheißende F. spielten in der Kaiserikonographie eine große Rolle [77].

Die meisten großplastischen Einzelfiguren von F. sind erst seit dem 18. Jh. bekannt (so 1798 die typenbildende F. im „Braccio Nuovo“ des Vatikan mit Füllhorn und Ruder: [77] VIII,1, S. 127, Nr. 16); das gleiche galt für Wandgemälde (zu einer F. mit Ruder und Füllhorn in Pompeji: Vittorio Spinazzola, Pompei alla luce degli scavi nuovi di Via dell’Abbondanza, Anni 1910-1923, Rom 1953, Taf. XI). Jedoch waren röm. Sarkophagreliefs mit F. auch im MA bekannt (s. Sp. 354). Zu einer 1547 auf dem Forum Romanum ergrabenen Basis mit auf F. bezüglicher Inschr. s. Federico Rausa, La base Farnese CIL VI, 196 e il tema della F. Redux nella propaganda di Vespasiano, Quaderni ticinesi di numismatica e antichità classiche 26, 1997, S. 287-310.

Obwohl seit dem 15. Jh. einzelne F.-Skulpturen zeichnerisch rezipiert wurden, waren vor allem kleinformatige Darstellungen, insbesondere auf römischen Münzen, für die Überlieferung des antiken F.-Bildes von Bedeutung (s. Sp. 328f., 354f.). Die hier genannten Beinamen von F. verweisen nahezu immer auf die glückbringenden Aspekte der Göttin. Am häufigsten sind: F. Redux, Augusta, Florens, Felix, Bona, Manens und Obsequens.

Vielfach erhalten sind Münzen mit F. Redux, denn Anlässe, entweder eine glückliche Heimkehr zu feiern oder eine solche zu beschwören, waren in der ganzen Kaiserzeit gegeben. F. ist hier meist sitzend, seltener stehend gezeigt. In der Regel hält sie ein Füllhorn und ein Ruder, das auf der Weltkugel ruhen kann (z.B. Harold Mattingly und Edward A. Sydenham, The Roman Imperial Coinage, Bd. II, Ld. 21966, S. 355, Nr. 122). Seltener steht ein Rad unter ihrem Thron (ebd., Bd. III, Ld. 1936, S. 240, Nr. 343). Sie kann auch eine Patera (ebd., Bd. I, Ld. 21965, S. 34, Nr. 81), ein Zepter (ebd.,

Bd. II, Ld. 21966, S. 229, Nr. 204), einen Palmwedel (ebd., Bd. IV,1, Ld. 21968, S. 138, Nr. 1), einen Zweig (ebd., S. 156, Nr. 479a) oder Kornähren (ebd., S. 176, Nr. 625) tragen. - Ein Teil dieser Attribute blieb nicht auf F. Redux beschränkt: Das Füllhorn kommt auch den meisten anderen Ausprägungen von F. zu; Ruder und Patera finden sich u.a. bei F. Augusta, F. Obsequens und F. Felix.

Eine eigenständige Ikon. wurde hingegen für F. Manens auf Münzen des Commodus entwickelt: Eine sitzende F. mit Füllhorn hält ein Roß am Zügel (ebd., Bd. III, Ld. 1936, S. 429, Nr. 547).

Andere Münzen nahmen wahrscheinlich auf bestimmte Kultbilder Bezug, so auf die Fortunae Antiates. Diese Münzen bilden jeweils zwei Büsten ab. So zeigt eine augusteische Münze des Q. Rustius die einander zugewandten Köpfe zweier Figuren, von denen die linke einen Helm, die rechte ein Diadem trägt (ebd., Bd. I, Ld. 21965, S. 69, Nr. 95; [74] Bd. 2, Taf. IX/1; [77] VIII,1, S. 127, Nr. 12f.; VIII,2, S. 91).

III. Mittelalter

A. Quellen

Obwohl Kirchenväter und andere christliche Autoren in der Spätantike entschiedene Kritik an paganen Überlieferungen geäußert hatten, wurde F. in Glossarien und Mythographien behandelt. In zahlreichen Werken der Dichtung, in der F. u. a. als Dienerin der Providentia, als Widerpart der „mâze“ oder als Gegenentwurf zur Ordnung des Fürstenhofes auftritt, finden sich Schilderungen ihres Aussehens und Wirkens (vgl. [90]; [91]; [63]; Walter Hang, O Fortuna, in: [66] S. 1-22).

1. Glossarien und Kommentare

Das breite Spektrum an Interpretationen von F. in der antiken Literatur wurde von ma. Autoren übernommen, aber das Hauptgewicht legten diese auf das Verständnis von F. als Personifikation des Zufalls.

Isidor von Sevilla erklärte, daß F. von den „fortuiti“ abzuleiten sei, mit denen sie spiele. Sie sei blind, so daß sie ohne Ansehen des Verdienstes zu Guten wie zu Bösen komme (Isidor, Etym. VIII, 11, 94; vgl. Augustinus, De civitate Dei IV, 18: [2] S. 113). - In dem Salomo III. von Konstanz († 919) zugeschr., oftmals erweiterten „Glossarium Salomonis“ sind u.a. Augustinus und Isidor zitiert; in erster Linie ist F. jedoch als zufälliges Geschehnis verstanden: „Fortuna est quicquid fortuitu venit“. F. sei aber auch „eventus, exitus, infelicitas, casus, conditio, proventus, sors, prosperitas vel dea prosperitatis et adversitatis vel peractura praeteritarum“ (München, Bayer. St.bibl.: cod. lat. mon. 22 201, 12. Jh., fol. 61v; ähnlich Johannes Baibus, Catholicon, ed. princ. Mainz 1460, s.v.). - „Nemesis“ erscheint seit dem 10. Jh. als Synonym von F., so in der lat. Übers. des „Lexicon“ von Suidas (Suda) und in dem Kommentar von Remi-

gius von Auxerre zu Martianus Capella (Suidas, Lexicon graece et latine, Cambr. 1705, Bd. 2, S. 606; Remigius Autissiodorensis, Commentum in Martianum Capellam I, 37.7: ed. Cora Lutz, Leiden 1965, S. 136f.). - Knapper ist der „Vocabularius ex quo“, 15. Jh.: „Fortuna ‚glucke’ est temporalis eventus rerum“ (ed. Klaus Grubmüller, Bd. 3, Tüb. 1988, S. 1072, F 442).

2. Mythographie und Dichtung

a. Gestalt und Wohnort

Bei den sog. Vatikanischen Mythographen, 12. Jh., spielt F. in mehreren „fabulae“ eine Rolle.

Im Narziss-Mythos ist F. Rächerin der verschmähten Liebe („F. ultrix fastidientium“) und Synonym zu „Nemesis“ (Mythographus I, Nr. 182: ed. Péter Kulcsdr, Turnhout 1987 [CCSL 91c], S. 72, Z. 13; s. auch Mythographus II, Nr. 207: ebd., S. 253, Z. 16f.). Die Herkunft ihres Füllhorns wird in der „Fabula Herculis et Dianire“ erläutert (Mythographus I, Nr. 58: ebd., S. 26; ähnlich Mythographus II, Nr. 190: ebd., S. 243).

Die ausführlichste hochmittelalterliche Beschreibung von Gestalt und Wohnort der F. gab Alarms ab Insulis (Anticlaudianus VII, v. 405 bis VIII, v. 62: [15] S. 169-174). Er erweiterte die Vorstellung von F. als Personifikation des wechselhaften Glücks durch Beschreibungen ihres ambivalenten Wesens (s. Sp. 275-277); sie basieren teilweise auf Claudians Schilderung des Aufenthaltsortes der Venus (dazu [91] S. 123-146; vgl. auch Christel Meier in [113] S. 70-89; Yasmina Foehr-Janssens, La maison de Fortune dans l’Anticlaudianus d’A. de Lille, in: [65] S. 129-144).

Das Gesicht von F. ist zur Hälfte rot, zur Hälfte blaß; wenn ein Auge heiter blickt, ist das andere voller Tränen. Wohl in Anlehnung an die antike Occasio hat F. über der Stirn Haare, ihr Hinterkopf ist kahl. Mit einer Hand spendet sie ihre Gaben, mit der anderen fordert sie diese zurück. Ihre Schritte sind gleichzeitig vorwärts und rückwärts gerichtet, schnell und langsam. Ihr Gewand ist halb kostbar, halb verkommen. Sie dreht beständig ein Rad, an das die Geschicke der Menschen geknüpft sind (zu ihren Opfern s. Sp. 293f.).

Ihr Wohnort ist ein aus dem Meer aufragender Fels, der den Gezeiten ausgesetzt ist. Seine Vegetation wechselt mit den Winden und ist vom Zufall („casus“) bestimmt: Es gibt sowohl belaubte und fruchtbare als auch kahle und unfruchtbare Bäume. Dem Felsen entspringen zwei Flüsse: ein lieblicher mit honigsüßem Wasser, der die Menschen süchtig macht, so daß manche in ihm versinken, und ein wilder, schweflig schmeckender Fluß, der die Menschen in Verzweiflung stürzt und die meisten mit sich reißt. Beide Flüsse münden ineinander, wodurch der liebliche getrübt wird.

Das Haus der F. ist zur Hälfte ein prächtiger Palast auf der Höhe des Felsens, zur Hälfte eine Ruine an dessen Hang (darauf basierend der Wohnort von F. in Jean de Meungs „Roman de la Rose“; auch zu dessen Verarbeitung bei Chaucer: V. A. Kolve, Chaucer and the Imagery of Narrative, Stanford, Calif. 1984, S. 327).

In der Nachfolge des Alanus ließ Heinrich von dem Türlin in der „Crône“ seinen Helden Gawein den Edelsteinpalast der „Saelde“ aufsuchen (v. 15 657ff.: [94] S. 70-76; Helmut de Boor, F. in mhd. Dichtung, insbesondere in der Crône des Heinrich von dem Türlin, in: Hans Fromm, Wolfgang Harms, Uwe Ruberg [Hgg.], Verbum et Signum, Mchn. 1975, S. 311-328; Walter Haug, Paradigmatische Poesie, Dt. Vjschr. für Lit.wiss. und Geistesgesch. 54, 1980, S. 215. Zur Gleichsetzung von Saelde mit F.: Frederick P. Pickering, Lit. und darstellende K. im MA, Bln. 1966 [Grundlagen der Germanistik, 4], S. 122f.).

Gawein findet in einem halb prunkvollen, halb ruinösen Saal ein vom Wind bewegtes goldenes Rad, an dem Männer und Frauen hängen. Auf dem Rad thront Saelde mit ihrem Kind „Heil“; beide sind auf der rechten Seite schön und kostbar gekleidet, auf der linken häßlich, in zerfetzten Kleidern. Bei der Ankunft Gaweins bleibt das Rad stehen, und Saelde wendet sich dem Ritter in ungeteilter Schönheit zu (v. 15825ff.: Christine Zach, Die Erzählmotive der „Crône“ Heinrichs von dem Türlin und ihre altfranz. Quellen, Passau 1990 [Passauer Schrn. zu Sprache und Lit., 5], S. 198-202).

Der antike Topos von der „gläsernen“ F. (s. Sp. 277) kehrt 1230-1231 in Marners Preislied auf Heinrich von Zwettl wieder (Carmina Burana, Nachtrag 6: [17] S. 714; mit weiteren ma. Belegen: Johannes Janota, F. vitrea, in: [66] S. 344-362).

In dem mittelfranzösischen „Liber Fortunae“ schildert der anonyme Autor in der Nachfolge des Boethius seine Vision einer launischen F., die ihm während einer fiktiven Kerkerhaft am Palmsonntag des Jahres 1345 erscheint.

Sie ist eine große, würdige Edelfrau von hohem Alter. Eine goldene Krone, ein Hermelinmantel und ein goldener, mit Perlen geschmückter Gürtel bilden ihren Ornat. Sie hält ein endlos sich drehendes, achtspeichiges Rad mit vier menschlichen Figuren. F. enthüllt dem Autor, daß sie ebenso wie ihre Schwester „Raison“ ein Geschöpf Gottes sei, zwar aus himmlischer Substanz, aber dazu bestimmt, auf Erden zu verweilen. Beide Schwestern hätten Gehilfinnen: F. die junge, wertvolle „Habondance“, Raison die weise, freundliche „Mesure“. F. verteile (launisch und unvernünftig) die Güter Fortunas, während Raison Macht über die „Gaben der Natur“ habe (Liber Fortunae: ed. John L. Grigsby, Berkeley und Los Angeles, Cal. 1967, S. 57ff.).

In den beiden Büchern des „Roman de Fauvel“, u.a. von Gervais (Gervès) du Bus, um 1310-1314, ist die zweigesichtige F. Bewohnerin des Makrokosmos und Tochter des Weltenherrschers (v. 1871ff.: [18] S. 70ff.; zur Einordnung des Werks s. Edward H. Roesner u.a., Le Roman de Fauvel in the ed. of Mesire Chaillou de Pesstain, N.Y. 1990, S. 3f.).

F. trägt vier Namen, außer „Fortune“ auch „Providence“, „Destinée“ und „Aventure“; ihre Schwägerin ist „Sapience“. F. ist alles untertan, was Bewegung und Zeit unterworfen ist. Sie hält zwei Kronen in den Händen: Die eine („prospérité“) ist mit kostbaren Steinen geschmückt, verletzt aber durch verborgene Dornen ihren Träger; die andere sieht ärmlich aus, ist aber mit kleinen Smaragden besetzt, die denjenigen stärken, der trotz seines Unglücks die Tugenden zu schätzen weiß. F. dreht nicht nur ein Rad, sondern bewegt zwei Räder, ein langsam und ein schnell sich drehendes, die ihrerseits mit je zwei weiteren, gegenläufigen Rädern verbunden sind.

Dieses System besagt (ebenso wie die Kronen), daß auch im höchsten Glück irgendein Leiden verborgen ist.

Dante Alighieri lokalisierte F. im vierten Höllenkreis, wo sie inmitten der Geizigen und Verschwender ihr Rad dreht und damit die Güter der Welt ständig neu verteilt. Zwar regiert sie ihr eigenes Reich, ist aber Geschöpf Gottes (Divina Commedia, Inferno, VII, v. 61-96: [23] S. 122-124; vgl. Vincenzo Cioffari, The Conception of Fortune and Fate in the Works of Dante, Cambr., Ma. 1940; Ehrengart Meyer-Landrut, F. in Dantes „Divina Commedia“ aus der Sicht der frühen Kommentatoren, Rheinfelden 1987 [Romanistik, N.F., 4]).

Giovanni Boccaccio gab in mehreren seiner Werke Charakteristiken von F.

In den „Genealogie deorum gentilium“ setzte er F. mit der Parze Lachesis gleich, die alle Sterbliche betreffenden Dinge in Bewegung halte (lib. I, cap. V, § 7: [16] Bd. VII-VIII, S. 100f.). Im „Decameron“ bezeichnete er es als töricht, F. blind darzustellen; sie habe im Gegenteil tausend Augen, unvernünftig sei nur die Natur. Wenn F. - scheinbar unvernünftig - einem edlen Menschen ein einfaches Handwerk als Schicksal zuweise, so handle sie im Gegenteil sinnvoll, nämlich analog dem Menschen, der seine Kostbarkeiten an unverdächtigem Ort vergräbt (Giornata 6, novella 2: ebd.:, Bd. IV, S. 538, § 3-6). Das Verständnis von F. ist hier der vorausschauenden Divina Providentia angeglichen. In der „Amorosa visione“ tritt F. folgendermaßen auf: Ihr Antlitz, durch ein Tuch verdeckt, ist einmal heiter, einmal traurig, dann wie aus Wachs. Zu ihrer Linken steht ein Rad, das sie unablässig vor- und zurückdreht. Sie handelt hier weder vernünftig, noch einem Gesetz folgend (canto 31, v. 16-30: ebd., Bd. III, S. 100). Die vergänglichen Gaben von „F. bona“ sind u.a. Reichtum, Macht und Liebesglück (canto 32, v. 7-21: ebd., Bd. III, S. 102); es folgt das Lob der Armut (canto 32, v. 46-57: ebd., Bd. III, S. 103). Exempla für F.s Handeln sind in cap. 34-37 aufgeführt (ebd., Bd. III, S. 107-116). In der „Teseida delle nozze di Emilia“ kommen immer wieder F.s böse Eigenschaften und ihre Macht als „alta ministra del mondo“ zur Sprache (z.B. lib. IV, 11 und 80; lib. VI, 1: ebd., Bd. II, S. 356, 378, 417). Eine Exempelslg. zum Wirken von F. ist Boccaccios „De casibus virorum illustrium libri novem“, 1355-1360: Bereits Adam und Eva mußten das „Gaukelspiel“ von F. erfahren (lib. I, cap. 1, § 2: ebd., Bd. IX, S. 13); es folgt eine lange Reihe von Opfern der F. In Buch VI gibt Boccaccio die ausführlichste Beschreibung von F.: Sie erscheint dem Dichter als Monstrum mit brennenden, grausamen Augen, wirrem Haar, das über das Gesicht fällt, hundert Armen, mehrfarbigem Gewand und harter, schneidender Stimme. In einer langen Rede betont sie ihre Allmacht über Hoch und Niedrig. Sie ist „Zerstörerin aller Dinge“, aber auch Inspirationsquelle des Dichters, dem sie eine lange Reihe ihrer historischen Opfer zuführt (lib. VI, cap. 1: ebd., S. 466-479). - Die beiden Übers. dieses Werks von Laurent de Premierfait ins Franz., 1400 und 1409, waren in vielen ill. Hss. des 15. Jh. verbreitet, häufig mit einem Bild von F. am Textbeginn (L. de Premierfait, Des cas des nobles hommes et femmes, lib. I, cap. 1, 7-25, ed.

Patricia May Gathercole, Chapel Hill, North Carolina, 1968 [Univ. of North Carolina Stud. in the Romance Languages and Lit., 74], S. 76-79).

Die vor 1366 kompilierte anonyme Sammlung des „Polythecon“ bietet eine breite Palette von Ansichten über F. (s. auch Sp. 294f.).

Die größte Rolle spielen darin F.s negative Eigenschaften. So vereint ein langes Gedicht „De instabilitate fortune“ Ovids Vorstellung von der flüchtigen, unsteten Schrittes über die Erde irrenden F., die spielend, aber dennoch machtvoll ins menschliche Leben eingreift und nur in ihrer „levitas“ beständig ist (Polythecon I, nr. 33: [24] S. 41f.). Hieraus ergibt sich Z. 676ff. ihre aus Galterus de Castellione, „Alexandreis“ II, Z. 197-200 (ed. Marvin L. Colker, Passau 1978, S. 46), übernommene Definition: „Si semper apud omnes una manerem aut eadem, iam non merito Fortuna vocarer. Lex michi nature posita est sine lege moveri, solaque mobilitas stabilem facit.“

Christine de Pisan maß F. in ihren allegorischen Dichtungen eine wichtige Rolle zu.

In der „Épitre d’Othéa“ (1401) warnte die Autorin vor „la grant deesse“ F., denn diese verspreche alles, ohne es zu halten (cap. LXXIV: Haiina Didycki Loukopoulos, Classical mythology in the works of Christine de Pisan with an ed. of „L’Epistre Othea“ from the Harley ms. 4431, Diss. Wayne State Univ, Detroit, Mich. 1977, Ann Arbor 1987, S. 255). - In Teil II des allegorischen Romans „Le livre de la mutacion de Fortune“ (1400-1404) beschrieb die Autorin F. und ihren Wohnort näher: F. hat ein helles und ein dunkles Gesicht, entsprechend unterschiedliche Kronen und als Attribute Krone und Schwert. Mit dem rechten Bein steht sie im Wasser, mit dem linken im Feuer. Ihr Rad drehen die Brüder „Stunde“ („Eur“) und „Maß“ („Mesur“: v. 1911-1954: [21] S. 74-76). Sie wohnt in einem ständig sich drehenden Kastell mit vier unterschiedlichen Seiten auf einem im Meer schwimmenden Felsen, der mit vier Ketten im Ungewissen verankert ist (v. 1461-1471: ebd., S. 59). Torwächterin und Schatzmeisterin des Schlosses ist „Richesse“; sie beschenkt nur die Reichen, die Armen verachtet sie (v. 1617-1696: ebd., S. 61-67). In Teil IV wird der hohe, winddurchwehte Festsaal im Donjon des Schlosses beschrieben, der ständig zu schwanken scheint; er ist mit Bildern der Opfer und Diener von F. geschmückt, jedoch sind hier auch die Artes liberales unter Führung der Philosophie anzutreffen (v. 7053-8067: ebd., S. XXIVf.).

In der Sammelhs. „Virtutum et vitiorum omnium delineatio“, Erfurt (?), 2. V. 15. Jh. (Rom, Bibl. Casanatense, ms. 1404, fol. 2r), und in einer Parallelhs. (London, Libr. for the Hist. and Understanding of Medicine, ms. 49, fol. 57r) wird F. aufgrund fiktiver Ovid- und Plinius-Zitate beschrieben.

F. „nach Ovid“ erscheint als Vanitas-Allegorie; sie hält in der rechten Hand drei welkende Lilien und in der linken ein Heliotrop - diese Blumen sind laut Text Bilder der vergänglichen Jugend und aller körperlichen Vorzüge. F. „nach Plinius“ rekurriert auf das antike, von Frauen geweihte Standbild der F. Muliebris (s. Sp. 274). Ihm wird ein doppeltes Antlitz zugeschrieben; das eine sei helleuchtend, das andere dunkel.

F.s Eigenschaft als Verteilerin materieller Güter, die Juno verwaltet, betonte Evrart de Conty in seinem „Livre des Echecs amoureux“ [22].

F. ist hier nur ausführendes Organ der Prima Causa. Als „Petite Fortune“ wird sie mit Venus und deren Implikationen, u.a. Freude, Liebe und Reichtum, verglichen, als „Grande Fortune“ mit Jupiter sowie allem Göttlichen und der ewigen Seligkeit.

Im Auftrag Philipps des Guten entstand nach 1447 „L’Estrif de Fortune et de Vertu“; hier wiederholte der Autor, der burgundische Kleriker Martin le Franc (um 1400-1461) eine ganze Reihe von Epitheta für F., die bereits aus der Antike bekannt waren.

F. ist u.a. „inconstante, ... muable, incertaine, vacabonde, decepvant, perilleuse“. Er gab auch folgende Erklärungen für drei Darstellungsmöglichkeiten von F.: Die einen stellten F. mit Augenbinde dar, weil sie ihre Ignoranz und ihre Unmäßigkeit bei der Verteilung ihrer Geschenke in Betracht zögen. Andere malten sie auf der einen Seite weiß und auf der anderen schwarz, weil sie F.s Wechselhaftigkeit bemerkten. Die meisten dagegen stellten ihre dauernde Bewegung durch ein Rad dar, das das Oberste zu unterst kehre (Brüssel, BR, cod. 9510, fol. 21v-22r, zit. nach [80] S. 38).

b. Das Wirken von F.

F. als Personifikation der „temporalium mutabilitas“ ist im „Fulgentius metaforalis“ des John Ridevall, um 1330, als blind vorgestellt, weil sie sich dem Menschen unerwartet nähere oder diesen verblende (Liebeschütz, S. 53).

Das Wirken der wechselhaften F. wird zumeist an der Drehung des Glücksrades exemplifiziert ([63] S. 80ff.; [91] S. 147-175).

Es kommt vor in den Artusromanen (Karl-Josef Höltgen, Kg. Arthur und F., Anglia 75, 1957, S. 35-54; Christoph Cormeau, F. und andere Mächte im Artusroman, in: [66] S. 23-33), bei Petrus de Ebulo (Chiara Frugoni, „Fortuna Tancredi“ ..., in: Studi su Pietro da Eboli, Rom 1978 [Studi stor., 103-105], S. 148-169), Guillaume de Machaut ([82] S. 58), in Dantes „Divina Commedia“ („la sfera“ in: Inferno VII, V. 96: [23] S. 124), als Bild der ständig sich bewegenden Himmelssphären in den „Echecs amoureux“ des Evrart de Conty, um 1400 ([22] S. 18), in Losbüchern (Michael Schilling, Rota Fortunae ..., in: Dt. Lit. des sp. MA, hg. von Wolfgang Harms und L. Peter Johnson, Bln. 1975 [Publ. of the Inst. of Germanic Stud., Univ. of London, 22], S. 293-313, bes. 302-304), aber auch im Sprichwort (Hans Walther, Rota Fortunae im lat. Verssprichwort des MA, Mittellat. Jb. 1, 1964, S. 48-58; Irmgard Meiners, Rota Fortunae. Mitt. aus cgm 312, Beitr. zur Gesch. der dt. Sprache und Lit. 93, 1971, S. 399-415), in Streitgedichten (s. Sp. 294) und in Vagantenliedern (Carmina Burana 16,3; 17,2: [17] S. 42-44, Nr. 16f.).

Das Rad ist meistens mit der Vorstellung eines zur Herrschaft aufsteigenden Königs verbunden, der im Zenit thront, im Uhrzeigersinn herabstürzt und unter dem Rad am Boden liegt, um wiederum aufzusteigen. Die zugehörigen Motti „Regnabo; regno; regnavi; sum sine regno“ ebenfalls in den Carmina Burana (ebd., S. 46, Nr. 18a).

Auf dieser Viergliederung basiert u.a. ein mittelniederdt. Gedicht: In je einer Strophe treten vier Personen auf, die alle Stationen von zunehmendem (materiellem) Glück bis zur Armut beschreiben. Als F. agiert die „blinde wilde eventure“ (Reval, Stadtarchiv: Kasten 1415-28; Jürgen Meier, Das Glücksrad, in: VL2, Bd. 3, S. 66f.).

Drei Räder für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kennzeichnen das Wirken von F. in den spanischen Epos „El laberinto de Fortuna“, das Juan de Mena 1444 vollendete (ed. princ. Salamanca [?] zw. 1481 und 1488; J. de Mena, Obras completas, ed. Miguel Ángel Pérez Priego, Barcelona 1989, S. 209-303; vgl. Kindlers Lit.-Lex. 22, Zh. 1974, S. 9544f.). In dem in die sieben Planetensphären unterteilten Rad der Vergangenheit wohnen die Seelen der Verstorbenen, die der von „Providentia“ geführte Dichter nach dem Vorbild Dantes aufsucht. Diese Vorstellungen wurden im 16. Jh. bildwirksam (s. Sp. 374).

Das Idealbild eines Günstlings der F. zeichnete Gervais du Bus im „Roman de Fauvel“, um 1310-1314.

Der als Pferd verkörperte Fauvel besitzt die gleichen negativen Eigenschaften wie F.: Sein Name ist aus „faus“ (faux) und „vel“ (voile) zusammengesetzt; die einzelnen Buchstaben stehen für „Flaterie, Avarice, Vilanie, Varieté, Envie, Lascheté“ (V. 241-260: [18] S. 12). Fauvel beschließt, F. zu heiraten, um ihr Rad zu fixieren und so das Glück an sich zu binden. F. lehnt unter Hinweis auf ihre göttliche Herkunft ab, verheiratet Fauvel jedoch mit ihrer Dienerin „Vaine Gloire“. Diese hat ihren Platz zu Füßen von F. und hindert Glücksritter auf der Höhe des Rades daran, den bevorstehenden Sturz vorauszusehen.

Seltener sind die Würfel kennzeichnendes Attribut von F.s Wirken.

Im Gedicht „Quod unusquisque debeat esse sui iuris“ ist die Rede von einer geflügelten F., die ihr Rad dreht und Würfel spielt (Polythecon V, nr. 30, 671ff.: [24] S. 156f.).

Als Exempla des wandelbaren Glücks nannte Alanus ab Insulis historische Gegnerpaare, die abwechselnd auf dem Rad thronen und unter ihm am Boden liegen: Croesus und Cyrus („Codrus“), Julius (Caesar) und Pompeius („Magnus“), Sulla und Marius (Anticlaudianus VIII, v. 58-62: [15] S. 174).

Die Liste des Alanus wird erst in Boccaccios Büchern vom Leben berühmter Männer und Frauen erweitert (De casibus virorum ..., lib. VI, cap. 1: [16] Bd. IX, S. 466-479; s.a. *Frauen, berühmte).

Im 6. Buch führt F. dem Autor antike Exempla vor: u.a. Glaucius, Marcus Livius Drusus, Spartacus, Crassus, Viriatus Lusitanus, Mithridates, Pompeius und Cicero. Als hervorragendes, schon von Boethius angeführtes Beispiel für einen raschen Wechsel von Glück und Unglück, das schon früh in die Bildtradition einging (s. Sp. 313), wird ausführlich die Vita des Perserkönigs Croesus beschrieben: sein Leben in Reichtum und Ehre, der Tod seines Sohns, seine Gefangennahme durch Cyrus, seine Verschonung von Strafe durch den Spruch seines stummen Sohns, seine wunderbare Errettung vom Feuertod und seine Wiedereinsetzung als König von Lydien (ebd., lib. II, cap. 20: [16] Bd. IX, S. 178-183).

3. Gegnerinnen von F.

a. Philosophia

Die von Boethius formulierte Lösung des Problems einer den Menschen überwältigenden F. durch den „Trost der Philosophie“ (s. Sp. 278f.) wurde das ganze MA hindurch in Abschriften (s. [83]) und Kommentaren (z.B. Saeculi Noni Auctoris ... Commentarius, ed. Edmund Taite Silk, Rom 1935; weitere bei [83] S. 403ff.) tradiert.

In der „Altercatio Fortune et Philosophie“ wetteifern F. und Philosophie um den höheren Rang. F. behauptet, daß sie Herrin aller irdischen Güter sei und beansprucht den Rang der Königin für sich; die Philosophie weist ihr nach, daß F. nicht wisse, was ein wahrer Schatz sei, nämlich ein wohlgebildeter Sinn (München, Bayer. St.bibl.: cod. lat. mon. 686, fol. 137r-v; Hans Walther, Das Streitgedicht in der lat. Lit. des MA, Mchn. 1920 [Quellen und Unters. zur lat. Philol. des MA, 5,2], S. 232-234, Kommentar S. 108).

b. Virtus

Als ein anderes „Remedium“ gegen widriges Glück galt im MA Virtus.

Das „Polythecon“ (s. Sp. 289) enthält ein langes Gedicht „De fortitudine habenda in adversis“, das in der Aufforderung gipfelt: „Componite mentes / ad magnum virtutis opus summosque labores. / Invia virtuti nulla est via.“ (Polythecon I, nr. 35, 757-759: [24] S. 45).

Als Heilmittel im Kampf gegen die doppelte F. und ihre Töchter, die Affekte Gaudium, Cupiditas, Dolor und Metus, begriff auch Francesco Petrarca Virtus und Ratio. Sein Werk „De remediis utriusque fortunae“, 1360-1366, war vor allem aufgrund der gedruckten Ausg. von großer Wirkung (De remediis, Vorrede an Azzo und Buch II: [20] S. 44-64, 212; vgl. Klaus Heitmann, F. und Virtus ..., Köln und Graz 1958; zur Rezeption in der dt.sprachigen Lit. s. [117] S. 170f.).

Der Antagonismus von Tugend und F. im Sinne von „glücklichem Zufall“ ist Thema des zwischen Lehrgedicht und Erbauungsliteratur stehenden „L’Estrif de Fortune et de Vertu“ von Martin le Franc.

In drei Büchern gibt der Autor zunächst eine Beschreibung der „armseligen Natur“ und „schwachen Kraft“ von F., die sie im Gegensatz zu allgemeiner Meinung kennzeichne; dann folgen Beisp. für Glücks- und Unglücksfälle aus der Geschichte. Im dritten Buch wird gezeigt, daß Virtus F. nicht unterworfen ist und sie schließlich besiegt ([80] S. 14f.). Das Schicksal des Menschen wird nicht durch eine blinde F., sondern durch seine eigenen Handlungen bestimmt, in denen er die von Providentia verliehenen Geistesgaben nutzt (ebd., S. 12). Das Werk liegt in einer großen Zahl von Hss. vor und erschien 1477 erstmals im Druck (ebd., S. 13ff.).

Den Kampf zwischen der hoffärtigen F. und der demütigen, aber starken „Povertà“, die Züge der Virtus trägt, schildert G. Boccaccio in „De casibus ...“ (lib. III, cap. 1: [16] Bd. IX, S. 192-201).

F. findet an einem Kreuzweg die magere, traurige Armut in zerrissenem Kleid vor und verspottet sie. „Povertà“ wird darüber zornig und fordert F., die als feist, rotbackig und kostbar gekleidet sowie als stolz, lügnerisch und unweise beschrieben wird, zum Zweikampf heraus. Nachdem die Armut im Wortduell ihre Unabhängigkeit von der Macht der F. betont hat, besiegt sie diese und erlegt F. folgende Buße auf: Sie solle das Unglück an einen Pfahl fesseln, damit es nur noch denjenigen Menschen schade, die es selber davon lösten. Die Erzählung dient als Beweis für die Willensfreiheit des Menschen.

c. Ratio

Bei Alanus ab Insulis (Anticlaudianus VIII, v. 63: [15] S. 174-177) spendet F. auf Bitten ihrer Tochter Nobilitas dem idealen Menschen ihre Gaben des Zufalls, obwohl diese dessen planvolle Bildung nicht erweitern können („Quid poterit casus, ubi casu nulla reguntur?“). Dennoch wird ihr Ratio beigegeben, weil nur die Vernunft verhindern kann, daß F. den Geist des Menschen verführt (Paraphrase: „De dono fortune“, in: Polythecon X, nr. 10: [24] S. 236f.).

In Martin le Francs „L’Estrif de Fortune et de Vertu“ ist Ratio als Richterin über die Gegnerinnen F. und Virtus eingesetzt (s. Sp. 294f.); sie erkennt Virtus als Siegerin an.

F. Petrarca ließ Ratio, die „Burgherrin“ des menschlichen Geistes, in „De remediis ...“ (s. Sp. 295) auftreten, um „Dolor“ vom Freitod abzuhalten; es gebühre dem Mann, der doppelgesichtigen F. gerade ins Antlitz zu schauen (De remediis, praefatio; lib. II: [20] S. 64, 212; zu einer mittelengl. Version: Franciscus N. M. Diekstra, A dialogue between Reason and Adversity ..., Assen 1968).

d. Spes

In dem Lehrgedicht „Remede de Fortune“ des Guillaume de Machaut (um 1300-1377) tröstet Spes („Esperence“) den unglücklich Verliebten, der F. für sein Unglück verantwortlich macht.

Die Hoffnung spielt hier die gleiche Rolle wie die Philosophie bei Boethius; auch die Struktur der Dichtung entstammt dessen Trostbuch ([82] S. 57). F.s doppeltes Antlitz und das Rad charakterisieren ihre Tätigkeit; sie ist ein „böser Baum“ und eine „beißende Schlange“. Auch ihre Beziehung zu Amor wird ausführlich beschrieben. Spes überwindet F., indem sie dem Liebenden Mut verleiht, so daß er seine Liebe gestehen kann und seine Dame als Freundin gewinnt.

B. Darstellungen

In ma. Darstellungen von F. herrscht der von Boethius geprägte Typ vor, nach dem F. mit doppeltem oder zweiseitigem Antlitz, ihr Rad drehend, als blinde Vermittlerin von materiellem Glück und Unglück zu sehen ist (s. Sp. 276).

1. Die zwiespältige F.

Der ambivalente Charakter von F., den Boethius mit Hilfe der „vultus ambigui“ umschrieben hatte, wurde in verschiedener Weise dargestellt: F. konnte als zweiköpfiges Monstrum (F. anceps) oder als zweiseitige Figur mit gespaltenem Antlitz (F. bifrons) auftreten; Mischformen beider Typen waren möglich ([59]).

In der Prüfeninger Hs. des „Glossarium Salomonis“, zw. 1158 und 1165, besitzt F. anceps zwei Köpfe, die völlig gleich ausgebildet sind (München, Bayer. St.bibl., cod. lat. mon. 13 002, fol. 3v: [83] Abb. 66; Ausst.kat. Regensburger Buchmal., Mchn. 1987, S. 50, Nr. 34, Taf. 25). Dies ist in spätma. Darst. anders: Auf einer um 1445-1448 entstandenen Zchg. in einer Hs. des Dominica de Arecio (Oxford, Balliol College, ms. 238, fol. 123r: [95] Taf. XIV, Abb. 37) trägt F. auf einem jungen, schönen Körper einen anmutigen und einen fratzenhaften Kopf; ähnlich in einer niederl. Boethius-Ill. von 1492 (Paris, BNF, ms. néerlandais I, fol. 58v: [83] Abb. 85): F. besitzt ein junges, anmutiges und ein altes, griesgrämiges Gesicht; beide sind jedoch durch Augenbinden als blind gekennzeichnet. Vgl. auch F. anceps in einer Ill. zu Guillaume de Machaut, Oeuvres, Frankr., 15. Jh. (New York, PML, ms. M 396, fol. 178v: [86] S. 326, Taf. 148).

Beischriften erläutern zwei Darst. von F. anceps, laut beigegebenen Texten nach Ovid und Plinius, in der Sammelhs. „Virtutum ... delineatio“ (Rom, Bibl. Casanatense, ms. 1404, fol. 2r: [59] S. 132f., Abb. 2; s. auch Sp. 309): F. „nach Ovid“ thront auf ihrem Rad, einen weißen Kopf nach rechts, einen schwarzen nach links gewendet; dieser Antithese entsprechen die Beischriften „p(ro)speritas“ und „adversitas“, dagegen nicht die Blumen in ihren erhobenen Händen: Sowohl die Lilien als auch das Heliotrop sind Zeichen der Vergänglichkeit (s. Sp. 290). Die auf einem von drei Pferden gezogenen Wagen thronende F. „nach Plinius“ besitzt ebenfalls einen weißen und einen schwarzen Kopf, jedoch einen gemeinsamen Zopf. Beischriften erläutern sie als trügerische „Fortuna mundi“.

Für welche gegensätzlichen Wirkungen von F. das helle und das dunkle Haupt stehen, zeigen zwei Miniaturen aus einer franz. Hs. von F. Petrarcas „De remediis ...“ in der Fassung von Nicolas Oresme, M. 15. Jh. (Abb. 19f. [88] Bd. 2, S. 406, Nr. 6; Bd. 3, Taf. 64f.).

F. in hermelinbesetzter Robe steht in einem Saal rechts neben ihrem Rad und wendet ihr helles, freundliches Antlitz dem darauf thronenden Kaiser zu, während ihr dunkles Gesicht am Hinterkopf kaum sichtbar ist. Der Kaiser befindet sich im Vollbesitz seiner Macht; er hält Zepter und Reichsapfel in Händen. Vertreter der Menschheit verehren die gütige F., denn sie hat Reichtümer verteilt, wie ein mit Prunkgefäßen besetztes Buffet im Hintergrund zeigt. Fol. 133r enthält die gleiche Szenerie, doch nun hat F. sich umgedreht, steht links vom Rad und blickt mit düsterem Gesicht auf die Menschen: Der Herrscher stürzt vom Rad, während schon seinem Nachfolger gehuldigt wird.

Die antithetische Gestaltung der Köpfe, die zu einem einzigen Januskopf mit zwei Gesichtern verwachsen sein können, wurde im 15. Jh. oft für die gesamte Gestalt von F. bifrons übernommen.

So erscheint sie in der herzförmigen Lieder-Hs. des Kanonikers Jean de Montchenu, Savoyen, um 1476 (Abb. 25; [59] S. 135, Abb. 3), als gespaltene Pers., auf einem Strahlen aussendenden Rad durch die Lüfte schwebend. Ihre rechte Seite ist weiß geflügelt und kostbar gekleidet; das schöne Antlitz blickt in einen Spiegel. Die linke Seite ist düster und hält statt des Spiegels ein Schwert.

In zwei Boethius-Hss. aus dem 4. V 15. Jhs. ist die Doppelköpfigkeit von F. ganz aufgegeben; die „vultus ambigui“ werden mit Hilfe einer durchgehenden Differenzierung beider Körperseiten vom Scheitel bis zur Sohle dargestellt (Abb. 26; Paris, BNF, ms. lat. 6643, fol. 76r, 227r, dat. 1497: [83] Abb. 88, 92). Beide Darstellungen von F. zeigen sie als höfisch gewandete Dame; im Londoner Codex trägt sie eine spitze Haube mit Schleier, in der Pariser Handschrift ist sie gekrönt.

Nur die Gesichtshälften von F. sind in einer Hs. von Evrart de Contys „Le livre des échecs amoureux“ (Abb. 27) farblich unterschieden; bei der sechsarmigen F. in dem von Jean Fouquet illum. „Münchener Boccaccio“, 1458, betrifft die Spaltung nur das Gewand (Abb. 22).

2. Typen der F. rotans

Wenn F. als Regentin des menschlichen Schicksals dargestellt wurde, war ihr Rad kennzeichnendes Attribut (Belege u.a. bei Brigitte Schliewen, Das Rota Fortunae-Programm in der Münchner Hs. Cgm. 312, Magisterarbeit Ludwig-Maximilians-Univ. Mchn. [masch.] 1994; Jean Wirth, L’iconographie médiévale de la roue de Fortune, in: [65] S. 105-127). Darstellungen der F. rotans sind am häufigsten in der Miniaturmalerei erhalten, in der Wandmalerei nur einzelne Beispiele.

Mit dem Rad sind - wie von nun an häufig -die vier Figuren eines aufsteigenden, eines thronenden, eines stürzenden und eines gefallenen Herrschers verbunden; dazu treten oft die Beischriften „Regnabo / Regno / Regnavi / Sum sine Regno“. Darstellungen des Rades mit F. finden sich anscheinend erst seit dem 12. Jh.

Die Zchg. eines Glücksrades ohne Darst. von F., M. 11. Jh., wurde als Einzelbl. in eine ital. Sammelhs. inseriert (Abb. 1; Francis Newton, The scriptorium and libr. at Monte Cassino, 1058-1105, Cambr. 1999 Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann. Stud. in Palaeography and Codicology, 7], S. 366).

Zu den frühesten Beisp. in der Wandmal. gehört ein um 1140-1150 entstandenes dän. Gem. Es zeigt einen mit „ROTA FORTUNE ...“ beschrifteten Tondo, der in drei farblich differenzierte, konzentrische Kreise eingeteilt ist. Vor dem mittleren thront eine Figur mit hoher Kappe, die mit beiden Armen ein Rad umfaßt; ihre Füße sind durch die Speichen gesteckt. Möglicherweise ist hier ein Weltmodell zu assoziieren (Slaglille Kirke; Ulla Haastrup, Die seeländischen roman. Wandmal. in Slaglille, Soderup und Fjenneslev, Hafnia 1979, Nr. 6, S. 106ff., Abb. 2). Daß F. und ihr Rad mit Welt und Erdscheibe verglichen werden konnten, zeigt - neben einer Miniatur im „Hortus Deliciarum“ (s. Sp. 310f.) - das wenig später dat. Mosaik in S. Salvatore, Turin. Hier sitzt F. als gekrönte Herrscherin im Zentrum der radartig in einen Mitteltondo und ehem. acht umgebende Rundfelder gegliederten Erdscheibe. Mit der rechten Hand scheint sie das durch Knoten verbundene Gefüge in Bewegung zu setzen; die Linke ist zerstört (Ernst Kitzinger, World Map and Fortune’s Wheel: A Medieval Mosaic Floor in Turin, Proceedings of the American Philos. Soc. 117, 1973, S. 344-373; zur Dat. S. 354f.; vgl. RDK VIII, Sp. 78). Die F. eines Wandgem.-Fragments in der Kath. von Rochester, 2. V 13. Jh. (Abb. 6) steht vor dem Rad und greift mit einer Hand in dessen Speichen (A.G.G.C. Pentreath, The Pictorial Hist. of Rochester Cath., Ld. 1970, S. 21). Eine Variante des üblichen Darst.schemas zeigt das Wandbild in der Apsis der Kirche St. Cyriakus in Berghausen, Kr. Meschede, 1. Dr. 13. Jh.: F. dreht hier das Glücksrad, das nur mit einer steigenden und einer fallenden Figur besetzt ist, während der regierende und der gestürzte König aufrecht zu beiden Seiten des Rades stehen; nur ihre Gesten und Attribute lassen sie als Opfer von F. erkennen (Nikolaus Rodenkirchen, Die Kirche in Berghausen und ihre Wandmal., Westfalen 22, 1937, S. 96-102, Abb. S. 101). Ein doppeltes Rad dreht F. auf einem Wandgem. im Pal. Vescovile, Bergamo, zw. 1272 und 1309 (La pittura in Italia, Bd. 1, Mail. 1986, S. 62, Abb. 85). Weitere Beisp.: Angera, Rocca Borromeo, um 1280/1290 (s. Sp. 311); Strakonice, Böhmen, Palas, 4. V 13. Jh. (Petr Pavelec, Umení 47, 1999, S. 169-174); Castell’Arquato, Emilia Romagna, Collegio delle Dorotee, E. 13. Jh. (Marc Le Cannu, Castell’Arquato ..., Piacenza 1994, S. 108); Bad Waltersdorf, Stm., St. Margareta, 14. Jh. (Albert Pichler, Bad Waltersdorf ..., Salzb. 1992, S. 24-30); Schloß Gravetsch, Gde. Villanders, Tirol, um 1510 (Nachzchg. des Zustandes von 1887 bei Oswald Trapp, Tiroler Burgenbuch, Bd. 4, Bozen 1977, Abb. 125). Zum Glücksrad von Lichtenberg s. Sp. 316.

Gelegentlich wurden die Radfenster romanischer Kirchen wie Glücksräder gestaltet (s. Fensterrose, RDK VIII, Sp. 65-203, bes. Sp. 82).

Beisp.: Beauvais, St-Étienne, um 1130-1140 (ebd., Abb. 2); Verona, S. Zeno Magg., E. 12. Jh. ([69] S. 193, Abb. 218); Basel, Münster, Kopie von 1880 nach dem vor 1213 entstandenen hölzernen Original; Victor Beyer, Rosaces et roues de Fortune ..., ZAK 22, 1962, H. 1-3, S. 34-43). Vor der Nabe der Fensterrose am nördl. Qhs. des Doms von Trient, um 1400, steht eine gekrönte Figur, wohl F. (Gian Maria Tabarelli, Appunti di storia dell’architettura trentina, Trient 1997, S. 68).

Die bildliche Zuordnung von F. und Rad wurde unterschiedlich gelöst: F. kann unbeweglich vor, hinter oder auf dem Rad stehen, auf ihm sitzen oder davor thronen.

Seit dem 13. Jh., vereinzelt schon früher (s. Sp. 301), wird meist die literarisch vorgegebene unablässige Bewegung des Rades anschaulich gemacht: F. greift in dessen Speichen oder dreht eine Kurbel, die das Rad antreibt.

Eine inschriftlich benannte F. in Halbfigur hinter dem Rad zeigt der „Liber ad Honorem Augusti“ des Petrus de Ebulo, Palermo, E. 12. Jh. (Bern, Burgerbibl., cod. Bern. 120 II, fol. 147r: [87] Abb. S. 243). - In Ganzfigur ist die gekrönte F. auf einer Federzchg., 12. Jh., dargestellt (Heiligenkreuz, Stiftsbibl., ms. 130, fol. 1v; [83] Abb. 67): Sie steht frontal hinter ihrem Rad, das sich hier gegen den Uhrzeigersinn dreht. F. drückt mit der rechten Hand die stürzende Figur, laut Beischrift „boeti(us)“, nieder; gegenüber steigt sie wieder auf. Die thronende und die unter dem Rad liegende Figur stellen ein weiteres Opfer von F. dar (s. Sp. 313).

Auf einem Faldistorium vor der Nabe ihres Rades thront F. in einer franz. Boethius-Hs., 13. Jh. (Wien, Österr. Nat.bibl., cod. 2642, fol. 11r: ebd., Abb. 71). Sie ist durch zwei lange, über ihre Augen fallenden Zöpfe gekennzeichnet, führt jedoch keinerlei Bewegung aus. Daß ihr Rad sich dreht, wird nur an den steigenden und fallenden Figuren deutlich, die ihr Rad umgeben. Den Platz des thronenden Herrschers nimmt hier ein gekrönter Stier ein. - Konventioneller erscheint die Miniatur in den Carmina Burana, um 1230 (München, Bayer. St.bibl., cod. lat. mon. 4660, fol. 1r: Faks. mit Einführung von Bernhard Bischoff, Mchn. 1967); die gekrönte F. thront vor dem Glücksrad mit den traditionellen Beischriften; sie hält zwei leere Schriftbänder in Händen. - In gleicher Position, jedoch von den Parzen umgeben, wurde F. in einer Min., Scheyern, zw. 1226 und 1241, einer Eroberungsszene aus dem „Jüdischen Krieg“ zugeordnet (Abb. 8). F. thront vor dem Zentrum eines speichenlosen dreifachen Rades, um dessen mittlere Felge drei - nicht, wie üblich, vier - Figuren aufsteigen, thronen und fallen. F. krönt die aufsteigende Figur mit der Rechten, während sie der Stürzenden mit der Linken die Krone entreißt. Der äußere Ring ist den Parzen vorbehalten, von denen die linke einen Spinnrocken hält, während die beiden anderen den Faden abwickeln. In den Bildzwickeln außerhalb des Rades die vier Jahreszeiten, darüber die Eroberung einer befestigten Stadt, wohl Jerusalems.

In Hss. des 13.-15. Jh. ist das Glücksrad meist ein feingliedriges Gebilde, an dessen Felge die (selten namentlich genannten) Opfer von F. hängen. Durch einen Griff in die Speichen versetzt die meist frontal hinter dem Rad stehende, gekrönte, seltener als blind gekennzeichnete F. das Rad in Schwung.

Zu den frühesten Beisp. dieses Typus gehört Villard de Honnecourts Schemazeichnung eines von F. angetriebenen Glücksrades, um 1235 (Abb. 7; [84] S. 127-129, Taf. 42, als Entw. für ein Sechspaßfenster interpretiert; dagegen: Roland Bechmann, V. de Honnecourt. La pensée technique au XIIIe s. et sa communication, Paris 1991, S. 302f.). - In einer Hs. der Bible moralisée, Paris, M. 13. Jh., dreht F. als Ill. zu Is 65,12 das Rad, während Männer dem darauf thronenden König zujubeln (Abb. 9). - In einer E. 13. Jh. ill. Hs. des „Renart le Nouvel“ steht F. hinter dem achtspeichigen Rad und bewegt es durch einen Griff in die Speichen; auf dem Reifen sitzen Renart und seine Söhne (RDK VI, Sp. 1378-1380, Abb. 4; weitere Beisp. bei Wolfgang Harms, Reinhart Fuchs als Papst und Antichrist auf dem Rad der F., Frühma. Stud. 6, 1972, S. 418-440).

Beisp. des 14. Jh.: Holkham Bible picture book, um 1325-1330 (London, BL, ms. add. 47 680, fol. 1v); „Divina Commedia“, Bologna (?), um 1385 (Hamburg, Bibl. des Gymnasium Christianeum: Lutz L. Malke, Zur Entwicklung der Commedia-Ill., Dt. Dante-Jb. 78, 2003, Abb. 7); Boethius-Hs. E. 14. Jh. (Paris, Bibl. de l’Inst. de France, ms. 264, fol. 9r: [83] Abb. 72,2); Astronomische Sammelhs., Prag, 1392-1393 (Wien, Österr. Nat.bibl., cod. 2352, fol. 86r: [95] Bd. 2, S. 88).

Dieser Typus existierte im 15. Jh. weiter: z.B. in einer franz. Boethius-Hss., Oxford, Bodl. Libr., ms. Douce 298, fol. 13v, A. 15. Jh. (Pächt-Alexander, Bd. 1, S. 49, Nr. 633; [83] Abb. 73,3) und Cambridge, Trinity Hall, ms. 12, fol. 3r, 1406 (? ebd., Abb. 74,2). - Der sog. Meister des Evert Zoudenbalch bezog in die Planetenfolge einer niederl. Naturkunde, um 1465-1470, eine vor dem Haupt des Mondes stehende, ihr Rad drehende F. mit ausgeprägtem Stirnhaar ein. Ihr von einem Esel angetriebenes Rad ist mit Fuchs, Hund, Löwe und Affe besetzt (Abb. 24. Ausst.kat. „Die goldene Zeit der holl. Buchmal.“, Utrecht 1990, S. 208f., Nr. 64).

Seit dem 13. Jh. existieren Abbildungen von Glücksrädern, durch die zugleich der Verlauf des menschlichen Lebens geschildert wird (grundlegend: Karl Weinhold, Glücksrad und Lebensrad, Bln. 1892 [Philos. und hist. Abhn. der Kgl. Akad. der Wiss. zu Berlin]; [93]).

William de Brailes schuf um 1240 eine Psalter-Ill. mit einem Rad der F., das in einem doppelten Ring konzentrisch angeordneter Bildfelder das Leben eines Heiligen und eines Weltmannes zeigt (Cambridge, Fitzwilliam Mus., ms. 330, no. 4: [93] S. 145f., Abb. 86). Zu einem portugiesischen Beisp. des 14. Jh. s. Sp. 315.

Ein schlichteres Lebensrad („Rota vite alias fortune“) dreht die blinde F. in der Hs. „Virtutum et vitiorum omnium delineatio“, 2. V. 15. Jh. (Abb. 18): Im Uhrzeigersinn besetzen Repräsentanten des menschlichen Lebens in sieben Altersstufen vom Säugling bis zum Toten das Rad der F. (Christian Kiening, Contemptus mundi in Vers und Bild des MA, Zs. für dt. Alt. und dt. Lit. 123, 1994, S. 409-457; zur Parallelhs. in London und einem vergleichbaren Lebensrad in München, Bayer. St.bibl., cod. graec. mon. 312 [3. V. 15. Jh.], fol. 98r: [93] S. 151, Abb. 91f.). In der Kirche von Härkeberga, Schweden, wurde das Lebensrad um 1485 Thema eines Wandgem. ([70] S. 70f., Abb. 16).

Anlaß für F.-Darst. mit dem Glücksrad boten seit dem 15. Jh. auch Tarocchi.

Beisp.: F.-Karte aus dem „Mazzo Brambilla“, um 1442-1443, aus der Werkstatt des Bonifacio Bembo: F. ist geflügelt, schwebt vor dem Glücksrad und greift in dessen Speichen (Mailand, Pin. di Brera: Ausst.kat. „I tarocchi: il caso e la F. ...“, Mail. 1999, S. 26-28, mit Abb.). Zur Kopie aus Cremona, um 1450, in New York, PML: Ausst.kat. „Mit Glück und Verstand“, Mönchengladbach 1994, S. 251, Nr. G 1.

Anstatt mit den Händen in die Speichen zu greifen, setzt F. auf manchen Miniaturen das Rad durch eine mechanische Übersetzung in Gang; wahrscheinlich wurden hier zeitgenössische Maschinen wiedergegeben. Damit waren wohl auch die literarisch überlieferten Glücksrad-Automaten wie das Rad in der Kirche von Fécamp, Dép. Seine-Maritime, um 1100, und die seit dem 13. Jh. beschriebenen und abgebildeten Räder auf Bühnen wohl nicht fiktiv (vgl. [63] S. 85; s. Fensterrose, RDK VIII, Sp. 78; Alan H. Nelson, Mechanical Wheels of Fortune, JWCI 43, 1980, S. 227-233).

In einer großen Ill. zur „Civitas terrena“ bei Augustinus, um 1180 (s. Sp. 316), steht F. links neben dem Rad, das mit je einem Menschen in Glück und Unglück besetzt ist, und dreht eine an der Radnabe ansetzende Kurbel. - Der „Hortus Deliciarum“ der Herrad von Landsberg, E. 12. Jh., enthält eine Allegorie über die treulose F.; ihr Rad ist ein Bild für „Gloria huius mundi“ (Abb. 3; Text nach Honorius Augustodunensis, fol. 214rv: [19] Bd. 2, S. 349-351): „Quod fortuna fidem non servat, circulus idem / plane testatur qui more rote variatur“. Den Lauf der Welt verbildlicht eine Maschinerie: Die gekrönte, auf der „Terra“ thronende F. dreht eine Kurbel, die eine in zwei Gabeln liegende Achse in Bewegung setzt. Diese läuft durch die Nabe des sechsspeichigen Rades und treibt es an. Der Effekt dieser Bewegung entspricht dem üblichen Glücksrad-Schema (s. Sp. 300): Ein thronender Herrscher, Prunkgefäße in beiden Händen und eine mit Münzen gefüllte Schüssel auf dem Schoß haltend („Rex diadematus pecuniis copiose ditatus“), stürzt im Uhrzeigersinn herab und steigt wieder auf („Glorior elatus / descendo minorificatus / infimus axe premor / rursus ad alta vehor.“). Die Tätigkeit von F., hier jedoch stehend und in einem mit Feh gefütterten Mantel, sowie die Mechanik des Rades ist ähnlich auf einer Federzchg., E. 12. Jh., mit der Beischrift „Dat Fortuna bonum, sed non est durabile donum ...“ (Paris, BNF, ms. lat. 3236 A, fol. 84v: Cat. général des mss. latins IV, Paris 1958, S. 394). F.s Handlungsweise wird mit dem wechselnden Mond verglichen („ludus fortune uariatur te[m]pore lune. Crescet decrescet, in eodem sistere nescet“; vgl. Abb. 24). Vgl. ferner die Darst. der ihr Rad kurbelnden F. mit Schwert, im 12. Jh. in eine Hs. der „Moralia in Iob“ von 914 eingeblendet (Manchester, John Rylands Univ. Libr., ms. 83, fol. 214v: Ulrich Rehm, Bebilderte Vaterunser-Erklärungen des MA, Baden-Baden 1994 Der Name des Attributs „[Sache“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann. spiritalia, 28], S. 28, 31, Abb. 2). - In einem fragmentarisch erh. Wandgem. in der Sala di giustizia der Rocca Borromeo, Angera, um 1280-1290, dominiert die auf einem Faldistorium thronende, gekrönte F. im Kreis der Planetengötter das in Historienszenen dargestellte wechselvolle Glück eines Erzb. von Mailand; sie hielt urspr. die Kurbel des neben ihr stehenden Rades in Händen (Jean-François Sonnay, Il programma politico e astrologico degli affreschi di Angera, in: La nuova città dal Comune alla Signoria, hg. von Carlo Bertelli, Mail. 1989, S. 164-187, Abb. 209). - Mit Übersetzung durch ein kleineres Zahnrad arbeitet F. in einer Hs. mit Dichtungen des Guillaume de Machaut, um 1360: F. mit Augenbinde treibt mit einer Kurbel ein kleines Rad an, dessen Zähne in die des größeren, eigentlichen Glücksrades mit drei Figuren einrasten (Abb. 10). - Eine Ill. zum „Roman de Fauvel“, M. 15. Jh. (s. Sp. 287), zeigt eine Maschinerie aus zwei parallelen Rädern, die ihrerseits durch eine Spirale verbunden sind; F. bifrons bewegt das vordere Rad, die durch einen Spiegel bezeichnete „Vainegloire“ sitzt zu ihren Füßen (St. Petersburg, Rossiskaya natsionalnaya bibl., ms. Fr.O.v.XIV, Nr. 1, fol. 20r: [96] S. 158f., Abb. 191).

Am häufigsten war im 15. Jh. ein auf einem Kreuzfuß oder Böcken stehendes Rad, das durch eine Kurbel in der Nabe angetrieben wird.

Beisp.: Martin le Franc, „L’Estrif de Fortune et de Vertu“, E. 15. Jh. (Abb. 30; London, BL, ms. Roy. 16 F. IV, fol. 3r): F. steht neben dem Glücksrad, an das drei Menschen gefesselt sind, und dreht mit der Rechten die Kurbel; zu den übrigen Pers. s. Sp. 295f. Mißverstanden ist die Kurbel auf zwei Ill. zu „De Consolatione philosophiae“, 15. Jh.: Sie setzt am Zylindermantel der Nabe an und durchdringt den Reifen, so daß sie das Rad eher blockiert als antreibt (New York, PML., ms. M 222, fol. 21r, und Paris, BNF, ms. fr. 1098, fol. 20v: [83] Abb. 80, 1f.).

3. F. als Werkzeug Gottes

In der Druckgraphik des 15. Jh. wurde gelegentlich erläutert, daß F. nicht aus eigener Macht, sondern auf Weisung Gottes handelt.

So zeigt ein Kupferstich des „Meisters von 1464“ die blinde F. innerhalb einer großen Allegorie von Leben und Tod: Sie dreht die Kurbel eines Glücksrades, an der ein Seil befestigt ist, das der in den Wolken erscheinende Weltenherrscher festhält ([63] S. 142, Taf. V, Abb. 13; zugehörige Texte in: Veröffn. der Internationalen chalkographischen Ges. 1888, I). Auf einem spanischen Kupferstich, vor 1454, ist F.s Rolle als Bewegerin des Glücksrades von einer Personifikation der Zeit („Tempus“) übernommen worden, der das Seil wie ein Zaumzeug angelegt ist ([61] Abb. 35).

4. Opfer von F.

Als Exempla der Opfer von F. wurden teils historische, teils Personen aus Mythus und Literatur dargestellt, u.a. die Könige Priamus, Alexander von Mazedonien und Croesus sowie Boethius und Tankred. Sie sind meist mit Darstellungen des Glücksrades verbunden.

So zeigt schon die Federzeichnung in Heiligenkreuz (Stiftsbibl., ms. 130, fol. 1v; s. Sp. 304) neben Boethius König Croesus, einmal auf F.s Rad thronend, einmal als Gestürzten auf glühendem Rost. Auch ein Boethius-Codex des 12. Jh. bildet Croesus ab, hier jedoch im Augenblick seiner Verurteilung als Gefangenen der „Opulentia“ vor dem Thron des Königs Cyrus (Abb. 2). - In zwei Min. zum „Liber ad Honorem Augusti“ des Petrus de Ebulo, Palermo, E. 12. Jh., hängt Tankred in den Speichen des Rades, das die gleichen Beischriften hat wie das Glücksrad bei Herrad von Landsberg. Es ist einmal den Tugenden Kaiser Heinrichs VI. zugeordnet, einmal dem Thron Salomos (Abb. 5; [87] S. 238f., 242f.; zu Herrad s. Abb. 3). - In Fragmenten einer illum. Hs. von „De civitate Dei“, um 1430, ist Alexander der gestürzte Günstling von F. (Berlin, StMPK, Kk.: [88] Bd.

2, Nr. 34, S. 332f., Bd. 3, Taf. 30): Auf einer saalartigen Bühne steht links F. in höfischer Tracht; sie deutet auf das Glücksrad zu ihrer Linken und auf den darauf thronenden „alixandre“ mit den Herrschaftsattributen Zepter, Reichsapfel und Turban (statt der Krone). Zu Füßen des Rades kauert derselbe Herrscher, der trauernd seinen Kopf in die Hand stützt; Turban, Zepter und Reichsapfel liegen vor ihm am Boden. In der rechten Bildhälfte sind weitere Beispiele für die Schicksale von Königen gegeben, die pauschal als „roy“ bezeichnet sind. - Priamus dient in einer Neapolitaner Weltchronik, um 1350-1360, als Exemplum eines Opfers von F. (London, BL, ms. Roy. 20 D. I, fol. 163v: [95] Bd. 3, S. 236).

Eine Reihe von 20 Günstlingen und Opfern der F. wird auf einer Holzschnitt-Ill. zur ed. princ. von Lorenzo Spirito, Libro della ventura ovvero libro della sorte, Perugia 1482, aufgeführt: Die durch eine Beischrift als unstet charakterisierte F. steht vor dem Rad, das mit den üblichen vier Figuren besetzt ist; der thronende König (Midas?) trägt Eselsohren. Die das Rad umgebenden Velen nennen Exempla für verschiedene Schicksalsfälle (Max Sander, Le livre à figures ital. depuis 1467 jusqu’à 1530, Nendeln 1969, Bd. 6, Nr. 723).

5. F. als Verteilerin von Glücksgaben

a. Materielle Güter

In einigen Darstellungen, vor allem in französischen Miniaturen des 15. Jh., wird F. als Spenderin materieller Güter vorgestellt.

Eine Min. in einer Hs. von Evrart de Conty, Livre des Echecs amoureux, Hainault, zw. 1490 und 1495, zeigt das gemeinsame Wirken von F. und Juno in bezug auf „richeces“ (Abb. 27): Auf freiem Feld stehen teils geöffnete, teils geschlossene Geldtruhen; in ihrer Mitte wacht Juno als „trésorière“ mit einem großen Schlüssel. F. bifrons als „Dame des biens temporels“ greift in eine der Truhen und füllt den Hut eines Bittstellers. F.s Rad schwebt über ihr in der Luft; der Griff der Kurbel ist auf ihren Mund gerichtet. Der unterhalb der Min. stehende Text definiert die Herkunft einzelner Güter von Natura, Ars und Ratio und setzt F.s Gaben, die „fortunement“ eintreffen, davon ab.

Eine Boethius-Hs. von 1476 (London, BL, ms. Harley 4336, fol. 1v: [70] Abb. 36) zeigt F. bifrons in ihrer Ambivalenz: Zu ihrer Rechten, die farblich als glückbringend gekennzeichnet ist, steht ein Tisch mit Prunkgefäßen, darunter eine Geldtruhe. Eine Familie hat sich dahinter versammelt; der Hausvater stützt besitzergreifend seine Hand auf einen Stapel von silbernen Platten; zu seinen Füßen liegt ein prall gefüllter Geldsack. Hinter ihnen erhebt sich die prunkvoll dekorierte Fassade eines Palastes. Zur Linken von F., auf ihrer dunklen Negativseite, ist eine Bettlerfamilie gezeigt. Boethius und Philosophia betrachten die Szene. Das gleiche Schema vertritt eine Boethius-Hs. von 1497 (s. Sp. 300); hier sind die von F. bestimmten Bildhälften jedoch noch deutlicher unterschieden: Auf der Seite des Glücks erhebt sich ein festes Schloß, während hinter den Bettlern eine Hütte zu sehen ist. Boethius und Philosophia in zerrissenem Gewand stehen auf der Seite des Unglücks.

b. Liebesglück und -leid

F. verteilt auch Glück und Leid in der Liebe.

Die tragisch endende Liebesgesch. von Kg. Pedro von Portugal und seiner Mätresse Ines de Castro schildern Hochreliefs in einem von F. bewegten Maßwerkrad am Kopfende von Pedros Grabmal in der Abtei Alcobaça, 1361-1367 (Abb. 11; Francisco P. Macedo und Maria José Goulão, Les tombeaux de Pedro et Inês: La mém. sacralisée d’un amour clandestin, in: Memory and Oblivion. Proceedings of the XXIX International Congr. of the Hist. of Art, Amsterdam 1996, Dordrecht 1999, S. 491-498). - Ein Wandgem. aus Schloß Lichtenberg, Vintschgau, E. 14. Jh., zeigt ein junges Paar, das ein Glücksrad dreht, während Frau Minne die Rolle von F. eingenommen hat (Julius von Schlosser, Die Wandgem. aus Schloß L. in Tirol, Wien 1916, S. 21f., Taf. 10; vgl. Harald Wolter-von dem Knesebeck, Zahm und wild: Thematische Spannungsverhältnisse und ihre [topographische] Organisation ..., in: Lit. und Wandmal., hg. von Eckart Conrad Lutz u.a., Bd. 2, Tübingen [im Druck]). - In der herzförmigen Liederhs. des Jean de Montchenu, um 1476 (Abb. 25), schwebt zu Häupten der F. der Amorknabe, der soeben seinen Pfeil auf eine höfisch gekleidete Dame abgeschossen hat. Die Attribute von F., Spiegel und Schwert, stehen für Liebesglück und Schmerz oder Strafe.

Einen ausgelassenen Tanz bewirkt F. in einer Ill. zu Pierre de Michaults moralisierender Traumdichtung „La danse aux aveugles“, 1464 (Abb. 23; [60] S. 47, Nr. 23, Abb. S. 94). F. ist hier - neben Atropos und Cupido (!) - eine der drei blinden *Parzen, die die Welt regieren. Die gekrönte F. bifrons mit Augenbinde, Zepter und Rad in den Händen, präsidiert beim Tanz modisch gekleideter Damen und Herren.

6. Textillustrationen

a. Augustinus

In illuminierten Handschriften von Augustinus, De civitate Dei (s. Sp. 280f.), sind Darstellungen von F. rotans häufig (Beispiele bei [88]).

Die auf den Mauern der „Civitas terrena“ ihr Rad drehende F. erscheint in einer vielteiligen Min., Bosau, um 1180, unter anderen Göttern (Schulpforta, Bibl. der Landesschule, ms. A 10: [85] S. 56-60, Abb. 2, 12).

In französischen Übersetzungen wurde im 14. und 15. Jh. die Nigidius-Episode mit F. illustriert.

Der Astrologe Nigidius bringt an einer sich drehenden Töpferscheibe unmittelbar nacheinander zwei Farbmarkierungen an; bei Stillstand des Rades sieht er, daß sich diese Markierungen nicht nebeneinander, sondern weit voneinander entfernt befinden. Er schließt daraus, daß die unterschiedlichen Schicksale von Zwillingen entsprechend zu erklären seien, die, obwohl kurz nacheinander, also scheinbar unter derselben Konstellation, geboren, sich unter dem (bewegten) Himmelsgewölbe befinden. Augustinus hält diesen Vergleich für „fragilius ... quam vasa quae illa rotatione finguntur“ und fragt, warum man meine, die Schicksale anderer Menschen, die nicht Zwillinge seien, aufgrund ihrer Geburtsstunde und des Ortes errechnen zu können, wenn ein nicht meßbarer Unterschied in der Konstellation der Gestirne bei Zwillingen schon so gewichtige Unterschiede bei deren Anlagen, Taten und Schicksalen bewirke.

Unter den vier Blättern einer franz. Hs. mit der Übers. von Raoul de Praelles, um 1395 ([88] Bd. 1, S. 288-290, Nr. 22; Bd. 3, Taf. 19), befindet sich eine Darst. des Astrologen, wie er die Töpferscheibe markiert, auf der gleichzeitig ein Gefäß gedreht wird. Ein verschieden gekleidetes Zwillingspärchen, hinter dem ein tonsurierter Mönch steht, verdeutlicht den Inhalt des Experiments, die Relativierung von Gleichzeitigkeit. Fertige Gefäße im Vordergrund sind entweder als Genremotive oder als Hinweis darauf zu verstehen, daß Augustinus den Vergleich des Nigidius als „gebrechlicher als die Gefäße, die durch die Drehung (des Töpferrades) geformt werden“ bezeichnete. Links von dieser Szene dreht F. ihr Rad, das mit den üblichen vier Figuren besetzt ist. Im Hintergrund erscheint sie zum zweiten Mal, nun auf einer Kugel sitzend; vor ihr stehen vier Frauenfiguren, daneben Christus als Weltenherrscher. - In einer burgundischen Hs. der „Cité de Dieu“, um 1405, sind die gleichen Szenen in zwei Register aufgeteilt (Abb. 12; ebd., Bd. 1, S. 305-307, Nr. 26): Im oberen sieht man Nigidius mit dem Töpfer, einen Gelehrten mit dem Zwillingspärchen und F. hinter ihrem Rad; im unteren steht der segnende Christus mit der Sphaira, rechts von ihm F. auf dem Globus, vor ihr die vier Frauen. Diese gehen wohl auf Augustins Auseinandersetzung mit Ciceros Beschreibung der vier „Causae efficientes“ zurück (De civitate Dei V, 9: [2] S. 136-140).

b. Boethius

Besonders viele Darstellungen von F. rotans sind in illuminierten Handschriften von „De consolatione philosophiae“ (s. Sp. 276) zu finden. Sie zeigen meist die Szene aus Buch II, in der Philosophia dem Autor die Gestalt von F. beschreibt. Stets dargestellt sind deshalb Boethius selbst - als Gelehrter in seinem Studierzimmer oder „krank“ im Bett liegend -, Philosophia und F. mit dem Rad. Die Musen, die Boethius in Buch I ([3] S. 4) aufsuchen, oder die angeführten Opfer F.s sind gelegentlich hinzugefügt (diverse Beisp. bei [86]).

Häufig wird die Darstellung von F., die nur in der von Philosophia erweckten Imagination des Boethius am Geschehen teilnimmt, motivisch von der sonstigen Szene geschieden, im einfachsten Fall durch die Architektur.

So erscheint in einer Hs. der Boethius -Übers. von Jean de Meun[g], 15. Jh., Philosophia mit Redegestus in der Studierstube des Boethius. Auf der Schwelle einer in den Garten führenden Tür steht F. anceps und deutet auf das Glücksrad, das hier mit Pers. der vier Temperamente (?) besetzt ist (Paris, BNF, ms. fr. 809, fol. 40r: [83] Abb. 78). Die entsprechende Min. einer niederl. Boethius -Übers. von 1492 (Paris, BNF, ms. néerlandais 1, fol. 58v: ebd., Abb. 85) zeigt eine kompliziertere Bildlösung: In einem bühnenartig nach vorn geöffneten Raum mit Rippengewölbe und Fenster sitzt der Autor, auf ein Kissen gestützt, frontal auf einer Bank. Links vor ihm steht die gekrönte Philosophia mit geöffnetem Buch, rechts modisch gekleidete Damen, wohl die Musen. An diese Bühne schließt ein gangartiger Raumteil an, der rückwärts ins Freie führt; hier ist der Platz für F. mit ihrem Rad.

In anderen Fällen erläutert ein Bild im Bild den visionären Charakter der F.-Erscheinung.

Eine in Brüssel um 1470 entstandene Hs. zeigt zwei übereinander angeordnete Szenen: In der unteren liegt Boethius im Bett; neben ihm steht die Philosophie mit Zepter und Buch. Drei Richter in hermelinbesetzten Gewändern überbringen dem Kranken das über ihn gefällte Urteil. In einem eigenen, als Himmel gekennzeichneten Bildfeld dreht die blinde F. ihr Rad, an dem vier Opfer hängen (Utrecht, Univ.bibl., cod. 1335, fol. 14bisv: Koert van der Horst, Illum. and Decorated Medieval Mss. in the Univ. Libr., Utrecht, Den Haag 1989, S. 40f., Nr. 143, Abb. 637). - Eine Boethius-Hs. von 1485 zeigt den Autor mit Melancholie-Gestus auf dem Bett liegend; im Vordergrund sitzt redend die Philosophie. Beide wenden sich zwei Musen zu, von denen die eine ein Portativ hält und die andere zu sprechen scheint. Oberhalb davon schwebt ein ovales Bildfeld, in dem die blinde F. mit einem Zepter und ihrem Glücksrad zu sehen ist. Raumöffnungen beziehen die Außenwelt (Land und Meer) als Wirkungsorte von F. ein (Berlin, St.bibl. PK, cod. lat. fol. 25, fol. 107r: [83] S. 236, Abb. 81).

c. Boccaccio

Vor allem zwei der oben genannten Werke des G. Boccaccio (s. Sp. 288f.) wurden vielfach mit Miniaturen von F. ausgestattet.

„De casibus virorum illustrium“: Mehrarmige F-Darst. sind vor allem in ill. Mss. dieses Buches zu finden, eine achtarmige F. z.B. in London, BL, ms. Roy. 20 C. IV, fol. 198v, um 1420 ([81] Bd. 3, S. 92, 94, Nr. 29, Abb. 134), eine sechsarmige in München, 1458 (Abb. 22) und eine vierarmige F. auf einem Holzschnitt der Inkunabel Paris 1483 ([81] Bd. 3, S. 300, Abb. 404). - In einer franz. Übers., Paris, um 1418-1420, bewegt eine gekrönte und geflügelte F. in Hermelinmantel die Speichen eines Rades, an dem sechs Throne für einige von Boccaccios „Viri illustres“ befestigt sind. Je nach Stellung des Rades sind sie besetzt oder leer. Die dargestellten Personen gehören verschiedenen Ständen an; zuoberst thront ein Papst, am Boden liegt ein König, dem die Krone entglitten ist ([81] Bd. 3, S. 90f., Abb. 130; vgl. auch London, BL, ms. Roy. 20 C. IV, fol. 1r: ebd., S. 92f., Abb. 133). - In einer franz. Hs., 2. V. 15. Jh., macht die Besetzung des Rades klar, daß Menschen Tieren um so ähnlicher werden, je mehr das Glück sie begünstigt: Auf dem Thron im Zenit des Rades sitzt ein gekrönter Esel, dem Stürzenden („Belva cadens“) wächst ein menschlicher Oberkörper, der Gestürzte („Belva depressa“) hat Menschengestalt, während dem Aufsteigenden („Belva ascendens“) wieder ein Esels-(ober)körper wächst; Engel mit Spruchtafeln erläutern den jeweiligen Vorgang (Paris, Bibl. de l’Arsenal, ms. 5192, fol. 1v: [81] S. 112f., Nr. 39, Abb. 168; ähnlich: Paris, BNF, ms. fr. 230, fol. 1v: ebd., S. 178f., Nr. 68, Abb. 245). Daß dieses System im 15. Jh. auch in Italien bekannt war, zeigt die intarsierte Füllung eines Türblattes mit Blendmaßwerk von Domenico di Niccolò im Pal. Pubblico in Siena, voll. 1428 (Maria Monica Donato, Un ciclo pittorico ad Ascanio Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.], Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa, Classe di Lettere e Filosofia, 3. Ser. 18, 1988, S. 1262, Taf. 256). - Eine seltener gewählte Möglichkeit, beide Seiten von F. zu zeigen, enthält eine Hs., Lyon, 2. V 15. Jh.: Die blinde, blondlockige F. reitet auf weißem Roß an Boccaccios Studiolo vorbei; „felicité“ und „infortune“ folgen ihr als König und Bettler (Paris, BNF, ms. fr. 229, fol. 1r: [81] S. 101, Nr. 35, Abb. 147). - Zum Kampf der F. gegen die Armut s. Abb. 16f.

„Decameron“: Mit einem Bauern, einer Dame, einem Mönch und einem Edelmann ist das Rad in einer Hs. aus der Werkstatt des Bedford-Meisters, Frankr., zw. 1450 und 1470, besetzt (Cambridge, Mass., Harvard Univ. Libr., cod. Richardson 31, fol. 97v: Christine Schwall-Hoummady, Bilderzählung im 15. Jh. Boccaccios Decamerone in Frankr., FfM. 1999 [Europ. Hochschulschrn., R. 28, 338], S. 213-222, Nr. 1, Abb. 3).

d. Rosenroman

Die Vorstellungen von F. und ihrem Aufenthaltsort, die Alanus ab Insulis prägte (s. Sp. 284), spiegeln sich vor allem in franz. Ill. zum „Roman de la Rose“.

Beisp.: In einer franz. Hs., um 1410, ist F. mit ihrem Rad in einer halb ruinösen, halb intakten Burg, die zur Hälfte auf einem Felsen im Meer steht, unter einem krabbenbesetzten Wimperg dargestellt (Abb. 15; vgl. auch Oxford, Bodl. Libr., ms. Douce 332, fol. 58r, 3. V 14. Jh. ([95] Bd. 3, S. 361), Cambridge, Fitzwilliam Mus., ms. 169, fol. 30r, A. 15. Jh. (ebd., S. 438). In einer anderen franz. Hs., A. 15. Jh., sitzt F., das Rad in der erhobenen Rechten im stallartigen Anbau eines stattlichen, steinernen Hauses auf einer Insel. Auf der Insel entspringen zwei unterschiedlich gefärbte Flüsse, in denen Menschen schwimmen (Abb. 14; Matthew Palmer, The statue of S. Catherine ..., Acta Historiae Artium 43, 2002, S. 202, Abb. 15).

e. Christine de Pisan

In einer Hs. des „Livre de la Mutacion de Fortune“ (s. Sp. 289f.), Paris, nach 1404, ist der Wohnort von F. gezeigt: eine Burg auf einem Felsenkliff im Meer, die mit vier Ketten im Nichts fixiert ist (Abb. 13). - In einer von Jean Miélot 1461 voll. Hs. der „Épitre d’Othéa“ dreht F. ihr mit jungen Männern besetztes Rad (Brüssel, BR, cod. 9392, fol. 77v:J. van den Gheyn, C. de Pisan ..., Brüssel 1913, Taf. 74; vgl. auch eine Pariser Hs. von 1430 bei [70] Abb. 25).

7. F. und andere Personifikationen

Von den aus der Literatur bekannten Gegnerinnen der F. wurden Sapientia, Virtus, Ratio und Paupertas verbildlicht.

Im 12. Jh. tritt Sapientia als Antagonistin von F. auf: Bei Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, wacht sie über Kaiser Heinrich VI., der als Salomo auf dem Löwenthron sitzt, und wehrt die ihr Rad drehende F. ab (s. Sp. 304). In einer Weltchronik, 12. Jh., sind F.

und Sapientia als gleichgroße Fürstinnen dargestellt, die unterhalb eines Glücksrades stehen. F. greift in die Felge, während Sapientia mahnend die Rechte hebt. Laut Beischrift behauptet F., daß der Zufall alle weltlichen Dinge beherrsche, während Sapientia das Gegenteil vertritt (Abb. 4).

Den Streit zwischen F. und Virtus zeigen mehrere Hss. von Martin le Francs „L’Estrif de Fortune et de Vertu“ (Beisp. bei [80]): Das von Simon Marmion illum. Exemplar aus dem Besitz von Philippe Le Bon, Hzg. von Burgund, nach 1447, stellt die Kontrahentinnen dar - F. als blinde Bewegerin des Glücksrades, das nur durch die Beischr. „Regnabo ...“ als solches gekennzeichnet ist, und „Vertu“ in weißem Gewand, blauem Mantel und weißem Schleier, die gestisch argumentiert (Abb. 21). - Auf einer Min. des St. Petersburger Exemplars (Rossiskaya natsionalnaya bibl., ms. FV XV 6: [96] S. 140f., Abb. 172) ist Ratio als Schiedsrichterin hinzugekommen: Sie sitzt zentral auf einem Thron und blickt die in einen kostbaren Mantel gehüllte Virtus zu ihrer Rechten an, die argumentierend ihre Hand gegen F. ausstreckt. F. deutet ihrerseits auf Virtus; sie ist gekrönt, hält ein Zepter und dreht an ihrem Rad. Das diagonal gestreifte Kleid deutet ihre Ambivalenz an. Die F. und Virtus zugeordneten Tiere (Eule und Pfau) charakterisieren sie ebenso wie die hinter ihnen aufragenden Gebäude. Die gleichen Pers. zeigt eine Londoner Hs., E. 15. Jh.; hier steht jedoch „fortune“ im Zentrum und dreht an ihrem Rad, während „Raison“ und „vertu“ sie flankieren (Abb. 28). Weitere Beisp. bei [86] S. 160-193.

In illum. Hss. von G. Boccaccios „De casibus ...“ (s. Sp. 288) finden sich Darst. des Kampfes von F. mit der Armut (vgl. dazu Patricia M. Gathercole, The Depiction of Woman in Medieval French Ms. Illumination, Lewiston usw. 2000 [Stud. in French Civilization, 17], S. 59f.). Im Exemplar für Jean sans Peur, Hzg. von Burgund, Frankr. zw. 1409 und 1419, ringen die Gegnerinnen auf einer Blumenwiese miteinander. F. ist als junge, schöne Dame dargestellt, gekrönt und geflügelt, während Armut eine alte Frau mit herben Zügen, geflicktem und zerrissenem Gewand ist. Das gefesselte Unglück ist in die Szene einbezogen, ein unbekleideter Mann, der am Boden sitzend mit den Händen an einen Pfahl gebunden ist (Abb. 16). Vergleichbar ist eine franz. Min., 1. H. 15. Jh.: Die blinde F. ist hier bereits unterlegen. Während die Armut auf ihr kniet, deutet F. auf das gefesselte Unglück (London, BL, ms. Roy. 20 C. IV, fol. 77v: [91] Taf. 3). Sowohl den Streit am Kreuzweg als auch den Kampf von F. und Armut zeigt die Min. in New York, PML, ms. M 342, fol. 77r, Paris, um 1475 ([81] S. 164f., Abb. 222). - Abweichend ist die Szene in London, BL, ms. Add. 35 321, fol. 67r, Frankr., um 1470 ([95] Bd. 3, Taf. XLII, Abb. 110): Vor der Stadtmauer von Neapel kniet Armut in zerrissenem Gewand auf der kostbar gekleideten, bereits zu Boden gestreckten F. Das gefesselte Unglück fehlt. - In anderen Mss. des 15. Jh. wurde Armut als Männerfigur dargestellt: z.B. Genf, Bibl. Publique et Univ., ms. fr. 190, fol. 83r, Paris, um 1410 (Abb. 17; [81] Bd. 3, S. 68f.), London, BL, ms. Roy. 18 D. VII, fol. 52r, Frankr., M. 15. Jh., und ebd., ms. Roy. 14 E. V, fol. 113v, Niederl., 1470-84 ([95] Bd. 3, S. 200 und 216); Paris, BNF, ms. fr. 130, fol. 88r, Frankr., A. 16. Jh. ([81] S. 189, Abb. 258). Weitere Beisp. bei [86] S. 112-149.

IV. Neuzeit

A. Quellen

1. Florilegien, Wörterbücher, Enzyklopädien

Die Florilegienliteratur des 16. Jh. führte antike Zitate über F. zusammen, die in der neuzeitlichen Literatur und Kunst weitere Verwendung fanden.

Beisp.: Ambrosius Calepinus, Dictionarium copiosissimum ..., Strbg. 1516, s.v. „Fortuna“; Joseph Langius, Adagia sive sententiae proverbiales ..., Strbg. 1596, S. 7, 223-227.

Die größte Menge an Quellenzitaten und Vorstellungen über F. sowie Beisp. ihres Wirkens versammelte 1631 Laurentius Beyerlinck (Beyerlinck, Bd. 3, S. 220-235). Bei Zedler ist das Interesse an F. deutlicher antiquarisch bestimmt (Zedler 9, Sp. 1546-1549).

Im 19. Jh. wurde der überkommene Schatz an Sprichwörtern und Zitaten über F. und das Glück neu gesichtet: zu Grimm s. Sp. 272; besonders ausführlich Wander 1, Sp. 1731-1774.

2. Dichtung

F. wurde in vielen Werken der neuzeitlichen Dichtung aufgegriffen (zur Lit. vgl. u.a. [94]; [127]; [120]; [72]; [66]). Ein Schwerpunkt lag in der humanistischen Literatur der Renaissance.

In Italien ist das Interesse an der lit. Verwendung von F. seit dem Frühhumanismus und im 15. Jh. weiterhin nachweisbar, z.B. bei Aenea Silvio, Marsilio Ficino, Lodovico Ariosto und Pietro Bembo ([137]; [90]; Ida Wyss, Virtù und F. bei Boiardo und Ariost, Lpz.-Bln. 1931 [Beitr. zur Kulturgesch. des MA und der Renss., 48]; [138]; Stefano Colonna, Variazioni sul tema della F. da Enea Silvio Piccolomini a Francesco Colonna, Storia dell’arte 66, 1989, S. 127-142). Niccolö Machiavelli umschrieb in seinem allegorischen Gedicht „Di Fortuna“ die topischen Eigenschaften von F. einschließlich ihres doppelten Antlitzes, ihre Beziehungen zu Tugenden und Lastern sowie ihr Wirken in der Weltgeschichte (TV. Machiavelli, Opere, Bd. 1, Mail. und Rom 1939, S. 857-862). Ein Kapitel seines Fürstenspiegels „Il Principe“ (1513) widmete Machiavelli den Fragen, wie das Verhältnis von F. zum „liberum arbitrium“ sei und wie man Unglück bekämpfen könne: Man müsse in Zeiten des Glücks tatkräftig Vorsorge für das Unglück treffen und sich den Verhältnissen anpassen. F. sei als Frau denen gewogen, die sie gewalttätig behandelten (Il Principe, Rom 1532; Ndr. Turin 1960-1961, cap. XXV, Bl. 33r-34r; [127] S. 179-231).

Für die deutschsprachige Lit. der Renss. war Sebastian Brants „Narrenschiff“, Basel 1495, von großer Bedeutung. Brant beschrieb die Dummheit des auf sein Glück bauenden Menschen; statt F. hält die Parze Clotho das Glücksrad in Gang ([31] S. 80f., Nr. 23, S. 112f., Nr. 37). Von großer Wirkung waren auch die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten in den „Adagia“ des Erasmus von Rotterdam, z.B. „Fortes fortuna adiuvat“ (Adagia I,2,45: [37] Bd. 31, S. 187f.; s. auch Sp. 390) oder „Simia simia est“ (Adagia I,7,11: ebd., S. 72). Im „Lob der Torheit“ schloß sich Erasmus der Auffassung an, daß F. Unvernünftige und Draufgänger liebe, so daß diese politischen und wirtschaftlichen Erfolg hätten, während die Weisen in Armut und Verachtung lebten (Morias Encomium sive Laus stultitiae, eingel. von Wendelin Schmidt-Dengler, in: Ausgewählte Schrn., Darmstadt 1995, Bd. 2, S. 154f.). Den siegreichen Kampf der Geduld mit dem Schild der Klugheit gegen die wütende F. schilderte Erasmus in seiner „Elegia de Patientia“ (Carmina selecta, in: ebd., S. 232-242). - Als Bildvorlagen dienten seit dem fr. 16. Jh. Übers. der griech. Ekphrasis über die „Pinax“ des Kebes von Theben, die seit 1497 auch in der lat. Version von Ludovicus Odaxius als „Tabula Cebetis“ verfügbar war und seit 1531 in der dt. Reimfassung von Hans Sachs vorlag; die ältere dt. Übers. von Willibald Pirckheimer wurde erst 1606 gedruckt. In dieser Allegorie über das menschliche Streben nach Glückseligkeit spielt die blinde, taube F. eine negative Rolle: Sie beschenkt, auf einem runden Stein stehend, manche der „Unbesonnenen“ und beraubt andere. Zwar halten sich die ersten für glücklich, aber Pers., u.a. von Geiz und Schmeichelei, stehen bereit, um sich ihrer zu bemächtigen (zu den Textausg.: [131] S. 13-32; Cebes’ Tablet, N.Y. 1979; Cebes in EngL, N.Y.-Ld. 1980; zur Umsetzung ins Bild: [131] 32ff. und Sp. 372-375). - Der um 1490 verfaßte Roman „Fortunatus“ erschien erstmals 1509 in Augsburg; Nachdichtungen und dramatische Bearbeitungen des Stoffes reichen bis ins frühe 19. Jh. (Marjatta Wis, in: VL22, 1980, Sp. 796-798; Hans-Jörg Uther, Art. „Fortunatus“, in: Enz. Märchen 5, Sp. 7-14). Der Titel nennt den Helden der Erzählung, der von der „iunckfraw des glücks“ einen nie leer werdenden „Glückssäckel“ geschenkt bekommt ([39] S. 38-40). Die Schilderung von F. ist ungewöhnlich positiv, denn sie verpflichtet ihren Günstling zu karitativem Handeln (dazu [117] bes. S. 41-48, 127). - Zum „Dialogus de ludo globi“ des Nicolaus Cusanus s. [68]; zu F. bei Hans Sachs s. [94] S. 25-30. - Zu F. im elisabethanischen Drama und bei William Shakespeare vgl. u.a. Frederick Kiefer, Fortune and Elizabethan Tragedy, San Marino, Calif. 1983; Karl August Laux, Shakespeare und die Bildende K., in: Deutschland - Italien ..., Fs. Wilhelm Waetzold, Bln. 1941, S. 209-243; [72] S. 35ff.

Der tropenreichen Sprache barocker Autoren lag die Verwendung von F. ebenfalls nahe (Leo Farwick, Die Auseinandersetzung mit der F. im höfischen Barockroman, Lengerich 1941).

Johann Amos Comenius gab 1622 noch einmal eine detaillierte Beschreibung von Fs Wohnort. Das Schloß erhebt sich über dem Labyrinth der Welt und ist das Ziel der meisten Menschen. Sein Haupttor, die „Tugendpforte“, ist verfallen und zugewachsen, so daß Seitenpforten (u.a. „List“ und „Gewalt“) in das Mauerwerk eingebrochen sind. Der Zugang zum Palas führt über das Rad der F., auf dem die vom Zufall ausgewählten Günstlinge emporgetragen werden. Der Palas ist dreigeschossig: Im Keller sind die mit Gütern beschenkten Reichen durch ihren Geiz gefesselt; im Geschoß darüber frönen die mit leiblichen Genüssen bedachten Günstlinge ihrer Gula und Luxuria, während auf dem Dach die Machthaber ungeschützt auf instabilen Stühlen sitzen und sich gegenseitig zu stürzen trachten. Ein Erker, der von dem Untier „Censura vulgi“ bewacht wird, ist denen vorbehalten, die F. mit (vergänglichem) Ruhm beschenkt. Der Tod macht jegliches Geschenk von F. zunichte (Jan A. Komensky, Labyrint sveta a ráj srdce, ed. princ. Lissa 1631: Das Labyrinth der Welt ..., hg. und übers. von Klaus Schaller, Mchn. 2004, bes. S. 116-134). - Zum Verständnis von F. bei Justus Lipsius s. Nicolette Mout, in: [66] S. 295-310. - Der „Poetische Trichter“ des Georg Philipp Harsdörfferfaßt Eigenschaften von F. unter „Glück“ zusammen und betont deren Ähnlichkeit mit Occasio (G. P. Harsdoerffer, Poetischer Trichter, Nbg. 1650, Ndr. Darmstadt 1975, T 1, S. 237f., Nr. 169). - Zu Beisp. aus der neulat. Epik Österreichs s. Elisabeth Klecker, „Episches Theater“ im Barock, Wiener Stud., Zs. für Klass. Philol., Patristik und Lat. Trad. 113, 2000, S. 335-358.

Auch wenn Literaten des späten 18. Jh. dem Gebrauch von Allegorien vorwiegend kritisch gegenüberstanden, fand F. als Personifikation des Glücks noch immer Verwendung.

In bezug auf das Glück des Handelsmannes, das dessen Unternehmungen fördere, führte z.B. Johann Wolfgang von Goethe F. an (Wilhelm Meisters Lehrjahre, Buch 1, Kap. 10: Hamburger Ausg., hg. von Erich Trunz, Mchn. 1981, Bd. 7, S. 39f.).

3. Frühe Antikenkataloge

Die im 16. Jh. entstehenden Antikensammlungen, von antiken Münzen und Steinschneidearbeiten (zu letzteren u. a. [73] S. 11-27, bes. S. 209f., Nr. 281-283), hatten die Publikation von Katalogen zur Folge. Die Verbreitung der gedruckten Werke und ihrer Illustrationen ließ diese vermutlich in höherem Maß auf die ikonographische Tradition wirken als die schon im 15. Jh. angefertigten Nachzeichnungen antiker F.

Münzen: Enea Vico führte in seinem nach den röm. Kaisern geordneten Tafelwerk drei Münzen des Tiberius, Vespasian und Titus mit gleichem Revers auf (gekreuzte Füllhörner mit Caduceus); dieses Motiv wurde zuerst von A. Alciato emblematisch ausgelegt (s. Sp. 383). E. Vicos „F. Augusti“ trägt Ruder und Füllhorn (Le imagini con tutti i reversi trovati ..., Ven. 1548, ungez. S. 32, 80, 94, 106). - Bei Guillaume du Choul sind sechs kaiserzeitliche Münzen und zwei Gemmen abgebildet, die thronende, stehende oder am Boden lagernde F. abbilden. Als Attribute dienen vorwiegend Füllhorn und Ruder (Abb. 40), außerdem Rad und Lorbeerzweig. Eine trajanische Münze zeigt F. mit einem ihrer Schützlinge („FORTUNAE DVCI“). Der Text nennt weitere Monumente aus antiken Quellen (Discours de la religion des anciens romains, Lyon 1556, S. 200-203). - Das umfangreiche numismatisch-mythographische Werk von Sebastiano Erizzo enthält mehrere Beisp. mit F.: z.B. eine hadrianische Münze, deren F. mit Ruder auf einem Ruhebett liegt, und eine Münze des Antoninus Pius mit der Umschrift „FORTVNA OBSEQVENS“ (Discorso ... sopra le medaglie de gli antichi ..., Ven. 1559, S. 361, S. 465). - Abraham Ortelius publizierte eine Kupferstichserie von Götterporträts nach Münzbildern in Groteskenrahmen. F. erscheint im Doppelbildnis des F.-Paares von Antium; „Sors“ und „Bonus eventus“ sind eigene Tafeln gewidmet (Deorum dearumque capita ex vetustis numismatibus in gratiam antiquitatis studiosorum effigiata et edita, Antw. 1573, ungezählte Taf.). - Das 1592 zunächst in ital. Sprache erschienene numismatische Werk von Antonio Augustini ist mythographisch aufgebaut: Unter F. sind zuerst Quellen aufgelistet (Juvenal, Laktanz, Cicero, Plutarch), dann folgt die Beschreibung spezifischer Münzen mit ihren Beischriften, unter denen als wichtigste „Fortunae Reduci“, „Fortuna Obsequens“ und „Fortunae Manenti“ genannt werden (Antiquitatum romanarum hispanarumque in nummis veterum dialogi XI, übers. und hg. von Andreas Schott SJ ..., Antw. 1617, S. 24-26). - Besonders viele Beschreibungen antiker Münzen mit ihren Umschriften und Darst. stellte Adolph Occo zusammen, ohne sie jedoch abzubilden (Imperatorum Romanorum numismata, Augsb. 1601, S. 60 [F. Antiatum], S. 153 [F. Capitolina], S. 298 [F. muliebris] u.a.) - Jacques de Bie publizierte numismatische Tafelwerke, in denen u.a. Münzen mit F. Augusti, F. Populi Romani und F. Redux abgebildet sind; Füllhorn und Ruder sind hier die üblichsten Attribute, jedoch ist auch das Rad vertreten (Imperatorum romanorum numismata aurea ..., Antw. 1615, S. 32, 34f., 46f., Taf. 11f., 17; ders., Nomismata [sic] imperatorum romanorum aurea, argentea, aerea a. c. Iulio Cesare usque ad Valentinianum Aug., Antw. 1617, Taf. 31, 33, 52, 54, 57).

Steinschneidekunst: Leonardo Agostini trug ab 1669 zur Kenntnis antiker *Gemmen mit F. bei, die er in Kupferstichen mit Angabe des Steinmaterials abbildete: Die F. von Antiochia in Heliotrop trägt einen Polos, hält ihr Ruder auf dem Orbis und das Füllhorn im linken Arm; in den späteren Ausg. sind die Beisp. vermehrt (L. Agostini, Le gemme antiche figurate ..., Rom 1669, T 2, S. 37, Taf. 31).

Skulpturen: Die auf Kupfertaf. abgeb. Typen von F. bei Bernard de Montfaucon beginnen mit einer F.Skulptur aus der Slg. Bonanni, die Sonne und Mond als Zeichen der Weltherrschaft auf ihrem Haupt trägt. Die folgenden F-Darst. sind größtenteils mit dem Polos, Füllhorn und Ruder ausgestattet; Taf. 198 zeigt Verschmelzungen mit Isis. Nach den auf Münzen vorkommenden Epitheta F. Redux, F. Obsequens und F. Manens beschrieb B. de Montfaucon besondere Kultbilder wie F. Barbata, F. Mammosa und das Zwillingsbild der „Fortunae Antiates“. Im Supplement folgen weitere Angaben zum Kultus sowie einzelne Sammlungsstücke aus kgl. und sonstigem Pariser Besitz ([44] Bd. I,2, 1719, S. 308-315, Taf. 196-199; Suppl.bd., 1757, S. 204-207).

4. Mythographische und ikonographische Handbücher

In Beschreibungen antiker Gottheiten und Heroen aus der Literatur und ikonographischen Kompendien wurden über die Kompilation lateinischer Texte hinaus Neuinventionen formuliert. Vor allem dann, wenn solche Werke illustriert waren, konnten sie als Vorlagen für alle Kunstgattungen dienen.

Über die Beinamen von F. und die Tempel der Gottheit berichtete 1522 Alessandro degli Alessandri (u.a. über F. Virilis, Parva F., Fortis F., F. Primigenia und F. Equestris). Als ältestes Bild nannte er die F. des Bupalos, die einen Polos auf dem Haupt und ein Füllhorn in der Hand getragen habe (Dies geniales, Rom 1522, Bl. 15r-16v). - Lilio Gregorio Giraldi gab 1548 einen Abriß des Kenntnisstandes über F., der mit Juvenals Negierung ihrer Existenz beginnt (s. Sp. 280). F.s Attribute Füllhorn und Ruder führte er auf Laktanz zurück, ihre Flügel auf Horaz und Eusehius (s. ebd.). Nach der Beschreibung von F. in der „Tabula Cebetis“ (s. Sp. 326) erläuterte er spezifische F.-Bilder, u.a. eine F. „apud ... Scythas“, die keine Füße habe (weil F. nicht beständig sei) und eine böotische F. mit dem Plutusknaben, die Mutter allen Reichtums sei. Ein doppeltes, schwarzweißes Antlitz verweise auf die gute und böse F. Die negative Charakteristik des Pacuvius (s. Sp. 275f.) ist vollständig zitiert. Es folgen die überlieferten Epitheta von F. und eine Beschreibung der verwandten Nemesis (L. G. Giraldi, De deis gentium varia et multiplex historia in qua de deorum imaginibus et cognominibus agitur, Basel 1548, S. 628-645).

Das bekannte, mehrfach aufgelegte mythographische Hdb. von Vincenzo Cartari enthält eine dichte Zusammenfassung der aus ital. und lat. Quellenschrn. bekannten Typen und Eigenschaften von F. sowie verwandten Pers., die auf sechs Textill. vorgeführt werden (Le imagini dei Dei de gli antichi, ed. princ. Ven. 1556). Diese basieren nur zum Teil auf antiken Darst.: Die Ausg. Ven. 1571 enthält z.B. „Fortuna Redux“ mit Füllhorn und Ruder (bei S. 460) sowie die junge „Buona Fortuna“, die einer alten Frau die Hand reicht, an deren Sitz sich ein Mädchen lehnt (nach einem Holzschnitt bei Pietro Appiano, Inscriptiones sacrosanctae vetustatis, Basel 1534, Taf. CDIII: Caterina Volpi, Le immagini degli dèi di V. Cartari, Rom 1996, S. 514, Abb. 169); weiterhin zwei unterschiedliche Pers. der Nemesis (bei S. 446), die Bestrafung des ungerechten Glücks mit Justitia (bei S. 469) und Kairos mit dem Schermesser auf dem Orbis (bei S. 478). F. zu Pferd wird von dem mit Pfeil und Bogen bewaffneten „Fatum“ verfolgt (bei S.

483), während im Vordergrund F. mit Füllhorn und Amorknabe als Liebesglück sitzt, neben sich die „Skythische F.“ ohne Füße (ebd., S. 536; vgl. Sp. 384). Schließlich stellte Cartari „F. Macaria“ als Felicitas mit Füllhorn und Caduceus sowie Neid, Gunst, Schmeichelei und „Bonus eventus“ als jungen Mann mit Patera, Ähre und Mohnkapsel dar (bei S. 486. Zur möglichen Vorlage: S. 540, 542, Abb. 188). Der Ausg. Padua 1615 wurden Holzschnitte beigegeben, die durch inserierte Münzbilder und Gemmen einen engeren Bezug zu antiken Vorlagen aufweisen als diejenigen der 1. ill. Ausg. - Die Beziehung F.s zu Tyche erläuterte Malaie Conti anhand griech. Quellen (Natalis Comes, Mythologiae sive explicationum fabularum libri decem, Ven. 1567, S. 106-108); eine spätere Ausg., Padua 1616, ist nach Vorbild von V. Cartari, Padua 1615, illustriert. - Giovanni Pierio Valeriano zitierte in seinen „Hieroglyphica“ (ed. princ. Basel 1556) antike Beschreibungen von F-Bildern und ergänzte sie mit eigenen Erfindungen ([57] u.a. S. 486 [F. redux], S. 596f. [F. amatoria]). - Definitionen von F. faßte Jacob Typotius argumentierend zusammen (De Fortuna libri II paradoxa et non tam a vulgi quam literatorum hominum opinione nonnihil discrepantia, FfM. 1595, lib. I, cap. 24f. und 43; lib. II, cap. 6 und 18). - Der Maler Giacomo Zucchi führte in seinem mythographischen Traktat die Historie von Galba nach Sueton an, der aufgrund seines *Geizes vom Günstling zum Opfer der F. geworden und damit „Spiegel ihres veränderlichen Rades“ sei (Discorso sopra li dei de’ gentili ..., Rom 1602, S. 132f.; vgl. Sp. 274). - Gerard Johann Vossius leitete seine Beschreibung von F. mit ihrer astrologischen Deutung als schicksalsbestimmende Macht ein. F. werde als blind bezeichnet, weil sie Unwürdige öfter bevorzuge. Glück und Vernunft seien nach Aristoteles umgekehrt proportional, weshalb F. keine Göttin sein könne. Anschließend stellt Voss das unterschiedliche Verständnis von F. bei Seneca, Plato, Augustinus, Thomas von Aquin, Cicero und Lucrez dar (De theologia gentili et physiologia christiana ..., Amst. 1641, S. 544-549). - Alexander Ross verfolgte im „Mystagogus“ zugleich mythographische und ethische Interessen: Nach einer Kurzbeschreibung der blinden, auf dem Globus stehenden F. mit Ruder und Füllhorn, die auch auf einem von blinden Pferden gezogenen Wagen sitzen kann, wird sie mit dem Mond verglichen, der ebenso wandelbar ist und ebenso wie F. über die sublunare Welt dominiert. Ross betont, daß F. und Providentia verschiedene Namen für dieselbe Wirkkraft seien: F. könne als Zufall („unexpected event or else the hid cause of that event“) in bezug auf den Einzelfall betrachtet werden, aber in bezug auf die erste Wirkursache, Gott, zeige derselbe Fall das Wirken der Vorsehung. Trotzdem habe der Mensch darauf Einfluß: „A good man may make his fortune good.“ (Mystagogus Poeticus Or the Muses Interpreter ..., Ld. 1648, S. 126-129). - Konzise Zusammenfassungen von F.s Beinamen, von deren Quellen und Ikon. gaben Autoren aus der Societas Jesu: Frangois Pomey SJ (Pantheum mythicum seu fabulosa deorum historia ..., Lyon 1659, S. 348-350) und Jacob Masen SJ (Speculum imaginum veritatis ..., Köln 1681, bes. S. 328-331). Die der Ausg. Utrecht 1697 des „Pantheum“ beigefügte Kupfertafel von Jan van Vianen zeigt F. in einer Landschaft, Kopie nach der Gemme aus Heliotrop bei Leonardo Agostini (s. Sp. 330); im Himmel schweben drei Münzen mit F., darunter „F. Manens“ mit dem Pferd am Zügel (Pantheum mythicum ..., Utrecht 1697, bei S. 295).

Cesare Ripas „Iconologia“, die bis ins 19. Jh. von verschiedenen Bearbeitern aktualisierte und umgeformte Slg. von Pers., enthält in fast allen Ausg. mehrere Beschreibungen von F. Schon die erste Ausg., Rom 1593, bringt auf S. 93-95 sieben verschiedene Spielarten, darunter „F. buona“, „F. infelice“ und „F. giovevole ad Amore“, die in der Ausg. Rom 1603 um „F. pacifica“ und „F. aurea“ vermehrt wurden, z. T im Rückgriff auf antike Münzbilder. Erst in späteren Ausg. sind auch Ill. beigefügt: So enthält die Ausg. Paris 1643 die geflügelte „Bonne Fortune“ mit Füllhorn und Rad, „Fortune en amour“ zusammen mit Cupido, „Mauvaise Fortune“ auf einem Schiffswrack und „Fortune d’or“ als sich im Bett räkelnde geflügelte Mätresse mit Steuerruder (Iconologie du Chevallier Caesar Ripa, Paris 1643, T 2, S. 62-64). Die niederl. Ausg. von 1644 zeigt F. „Avontuyr“ in einer Aktion, die durch die erste F.-Beschreibung Ripas vorgegeben war: Die nackte F. fliegt mit wehender Stirnlocke auf einen Baum zu, dessen Früchte in Gestalt von Insignien, Geld und Attributen eines guten Lebens sie mit Stöcken herabschlägt; junge Männer sind dabei, ihre Gaben aufzusammeln (Iconologia of uytbeeldinghe des Verstands, Amst. 1644, S. 130). Johann Georg Hertes Bearbeitung enthält eine lat. und dt. beschriftete Taf., in die als Exemplum die Erzählung vom Ring des Polykrates (s. Sp. 384) eingebaut ist. Die blinde F. schwebt nackt auf dem Orbis, der seinerseits auf einem Sockel mit der Aufschrift „Quisquis suae Fortunae faber“ (s. Sp. 280, 362, 392) ruht; auf Fs Haupt mit wehender Locke trägt sie die Sphaira. F. schüttet zwei Füllhörner voller Insignien und Münzen aus, in der Linken hält sie einen Kreuzstab. Hinter ihr erscheint Chronos, der die Glücksgaben zu beschneiden scheint. Merkur und Opfer von F. umringen sie adorierend (Ripa-Hertel, T. 2, Taf. 152). Die blinde F. mit dem Haarbüschel der Occasio und Füllhorn auf der Kugel zeigte noch Christian Sambach (Iconologie oder Ideen aus dem Gebiete der Leidenschaften und Allegorien ..., Wien 1801, Nr. 131). Filippo Pistrucci wählte für seine ital.-franz. Neubearbeitung drei Varianten der blinden F. aus, die auf einer Taf. zusammengefaßt sind: Im Vordergrund eilen zwei F. am Betrachter vorbei, eine mit Segel und Füllhorn auf dem Globus, die zweite auf dem Rad ist geflügelt und trägt Kronen und Palmwedel. Im Hintergrund sitzt die dritte F. am Bug eines Schiffes mit zerrissenen Segeln. Im Text interpretiert F. Pistrucci das Schiff als Bild des menschlichen Lebens (Abb. 59; [49] S. 3f., Nr. 122).

Joachim von Sandrart widmete F. 1680 ein ausführliches Kapitel seiner „Iconologia Deorum“, das z.T. auf Cartari basiert: Beginnend mit Zitaten aus Juvenal und Laktanz, Dante und Petrarca, stellte er die Macht von F. fest und beschrieb das zweifache Kultbild von Praeneste, Fs Doppelgestalt mit schwarzem und weißem Antlitz und das Bild des Bupalos mit dem „Himmel“ auf dem Haupt und dem Füllhorn. Als Hinweis auf die Beziehung von F. zum Reichtum trägt sie den Plutusknaben. Ihrer Ungerechtigkeit ist nur durch Tugend zu begegnen. Das Glück in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bezeichnen die drei Lebensalter der Frau, wie sie Cartari abgebildet hatte. Nach Exkursen über Nemesis, die Calumnia des Apelles, Invidia und *Momus folgen Beschreibungen der sitzenden F., F. auf der Kugel nach Eusebius, der geflügelten F. nach Horaz, der Cebes-Tafel (s. Sp. 326), der auf einem Zylinder sitzenden F. mit Steuerruder im „Liber Onocriton“ des Artemidoros Daldianus und der blinden F. auf der Kugel nach Pacuvius. Sandrart referierte, daß „jedweder seines Glückes eigner Schmied und Werckmeister seye“ (zur lat. Vorlage s. Sp. 333), und setzte anschließend F. mit Occasio gleich, die mit geflügelten, nackten Füßen auf einer Kugel tänzelt und einen kahlen Hinterkopf hat; diese ist von „Caero“ abgeleitet. Behandelt sind weiter die Skythische F. mit geflügelten Händen, doch ohne Füße, die gläserne F., die von Fatum verfolgte F. zu Pferd, F. Favor als Jüngling mit Spendeschale und die für Glückseligkeit stehende, auf Taf. T abgebildete F. Macaria mit Caduceus und Füllhorn ([52] S. 161-171). Zu F. Bona s. Abb. 50.

Magnus Daniel Omeis ließ F. auf Kugel oder Rad stehen, beschrieb ihre Füße als geflügelt und ihre Gestalt als „gläsern“. Weitere Attribute seien Polos und Cornucopiae. Eine andere Möglichkeit sei, sie als blinde Frau auf von blinden Pferden gezogenem Wagen darzustellen (M. D. Omeis, Teutsche Mythologie, in: Gründliche Anleitung zur Teutschen accuraten Reim- und Dicht-Kunst ..., Nbg. 1704, S. 107). - Bei George Richardson sind ikonographische Vorgaben mit mythographischer Information vermischt: Das Glück balanciert als blinde F. mit dem Füllhorn auf einem Rad und verstreut Münzen; „Misfortune“ ist als gebeugter alter Mann mit leerem Füllhorn und einem Raben vorgestellt (Iconology, Ld. 1779, Taf. 81, Abb. 311f.). - Gravelot und Cochin deuteten F. 1791 weitgehend positiv: Obwohl F. sich auf das Rad der Veränderlichkeit stützt, empfängt sie aufgrund ihres Füllhorns voller Reichtümer und der weltlichen und geistlichen Würden, die sie verleiht, die Huldigungen der ganzen Welt, ausgedrückt durch ein brennendes Rauchfaß zu Füßen ihres Throns (Gravelot-Cochin, Bd. 2, S. 57).

Durch diverse Neuauflagen prägte noch im 19. Jh. Karl Wilhelm Ramler (Allegorische Personen zum Gebrauche der bildenden Künstler, Bln. 1788, S. 27) das Bild von F. („Das Glück“). - Johann Georg Sulzer erwähnte die F. des Bupalos mit Sonnenuhr oder Gnomon auf dem Haupt und Füllhorn als Vorlage für ein allegorisches Bild des Glücks; als Beisp. für eine „reine Allegorie“ empfahl er eine thronende, von pers. Winden getragene Göttin, die einen Zauberstab in der Hand halte und deren Haltung und Mimik „Wankelmuth, Eigensinn, Frechheit und Unbesonnenheit“ ausdrücke. Ihr Gefolge bildeten Reichtum und Armut, Hoheit und Sklaverei (Sulzer, Bd. 1, FfM.-Lpz. 31798, S. 105, 113. Zu Exempla von F.: ebd.:, S. 112). - Populäre Handbücher und Tafelwerke des 19. Jh. nahmen die Tradition der F-Beschreibungen auf, meist in knapper Form: z.B.

C. Ph. Funke, Mythologie für Schulen und Liebhaber dieser Wiss., Hann. 1808, S. 99; Conversations-Lex. oder enc. Hdwb. für gebildete Stände, Stg. 1816, Bd. 3, S. 674f.; C. Vielhuber, Unterhaltungen aus der Mythologie ..., Augsb. 1816, S. 306f.; Karl Kaercher, Kurzgefasstes Hdb. des Wissenswürdigsten aus der Mythologie und Arch., Karlsruhe 1825, S. 40; dazu ders., Handzchgn. ..., H. 1, Taf. XII, Nr. 23; Systematische Bilder-Gal. zur allg. dt. Real Enc, Karlsruhe-Frbg. 21825-1827; Ndr. Dortmund 1978, Taf. II, Nr. 21-23. J.A.F. Fladung, Kurzgefaßte Mythologie der Griechen und Römer für junge Damen, Wien 1838, S. 115f.

B. Darstellungen

1. Bildtypen aus dem Mittelalter

a. F. anceps und bifrons

Relativ wenige Beispiele belegen die Kontinuität der doppelköpfigen oder zweigesichtigen F. (anceps, bifrons) in der Renaissance. Im Verlauf der Neuzeit drückten zunehmend nur noch die Attribute von F. deren Ambivalenz aus, oder sie wurde, je nach Anlaß, als F. Bona und F. Mala dargestellt ([59]; s. Sp. 356-362).

In franz. Hss. von F. Petrarcas „De remediis ...“ fand F. bifrons noch A. 16. Jh. gelegentlich Verwendung (Paris, BNF, ms. fr. 224, fol. 2r, 9r, 129v: [86] S. 196-201, Taf. 63a-c, und ms. fr. 225, fol. 1r, dat. 1503 (ebd., S. 202f., Taf. 64a).

Die insgesamt gespaltene F. zeigt eine anonyme Zhg., Frankr., A. 16. Jh.; die blinde F., auf der linken Seite bekleidet, auf der rechten nackt, in der linken Hand eine Krone, in der rechten Straußenfedern haltend, steht auf einer Drehscheibe; Prunkgefäße, eine Geldkatze und eine Truhe voller Münzen bezeichnen ihre Gunst, eine steinige Küste, über die der Wind Federn davonträgt, ihre Ungunst. Die Windmühle auf steilem Felsen (zu Fs Wohnort s. Sp. 284-286) bezeichnet ihre rasch und unvorhersehbar wechselnde Stimmung (Paris, Bibl. de l’Arsenal, ms. 5066, fol. 55r; [61] Abb. 55).

Die Doppelköpfigkeit von F. und die Spaltung ihres Gesichtes wurde in dem 1568 abgeschlossenen „Liber Fortunae“ wieder aufgegriffen ([27]). Mit der als „FORTVNA BIFRONS“ bez. F. anceps (ebd., Taf. 25, Subscriptio: S. 20), die in beiden Händen sowohl Ehrenzeichen wie Palme, Krummstab und Zepter als auch Geißeln hält, wird ein „lydisches Schwert“ verglichen, das durch seinen doppelten Schliff den Feind von beiden Seiten treffe. Die eigentliche F. bifrons (Taf. 27, Subscriptio S. 20) überreicht ihrem ältesten Sohn, einem jungen Edelmann mit Laute, genannt „Bonheur“, der zu ihrer rechten (hellen) Seite sitzt, Krone und Zepter; der jüngere, Trauerkleidung tragende Sohn zu ihrer Linken, „Malheur“, bekommt eine Marotte. F. wird mit einem Bogen verglichen, der nicht immer gespannt sei; so verletze auch sie nicht ständig.

In einer genealogisch-historisch aufgebauten Huldigungsschrift an Kf. Max Emanuel von Bayern, Fortitudo Leonina ..., 1715, mit Kupferstichill. von Andreas Matthäus Wolfgang [38] rahmen zwei doppelköpfige Hermen das Standbild des Agilolfingers Theodo („HEROS IN UTRAQUE FORTUNA STRENUISSIMUS“): „Fortuna anceps“ mit einem schönen, hellen und einem verschatteten häßlichen Gesicht trägt ein Füllhorn voller Ehrenzeichen im rechten Arm, einen Köcher mit Pfeilen in der linken Hand; ihr gegenüber steht „Ianus biceps“ mit Lorbeer und Schwert (Abb. 53).

Die durch Zweiköpfigkeit und Spaltung ausgedrückte Bipolarität von F. konnte auch allein durch die Auswahl ihrer Attribute oder durch die Gestaltung des Landschaftshintergrundes dargelegt werden.

Eine eigene Bildtradition begründete Albrecht Dürers Kupferstich „Das große Glück“ („Nemesis“), um 1501-03. Zur Benennung: [59]; [132] Bd. 1, S. 95-99, Nr. 33; Margit Kern, Tugend versus Gnade ..., Bln. 2002 [Berliner Schrn. zur K., 16], S. 299-316): Die unbekleidete, geflügelte Gottheit trägt in der erhobenen Rechten einen Prunkpokal, in der gesenkten Linken ein Zaumzeug. Diesem Typus folgten u.a. die F.-Darst. von Ambrosius Holbein (Holzschnittrahmen zu C. Suetonius Tranquillus ..., hg. von Erasmus von Rotterdam, Basel 1518: Frank Hieronymus, Basler Buchill. 1500-1545, Basel 1983 [Orh. Buchill., 2], S. 252-254, Nr. 262/263, Abb. S. 320), Hans Holbein d.J. (s. Sp. 374), Hans Sebald Beham, um 1535 (Geisberg-Strauss Bd. 1, S. 220), Heinrich Aldegrever (Kupferstich, 1555: [101] S. 138, Abb. 100, S. 255, Nr. 100), Jost Amman (Wappen des Sigmund Feyrabend, in: [26] S. 158) und noch ein Kupferstich von Balthasar Sigmund Setletzly nach Gottfried Bernhard Goetz (Göz), Augsburg, 3. V. 18. Jh., bei dem der Prunkpokal durch ein Füllhorn ersetzt ist ([59] Abb. 9). - Die relativ seltene Darst. einer F. zu Pferd, die einen Pokal und (statt des Zaumzeugs) ein Schwert hält, findet sich im Rahmen von lit. Szenen in der um 1522-1523 entstandenen Fassadenmal. von Thomas Schmidt am „Weißen Adler“ in Stein a.Rh. (Jochen Hesse, Die Fassadenmal. am Haus zum Weissen Adler in Stein a.Rh., K. und Archit. in der Schweiz 49, 1998, H. 2, S. 56-59).

b. F. mit Glücksrad

Das Rad der ma. F. wurde in der Neuzeit zunehmend seltener verwendet und im Verhältnis zu F. weniger dominant dargestellt. Die Aktion des Drehens trat meist zugunsten des Rades als Attribut zurück. Dennoch gab es Darstellungen der das Rad drehenden F. noch im 19. Jh.

Im 16. Jh. ist F. rotans am häufigsten in der Buchillustration vertreten.

Auf einem Holzschnitt in Gregor Reisch, Margarita philosophica, ed. princ. Frbg. i.Br. 1503, thront die blinde F. vor der Nabe ihres Rades, das mit den üblichen vier Personen besetzt ist (vgl. Sp. 292). Anstatt das Rad zu drehen, hält sie in beiden Händen je einen Pokal, der die Bewegung des Rades anschaulich macht: Der rechte ist gefüllt, der linke wird ausgegossen (Raubdruck mit seitenverkehrter Ill., Strbg. 1504: La gravure d’ill. en Alsace au XVIe siècle, Bd. I,1: Jean Gruninger, 1501-1506, Strbg. 1992, S. 50, Abb. 577).

Das Glücksrad fungiert in den Ill. des „Theuerdank“, dem allegorischen Roman von der Brautfahrt Kaiser Maximilians I., als Heroldszeichen (Melchior Pfinzing, Theuerdank, Augsb. 1517; mit Holzschnitten von Leonhard Beck, Hans Schäufelein und Hans Burgkmair; zu Maximilians Devise s. Sp. 382). Offenbar diente der Wappenrock von Theuerdanks Herold Ehrenhold Werner Tübke als Anregung für die Einkleidung seiner Fig. des Todes in dem 1987 eingeweihten Panoramabild zum Bauernkrieg in Frankenhausen (Günter Meißner und Gerhard Murza, W. Tübke: Bauernkrieg und Weltgericht, Lpz. 1995, S. 114).

Auf A. Dürers Entwurf für ein Exlibris oder Stammbuchblatt des Melchior Pfinzing (?), um 1503, thront die gekrönte F. als Herrscherin im Zenit ihres Rades, während sich vier Menschen mit Handwerksgeräten an den Reifen klammern (Berlin, StPMK, Kk.: Fedja An-

zelewsky und Hans Mielke, A. Dürer. Kritischer Kat. der Zchgn., Bln. 1984, S. 78-80, Nr. 75, mit Abb.). Auf anderen Holzschnitten des 16. Jh. vollführt F. ihre traditionelle Tätigkeit, z.B. in einer Ill. von Georg Pencz zu Hans Sachs’ Gedicht „Das waltzend Glück“, 1534: Hier wird sie von Gottes Hand am Zügel gehalten ([102] S. 121, Abb. 89).

Ein Holzschnitt in F. Petrarcas „Glückbuch“, Augsb. 1539, Bl. LXXXIIII, nimmt den Typus einer Ill. zum „Narrenschiff“ des Sebastian Brant, Basel 1494, auf ([31] Abb. S. 112): Menschen werden Tieren um so ähnlicher, je mehr sie vom Glück begünstigt sind (Schramm, Frühdrucke, Bd. 21, Taf. 156, Nr. 1148; Walther Scheidig, Die Holzschnitte des Petrarca-Meisters, Bln. 1955, S. 148f.). Das Rad ist mit Menschen besetzt, die sich während ihres Aufstiegs am Rad in Esel verwandeln (vgl. Sp. 319).

Deutsche Kupferstiche aus der 1. H. 16. Jh., deren F.-Darstellungen gelegentlich das Rad als Attribut tragen, boten die Vorlage für Nachschöpfungen in allen anderen Kunstgattungen.

Hans Sebald Beham gab seiner geflügelten F. 1541 ein Rad mit einem darauf thronenden Günstling in die Hand. Siegespalme und Kugel sowie ein Schiff unter Segeln charakterisieren eine wohlgesonnene F. (Abb. 38). Dieser Stich diente besonders häufig als Vorlage, z.B. für ein Wandgemälde im „Haus zum Steinbock“, Konstanz (Konstanz, Rosgartenmus.: Kat. „Die Kunstwerke des MA“, Konstanz 1993, S. 127f., Abb. 9), für ein Steinrelief „FORTUNA / REIKT HAAR DE HAND“ an der Fassade eines Bürgerhauses in Amsterdam, Warmoesstraat (nicht bei [106]), für eine Ofenplatte, Eifel, 3. V 16. Jh. ([101] S. 211, Abb. 343, S. 276, Nr. K 63), und eine der beiden F., die das Wappen des Hans Lochmann auf einer Zürcher Kabinettscheibe von 1576 rahmen (Wörlitz, Gotisches Haus). - Heinrich Aldegrever stach 1549 eine F., auf deren Segel das Glücksrad abgebildet ist. Dieses Blatt diente als Vorlage für Ofenkeramik (s. Sp. 350).

In Raumdekorationen des italienischen und italienisch beeinflußten Manierismus wurde F. mit dem Rad erneut verwendet.

Eine F. mit einem massiven, beschlagenen Wagenrad zu ihrer Rechten und Palmzweigen (?) in beiden Händen brachte Polidoro da Caravaggio um 1526 als Grisaille an der Gartenfassade des Pal. del Bufalo Cancellieri, Rom, an (die 1885 abgenommenen Fresken im Mus. di Roma: [123] Bd. 1, S. 360-62, Nr. 12, Bd. 2, Taf. 138, Abb. 1); sie ist inschr. als F. Redux bezeichnet (Rolf Kultzen, Die Malereien Ps da Caravaggio im Giardino del Bufalo in Rom, Mitt. Flor. 9, 1959, S. 108). Ein Nachstich der Fassadendekoration von E. Maccari, 1876, macht den Bezug von F. zu der neben ihr dargestellten Befreiung der Andromeda deutlich ([123] Bd. 2, Taf. 135, Abb. 2). - Gelegentlich dient F. das Rad als instabiler Sitz, so in einem Stuckrelief des Rosso Fiorentino in der Galerie François I., Fontainebleau (Sylvie Béguin, L’École de Fontainebleau ..., Paris 1960, S. 36) und in einem ehem. Agnolo Bronzino zugeschr. Entw. (Florenz, Gal. degli Uffizi, Gab. dei disegni; Arthur McComb, A. Bronzino, Cambr. 1928, S. 148, Nr. 609; abgebildet bei [69] S. 201, Abb. 228). Derselbe Maler stellte F. um 1565-1570 unter den Trabanten der Felicitas Publica dar; kniend auf ihr Rad gestützt, blickt F. zu Felicitas auf (RDK VII, Sp. 1154, Abb. 3). - Bartolommeo Neroni, gen. Il Riccio (um 1500-1571/1573), ließ F. auf einem Rad balancierend über das Meer fahren (Aukt.kat. Christie’s, New York, 4.4.1990, Nr. 55, mit Abb.); zur Nachfolge im 19. Jh. s. Sp. 365.

Vereinzelt griffen Künstler des 19. Jh., vor allem Präraffaeliten, auf diesen Typus zurück.

William Morris entwarf eine blinde F. mit Rad, die zw. 1860 und 1870 sowohl in ein Fliesenbild als auch in ein Glasgemälde für das „Red House“ umgesetzt wurde (Richard und Hilary Myers, W Morris Tiles ..., Shepton Beauchamps, Somerset 1996, S. 32, Abb. 61; S. 34, Taf. 2a). Edward Burne-Jones zeigte in seinem Gem. „The Wheel of F.“, zw. 1875 und 1883, eine monumentale F., die unbekleidete Männer, teils mit Würdezeichen wie Lorbeerkranz, Krone und Zepter, an ihr Rad gefesselt hat (Abb. 62; [71]; John Christian, La Roue de Fortune de Burne-Jones, La Revue du Louvre et des Musées de France 34, 1984, S. 204-211).

2. „Neue“ Typen

Die seit dem 15. Jh., zunächst in Italien auftretenden „neuen“ Typen von F. waren teils die Umsetzung von Ekphrasen des antiken Kairos ins Bild, teils an Statuen, Münzbildern und Gemmen von Tyche und F. orientiert.

a. Die nackte F. auf der Kugel

Weitaus am häufigsten wurde F. in der Neuzeit als schöne, meist unbekleidete Frauengestalt dargestellt, die auf einer Kugel durch die Lüfte schwebt oder über das Meer gleitet, häufig mit Hilfe ihres Schleiersegels. Die Kugel (dazu [68]) hat sie mit Kairos und Occasio gemeinsam, von der sie in manchen Darstellungen auch die wehende Stirnlocke erhielt ([118]; vgl. Sp. 366f.). Die Bewegung der Kugel wurde gelegentlich durch Flügel betont (vgl. Sp. 382); seltener wurde F. selbst geflügelt dargestellt. Das Attribut des Segels war ebenso wie Schiffsruder, Schiffsschnabel, Delphin und Fisch, auf denen F. stehen kann, Anlaß für Überschneidungen mit der Bildtradition von Venus marina (Guy de Tervarent, Attributs et symboles de l’art profane 1450-1600 ..., Bd. 2, Genf 1959, Sp. 145, 410f.).

Beisp.: Bartolommeo di Giovanni, Gem. auf einem Cassone mit dem Triumph von Peleus und Thetis, Florenz, 4. V. 15. Jh.; als Heroldin des Triumphzugs dient F. oder Venus marina mit Segel (Paris, Mus. du Louvre: Schubring, Cassoni, Bd. 2, Taf. 89, Abb. 379). - F. oder Venus mit geblähtem Segel auf Delphin über das Meer fahrend bildet die Initiale K zum „Kyrie“ des „Ordinarium missae“ aus der Capp. Pontificia, Rom, zw. 1472 und 1487 (Rom, BAV, cod. Capp. Sist. 51, fol. 90v: Ausst.kat. „Liturgia in figura“, Rom 1995, S. 174-176, Nr. 32, Abb. 82). - Beschlag mit der Fig. einer seitlich in einer Muschel stehenden, unter Segel über das Meer fahrenden F., Bronze vergoldet, dt., M. 16. Jh. (Washington, D. C, Nat. Gal., Samuel Kress Coll., Inv.nr. 1957.14.585). - Jacques Jonghelinck, Medaille für Anton van Stralen, Bürgermeister von Antwerpen, 1565: Revers mit F. oder Venus marina auf einem in einer Muschel ruhenden Orbis unter Segel über das Meer fahrend; als Umschrift wohl die Devise van Stralens: „VIRTVTE ET CONSTANCIA“ ([116] S. 354-356, Nr. 161). Die Kombination der Fig. mit „Virtus“ legt ihre Deutung als F. nahe (s. Sp. 359). - Schmuckstücke des 16. Jh., an denen eine nackte Frauenfig. mit sich blähendem Segel auf Meerwesen sitzt oder steht, lassen die Interpretation meist offen (Beisp. bei Yvonne Hackenbroch, Renss. Jewellery, Mchn. 1979, Taf. XXVIII, Nr. 649, 652; vgl. auch Budapest, Mus. für angewandte K., Inv. 13 694). Formal gleich gestaltet und nur durch die Beigabe von Globus oder Dephin unterschieden sind die Emailfigürchen auf Deckelpokalen aus Achat von Johann Georg (Hans) Kobenhaupt, 1. V 17. Jh. (Beisp.: [104] Bd. 2, S. 618-620, Kat.nr. L 6-L 9).

Frühe Beispiele dieses Typus von F. sind seit E. 15. Jh. auf ital. Medaillen und graphischen Blättern zu finden, die wenig spätere Werke anregten.

Medaillen: Unter einer ganzen Reihe ähnlicher Beisp. ist der Revers der 1495 dat. Medaille für Lorenzo Cigliamochi, Florenz, auf dem F. mit ausgespanntem Segel, auf einem Delphin stehend und angetrieben von einem Windgott, über das Meer fährt. Die Umschrift „ARIDEAT USQUE“ spielt auf die Fortdauer des Glücks an (Hill, Bd. 1, Nr. 968, Taf. 158; mit weiteren Beisp.). F. auf der ebenfalls 1495 dat. Medaille für Caterina Sforza-Riario mit der Beischrift „TIBI ET VIRTUTI“ balanciert mit einem Bein auf dem Orbis und hält in der Rechten ein Schiffsruder, jedoch kein Segel (ebd., Nr. 1140). Um 1495-1500 schuf Niccolò Fiorentino für Giuliano Daniele de Nicolai eine Medaille mit F. auf der Kugel, deren Umschrift F. nennt: „ABEO SEMPER FORTVNA REGRESSVM“ (Abb. 30). Eine Medaille aus dem Umkreis des Leone Leoni zeigt F. auf dem Meer, von vier Windgöttern umhergetrieben mit einer Umschrift, die ihre ewige Präsenz zeigt: „FVI SVM ET ERO“ (Washington, Nat. Gall.: [116] S. 157f.).

Druckgraphik: Anonyme Nielli des 15. Jh. sowie Kupferstiche des Baccio Baldini (B. ill., Bd. 24, T. 1, S. 24 und 156) und des Nicoletto da Modena, um 1500/1506 (ebd., Bd. 25, T. 2, S. 111; [68] S. 159f., Abb. 6), zeigen das gleiche Motiv: Nicolettos F. steht mit einem Fuß auf dem Orbis, mit dem anderen auf einem Ruder; sie hält ein Zepter mit einem Kinderkopf (wohl des Kairos) und deutet gen Himmel.

Monumentaldekoration: Eine instabil zwischen Land und Meer auf einer Kugel und dem Bug eines Segelschiffes mit gebrochenem Mast balancierende F. mit Füllhorn wurde in den „Berg der Tugend“ nach Entw. von Pinturicchio im Mittelschiff-Fußboden des Doms von Siena, 1505-1506, einbezogen; die Darstellung liegt neben einer älteren mit dem Glücksrad (Abb. 32; Gosbert Schüßler, „Die Tugend auf dem Felsenberg“ ..., in: Gerd Althoff [Hg.], Zeichen - Rituale - Werte ..., Internationales Kolloquium des Sonderforsch.bereichs 496 an der Westf. Wilhelms-Univ. Münster, Münster 2004 [Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme ..., 3], S. 435-497).

Das Motiv der auf einer Kugel tänzelnden F. wurde noch vor 1500 nördlich der Alpen rezipiert. Seit der Zeit um 1520 war es in allen Kunstgattungen verbreitet.

Die Aussage von Darstellungen F.s auf Objekten des Kunsthandwerks ist ebenso doppeldeutig wie F. selbst: Einerseits konnten sie deren Gunst beschwören, andererseits verwiesen sie auf die Vergänglichkeit weltlichen Glücks. Wie Einzeldarstellungen ohne ursprünglichen Kontext verstanden wurden, ist selten zu erschließen.

Im dt.sprachigen Raum fand F. auf der Kugel wohl erstmals um 1495-1496 in A. Dürers Kupferstich „Das kleine Glück“ Verwendung (Abb. 31; [68] S. 153f., Abb. 2; [132] Bd. 1, S. 36f., Nr. 5). Die bis auf einen wehenden Schleier unbekleidete F. stützt sich auf einen Pilgerstab, der mit Eryngium geschmückt ist. Wenig später entstand Dürers Zchg. einer stehenden F. auf der Kugel in einer Nische (Strauss, Dürer drawings, Bd. 1, S. 274f.). Zum Kupferstich „Das große Glück“ (Nemesis) s. Sp. 337. Zum Liebesglück s. Sp. 368-371.

Druckgraphik und Zeichnungen des 16. Jh. mit Darstellungen von F. dienten vielfach als Ornamentstiche und Vorlagen für Objekte des Kunsthandwerks.

Heinrich Aldegrever publizierte 1549 in einer Kupferstich-Serie von Pers. eine bekleidete F., die einen Fuß auf den Orbis gesetzt hat und ein Segel hält, an dessen Innenseite ein Glücksrad mit Narren abgebildet ist (Otmar Plaßmann, Die Zchgn. H. Aldegrevers, Marburg 1994, S. 70f., Nr. 19); zu dessen Verwendung als Vorlage für kunsthandwerkliche Arbeiten s. Sp. 350. Für den gleichen Zweck dürfte der Kupferstich mit F. in Rollwerkrahmen von Virgil Solis geschaffen worden sein ([126] S. 113, Nr. e 104, Taf. 48). Die Flüchtigkeit der F. ist neben ihrem Segel auch durch Flügel an ihren Füßen gekennzeichnet. Jost Amman entwarf nach der Mitte des Jh. eine frontal auf der Kugel stehende F. mit Segel zusammen mit „Industria“ (Christian von Heusinger, Die Handzchgn.-Slg., Braunschweig 1997 [Slg.kat. des Hzg. Ant. Ulr.-Mus. Braunschweig, III], Textbd., S. 292; Taf.bd., Taf. 90a). Der Holzschnitt Nr. 11 in J. Am-

man, Insignia sacra caesareae Majestatis, FfM. 1579 (Wiederabdruck mit dt. Beischrift 1589 in [26] S. 69) zeigt F. mit ihrem Segel auf der Sphaira kniend. Die Beischrift bezieht antike Vorstellungen von F. ein: „Paßibus ambiguis, quo me levis incitat auro / Et motu incerto spera rotunda, feror ...“ (s. Sp. 275-277). Wohl ebenfalls als Vorlage gedacht war Lucas Kilians F. mit Segel auf einer von Delphinen flankierten Kugel in: Newes Gradesca-Büchlein, Augsb. 1607 ([98] S. 759f., Abb. 759). - Die Instabilität von F. wird besonders deutlich auf einem Kupferstich von Zacharias Dolendo nach Jacques II de Gheyn, dem ersten Blatt der Serie „Omnium rerum vicissitudo est“, 1596-1597: F. taumelt mit einem Fuß auf einer Kugel in der Muschel stehend, das Segel in Händen, im Hafenbecken einer Handelsstadt; die Beischrift bezieht sich auf Ovid, Tristium libri quinque V, 8, 18 (Hans-Martin Kaulbach und Reinhart Schleier, „Der Welt Lauf“. Allegorische Graphikserien des Manierismus, Ostfildern-Ruit 1997, S. 159-161, Nr. 42.1; Vorzeichnung: Aukt.kat. Sotheby’s „Old Master Drawings“, Nr. LN 4396, London, 30.6.-3.7. 1994, Nr. 46). Zum Titelblatt der Serie s. Sp. 375.

Nur vereinzelt kommt F. seit dem 16. Jh. als Hauptthema von Gemälden und Reliefs oder als Statuette vor.

Malerei: Das anscheinend früheste Gem. aus dem dt.sprachigen Raum ist die Darst. einer nackten, reich geschmückten F. mit Schleier auf gläserner Kugel, einen Reichsapfel emporhaltend, ehem. Lucas van Leyden zugeschr., Eichenholz, um 1530 (Abb. 37; Elise Lawton Smith, The Paintings of L. van Leyden, Columbia-Ld. 1992, S. 201f., Nr. A19). - Hendrick Goltzius malte F. mit Schleiersegel auf dem liegenden Rad über das Meer gleitend; als Exempla sind im Hintergrund der Triumph des Neptun, ein Schiffsunglück und eine brennende Stadt zu sehen (Rotterdam, Mus. Bojmans-van Beuningen: [71] S. 82f., Abb. 5; querformatige Alternativfassung in Stuttgart, Staatsgal.: [59] S. 146, Abb. 8). - Eine gläserne Vase hält die auf dem Orbis tänzelnde F. auf einem Gem. aus dem Umkreis des Jacopo Ligozzi, 2. V 17. Jh., im Arm (Florenz, Gal. degli Uffizi: Detlev Heikamp, Stud. zur mediceischen Glask., Flor. 1986, S. 137, Abb. 122). - Eine vorbeieilende F. mit Schleiersegel, die einen Fuß auf den gläsernen Orbis gesetzt hat, malte 1638 Peter Paul Rubens (Madrid, Mus. del Prado: Kat. „De Vlaamse schilderkunst in het Prado“, Antw. 1989, S. 296, Kat.nr. 1674, Abb. 266).

Skulptur und Plastik: Statuette aus Lindenholz, Modell für eine Brunnenfigur (?), Augsburg, um 1520-1525 (Abb. 36; dazu Kat. Bildwerke der chr. Epochen von der Spätantike bis zum Klassizismus, Bln. 1966, S. 118, Nr. 686, Abb. 105). - Plakettenmodell einer auf Kugel und Rad balancierenden F. mit Segel, in der Haltung abhängig von Nicoletto da Modenas Kupferstich (s. Sp. 346), bez. „VSG“ (= virtus - salus - gloria?), Buchsholz, Augsburg, um 1530-1540 (Hamburg, Mus. für K. und Gew.: [102] S. 118f., Abb. 86). - Im Nachlaßinv. Erzhzg. Karls II. von 1590 ist eine F. aus Alabaster erwähnt (Johann Stolzer, Die Grazer Schatz-, K.- und Rüstkammer unter Kaiser Friedrich III. und den Erzhzgn. Karl II. und Ferdinand III., Diss. [masch.] Graz 2002, S. 171). - Eine Holzskulptur, Nürnberg, 17. Jh., zeigt F. auf der geflügelten Kugel schwebend (Nürnberg, Germ. Nat.mus.: Inv. Pl.O. 2092).

In der Monumentalmalerei des 16. und frühen 17. Jh. wurde F. gelegentlich mit weiteren Gottheiten oder Personifikationen abgebildet.

Im Kreis der antiken Götter stellte Hans Donauer d.Ä. um 1565-1567 F. und Aeolus auf einem Wandfries im Festsaal des Schlosses von Dachau dar (Ernst Bassermann-Jordan, Die dekorative Mal. der Renss. am bayer. Hofe, Mchn. 1900, S. 52-54, Abb. 35). - Das ehem. in Berlin befindliche, verschollene Gem. von Paolo Veronese aus dem Fondaco dei Tedeschi, Venedig, zeigte Jupiter zwischen F. (oder Divitiae?) und Germania (Rainer Michaelis, StMPK, Dokumentation der Verluste, Bd. 1: Gem.gal., Bln. 1995, S. 74, Nr. 303). - Den Sturz von Ikarus und Phaethon rahmen F. und Prudentia auf einem Fassadenentwurf von Hans Bock d.Ä. für das Haus des Gelehrten Theodor Zwinger in Basel, 1571 (Maria Becker, Archit. und Mal. Stud. zur Fassadenmal. des 16. Jh. in Basel, Basel 1994, S. 85-88, Abb. 23). An der 1615 von Andreas Schmucker ausgemalten Fassade des „Roten Ochsen“ in Stein a.Rh. erscheint F. oberhalb von Sapientia (Reinhard Frauenfelder, Die Kdm. des Kt. Schaffhausen, Bd. 2: Stein a.Rh., Basel 1958 [Kdm. Schweiz], S. 233, 236).

Daß F. Glück versprechen kann, spielte offenbar für ihre Verwendung auf Medaillen sowie auf Prunkpokalen und -waffen eine zentrale Rolle.

Medaillen: F. erscheint in der Renss. zunächst auf Medaillen wohlhabender Bürger. So bildete Christoph Weiditz 1524 eine F. mit Schleiersegel auf dem Revers einer Medaille für Wendelin Kern aus Oberkirch ab; im selben Jahr entwarf Weiditz eine blinde, geflügelte F. auf dem Orbis für die Medaille des Georg Brandt aus Basel (Habich, Medaillen, Bd. 1,1, S. 55, Taf. XLIV, Nr. 1, 2). Durch die Beischrift „FORTVNA / ICH BIN DAS GLVCK“ ist die auf einem Meerwesen stehende F. mit Segel auf einer 1554 dat. Medaille benennbar (ebd., S. 128, Taf. CVIII, Nr. 8). - Im Barock dienten F.-Fig. entsprechend dem Gebrauch auf antiken Münzen zur Kennzeichnung militärischer Ereignisse (zu Medaillen Ludwigs XIV s. Sp. 355; zu Medaillen dän. Könige: [110] bes. Abb. 13a, 14, 16). - Der Aspekt wandelbaren, aber Gottes Ratschluß unterworfenen Glücks herrschte hingegen bei einer Zinnmedaille auf die Teuerung in Bayern, 1817, vor: F. auf der Kugel mit Schleiersegel ist von den Beischriften „Nach Regen folgt Sonnenschein“ und „Alles Komt vom Herrn“ umgeben (Adolf Spamer, Baier. Dkm. aus der „theueren Zeit“ vor 100 Jahren, Mchn. 1916, S. 236f., Abb. 3).

Goldschmiedekunst: Auf einer Dolchscheide von Christoph Weiditz, Augsburg, M. 16. Jh., erscheint in Silberrelief die Fig. einer auf einem Delphin über das Meer fahrenden F. mit Segel und dem Motto „GELICK VND FREYD“ (Dresdner Rüstkammer ..., Dresden 1992, S. 44f., Taf. 13). Der Degen zur „mailändischen Rüstung“ Erzhzg. Ferdinands von Tirol, um 1560, zeigt F. auf der Muschel am Griffholz (Seitz, Blankwaffen I, Taf. X). Auch Feuerwaffen konnten mit F. verziert werden, z.B. eine Radschloßbüchse von Johann Michael Maucher, Schwäbisch Gmünd, und Markus Zilli, Memmingen, dat. 1670, mit einem F.-Relief an der Kolbenlade (Erwin Schalkhaußer, Handfeuerwaffen ..., Mchn. 1988 [Kat. des Bayer. Nat.mus., 19], S. 60-62, Nr. 43).

Ein Pokal in Schiffsform von Caspar Hentz, Augsburg, um 1594, den Erzhzg. Ferdinand (später Kaiser Ferdinand II.) der Univ. Ingolstadt schenkte, trägt eine (rekonstruierte) F. (München, Archiv der Ludwig-Maximilians-Univ: Ausst.kat. „Rom in Bayern ...“, München 1997, S. 343f., Nr. 48). - Auf dem Rand eines Muschelpokals, Dresden, A. 17. Jh., tänzelt eine silbervergoldete F. auf geflügelter Kugel mit Segel (Abb. 45); farbig emailliert ist die F. auf einem Johann Georg (Hans) Kobenhaupt zugeschr. Deckelpokal aus Achat, Stuttgart, 1. V 17. Jh. (Wien, K.hist. Mus.: Werner Fleischhauer, Renss. im Hzg.tum Württ., Stg. 1971, Abb. 220). - Willkommpokale von Schiffergesellschaften tragen mehrfach eine F. auf dem Deckel (z.B. Lübeck, 1579, und Wismar, 1673: Wolfgang Rudolph, Das Schiff als Zeichen, Lpz. 1987, S. 52f., Abb. 43, 45). - F. konnte im 18. Jh. auch als Dekor eines Uhrdeckels dienen (F. Cuvilliés, Ornements à divers usages, Mchn. 1745-1755, Lfg. 18, Nr. 5: Jean Laran, F. de Cuvilliés, Paris 1930, Taf. 72). - Ein später Nachfolger der frühneuzeitlichen Schiffspokale ist das silberne „Schiff der Kunst“, das die Schüler Carl von Pilotys ihrem Lehrer 1881 anläßlich seines 25-jährigen Jubiläums an der Münchner Akademie widmeten. Die am Steuer sitzende F. wurde auch als „Piloty’s Genius“ interpretiert, obwohl sie in der Tradition von F. steht (Zs. des K.-Gewerbe-Vereins in München 1882, S. 14). Eine weitere Ehrengabe war der Prunkpokal nach Entw. von Otto Lohr, den Eduard Steinicken um 1907 in München anfertigte; den Deckel bekrönt eine F. mit zwei Füllhörnern (K. und Handwerk 58, 1907-1908, S. 61, Abb. 101). S. auch Abb. 63.

F. in der Glasmalerei konnte an ihre antike und ma. Charakterisierung als „zerbrechlich“ erinnern (s. Sp. 277). So erscheint sie bei einer Darstellung der Glasherstellung von Matthäus Merian d.Ä. nach Claude de Ruelle, 1611, mit der Beischrift „vitrea est“ (RDK IX, Sp. 565f., Abb. 15) und in einem Stammbucheintrag, Dortmund 1712, mit der Sentenz des Publilius Syrus (s. Sp. 280; Gertrud Angermann, Stammbücher und Poesiealben als Spiegel ihrer Zeit, Münster 1971, S. 208). Ihre häufige Verwendung auf Kabinettscheiben sollte wohl eher die „Bona F.“ des Stifters beschwören als an die Brüchigkeit seines Glücks erinnern, insbesondere dann, wenn zugleich der Wappenschild seiner Familie abgebildet wurde.

Zu den frühesten Beisp. scheint eine Rundscheibe mit der auf einem Fisch stehenden F., um 1525, zu gehören (Oxford, Lincoln College, ehem. Bibl.: William Cole, A Cat. of Netherlandish and North Europ. Roundels in Brit., Oxf. 1993 [CVMA, Great Brit., Summary Cat. 1], S. 199, Nr. 1628, Abb. 13). - Häufig ist F. auf süddt. und Schweizer Kabinettscheiben und Scheibenrissen, die F. gelegentlich mit Hilfe eines Zepters als Regentin des Glücks bezeichneten: z.B. Scheibenrisse von Daniel Lindtmayer, 1572 und 1580 (Friedrich Thöne, D. Lindtmayer 1552-1606/07, Zh. 1975 [Oeuvrekat. Schweizer Künstler, 2], S. 147, Nr. 28; S. 168, Nr. 90; S. 313, Abb. 41; S. 345, Nr. 120, mit weiteren Beisp.), Scheibenriß von Jan Jorisz., 2. V. 16. Jh. (Paul Leonhard Ganz, Die Basler Glasmaler der Spätrenss. und der Barockzeit, Basel 1966, Abb. 8), und mehrere Beisp. des 16. und 17. Jh. in Bern, Scheibenriß-Slg. Wyss (Rolf Hasler, Die Scheibenriss-Slg. Wyss. Depositum der Schweiz. Eidgenossenschaft im Bernischen Hist. Mus., Bern 1996, Bd. 1, S. 222f., Nr. 244, S. 158-162, Nr. 539, 541, S. 244, Nr. 637). Die Scheibe des Johann Gerung von Nördlingen, Werkstatt des Christoph Murer, 1597, zeigt eine gekrönte und gewappnete F. (Abb. 44; [104] Bd. 1, D 44); auf der Scheibe des Zürcher Gerichtsschreibers Mathias Landolf, 1631, fährt eine antikisierend gekleidete F. in einer Muschel über das Meer (Bern, Hist. Mus.: Liselotte Hansmann, Kabinettscheiben, in: Bunte Welt der Volksk. ..., Mchn. 1979, S. 113 [Detailabb.]). - Zur Scheibe des Hans Lochmann, 1576, mit doppelter F. s. Sp. 339. - Ein schlesischer Fußbecher aus Manganglas mit einem Schiff und der Beischrift „Auf guth Glück“, um 1765, nimmt implizit Bezug auf F. (Aukt.kat. Jürgen Fischer, Nr. 143 „Europ. Glas“, Heilbronn 18.10.2003, S. 40, Nr. 249, Taf. 30).

Auch bei keramischen Objekten mit der Darstellung von F. - Gefäßen, Kacheln und Statuetten - kann die Hoffnung auf eine gnädige F. ausschlaggebend für die Motivwahl gewesen sein.

Ital. „maioliche istoriate“ der Hochrenss. gaben das Thema vor (z.B. Venedig, Mus. Correr: F. mit Segel auf Steuerruder stehend im Spiegel einer Platte von Niccolò Pellipario aus dem Ridolfi-Service, Casteldurante, um 1515: Giovanni Conti, L’arte della maiolica in Italia, Mail. 1973, Abb. 145). - Blattkacheln aus Villingen mit dem Monogramm HG, 1598, sind Beisp. für die Übertragung von Aldegrevers Kupferstich (s. Sp. 339) in Tonreliefs (Villingen, Mus. Altes Rathaus: [104] Bd. 2, S. 880, Nr. S 42b,c). - Ein Birnkrug aus Fayence, Hamburg, um 1635, zeigt F. auf einer Rahe eines Segelschiffs in voller Fahrt stehend (Kat. „K.werke aus dem Schleswig-Holsteinischen L.mus.“, Schleswig 1979, S. 41). Der apotropäische Zweck ist hier ebenso deutlich wie bei den Willkomm-Pokalen der Schiffergesellschaften. - Die Manufaktur Frankenthal produzierte um 1755 die Porzellanfig. einer mit einem Fuß auf dem Globus stehenden F. mit Schleiersegel und Füllhorn nach Modell von Johann Wilhelm Lanz (Karlsruhe, Bad. L.mus: Kat. „Porzellanfig. des 18. Jh.“, bearb. von Walther Franzius, Karlsruhe 1977, Nr. und Abb. 46). - Zu F. auf Spielgeräten s. Sp. 364f.

Seit der 2. H. 16. Jh. wurden F.-Figuren häufig als Bekrönungen eingesetzt.

Schlitten: Giuseppe Arcimboldo entwarf, wohl 1571 für ein Ringenrennen in Wien, einen Schlitten mit Meeresgottheiten und F. (G. Arcimboldo, Figurinen, Kostüme und Entw. für höfische Feste, hg. von Andreas Beyer, FfM. 1983, S. 33, 79, Nr. 19). Von Jost Amman stammen drei Holzschnitte mit Fama über F.-Schlitten, zw. 1579 und 1599 (Ilse O’Dell, J. Ammans Buchschmuck-Holzschnitte für Sigmund Feyerabend ..., Wiesb. 1993, Nr. f 32-f 34). 1618 folgte Esaias van Hulsens Kupferstichpublikation von Stuttgarter Festschlitten (Abb. 48). Auf einer Ill. Wolfgang Kilians zum „Poema de vanitate mundi“ des Jacob Balde SJ tänzelt F. als Schlittenakroter auf einer Kugel mit Flügeln; in der Unterschrift wurde abweichend vom Bild auf F.s Rad verwiesen ([28]: [115] Abb. 9). Weitere Beisp. aus der 2. H. 16. und 17. Jh. bei Dietz-Rüdiger Moser, Maskeraden auf Schlitten, Mchn. 1988, S. 59, 64f.; Holzmodel mit F.-Schlitten und Liebespaar, M. 18. Jh. bei Herbert Kürth, K. der Model, Lpz. 1981, Taf. 104.

*Akroterien: F. dient als Bekrönung eines Gartenpavillons im „Fläm. Fest“ von Bartholomäus de Momper nach Hans Bol, 1559 (Ottobeuren, Stiftsarchiv: Wiblingana, Bd. XII = 26: Hollstein, Dutch Fl. engr, Bd. 3, S. 53, Nr. 218). - Joachim Wtewael entwarf 1603 oder 1608 ein Salzgefäß in Form eines zweigeschossigen Tempietto mit F. (Ausst.kat. „Dawn of the Golden Age“, Amsterdam 1992, Nr. 100). - Eine auf geflügelter Kugel tänzelnde F. bekrönt den Sprenggiebel des Epitaphs für den Tonderner Ratsherrn Lorens Petersen, 1619 (Tønder, Kristkirke: [110] S. 24, Abb. 11). - Die „Punta della Dogana“ in Venedig wurde E. 17. Jh. mit einer monumentalen F. auf von Atlanten getragenem Globus geschmückt (Wolfgang Liebenwein, Atlas oder die Bürde des Gelehrten, in: Ausst.kat. „Die Beschwörung des Kosmos“, Duisburg 1994, S. 38, Abb. 12). - Im preuß. Schloßbau wurden ab ca. 1700 F.-Bekrönungen als Abschluß von Kuppeln verwendet, so die mehr als 2 m hohe, drehbare F. von Andreas Haid (?) über dem F-Portal am Stadtschloß von Potsdam, entw. von Jean de Bodt, 1700-1701 (Abb. 52; Hans-Joachim Giersberg, Das Potsdamer Stadtschloß, Potsdam 1998, S. 37, Abb. 9, S. 39-41, 45). - Die gleiche Funktion hat ein kindlicher Kairos mit Schleiersegel auf der Kugel im Treppenhaus des Innsbrucker Landhauses, um 1728 (Kdm. Österreich, Bd. 38, T. 1, S. 359, 362f., Abb. 325f.). - Eine F. mit Schleiersegel auf der Kugel bekrönt das „mechanische Theater“ in Form einer Miniaturstadt von Lorenz Rosenegger, voll. 1752, im Park von Schloß Hellbrunn, Salzburg (Robert R. Bigler, Schloß Hellbrunn ..., Wien 1996, S. 120, Taf. 20). - Johann Michael Hoppenhaupt entwarf M. 18. Jh. eine Maison de Plaisance mit F. über dem Mittelrisalit (Peter Jessen, Der Ornamentstich ..., Bln. 1920, S. 288, Abb. 175). - Als Bekrönungen niederl. Standuhren schnitzten Grödner Holzbildhauer in der 2. H. 18. Jh. seriell F.-Figuren, die in Oberammergau gefaßt wurden (Gertraud Zull, Oberammergauer Schnitzereien ..., Mchn. 1995 [Bayer. Schrn. zur Volkskunde, 4], S. 334f., Abb. 69). - Ignatius Taschner fertigte 1910-1911 eine F. als Turmbekrönung des Neuen Stadthauses in Berlin an; die auf dem Orbis stehende vergoldete Bronzefig. trug ein antikisierendes Füllhorn mit Früchten (Abb. 64; Zum Gipsmodell: [100] S. 233f.; zu Rekonstruktion und Wiederaufstellung der 325 cm hohen Figur 2003-2004: Susanne Kähler, F. für die Stadt ..., Mitt. des Ver. für die Gesch. Berlins 99, 2003, S. 514-522).

Brunnen: Eine monumentale F. auf der Kugel mit Schleiersegel bekrönt den Brunnen von Donnino Ambrosi da Urbino in Fano, 1573 (Cesare Selvelli, Fano e Senigalla, Bergamo 1931, Abb. S. 76). Joseph Furttenbach sah 1628 eine vergleichbare F. als Brunnenfigur für das Gartenparterre eines fürstlichen Lustgartens vor (J. Furttenbach, Architectura civilis ..., Ulm 1628, Taf. 13). - Karl Killer gewann 1903 in München den ersten Preis für ein Brunnenmodell, das als Brunnenstock eine F. mit Füllhorn besaß (Alexander Heilmeyer, Brunnen und Brunnenkonkurrenzen, K. und Handwerk 54, 1903-1904, S. 101, Abb. 198); der 1907 ausgeführte Brunnen am Isartorplatz existiert noch (Juliane Reister, Wasserspiele in München ..., Mchn. 1992, S. 112, Nr. C11).

Relativ selten sind Darstellungen der unbekleideten, teils mit einem Schleiersegel ausgestatteten F. zu Pferd.

Georg Kobenhaupt bekrönte den Deckel seines „Rappoltsteiner Pokals“, Straßburg, um 1555, mit einem aus einer Muschel auf einem Globus springenden Roß, auf dem eine wohl als F. zu interpretierende nackte Frauenfig. steht (München, Schatzkammer der Residenz: Ulrike Jaenchen, Der Goldschmied G. Kobenhaupt, Diss. Mchn. [masch] 1977, S. 148f.). - Eine voltigierende F. mit dem Motto „Deo praeeunte nullus officit obex“ wählte Hzg. Ludwig Friedrich von Württemberg 1602 für seinen Stammbucheintrag (Edmund Kelter [Hg.], Das Stammbuch des Andreas Chemnitius [1597-1626], Hbg. 1910, Abb. 15). S. auch Sp. 337, 374.

b. F. mit Füllhorn und Ruder

Im Gegensatz zu der instabil auf der Kugel tänzelnden F. überwiegt die Glücksverheißung von F.-Figuren mit den aus der antiken Ikonographie übernommenen Attributen Füllhorn, Ruder, Orbis und Zepter (s. Sp. 281f.). Die frühesten F. dieses Typus stammen ebenfalls aus Italien.

Da das Attribut des Füllhorns u.a. auch Abundantia (RDK I, Sp. 105-108), Felicitas (RDK VII, Sp. 1152-1170), Pax (Friede) und Salus Publica führen, sind intendierte oder scheinbare Überschneidungen mit diesen Pers. nicht selten. So trägt z.B. ähnlich wie F. auf einer geflügelten Kugel balancierende Pers. von „Praemium“ auf einem Kupferstich von Aegidius II Sadeler nach Peter Candid ein Füllhorn voller Früchte sowie ein geflügeltes Blitzbündel ([136] S. 490, Abb. 3, S. 492f.).

Während im 15. Jh. gezeichnete Studien nach antiken Werken als Vorlagen für Neuerfindungen dienten, gewannen seit M. 16. Jh. die Illustrationen mythographischer Handbücher und antiquarischer Kataloge (s. Sp. 327-336) an Bedeutung.

Der sog. Cod. Escurialensis, um 1491, gibt auf fol. 48v eine stehende F. mit Füllhorn wieder, die 1509 als Vorlage für ein Relief im Schloß Calahorra, Spanien, diente (Abb. 29; Hanno-Walter Kruft, Concerning the date of the Cod. Escurialensis, Burl. Mag. 112, 1970, Abb. 54f.). Der gleiche Statuentyp wurde von Giovannantonio Dosio, um 1560-1569, zusammen mit einer weiteren stehenden F., die Füllhorn und Ruder hält, gezeichnet (Berlin, StPMK, Kk., Hs. 79 D1, fol. 74v: Christian Hülsen [Hg.], Das Skizzenbuch des G. Dosio ..., Bln. 1933, S. 34, Taf. XCVI). In Giovanni Battista Cavalieris Nachstich der ersten Figur wird diese als „Fortunae imago in viridario Vaticano“ bezeichnet (Antiquarum statuarum urbis Romae, Rom 1585, lib. I, 13). Die Vorlage war hingegen ein röm. Reliefsarkophag des 3. Jh. in Rom, S. Lorenzo fuori le mura, der im 13. Jh. wiederverwendet worden war (Edit Pogány-Balás, Sur le modèle antique d’un dessin de Fortune du Codex Escurialensis, Bull. du Mus. Hongrois des B.-A. 54, 1980, S. 47-53).

Neuschöpfungen von antikisierenden F. gab es zunächst auf Medaillen, dann auch in der Monumentalmalerei. Der Typus erreichte jedoch nie die gleiche Verbreitung wie die nackte F. auf der Kugel.

Eine Medaille für Rinaldo Orsini, Erzb. von Florenz, von Niccolò Spinelli feierte wohl dessen Rückkehr aus Rom, 1485. Auf dem Revers zeigt sie eine thronende F. mit Füllhorn und Steuerruder von links, wie sie auf einem hadrianischen Sesterz vorgebildet war; auch die Beischrift „FORT[UNA] RED[UX]“ erweist sich als direkte Übernahme ([110] S. 14, Abb. 1 a,b). Der Cristoforo di Geremia (um 1410-1475) zugeschriebene Bronzeabschlag eines Revers mit geflügelter F., die auf der Sphaira thront und neben dem Füllhorn eine geflügelte Tuba hält, wirkt hingegen wie eine neuzeitliche Kombination von F. mit Fama (Washington, Nat. Gal.: Inv.nr. 1957.14.180).

Antonio Allegri, gen. Correggio, schuf um 1518-1519 in einer Lünette der Camera di S. Paolo, Parma, eine stehende F. mit Füllhorn und Steuerruder über dem Globus nach einer vespasianischen Münze mit der Umschrift „FORTVNAE REDVX“ (Abb. 34; Erwin Panofsky, The Icon. of Correggio’s Camera di San Paolo, Ld. 1961, S. 58f., Abb. 28f.; Jean Seznec, Das Fortleben der antiken Götter ..., Mchn. 1990, S. 90-92).

Vage antikisierend ist ein in Frankr., 2. V. 17. Jh., geschnittenes Medaillon aus Karneolachat, das auf der Vorderseite eine Porträtbüste Kg. Heinrichs IV von Navarra, auf der Rückseite eine F. mit Ruder und Zweig in Intaglio zeigt ([73] S. 142f., Nr. 150).

Seit dem 17. Jh. wurde F. als Gottheit mit Füllhorn besonders auf Medaillen verwendet, die anläßlich bedeutender Staatsereignisse geschaffen wurden.

So pries eine von Thomas Bernard für Kg. Ludwig XIV von Frankr. geschnittene Medaille die Einnahme von La Chapelle, 1656. Unter dem Motto „FORTUNA REDUX“ steht F. mit Füllhorn und Ruder, das mit einer Mauerkrone bereichert auf die Stadteroberung hinweist (Jean-Paul Divo, Cat. des médailles de Louis XIV, Zh. 1982, S. 30, Nr. 45).

Zur Thronbesteigung Kaiser Karls VI. wurde 1711 eine Medaille geprägt, auf der F. mit dem Ruder auf dem Orbis, vor dem Glücksrad stehend, dem jungen, auf die Rostra steigenden Herrscher zu seinen sonstigen Insignien die Kaiserkrone überreicht (Franz Matsche, Die K. im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI., Bln.-N.Y. 1981, Bd. 2, Abb. 20).

Anläßlich der Gründung des großen deutschen Zollvereins ließ Kg. Ludwig I. von Bayern 1833 einen Geschichtskonventionstaler herstellen. Auf dem Revers erscheint F. mit dem auf einen Säulenstumpf gestützten Füllhorn und dem Caduceus; hinter ihr ein Anker und ein Schiffsbug (Walter Grasser, Bayer. Gesch.taler von Ludwig I. und Maximilian II., Rosenheim 1982, S. 61f.).

Eine dritte Welle von F.-Darstellungen dieses Typus, zunächst in der Malerei und Graphik des ausgehenden Rokoko, dann - zusammen mit anderen antiken Gottheiten - als Skulpturen an oder bei klassizistischen Villen, ist aus der Zeit zwischen ca. 1750 und 1860 erhalten.

Malerei und Graphik: Ob die kleine Gewandfigur in der erhobenen Hand des Sol-Apollo von Giovanni Battista Tiepolo im Treppenhausfresko der Würzburger Residenz F. darstellen soll, ist aufgrund der kaum erkennbaren Attribute unsicher (Frank Büttner, Die Sonne Frankens ..., Münchner Jb. 3. F. 30, 1979, S. 171-173, Abb. 15). - Johann Esaias Nilson entwarf für die 1783 erschienene Ausg. der „Iconologia“ in Rötel „Das Glück“ als antikisierend gewandete F. mit einem Füllhorn voller Früchte und Ehrenketten im rechten Arm, mit der linken Hand ein Ruder haltend, das auf dem Orbis ruht (Berlin, StMPK, Kk.: [133] S. 224, Nr. CLXXIII-CCII, 9). - Zur F. eines Neujahrsglückwunsches von 1827 s. Sp. 358.

Skulpturen: Johann Christian Ehrlich schuf als Nischenfigur für die Portikus des „Englischen Baus“ in Wörlitz, der 1769-1773 errichtet worden war, eine antikisierende F. mit Polos, Ruder und einem Füllhorn voller Weinreben, die im Typus der vatikanischen F. des „Braccio Nuovo“ ähnelt (Abb. 58; Dehio Dtld., Sachsen-Anhalt II, S. 885). Die gleichen Attribute besitzt die F. am Rondell des Neuen Palais in Potsdam von Eduard Stützel, 1856 (Dehio Dtld., Brandenburg, S. 836).

3. F. und ihre Wirkungen

Die gegensätzliche Wirkungsweise und die unverläßliche Gunst von F. veranlaßte auch in der Neuzeit Darstellungen ihrer Günstlinge und Opfer. Sie wurden in Gemälden, Wirkteppichen, Buchillustrationen und Emblemen (s. Sp. 385-389) wiedergegeben.

Die sog. „F-Melancholia“ von Giovanni Bellini, eine im Boot über das Meer fahrende Pers. mit Globus, zeigt möglicherweise Gunst und Ungunst von F., denn manche der sie begleitenden Kinder sitzen sicher im Boot, während andere im Meer versinken (Venedig, Gal. dell’Accad.; vgl. Anchise Tempestini, G. Bellini, Mail. 2000, S. 124-126).

In der ed.princ. des „Fortunatus“, Augsb. 1509, zeigt eine Jörg Breu d.Ä. zugeschr. Holzschnitt-Ill. ([39] Bl. [23v]) den Titelhelden mit F., die ihm den „Glückssäckel“, einen prall gefüllten Geldbeutel, überreicht.

Von der zw. 1520 und 1525 in der Werkstatt des Pieter van Aelst, Brüssel, für Kaiser Karl V. gewirkten Teppichserie „Los Honores“ ist ein Wandteppich dem Reich von F. gewidmet (s. Sp. 375). Als Exempla ihres Wirkens zeigt er vor allem auf Ovids Metamorphosen und G. Boccaccios „De casibus ...“ beruhende Günstlinge und Opfer von F. Unter dem Patronat Apollos stehen die „fortunati“: Perseus und Andromeda, Arion auf dem Delphin, Europa auf dem Stier, der sich schwimmend rettende Kg. Metabus (Vergil, Aeneis XI, 564f.: [14] S. 486) und Deukalions Tochter Melantho (Ovid, Metamorphoseon VI, 120: [7] S. 368); weiterhin Julius Caesar, Servius Tullius als Kind, Romulus und Remus, Croesus, Cyrus, Polykrates und Gyges. Unter dem Patronat Vulkans sind die „infortunati“ versammelt: Kg. Amphion und Niobe, Athamas und Ino (ebd., IV, 481-562: [7] S. 262-268), deren Kinder Phrixus und Helle, die in Wasservögel verwandelten Ceyx und Alcyone (ebd., XI, 410-582: [7] S. 768-784) sowie Hero und Leander. Auf G. Boccaccio dürfte die Darst. von Priamus, Hekuba, Kleopatra, Appius Claudius, Romualda, Seleucus und Antiochus sowie Kaiser Valerian zurückgehen ([108] S. 52-58).

Der Triumphwagen des Sesostris, der unter dem Motto „Sis memor utriusque Fortuna“ von besiegten Königen gezogen wurde, befand sich auf einem Wandgem., 2. H. 17. Jh., ehem. im Hamburger Rathaus (Susan Tipton, Res publica bene ordinata ..., Hdhm. usw. 1996 [Stud. zur Kg., 104], S. 327-329).

Gelegentlich wurde Wert darauf gelegt, nur eine der beiden Seiten von F. hervorzuheben:

a. Die gnädige F.

Die Attribute Füllhorn, Krone, Zepter, Palme, Blumenbukett, Pokal und Geldbörse sind auch in der Neuzeit Kennzeichen von F. Bona, F. Favens oder F. Secunda. Der karikierende Ausdruck mancher Darstellungen läßt jedoch die Einstellung ihrer Entwerfer zum guten Glück erkennen.

Eine Clairobscur-Zchg. von Hans Baldung, gen. Grien, 1519, zeigt eine bekränzte F., die soeben den Deckel ihres Buckelpokals abgenommen hat (Basel, Öffentl. K.slg.: [105] S. 195). - Im „Liber Fortunae“ (s. Sp. 382) tanzt die geflügelte „F. Fortunatrix“ mit erhobenem Zepter, einen Palmwedel durch eine Krone gesteckt, über die Erde ([27] Taf. 173). - Jacques de Gheyns reich gekleidete F. verteilt, neben einer geöffneten Geldtruhe stehend, Würdezeichen und Geldbörsen; die Bildunterschrift warnt jedoch vor ihrer Unbeständigkeit ([125] S. 177, Nr. 115/I). - Guido Reni malte um 1637-1639 zwei Versionen seiner über den Globus eilenden F.; die eine verstreut Münzen aus der geöffneten Börse, die andere hebt eine Krone empor (Richard R. Spear, The „Divine“ Guido ..., New Haven-Ld. 1997, S. 240-242, Abb. 122f.). - Joachim von Sandrart bildete F. Bona auf geflügeltem Triumphwagen in den Wolken ab, wie sie Münzen und Ehrenzeichen aus ihrem Füllhorn wahllos herabfallen läßt (Abb. 50).

Nicht wenige druckgraphische Darstellungen von F. mit inschriftlicher oder durch den Kontext erschließbarer Verwendung sollten ihrem Auftraggeber oder Empfänger Glück bringen. Illustrierte Glückwünsche, bes. zu Neujahr, sind seit dem 16. Jh. bekannt.

Ein Einblattdruck nach Entw. von Nikolaus Manuel Deutsch (?), um 1513, auf dem F. von hebr. Beischrn. aus dem Hohen Lied F. umgeben ist, diente wohl als Glückwunschblatt (Geisberg-Strauss, Bd. 2, S. 765; [103] S. 410-412, Nr. 254f.).

Im fr. 19. Jh. wurden Glückwunschbillets mit F. an Freunde verteilt, etwa ein Prägedruck in Wedgwoodmanier, um 1800, auf dem F. eine Losurne schmückt, oder ein sog. Teilungsbillet, Wien, um 1810-1815, aus dem eine F. gezogen werden kann (Yasmin Doosry, Käufliche Gefühle ..., Nbg. 2004 [Kulturgesch. Spaziergänge im Germ. Nat.mus., 7], S. 32f., Abb. 30; S. 87f., Abb. 86a,b). - Eine antikisierend gestaltete F. von Carl Heideloff, verhieß mit Hilfe aller positiv zu deutenden Attribute (Ruder, Füllhorn, Bienenkorb, Caduceus, Lorbeer, Öllampe und Meßgerät) Glück für das Jahr 1827 (Karl Heinz Schreyl, Der graph. Neujahrsgruß aus Nürnberg, Nbg. 1979, S. 78f.). - Ein Holzschnitt von Ignatius Taschner, München 1912, zeigt eine vor gestirntem Himmel auf der Kugel tänzelnde nackte F. mit dem Segel ([100] S. 318f., Nr. 374).

Vereinzelt steht die Darst. von „F. fenestralis“ im „Liber Fortunae“, die auf Ovids Liebesgeschichte von F. und Kg. Servius Tullius (s. Sp. 273) basiert: F. eilt verhüllt zu ihrem Günstling ([27] Taf. 149).

Welchen Menschentyp F. beschenkt, wurde unterschiedlich eingeschätzt und dargestellt: F. als „Comes virtutis“ bevorzugt den Tugendhaften; eine als boshaft verstandene F. wendet sich gerade dem Unwürdigen zu.

Zu Disputationen über diese Frage bei Salzburger Promotionen des 17. Jh. s. Ulrich G. Leinsle, Selbstdarstellung der Philos. im Promotionsakt, Salzburger Jb. für Philos. 43, 1998, S. 115-138, bes. S. 120, Anm. 28.

F. als Comes virtutis hat seit der Renss. ihren Platz in personengebundenen und panegyrischen Darstellungen.

Das Motto „DUCE VIRTVTE COMITE FORTVNA“ ließ der Nürnberger Humanist Hartmann Schedel auf seinem Exlibris anbringen (Elisabeth Rücker, H. Schedels Weltchronik, Mchn. 1988, S. 6); es bildet zusammen mit dem Bild der Argo auch ein Emblem im Nürnberger Rathaussaal (Emblemata politica in aula magna curiae Noribergensis depicta ..., Nbg. 1640, Ndr. Nbg. 1980, Nr. 9; vgl. auch Sp. 387). Giuliano II. de’ Medici ließ 1513 das gleiche Motto auf einer Medaille wiedergeben (Rudolf Wittkower, Gelegenheit, Zeit und Tugend, in: ders., Allegorie und der Wandel der Symbole in Antike und Renss., Köln 1983, S. 195f., Abb. 145). Eine Medaille von Giulio della Torre für den Vicentiner Arzt Aurelio d’Acqua, E. 15. Jh., zeigte hingegen eine christliche Version, die wohl auf Marsilio Ficino zurückgeht: „DEO DVCE VIRTVTE COMITE FORTVNA FAVEN[TE]“ (ebd., S. 194f., Abb. 144). 1548 wählte der Leidener Buchdrucker Andreas Gryphius neben dem seinen Namen verbildlichenden Greif auf einem Stein und der geflügelten Kugel (vgl. Sp. 387) die Variante „virtute duce comite fortuna“ für sein Signet ([135] S. 115). - Die Lünette mit F. und Herkules im Garten der Hesperiden, einem Wandgem. im Salone di Leone X. der Villa Medici in Poggio a Caiano, das Alessandro Allori 1578 vollendete, ist mit dem Motto „Virtutem Fortuna sequetur“ überschrieben ([134] Abb. 1). Auf einem Triumphbogen für Kf. Friedrich V von der Pfalz und seine Braut Elisabeth in Oppenheim, 1613, rahmten Minerva („Virtute duce“) und F. („Comite Fortuna“), von Fortitudo und Spes flankiert, die Arkade (Theodor de Bry, Abriß und Beschreibung zwoer Triumph- oder Ehrenpforten ..., Oppenheim 1613, Taf. 1). - Cornelis Anthonisz. ordnete in einer Holzschnittserie, 1546, F. („Gheluck“) der Pers. von Diligentia zu; die Beischrift macht klar, daß F. dem Fleißigen hold sei (Christine Megan Armstrong, The Moralizing Prints of C. Anthonisz, Princeton, NJ 1990, S. 60f., Abb. 25b). - Daß F. die Mutigen fördere, drücken Medaillen Erzhzg. Karls II. mit F. und dem Motto „Audaces Fortuna juvat“ aus (Josef Wastler, Das K.leben am Hofe zu Graz, Graz 1897, S. 84. S. auch Sp. 388). - B. de Montfaucon bildete 1719 eine ovale Gemme aus der Slg. Maffei ab, auf der eine als „Vertu“ interpretierte Frauenfigur mit einer Säule im Arm der mit Ruder und Füllhorn gekennzeichneten F. winkt, ihr zu folgen, während Victoria mit erhobenem Lorbeerkranz naht (Abb. 54).

Die Begünstigung des Unwürdigen durch F. wurde seit dem 16. Jh. in satirischen oder moralisierenden Darstellungen betont.

In den Randzchgn. zum „Lob der Torheit“ aus dem Umkreis von Hans Holbein d.J. und Urs Graf, 1515, schüttet die nackte F. unter der Randglosse „Stultis Fortuna favet“ einem Narren Geldstücke in den Rockschoß ([97] S. 52, Abb. 37). - Daß F. ihre Günstlinge auch im Schlaf beschenkt, stellte in einem Kupferstich Dirck Volkertsz. Coornhert nach Maarten van Heemskerk, M. 16. Jh., dar: F. steht im Heck eines Segelboots und holt das Netz für den schlafenden Schiffer ein, das eine ganze Stadt zutage fördert ([124] S. 26f., Abb. 5). In einem Kupferstich von Dancker Danckerts (gest. 1666) nach Johann von Spillenberger sind das unverdiente und das verdiente Glück durch den Gegensatz von F. und Minerva verdeutlicht: Während diese den tätigen Philosophen mit Lorbeerkranz und Buch belohnt, beschenkt F. den Künstler im Schlaf mit Geld (Ruth Baljöhr, J. von Spillenberger 1628-1679 ..., Weißenhorn 2003, S. 293f., Nr. GR 2, Abb. 141).

b. Die feindliche F.

Darstellungen der Unglück bringenden F. (F. Mala, F. Adversa) sind im Verhältnis zu Bildern von F. als Glücksbringerin relativ selten.

Dirck Volkertsz. Coornhert gab M. 16. Jh. eine Kupferstichserie mit Darst. nach Sprichwörtern über F. heraus: Nachdem F. auf der ersten Taf. dem Menschen scheinbar gewogen war, weil sie ihm zum Tanz aufspielte, zeigen die folgenden Stiche ihre Brutalität (Abb. 39; Ill. Bartsch:, Bd. 55 [Suppl.], S. 236-239; zu F. als Spielfrau bei Jacob Balde vgl. Günter Hess in: [113] S. 619). - Unter den von F. verlassenen Menschen ist in einer Kupferstichserie von Johannes Gelle nach Augustin Braun, 1. V. 17. Jh., der Verlorene Sohn: Nachdem er sein Geld verpraßt hat und F. am Himmel enteilt, verfolgen ihn Pers. von Elend und Armut (Hollstein, Dutch Fl. engr., Bd. 7, S. 97, Nr. 2-5). In Stammbüchern wurde die flüchtige F. in Beziehung zur (falschen) Freundschaft gesetzt, so z.B. von Johann Wolfgang Dieterich, Öttingen 1671 (Ausst.kat. „Dt. Zchgn. aus einer Priv.slg.“, Nürnberg 1984, S. 64, Nr. 64). - Auf einem Gem. von Tadeusz Kuntze-Konicz, gen. Taddeo Polaco (1732-1793), tritt die blinde F. ihre Kinder zu Boden (Mariusz Karpowicz, Sztuka polska XVIII. wieku, Warschau 1985, S. 246).

Die potentielle Feindlichkeit von F. legte Allegorien der Möglichkeiten nahe, sich ihrer zu erwehren. Erneut kamen Tugenden als Remedia (s. Sp. 294-296) ins Spiel. N. Machiavellis Rat, F. mit Gewalt zu begegnen (s. Sp. 325), kann dabei eine Rolle gespielt haben. Auch die Bestrafung der boshaften F. wurde mehrfach ins Bild gesetzt (Beisp. bei [72] S. 28-35; [99]).

Auf dem Virtus-Teppich der Tapisserie-Serie „Los Honores“, Brüssel, 1520-1525, (s. Sp. 374) haben Fortitudo (RDK X, Sp. 225-271) und Temperantia F. gefesselt und angekettet ([108] S. 71-81). Im F.-Teppich derselben Serie wird in der Figur der Paupertas, die F. mit der Faust droht und ihr die Zunge herausstreckt, auf den Sieg der Armut über F. (s. Sp. 296) verwiesen ([107] S. 147, Abb. 4.1). - Der Revers einer Medaille von Benvenuto Cellini für Kg. Franz I. von Frankr., nach 1540, mit der Umschrift „FORTVNAM VIRTVTE DEDVCIT“ zeigt einen Reiter mit der Keule des Herkules, wie er über eine liegende weibliche Figur, wohl F., hinwegreitet (Lore Börner, Die ital. Medaillen der Renss. und des Barock ... [Berliner numismatische Forschgn., N.F. 5], Bln. 1997, S. 113, Nr. 452, Taf. 64). - Giorgio Vasari malte 1548 für die Decke der „Sala del trionfo della virtù“ in seinem Haus in Arezzo ein oktogonales Gem. mit dem himmlischen Kampf von Virtus und F. Die Tugend hat die ihr Segel schwingende F. bei der Stirnlocke gepackt und schlägt sie mit der Keule des Herkules; Invidia stürzt zu Boden (Ausst.kat. „G. Vasari ...“, Arezzo 1981, S. 26-29; vgl. [99] S. 354, Abb. 4). - Auf einem 1574 dat. Kupferstich von Philips Galle nach Melchior Lorichs ist das menschliche Glück dargestellt, wie es sich unter dem frz. Motto „Surgí Fortune“ auf einem instabilen Gefährt aus Kugel, Muschel und Seetieren auf die Fahrt über das Meer begibt. Das instabile Glück erschafft jedoch der menschliche Verstand, wie geometrische Instrumente und die Plinius zitierende Bildunterschrift über F. belegen: „Sit vaga et instabilis. quid tum? tu mentis amussi, et rationis eam finge tuo arbitrio“ (Abb. 42). Aegidius II Sadeler ließ seine F.-Occasio, Kupferstich nach Christoph Schwarz, die auf geflügelter Kugel über das Meer gleitet, den Betrachter ansehen; sie fordert diesen mit dem Motto „Faber est quisquis Fortunae suae“ auf ihrem Segel auf, sich als Schmied des eigenen Glücks zu betätigen und die Gelegenheit, auf die die Überschrift verweist („Occasio“), zu ergreifen ([136] S. 488, Abb. 1, S. 494).

4. F. mit weiteren Personifikationen

a. F. zwischen Schicksal und Zufall

Ob F. durch das von Gott bestimmte Schicksal (fatum) oder Zufall (casus) bestimmt sei, sorgte für unterschiedliche ikonographische Akzente.

Die schicksalhafte Dimension von F. betont die Gestaltung einer Medaille für den Dogen Andrea Gritti von Giovanni Zacchi, 1536: Die nackte F., Ruder und Füllhorn in Händen, steht auf dem Orbis, der von der Triciput-Schlange umgeben wird; die Umschrift „DEI OPT[IMI] MAX[IMI] OPE“ verweist auf Gottes Wirken durch F. (E. Panofsky, Hercules am Scheidewege ..., Lpz.-Bln. 1930, S. 26f., Abb. 20). - Das Buch von Robert Recorde, The Castle of Knowledge, Ld. 1556, ziert auf S. 57 ein Holzschnitt, auf dem Schicksal (Destiny) und F. kontrastierend gegenübergestellt sind: „Destiny“ steht auf einem Quader, hält die „Sphaera Fati“ und betrachtet einen Zirkel; ihr Regent heißt „Knowledge“. Die blinde F auf der Kugel dreht hingegen ihr verderbliches Rad; ihre Regentin ist „Ignorance“ ([61] Abb. 57). - Thesenblätter des 17. Jh. zeigten gelegentlich Fig. von F. und Casus, um den Vorrang der Göttlichen Vorsehung zu erweisen: z.B. Kupferstich von Wolfgang Kilian nach Johann Christoph Storer, verwendet an der Univ. Dillingen, 1661 (S. Appuhn-Radtke, Visuelle Medien im Dienst der Gesellschaft Jesu ..., Rgbg. 2000 [Jesuitica, 3], S. 296-298, Nr. D 3), und Kupferstich von Jacob Sandrart, verwendet in Kloster Banz, 1667 (Ottobeuren, Stiftsarchiv, Wiblingana, Bd. XXIX = 35, Bl. 31). - Zu F. und Providentia divina s. auch Sp. 279.

Wenn die Beziehung von F. zum Zufall betont wurde, konnte jede Art von Glücks- oder Lotteriespiel Exempla für dessen Walten bilden.

In einer Allegorie Dosso Dossis, um 1530, bringt eine nackte F., deren einer Fuß bekleidet ist, kniend einem Knaben (Kairos oder Plutus) ihr Füllhorn dar; er zieht ein Bündel Lose aus goldener Urne (Ausst.kat. „Isabella d’Este“, Wien 1994, S. 421-425, Kat.nr. 144). - Wolfgang Kilian illustrierte Jacob Baldes „Poema de vanitate mundi“ mit miniaturhaften Kupferstichen, die verschiedene F.-Darst. enthalten. Auf dem Titelkupfer spielen Chronos, Amor und F., deren linker Fuß auf einem Rad ruht („LVDAMVS“), mit dem Reichsapfel ([28]; [115] Abb. 7f.; zum Motiv des Spiels vgl. [130] S. 129-140 und [68] S. 163-165). - F. als Kreiselspielerin fand in den emblematischen Exequiendekorationen der Wiener Jesuiten für Kaiser Ferdinand III., 1657, Verwendung (s. Sp. 391). - Tricktrackspieler im Hintergrund einer niederl. Spielhausszene von Jan Steen, 1661, charakterisieren zusammen mit einer auf geflügelter Kugel schwebenden F. über dem Kamin mit der Inschrift „soo gewonne, soo verteert“ die Unzuverlässigkeit des Glücks (Ausst.kat. „Von Frans Hals bis Jan Steen ...“, Hamburg 2004, S. 208f., Nr. 54). - Ein kleiner Kupferstich aus dem Verlag der Brüder Johann Baptist und Joseph Sebastian Klauber, Augsburg, M. 18. Jh., zeigt die Büste des hl. Matthias über Werkzeugen seines Martyriums mit einem Brettspiel, Spielkarten und der auf der Kugel tänzelnden F.: „Sors cecidit super Mathiam“ (Foto RDK). - Eine bayer. Lostrommel, zw. 1806 und 1835, wurde mit einer F-Figur geschmückt (Abb. 60; [67] S. 159f., Nr. 367).

Das Zufallsmoment von Glück im Spiel führte seit dem Barock auch zur Darstellung von F. auf Spielgerät und Schützenscheiben.

Brettspiele: Ein Spielstein aus einer Augsburger Serie, E. 17. Jh., zeigt in Preßrelief nach Medaillenstempel von Christoph Jakob Leherr eine das Rad vor sich hertreibende F. mit Umschrift: „VOLVITVR HVC ILLVC“ (München, Bayer. Nat.mus.; [67] S. 79-81, Nr. 177, mit Abb.). - Zu einem Satz verschiedener Spiele, Heidelberg 1724, gehört ein Würfelbecher mit der Darst. der auf geflügelter Kugel und mit Segel über das Meer fahrenden F. (K. und Antiquitäten 5, 1984, Titelblatt).

Kartenspiele: Die Serie der „Tarocchini“, Kupferstich-Karten des Giuseppe Maria Mitelli (1634-1718), enthält eine Karte mit F., eine unbekleidete Frau mit wehenden Locken, auf einem Rad sitzend und eine Börse ausschüttend (Ausst.kat. „Tarocchi. Menschenwelt und Kosmos“, Köln 1988, S. 38f., Nr. 43; zu den Tarocchi des 15. Jh. s. Sp. 309). Franz. Tarot-Spiele des 18. Jh. (Marseille, Besançon) bildeten unter den Karten der Großen Arcana „Le monde“ als nackte F. auf der Kugel ab; eine weitere war dem Glücksrad („La roue de Fortune“) vorbehalten (André François, Hist. de la Carte à jouer, Paris 1974, S. 144, 159, 161). Ital. Minchiate-Spiele und dt. Orakelkarten des 19. Jh. enthalten entsprechende F.-Karten (diverse Beisp. bei Sigmar Radau und Georg Himmelheber, Spielkarten, Mchn. 1991, S. 47, 49, 138, 380 u. ö.). F. als Karte der „Welt“ und das Glücksrad erfuhren zwischen 1979 und 1996 plastische Umsetzungen im „Giardino dei Tarocchi“ bei Garavicchio, Toskana: Niki de Saint Phalle schuf die mit blauen Keramikfliesen verkleidete drehbare Figur einer F., die auf einem von einer Schlange umwundenen Globus tänzelt; Jean Tinguely verdreifachte das Glücksrad als Maschine in einem Wasserbassin (Abb. 65; Niki de Saint Phalle und Giulio Pietromarchi, Der Tarotgarten, Wabern-Bern 2000, Abb. S. 13 und 25).

Ballspiele: Ein Hochzeitsgeschenk für den Kegelbahnbesitzer Anton Seidl, München 1879, eine silberne Kegelkugel mit aufgesetzter F-Figur von Adolph Halbreiter nach Modell von Ferdinand Barth und Lorenz Gedon, verband besonders geschickt das zu F. gehörige Motiv mit einer Anspielung auf den Empfänger (Abb. 63; Sigrid Epp, Eine Künstlerbiographie in der Prinzregentenzeit, in: Gabriel von Seidl ..., hg. von Veronika Hofer, Mchn. 2002, S. 14).

Schützenscheiben: Entwürfe für Schützenscheiben mit F. sind schon im „Scheibenbuch des Hzgs. Johann Casimir von Sachsen-Coburg“, um 1630, zu finden (Coburg, K.slgn. der Veste: [70] S. 173, Abb. 57). M. 18. Jh. waren Scheiben mit F. anläßlich von Hochzeitsfesten in Südtirol außerordentlich beliebt; die Slg. der Schützen von Oberbozen enthält Beisp. aus den J. 1747, 1756 und 1759 (Leo Andergassen in: Die Schützenscheiben von Oberbozen, hg. von Franz von Walther, Stg. und Zh. 1994, S. 240f., Nr. 54, S. 260f., Nr. 63, S. 268-271, Nr. 67f.). - Für die F.-Darst. auf einer Scheibe des Schützenfests in Schwäbisch Hall zum Geburtstag von Kg. Wilhelm I. von Württemberg, 1829, nahm sich der Maler Georg Peter Groß das „Große Glück“ von A. Dürer zum Vorbild (Abb. 61; Hällisch-Fränk. Mus. Schwäbisch Hall, Braunschweig 1990, S. 109).

Obwohl bei der Lösung von Bilderrätseln Verstand und Wissen eine größere Rolle als der Zufall spielen, ist F. auch hier vertreten. Ihre Präsenz zwischen dem späten 15. und dem 19. Jh. zeigt die durchgehende Vertrautheit der Rebus-Rezipienten mit der verwendeten Ikonographie.

Den frühesten erh. Rebus mit F. scheint Leonardo da Vinci erdacht zu haben, der um 1497 eine nackte F mit Schleiersegel in eine Rätselzeile einfügte ([129] S. 91, 295, Abb. 77a). Giuseppe Maria Mitelli gab 1693 einen Kupferstich mit neun Rebus-Sprüchen heraus, u.a. „Chi ha la virtù ha la fortuna in pugno“; Virtus und F. sind personifiziert wiedergegeben (ebd., S. 189, Abb. 83; zur Beziehung von F. und Virtus s. Sp. 294, 359f.). Das Motiv kam noch im 19. Jh. vor: z.B. in einem Rebus der Wiener allg. Ztg. 1851, Nr. 326; die als Artistin gewandete F. rollt auf ihrem Rad vorbei, während sie Gaben aus ihrem Füllhorn fallenläßt und dem Betrachter eine Nase dreht. In Le Charivari 1853, Nr. 212, erschien ein Holzstich, auf dem die blinde, auf dem Rad tänzelnde F. von einem Hund ins Spielbein gebissen wird, während sie ihr Füllhorn ausschüttet; F. ist hier im Sinne von „Reichtum“ zu verstehen: „Tel qu’on pense être malheureux, laisse après sa morte une fortune dans sa paillasse“ ([129] S. 185, Abb. 69).

b. F. und die Zeit

Die Unbeständigkeit von F. setzte sie in Beziehung zur Zeit, zum glücklichen, aber flüchtigen Moment ebenso wie zur Zerstörung weltlichen Glücks durch das Verfließen der Zeit (Samuel C. Chew, Time and F., Journ. of Engl. Lit. Hist. 6, 1939, S. 83-113). Als Auswirkungen auf das menschliche Leben steht F. daher zugleich der Gelegenheit (Occasio) wie der Vergänglichkeit (Vanitas) nahe.

Auf dem ehem. A. Dürer zugeschr. Holzschnitt „Teppich von Michelfeld“, nach 1521, drehen eine weibliche Figur mit der Beischrift „Tempus“ und ein Fuchs analog zu F. das mit Vögeln besetzte Glücksrad; das Blatt ist wohl als zeitkritische Allegorie zu interpretieren (Matthias Mende in: [132] Bd. 2, S. 525-528, Nr. A 22).

Urs Graf schilderte die Vergänglichkeit des Kriegsglücks durch eine nackte F. mit Schwertgehänge, die auf ihrer Kugel in einem See dümpelt und das Verfließen der Zeit in einer Sanduhr beobachtet (Basel, K.mus., Kk.: [97] S. 47, 50, Abb. 34). Dieser Bezug von F. führte wohl zu ihrer Uminterpretation zu einer Personifikation der Zeit; diese hat eine Sanduhr auf dem Haupt und trägt die Schere der Parzen in der Hand (Paul Boesch, Die Schweizer Glasmal., Basel 1955, S. 165, Abb. 96).

Ein Verschmelzen von F. mit Occasio ([118]) bot sich vor allem dort an, wo die Wahl des richtigen Augenblicks oder das Ergreifen einer günstigen Gelegenheit ausschlaggebend für Erfolge war, d. h. vor allem auf politischem, militärischem und kaufmännischem Gebiet. Mißerfolge konnten entsprechend als Verpassen der F.-Occasio ausgelegt werden. Die der F. vorauswehende Stirnlocke, die der Mensch nur dann ergreifen kann, wenn sie ihm gegenübersteht, ihr kahler Hinterkopf, den sie demjenigen zuwendet, an dem sie vorübergeeilt ist, und das von Kairos stammende Rasiermesser (s. Sp. 341) sind bildliche Kennzeichen der F.-Occasio.

Die Verwendung der Pers. für Druckersignets war im 16. Jh. häufig ([135]; M. Boas, Cato-spreuken als drukkerdeviezen, Het boek. Tijdschrift voor boek- en bibliotheekwezen, 2. R. 20, 1931, S. 324-330; [102] S. 120, Abb. 88; Anja Wolkenhauer, Zu schwer für Apoll. Die Antike in humanistischen Druckerzeichen des 16. Jh., Wiesb. 2002 Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann. Schrn. zur Gesch. des Buchwesens, 35], S. 216-225 u.ö.). Der Gebrauch von F. in diesem Zusammenhang setzte anscheinend 1503-1504 mit dem Signet des Luca Antonio Fiorentino in Verona ein (ebd., S. 51, Abb. 6). Nicolaus Basseus in Frankfurt a. M. verwandte 1587 einen Holzschnitt mit F. von Jost Amman als Signet (C. Becker, J. Amman ..., Nieuwkoop 1961, S. 223). - Kairos in Form eines Kindes oder jungen Mannes wurde nur selten wiedergegeben, so z.B. auf einem Holzschnittrahmen von Urs Graf, Titelblatt zu Joannes Oecolampadius, Index in tomos omnes operum divi Hieronymi, Basel 1513 ([122] S. 38, Nr. und Abb. 133) und wohl in einer Zchg. von Peter Vischer (Erlangen, Univ.bibl.: [69] S. 189, Abb. 214).

c. F. und die Weisheit

F. wurde meistens antagonistisch zu den Tugenden Sapientia und Prudentia dargestellt [127].

Entsprechend sind F. und Sapientia auf einer Holzschnitt-Ill. zu Carolus Bovillus (Charles de Bovelles), Liber de Sapiente, Paris 1510, gekennzeichnet: Die blinde F. mit Glücksrad sitzt auf der „Sedes Fortune rotunda“, während Sapientia mit dem Spiegel auf der „Sedes virtutis quadrata“ thront. F. wird durch ein Schriftband mit einem Zitat aus Juvenals Satiren (s. Sp. 280) als fiktive Gottheit charakterisiert. - Auf dem Fassadenentwurf von Hans Bock d.Ä. (s. Sp. 347) wurden F. und Prudentia als Gegenspielerinnen eingesetzt.

Ein Ornamentstich von David Herrliberger (1697-1777) nach Vorlage eines Kupferstichs von Bernard Picart (1718) läßt Prudentia über die Gefahren weltlichen Glücks dominieren (Abb. 56): Die im Heck eines Bootes stehende Personifikation hält ein Ruder, um das sich eine Schlange ringelt, während sie in einen Spiegel blickt. Zwei Füllhörner mit Spielgerät und Insignien, die weltliche Verführungen darstellen, rahmen das Boot (Vorstellung und Explication der sämtlichen Vignettes oder Laub-Zierrathen, welche sich in den geistreichen Wercken Nicolas Boileau Despreaux befinden ..., Zh. 1743, Bl. 13).

d. F. und die Liebe

Nicht selten wird F. durch ihren Kontext als Liebesglück charakterisiert, u.a. durch die Hinzufügung des Amorknaben. Sie vertritt meist das Glück körperlicher und vergänglicher Lust, die gelegentlich in die Nähe käuflicher Liebe gerückt wurde.

Das um 1495 entst. „Kleine Glück“ A. Dürers, mit dem Büschel Eryngium am Pilgerstab, gehört zu den frühesten neuzeitlichen Darst. des schwankenden Liebesglücks (s. Sp. 344). An diesem Stich oder an einem Blatt Marcantonio Raimondis ([72] Abb. 7) orientierte sich wohl H. Baldung, gen. Grien, der in einer Clairobscur-Zchg. 1514 (?) die gebrechliche F., unterstützt vom Amor-Knaben, mit Hilfe zweier Stöcke auf Kugeln balancieren ließ (Abb. 33; [105] S. 157). Ähnlich steht in einem Kupferstich Albrecht Altdorfers, dat. 1511, der blinde Amorknabe mit F. auf der Kugel und versucht, Stelzen zu besteigen (Franz Winzinger, A. Altdorfer, Graphik ..., Mchn. 1963, S. 95, Nr. und Abb. 113).

Die Wollust der Jugend zeigt eine franz. Zchg., A. 16. Jh.: Eine nackte Frauenfigur auf dem Roß „Vovlente“ reitet auf einen Felsen mit der blinden, aber gewappneten F. zu, einen Ort, der laut Versinschrift schon manchem Mann gefährlich geworden sei (Paris, Bibl. de l’Arsenal, ms. 5066, fol. 37r: [86] Abb. 22).

Manche der Frauenfig. auf Zchgn. von Nikolaus Manuel Deutsch und Urs Graf changieren zwischen Venus und F., etwa die geflügelte, auf einer Kugel durch die Lüfte fahrende Figur N. Manuels, auf deren Schultern Amor steht. Während Venus-F Schlingen für ihre Opfer vorbereitet hat, verschießt Amor seinen mit einer Narrenkappe gezierten Pfeil (K.mus. Basel, Kk.: [103] S. 322f., Nr. 158, Abb. 93; entsprechend eigenwillige Zchgn. Urs Grafs bei [122] S. 26f., Nr. 65f.). Eine weitere Zchg. Urs Grafs zeigt F. als Dirne im Bordell: Die nackte F., wie A. Dürers „Großes Glück“ einen Pokal in der Linken haltend, sitzt auf einem Bett, an dessen Baldachin die Motti „GOTT GEB V[N]S GLVK“ und „GLVK VF MINER SITEN“ zu lesen sind. Sie ergreift fordernd den Ärmel eines Reisläufers, der sie soeben für ihre Dienste bezahlt hat (Frankfurt, Städelsches K.inst.: [97] S. 47f., Abb. 35).

Die Kupplerrolle von F. bei der Planung einer unglücklichen Heirat zeigen Miniaturen zu dem allegorischen Gedicht „L’Amant infortuné“ von François Habert (?), entstanden in Paris oder Bourges, um 1530 (Chantilly, Mus. Condé, ms. 508: Ausst.kat. „L’art du ms. de la Renss. en France“, Chantilly 2001, S. 38-44, Nr. 9).

In einem Kupferstich von Virgil Solis, um 1550-1555, folgt die über das Meer fahrende F. dem Amorknaben im Muschelboot (Beischrift: „SIC FVGET VOLV[itur]“) über die Säulen des Herkules hinaus, d.h. ins Unermeßliche ([126] S. 66, 113, Nr. e 105, Taf. 48). C. Ripas Pers. der „F. giovevole ad Amore“ in der Ausg. 1593 (s. Sp. 332) soll den Cupidoknaben bei sich haben.

Wenig Zutrauen in die Zukunft einer Liebesgeschichte scheint eine Min. im Stammbuch des Hieronymus Haid (Eintrag Kremnitz, 1641) auszudrücken: Ein Liebespaar am Ufer wird von Amors Pfeil getroffen, während F. mit dem Wappen des Auftraggebers auf ihrem Segel über das Meer fährt; im Hintergrund eine Windmühle (Nürnberg, Germ. Nat.mus., Hs. 125 094, fol. 152r: Lotte Kurras, Die Stammbücher des Germ. Nat.mus. Nürnberg, T 1, Wiesb. 1988 [Die Hss. des Germ. Nat.mus., 5,1], Bd. 1, S. 77-79, Kat.nr. 55; Abb.: dies., Zu gutem Gedenken ..., Mchn. 1987, S. 107).

Paul Jacques Aimé (1828-1886) stellte 1854 im Mus. du Luxembourg, Paris, ein Gem. aus, das F. am Rand eines Brunnens mit einem Kind, wohl dem Amorknaben, kosend zeigt (Abb.-Slg. RDK).

Jörg Immendorff bezog sich 1999/2000 auf Hans Baldungs Zchg. der F. mit Amor (Abb. 33), indem er sie sowohl einzeln (Abb. 66) als auch im Kontext einer Landschaft paraphrasierte. In dem Gem. „Wer reitet zu spät. Schwarzes Schaf“ taumelt F. durch einen Wald mit abgestorbenen Bäumen; ihr Kopf ist hier wie die mit Pers. besetzten Weltkugel von Zacharias Dolendo (s. Sp. 375) gestaltet (Catherine Millet in: Ausst.kat. „DC: J. Immendorff“, Köln 2004, S. 10 passim, Abb. S. 23).

e. F. und der Tod

F.s Macht endet generell im Angesicht des Todes ([120] S. 93-100).

Ein Kupferstich aus der Schule des Marcantonio Raimondi, 1. H. 16. Jh., bildet unter dem Motto „Mortalia facta peribunt“ die nackte F. ab, die beim Herannahen des Todes die Flügel verloren hat ([60] S. 67, Nr. 71, Abb. S. 111). - Den Sieg des Todes über F. zeigt ein von Johann Esaias Nilson entworfenes, bei Johann Andreas Pfeffel in Augsburg erschienenes Kalenderblatt für April 1746: Unter dem Motto „Haec ultima linea fati“ zieht der Tod F. an einer Handfessel mit sich; Nebenszenen erinnern an den Tod zweier Fürsten. Die Hauptszene zeigt zwei Kavaliere beim Brettspiel, die durch ihre Pagen als Krieg und Frieden bezeichnet sind; Providentia divina wacht über den Ausgang ihres Spiels (Abb. 57. [133] S. 177, Nr. 474e; zum Blatt für Januar s. Sp. 379).

Ob die „Fortune“ genannte, voluminöse Kopfbedeckung mit schwarzem Schleier, Teil der preuß. Trauerkleidung um 1780-1790, auf F. als Verursacherin von Schicksalsschlägen, auf deren Schleiersegel oder auf beides verweist, ist unbekannt (Stefanie Heraeus, Spätbarock und Klassizismus, Bestandskat. der Gem. in den Staatl. Mus. Kassel, Kassel 2003, S. 187; s. Haube).

In einem Rollenporträt als F. von Anthonis van Dyck, um 1638, erschien Rachel Countess of Southampton hingegen als Siegerin über den Tod: Die auf Wolken thronende Gräfin, die sich auf die Allkugel stützt, setzt einen Fuß auf einen Totenschädel (Susan J. Barnes u.a., Van Dyck. A complete cat. of the paintings, New Haven-Ld. 2003, S. 593f., Nr. IV.209).

5. Szenische Allegorien

a. Trionfi

Das in der Frührenss. für die Darstellung von Personifikationen und Gottheiten beliebte Bildschema des „trionfo“ (Alexandra Ortner, Petrarcas „Trionfi“ in Malerei, Dichtung und Festkultur ..., Weimar 1998) wurde nur zögernd für F. verwendet. Häufiger diente sie bei anderen Triumphzügen als Assistenzfigur (zu Peleus und Thetis s. Sp. 341).

Durch eine Beschreibung überliefert ist der Trionfo Alfonsos I. in Neapel, 1443; er enthielt einen Wagen mit F., die nach Art der Occasio ausgestattet war. Auch im Aufzug zum Turnier anläßlich der Hochzeit von Lucrezia Borgia und Annibale Bentivoglio in Bologna, 1490, fuhren Wagen mit F. und „Sagesse“ (Götz Pochat, Theater und bildende K. im MA und in der Renss. in Italien, Graz 1990, S. 168, 177, Anm. 52). - Als überwundene Feindin ist F. 1559 im Triumph der Patientia auf einem Kupferstich von Dirck Volkertsz. Coornhert nach Maarten van Heemskerck, zu sehen; sie trägt das Schermesser des Kairos, ihr Rad ist zerbrochen ([99] S. 354f., 365, Abb. 5; zur Verwendung dieser Vorlage auf dem Zifferblatt einer Uhr s. Günter Irmscher, Das Trionfi-Elfenbeinzifferblatt im Stift Kremsmünster, Barockberichte 8/9, 1994, S. 320-333, bes. S. 325). Auf dem Revers einer Medaille für Kardinal Richelieu von Jean Warin, 1630, folgt sie dem Triumphwagen der Pers. Frankreichs; sie bezeichnet hier offenbar das franz. Staatswohl (Washington, Nat. Gal.: [99] S. 355, 366, Abb. 6). - Ein Brüsseler Wirkteppich, sign. „I. V Leefdael B. B.“, M. 17. Jh., zeigt einen Triumph der F.: Sie erscheint als Herrscherin auf einer Quadriga, gefolgt u.a. vom blinden Amorknaben (Aukt.kat. Drouot Rive Gauche, Paris, 3.6.1977, Nr. 71). - Bei einem Münchner Festzug 1906 wurde ein Triumphwagen der F. nach Entw. von Fritz Erler und Josef Floßmann mitgeführt, auf dem F. mit Polos und Zepter thronte; Girlandenträger rahmten den Wagen und erinnerten damit an das Gute Glück (Kunst und Handwerk 57, 1906-1907, S. 165, Abb. 305).

b. Menschenleben

Als Bild menschlichen Lebens gewannen seit dem 1. V. 16. Jh. neuzeitliche Darstellungen der „Tabula Cebetis“ (RDK III, Sp. 383-390) an Bedeutung. Zuerst in Buchillustrationen, dann auch in anderen Kunstgattungen wurde ein Wegeschema vorgestellt, in dem der Mensch dem Wirken von F. sowie seinen Tugenden und Lastern ausgesetzt ist, um - bei richtiger Lebensführung - den Gipfel der wahren Glückseligkeit zu gewinnen.

Als frühestes Beisp. gilt der Holzschnitt zur Tabula Cebetis, Ausg. FfO. 1507 ([131] Abb. 1): Die blinde F. hält bittenden Menschen ihr Rad entgegen. Mit Rad ist auch noch die inschr. als „Fortuna bona“ und „Fortuna mala“ bez. F., Krakau 1519, versehen (ebd. Abb. 3), ebenso „Fraw Glück“ auf der Tabula des Erhard Schön, 1531 (RDK III, Sp. 385f., Abb. 1). Nackt und geflügelt, mit Zaumzeug und Pokal ist F. hingegen auf der Holzschnitt-Randleiste zum Titelblatt zu Nicolaus Perottus, Cornucopiae sive linguae latinae commentarii ..., Basel 1521 ([59] Abb. 7); entsprechend auf weiteren Hans Holbein d.J. zugeschr. Titelrahmen, Basel 1521-1525 ([131] Abb. 5-9), und der Ill. zum lat. Kebes-Kommentar von Hieronymus Wolf, ed. princ. Augsb. [?] 1563. Mit der einen Hand Geld spendend, mit der anderen es verweigernd, erscheint die blinde F. auf einem Kupferstich von Philips Galle nach Frans Floris, 1561 (B. ill., Bd. 56, S. 313), entsprechend auf einem großformatigen Kupferstich von Jacob Matham nach Hendrik Goltzius, 1592 (B.ill., Bd. 4, S. 128f.), und noch auf einem Straßburger Flugblatt, vor 1638 (Wolfgang Harms in: [111] S. 16f., Nr. 8).

Im Gesandtensaal des Wawel, Krakau, malte Hans Holbein d.J. 1532 einen Wandfries, auf dem die übliche Struktur der Tabula Cebetis zugunsten einer Folge von Einzelszenen aufgegeben ist ([131] Abb. 11); der blinden F. auf der Kugel kommt eine herausragende Position zu. In der 2. H. 16. Jh. wurde das Thema auch auf franz. Bildteppichen aufgegriffen (ebd., Abb. 15-17). Zu einem ebenfalls in Einzelszenen aufgelösten Gem.-Zyklus des Lambert Sustris s. Vincenzo Mancini, L. Sustris a Padova ..., Selvazzano 1993 (Selvazzano dentro, Quaderni di storia locale, 5). - Seit E. 16. Jh. waren die Maler meist bestrebt, die Allegorie in eine Landschaft zu integrieren: z.B. niederl. Gem., dat. 1573 (Amsterdam, Rijksmus.: [131] Abb. 44); Joris van Schooten, dat. 1624 (Leiden, Stedelijk Mus.: Catalogus van de schilderijen en tekeningen, Leiden 1983, S. 302, Nr. 383). Eine Verdeutlichung der Lebenswege unter dem Patronat von „Labor“ und „Voluptas“ zeigt das Titelblatt zu Laurentius Beyerlincks „Theatrum vitae humanae“, 1631 (Der Name des Attributs „[Person“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.] Bd. 1): Obwohl F. der Voluptas zugeordnet ist, trägt die Umfassungsmauer das hoffnungsvolle Motto „VIRTVTE DVCE / COMITE FORTVNA“ (s. Sp. 278, 359f., 387f.).

Als Spätfolge dieses Themas ist möglicherweise die Gruppe des F.-Brunnens aus Hartblei im Parterre d’eau des Parks von Herrenchiemsee von Wilhelm von Rümann, voll. 1884, zu verstehen: Meerwesen betteln um die Gunst der auf dem Rad stehenden, einen Polos mit Rosenranken tragenden F. (Angela Weyer, Zur monumentalen Bleiskulptur des 19. Jh. anhand bayer. Beisp., in: Konservierung von Dkm. aus Blei, Zink und Zinn, J.ber. 1996 des Bayer. LA. für Dpfl. und der Stiftung Preuß. Schlösser und Gärten Bln.-Brandenburg, Potsdam [masch], Mchn. und Potsdam 1996, S. 170, 175).

Auch andere vielfigurige Allegorien stellten dar, wie F. das Leben der Menschen beeinflußt.

Ein in der Werkst. des Pieter van Aelst, Brüssel 1520, hergestellter vielfiguriger Wirkteppich aus der Serie „Los Honores“ für Kaiser Karl V zeigt F.s Inselreich und die Auswirkungen ihres Handelns (Abb 35; [107] S. 147-150; [108] S. 50-58): Die blinde, gekrönte F. zu Pferd verstreut, über ihrem Palast schwebend, nach der rechten Seite Rosen, nach der linken Steine. Zu ihren Füßen stehen drei Räder (vermutlich nach der Invention des Juan de Mena, s. Sp. 292). Das von „Providentia“ (?) gedrehte frontale Rad der Gegenwart („praesens“) hat vier Positionen, die Schriftbänder im Uhrzeigersinn „Honor“, „Adversitas“, „Paupertas“ und „Prosperitas“ nennen. Im Zenit, bei „Honor“, sind die Kaiserkrone mit Zepter und Schwert angebracht; ein Bezug auf die Situation des Auftraggebers (Kaiserkrönung Karls V im J. 1520) ist daher wahrscheinlich. Die beiden seitlich gestellten Räder, das rechte neu beschlagen, das linke ruinös, stehen für das unsichere „futurum“. Ein Zitat aus Sallust betont die umfassende Macht von F. in sublunaren Dingen: „in omni re dominatur“ (Bellum Catilinae VIII,1: John C. Rolfe, Sallust, Cambr., Mass.-Ld. 81980, S. 14). Rechts und links von dieser Mittelachse wird das Wirken von F. „in bono“ und „in malo“ exemplifiziert; die Ausschnitte des Landschaftshintergrundes sind entsprechend gestaltet. Zu den Opfern und Günstlingen von F. s. Sp. 356.

Einen in Einzelszenen aufgelösten Lebensweg der Narren zeigte Sebastiano di Re um 1550-1560 in einem großformatigen Kupferstich; F. und „sorte“, nach deren Erwerb die Menschen trachten, sind jeweils als F-Occasio dargestellt (Aukt.kat. „Ausgewählte Graphik aus drei Jhh.“, Bassenge, Aukt. Nr. 78, Berlin, 30.11.2001, S.

70f., Nr. 5210). Giuseppe Maria Mitelli stellte in gleicher Absicht auf einem Kupferstich, Bologna, 2. H. 17. Jh., einen Vogelkäfig mit Narren dar, auf dessen Dach F. mit dem Windrad hockt ([129] S. 36, Abb. 82). Mitellis Radierung „Le vicende del mondo“, 1687, zeigt anschaulich, wie Menschen die Burg der F. mit Leitern zu stürmen versuchen; Pers. von Zeit und Tod erinnern an die beschränkte Dauer der Gaben von F. (Miles Chappell, A Print of the Tower of Fortune attributed to Cristofano Bertelli, Arte Cristiana 78, 1990, S. 43-50).

Die entscheidende Wahlmöglichkeit zwischen F.-Venus und Virtus-Pudicitia erläuterte Matthäus Greuter, Straßburg, 1587, in einem vielfigurigen Kupferstich nach Wendel Dietterlin, der das Motiv des „Herkules am Scheideweg“ anhand mehrerer Menschen exemplifiziert (Ausst.kat. „Lieben und Leiden der Götter“, Göttweig 1992, S. 133f., Kat.nr. 83).

Ein Modello von Cornelis Cornelisz. van Haarlem zeigt F. auf der Kugel, ihre Gaben inmitten einer Menschenmenge reichlich verteilend oder verweigernd; er liegt einem Kupferstich von Jan Muller, dat. 1590, und einer Gruppe von gemalten Kopien und Varianten zugrunde (Grisaille-Modello in Genf, Mus. d’art et d’hist.: Pieter J.J. van Thiel, C. Cornelisz. van Haarlem 1562-1638 ..., Doornspijk 1999, S. 414f., Nr. MP 3, Abb. 51; zu dem mit einer Charakteristik von F. versehenen Stich und Kopien danach: ebd.:, S. 427-429, Abb. 52). Zur erweiterten Variante in Göteborg, Konstmus. vgl. Julie McGee, C. Corneliszoon van Haarlem ..., Nieuwkoop 1991, S. 442, Abb. 48. Die Wirkung von F.-Occasio auf Gelehrte und Künstler erläuterte Frans Francken d.J. in entsprechenden Gemälden (u.a. Krakau, Wawel, dat. 1627: Ursula Alice Härting, F. Francken d.J. ..., Freren 1989 [Fläm. Maler im Umkreis der großen Meister, 2], S. 345, Nr. 365f.).

Das Titelblatt zur Kupferstichserie „Omnium rerum vicissitudo est“ (Motto des Terenz in Erasmus von Rotterdam, Adagiorum epitome, Amst. 1663, S. 215) von Zacharias Dolendo nach Jacques II de Gheyn, 1595-1597, zeigt die durch das Weltall rollende Erdkugel, die im Uhrzeigersinn mit Pers. von F., Divitiae, Superbia, Invidia, Bellum, Paupertas, Fides und Pax (im Zenit thronend) besetzt ist. F. sorgt für den Wechsel von Lastern und Tugenden, die sich laut Beischrn. notwendig aus einander ergeben ([125] S. 175-184, Nr. 122; vgl. Ausst.kat. „Dawn of the Golden Age“, Amsterdam 1993, S. 386f., Nr. 43; zur Paraphrase von J. Immendorff s. Sp. 371).

Ein im 17. und 18. Jh. häufiges Bildschema der Konkurrenz um das Glück zeigt F. meist als reich gekleidete Frau auf einer Kugel zwischen zwei Männern, die sie auf ihre Seite zu ziehen versuchen.

Ausgangspunkt war vielleicht ein Emblem bei Gabriel Rollenhagen, 1611, über die Bevorzugung des Musikers gegenüber dem Mächtigen in der Liebe und deren Unbeständigkeit ([50] centuria I, nr. 7). Bei späteren Beisp. ziehen ein alter und ein junger Mann mit Hilfe von Seilen an F. (Ernst Schlee, Der Durchgang durch die Welt ..., Altonaer Mus. in Hamburg, Jb. 14-15, 1976-1977, S. 37-60; vgl. auch Nürnberg, Germ. Nat.mus., Graph. Slg.: Inv.nr. HB 29 300 Kapsel 1293). Auf spätbarocken Beisp. nimmt die nackte F. auf der Kugel die Mittelposition ein, so auf Nürnberger Spielsteinen, A. 18. Jh. ([67] S. 101, Nr. 254; S. 103, Abb. 114, Nr. 270).

Der Wunsch, das Glück zur Dauer zu zwingen, führte zu eigenen Bildformeln, in denen entweder F. selbst oder ihre Attribute - oft gewaltsam - stabilisiert sind (Wilfried Barner, Die gezähmte F. Stoizistische Modelle nach 1600, in: [66] S. 311-343; [99]).

Auf Alessandro Alloris Lünettenfresko mit dem Garten der Hesperiden in der Villa Medici in Poggio a Caiano, voll. 1578, schlägt F. als Bezwingerin von Invidia und Furor einen Nagel in ihr Rad, so daß es sich nicht mehr drehen kann; das Glück des Auftraggebers ist damit gesichert (Abb. 43; [134]; zur Verwendung des gleichen Motivs in einem Lobgedicht des Lope de Vega an Kg. Philipp IV von Spanien: Simon A. Vosters, in: Rubens Passioni, hg. von Ulrich Heinen und Andreas Thielemann, Gött. 2001, S. 186f.). - Nach der Wahl von Johann Ernst Graf von Thun zum Erzb. von Salzburg, 1687, publizierte die Benediktinerabtei St. Peter eine Festschrift, deren Frontispiz ein allegorisch gerahmtes Porträt des Gefeierten über einer Vedute von Salzburg zeigt: Über dessen Wappenschild reichen sich zwei Pers. die Hand, von denen die rechte durch ihr Segel als F. gekennzeichnet ist. Ihr Rad wird von einem Salzfaß beschwert, so daß es unbeweglich ist, wie eine Beischrift besagt: „Foedere perpetuo stabilique“ (Votum unanime parnassi Salisburgensis deorum judicio et assensu approbatum, dum in ... Archiepiscopum Salisburgensem ... el-

ectus esset Joannes Ernestus è S. R. I. Comitibus de Thun ... oblatum a venerantibus suis musis benedictinosalisburgensibus, Salzb. o.J. [1687]). - Das dauerhafte Glück von Abt Joscio Hamberger von Niederaltaich beschwor 1719-1722 ein Deckengem. in der Abteikirche von Wolfgang Andreas Heindl; ein Putto nagelt das Glücksrad fest, auf dem F. tänzelt (Ursula Brossette, Theatrum virtutis et gloriae ..., in: Ausst.kat. „Mit Kalkül und Leidenschaft. Inszenierungen des Heiligen in der bayer. Barockmal.“, Landshut 2003, Bd. 1, S. 137, Abb. 11).

Gelegentlich wurde F. Bona im 17. Jh. Maria unterstellt.

Der anon. Titelkupfer zu Maximilian Sandaeus SJ, Sancta Maria de Bona Fortuna Sodalitatis B[eatae] V[irginis] Colon[iensis], Köln 1644, zeigt ein mit Schätzen beladenes „Schiff der Kirche“, in dessen Heck Maria mit dem Kind thront, während am Bug F. auf der Kugel tänzelt. - Auf einem Gem. in der Jesuitenkirche von Straubing, 1651, das an die Aussetzung einer Kopie des Mariengnadenbilds von Foja erinnert, ruht das Glück der Stadt schlafend, das Rad neben sich, zu Füßen der Figur: „Sub umbra illius, quae pulchra ut luna, secure quiescit, Straubingae fortuna.“ (Alfons Huber, Hist. Collegii Straubingani ..., T. 1, Straubing 1977 [Straubinger Hh., 27], S. 54). Die wandelbare F. „ut luna“ ist also durch Maria „pulchra ut luna“ stabilisiert (zu Maria als Zuflucht vor F. vgl. auch die Verse des Benedictus Chelidonius auf dem Titelblatt von A. Dürers „Marienleben“, 1510-1511: Horst Appuhn, Die drei großen Bücher, Dortmund 1979, S. 119).

Kugel und Würfel als Bilder für das wandelbare Glück und die sicher stehende Tugend wurden noch im späten 18. Jh. in Monumenten der F. Bona verwendet.

Beisp.: Denkmal der „Agathé Tyche“, das Johann Wolfgang von Goethe 1777 in seinem Weimarer Garten errichten ließ (Wolfgang Vulpius und Wolfgang Huschke, Park von Weimar, Weimar 1962, S. 31, Abb. 33; vgl. dazu Jörg Deuter, Die Genesis des Klassizismus in Nw.-Dtld., Bln. 1994, S. 235f.). Es geht auf eine ältere Motivtradition zurück (s. Sp. 382), die u.a. Auswirkungen in der niederl. Porträtmal. des 17. Jh. hatte (E. de Jongh, Bij de Balustrade, ..., Oud Holland 107, 1993, Nr. 1, S. 123-136).

c. Politik

Politische Umbruchsituationen in Krieg und Frieden legten allegorische Darstellungen von F. nahe.

Das Frontispiz einer zum Bauernkrieg aufrufenden anonymen Flugschrift, Nürnberg 1525, zeigt die das Rad drehende F., auf das von links„Hie Pawrßman / guet Christen“, von rechts „Hie Romanisten / und Sophisten“ zustürmen (An die Versandung gemayner pawerschafft ...: Ausst.kat. „Reformation in Nürnberg ...“, Nürnberg 1979, S. 181f., Nr. 192). - Auf einem nach der Schlacht von Lepanto, 1572, radierten Einblattdruck von Martino Rota dreht Chronos das Glücksrad, in dessen Zenit die in einem Stadtmodell stehende F-Occasio gelandet ist. Ein Osmane hat ihren Fuß gepackt und versucht sich daran emporzuziehen, während Vertreter der Christenheit den Aufstieg zu hindern suchen (Dt. ill. Flugbll., Bd. 2, S. 56f., Nr. 29). - Als Buchill. zu Elias Herckmans, Der Zee-Vaert Lof, Amst. 1634, Buch III, radierte Rembrandt van Rijn eine zu Schiff in See stechende F., Allegorie des Friedensschlusses nach der Seeschlacht bei Actium, 31 v. Chr., und/oder des Sieges der niederl. Flotte über die span., 1631 (Ausst.kat. „Fünf Jhh. Buchill.“, Nürnberg 1987, S. 110).

Der Dreißigjährige Krieg löste eine besonders große Anzahl von F.-Darstellungen aus, vor allem im Medium des *Flugblatts (RDK IX, Sp. 1436-1446).

Auf dem Blatt „Rota Fortunae Regiae“, 1620, hat Kaiser Ferdinand II. die Rolle von F. als Beweger des Rades eingenommen; das Flugblatt argumentiert zu Gunsten des legitimen Souveräns (John Roger Paas, The German Political Broadsheet 1600-1700, Bd. 3, Wiesb. 1991, S. 45). Das wechselhafte Glück des „Winterkönigs“, Kf. Friedrichs von der Pfalz, beschrieb 1621 ein Flugblatt mit Hilfe eines Glücksrades (Abb. 49; [104] Bd. 1, S. 413, Nr. F 47; mit weiteren Beisp.: Renate Haftlmeier, Reichsallegorien auf ill. Flugblättern der Renss. und des Barock, in: Reichsstädte in Franken, hg. von Rainer A. Müller, Mchn. 1987 [Veröffn. zur Bayer. Gesch. und Kultur, 15,1] S. 69f.). Zu einem weiteren Flugblatt nach der Schlacht am Weißen Berg, das Friedrich als Opfer von F. kennzeichnet, s. Cornelia Kemp in: [111] S. 152f., Nr. 110. Ein Flugblatt in der Tradition der Psychomachie verbildlichte 1631-1632 den Kampf zwischen Protestanten (Tugenden) und Katholiken (Lastern); die über das Meer herbeifahrende F. wendet sich der Tugendseite zu (ebd., S. 264f., Nr. 206). 1649 fand auf Schloß Gottorf in Schleswig ein Fest zur Feier des Friedensschlusses statt, dessen „Kartell“ ein Kupferstich von Christian Rothgießer schmückte: F. tänzelt auf einer Pyramide von Kanonenkugeln, die mit gegensätzlichen Begriffen wie Frieden und Krieg, Liebe und Haß, Tugenden und Lastern usw. beschriftet sind (Ernst

Schlee, Der Gottorfer Globus Hzg. Friedrichs III., Heide 1991, S. 23).

Nach der Schlacht von Höchstätt (1704) erschien ein dt. Flugblatt, auf dem „Franckreichs übel zugerichte Fortuna“ als krank im Bett liegende F. geschildert wurde ([121] S. 17, 19, Abb. 9). - Mehrere Kupfertafeln in dem von Johann Esaias Nilson entworfenen, bei Johann Andreas Pfeffel erschienenen historisch-politischen Bilderkalender „Monumenta mnemoneutica“, Augsb. 1746-1747, beziehen Darst. von F. ein. Das Blatt Januar 1747 zeigt ein Bühnenstück: F. auf dem Orbis, die von Bellum bedrängt, aber von Pax Augusta (in einem mit Pinienzapfen bestickten Kleid) am Band gehalten und von einem Engel beschützt wird, überreicht der thronenden Pers. von Europa eine Palme: „Fauste destinata fato“. Zwei aktuelle Ereignisse im Fürstenstand (Begräbnis, Verlobung) sind auf dem Proszenium abgebildet ([133] S. 181, Nr. 474o; zum Blatt für April s. Abb. 57).

d. Handel und Gewerbe

F.s Rolle in Bezug auf materielle Güter schlug sich seit dem 16. Jh. in Allegorien nieder, die Gelderwerb zum Thema haben.

Der Florentiner Handelsherr Giovanni di Paolo Rucellai bezog - wohl aufgrund von Marsilio Ficinos neuplatonischer Trias von Tyche, Kairos und Techne - eine wie ein Mastbaum im Schiff stehende F. in die Helmzier seines Wappenschildes ein, der im Hof seines Pal. angebracht wurde ([138]; [72] S. 24-28; zum Pal. Rucellai, nach 1458: Mario Bucci, Palazzi di Firenze, Flor. 1973, Bd. 3, S. 89-99; zur Devise s. Sp. 383). - In dem Holzschnitt „Aigentliche abbildung des gantzen gewerbs der Kauffmanschafft...“, Augsb. 1585, des Monogrammisten W+S nach Jost Amman erscheint F.-Occasio als Brunnenfigur auf geflügelter Kugel mit erhobener geflügelter Hand und (der laut Beischr. für Bedachtsamkeit stehenden) Schildkröte vor einer Vedute von Antwerpen; F. ähnlich ist „der Welt Reichthumb“ am unteren Bildrand, eine gekrönte Figur auf einer Kugel inmitten von Geldsäcken und Objekten der Artes mechanicae (New Hollstein German, Bd. 4, T 2, S. 80-82, Nr. 271). - Auf einem Kupferstich von Philips Galle nach Maarten van Heemskerck führt die blinde F. mit der Locke der Occasio einen Zug von Pers. an, die mögliche Wege zum Reichtum umschreiben: Labor, Diligentia, Parsimonia und Vis ebenso wie Fraus und Mendacium (RDK VIII, Sp. 507f., Abb. 6). - B. de Montfaucon bildete 1719 eine Gemme aus der Slg. Maffei ab, auf der Merkur mit einer Geldbörse in der Rechten F. und Victoria voranschreitet ([44] Bd. I,2, S. 312, Taf. 198, Nr. 3). - Das Wappen des Erlanger Handelsmanns Johann Benjamin Morgenroth mit auf geflügelter Kugel tänzelnder F. ziert den Taufstein der Dreifaltigkeitskirche in Erlangen, 1721 (Gisela Lang, Die Dreifaltigkeitsk. Erlangen-Altstadt 1721-1996, Erlangen 1996, S. 54, Abb. 8). - Ein nach einem Friedensschluß des 18. Jh. entstandenes Glückwunschblatt zeigt den auf einem Warenballen sitzenden Merkur, dem die geflügelte F. Kränze von dem sternartig am Himmel strahlenden Trinitätssymbol bringt (Nürnberg, Germ. Nat.mus., Inv.nr. HB 13 548 Kapsel 1231; Marburger Index, Fiche Nr. 8092, D 11). - Ein Kupferstich von Pierre de Rochefort, Paris 1720, zeigt F. als Patronin des glücklichen Spekulanten, den sie vom Lakaien zu einem Leben in Reichtum und Überfluß aufsteigen läßt ([121] S. 52-56, Abb. 5c). - In seinem satirischen Kupferstich auf den Bankrott der South Sea Company, 1721, prangerte William Hogarth die Geldgier der betrogenen Aktionäre an: Diese sitzen auf einem Karussell, während die Ehrlichkeit gerädert und F.s Körper von einem Teufel mit der Sense des Chronos zerstückelt wird (Joseph Burke, Hogarth, Wien-Mchn. 1968, S. 30, Nr. 24). - Das 1725 umgestaltete Haus des Seidenkrämers P Christian Hilliger in Görlitz, Untermarkt 13, schmückt ein Sprenggiebel, auf dem gegenständig F. und Merkur ruhen (Ernst-Heinz Lemper, Görlitz. Dkm. des Barock, Görlitz 1986, S. 28, Abb. S. 45). Auch die häufigen F.-Reliefs des 18. Jh. an der Fassade von Bürgerhäusern in Amsterdam verweisen auf die geschäftlichen Aktivitäten ihrer Besitzer ([106] Nr. 277, 447, 616 u. ö.). - Das Treppenhaus im Stadtpalais des Frankfurter Kaufmanns Franz Maria Schweitzer dekorierte Januarius Zick 1792 mit einer Allegorie des Handels; auf einer Denkmalsäule stand F. auf dem Rad, vor ihr Merkur (Bozzetto und Vorzchg. zu dem 1890 zerst. Deckengem.: Ausst.kat. „J. Zick und sein Wirken in Oberschwaben“, Ulm 1993, S. 192f., Nr. 83f.). - Das Kaufhaus Wertheim in Berlin erhielt 1904-1905 Reliefs mit Figuren der F. und des Fleißes von I. Taschner ([100] S. 225-227, Abb. 261).

e. Sonstige Allegorien

Aktuelle Klagen über das ungerechte Wirken von F. führten zu weiteren vielfigurigen Allegorien.

Durch mehrere Kopien verbreitet wurde ein um 1525-1530 entstandenes Gem. von Lorenzo Leonbruno, das die Herrschaft von F. zusammen mit dem Thema der „Calumnia des Apelles“ (s. Verleumdung) darstellt; der Maler, der sich offenbar als Nachfolger des Apelles sah, bezeichnete es inschriftlich als Ergebnis seiner unter „F. Adversa“ stehenden Lebenssituation. Eine auf einem Podest thronende F. bifrons schüttet ihre guten Gaben über Lasterpers. aus, während sie den Pers. von Buße und Wahrheit Instrumente des Strafvollzugs zuwirft (Mailand, Pin. di Brera: Jean Michel Massing, Du texte à l’image. La Calomnie d’Apelle et son icon., Strbg. 1990, S. 321-330, Nr. 14.A; vgl. auch Ausst.kat. „Isabella d’Este“, Wien 1994, S. 404-407, Kat.nr. 139).

Ebenfalls von persönlicher Betroffenheit spricht ein 1579 publizierter Kupferstich von Cornelis Cort nach Federico Zuccari, „Il lamento della pittura“. Zuccari reagierte mit dieser Bilderfindung auf die Ablehnung seines Deckengem. in der Florentiner Domkuppel durch Kollegen. Die Pers. der „Vera intelligenza“ inspiriert den von Hunden angegriffenen Maler beim Entwurf eines Gemäldes, auf dem sich die Künste bei Jupiter beklagen; Inhalt ihrer Klage ist die unterirdische Invidia sowie F. auf einem „Bild im Bild“: Sie vertreibt mit den ihr folgenden Lastern die Tugenden (Matthias Winner, Triumph der Mal. von F. Zuccari, in: ders. und Detlev Heikamp [Hgg.], Der Maler F. Zuccari ..., Mchn. 1999 [Röm. Jb. der Bibl. Hertziana, Beih. zu Bd. 32, 1997-1998], S. 128-132).

6. Emblematik

Embleme mit oder über F. gab es während der gesamten Blütezeit der Kunstgattung Emblem (RDK V, Sp. 85-228) sowohl in gedruckter Form (Beisp. bei [114] und [120]; Versuch einer Typengliederung bei [109]) als auch in der angewandten Emblematik. Außerdem war F. häufig Bestandteil personengebundener *Devisen (RDK III, Sp. 1345-1354).

Als Motti fanden vielfach antike Literaturzitate Verwendung (Beisp. u.a. bei José Manuel Díaz de Bustamante [Hg.], Instrumentum Emblematicum, A-K, Hdhm. usw. 1992 [Alpha-Omega, Reihe B, Indizes, Konkordanzen zur mittel- und neulat. Philol., 5], S. 527f.). Die Wiedergabe antiker F.-Statuen als Picturae war hingegen selten (Beisp. bei Achille Bocchi, Symbolicarum quaestionum de universo genere quas ludebat libri quinque, Bol. 1573, lib. 3, nr. 63; lib. 4, nr. 121; vgl. Elizabeth See Watson, A. Bocchi and the Emblem Book as Symbolic Form, Cambr. 1993, S. 88).

Die anscheinend einzige auf F. konzentrierte Emblem-Hs. des 16. Jh. ist der zwischen 1560 und 1568 von Imbert dAnlézy für den Druck konzipierte und von Jean Cousin d.J. (?) mit Zchgn. versehene „Liber Fortunae“ (Paris, Bibl. de l’Inst., ms. 1910). Eine Besonderheit dieses Werks besteht darin, daß es in „Doppelemblemen“ aufgebaut ist: Fast alle Picturae enthalten Varianten von F., die gelegentlich im Bildrahmen betitelt sind; auf den Recto-Seiten sind Rahmen für passende Literaturzitate angebracht, in die Motti und gelegentlich auch weitere Bildmotive einbezogen wurden. Die auf jedes Doppelemblem folgenden Subscriptiones sind mehrsprachig angelegt (derzeit nur in einem entstellenden Nachdruck publiziert [27]; kritisch dazu: [128]).

a. Attribute der F. als Picturae

Kugel, Rad, Segel und Caduceus (mit Füllhörnern) ergaben die motivisch einfachsten Picturae von Emblemen und Devisen über F. Die Beweglichkeit der Kugel wurde häufig durch die Beigabe von Flügeln (s. Sp. 341) veranschaulicht.

Kugel: Otto van Veen verwandte das Motiv von F.s beweglicher Kugel in einem Emblem mit dem Motto „Mobile fit fixum“; der Orbis ruht auf einem Kubus mit der Aufschrift „QVIES“. Die Subscriptio bezieht das Bild auf die Gute Regierung, die alles Unbeständige und Schwankende stabilisiere (Otho Vaenius, Emblemata sive symbola a principibus, viris ecclesiasticis ac militaribus usurpanda ..., Brüssel 1624, Taf. 1. Zur Tradition des Motivs vgl. zusammenfassend Konrad Hoffmann in [113] S. 533, Anm. 98). - Im „Typus mundi“, einer emblematischen Sammelschrift von 1627 aus dem Antwerpener Jesuitenkolleg, wurde die Kugel auf den Reichsapfel übertragen: Unter dem Motto „Frustra: quis stabilem figat in orbe gradum“ stürzen Cupido und Plutus mit Geldtaschen vom Orbis des Reichsapfels, auf dem ein Pfau sein Rad schlägt. In der Subscriptio wird Christus als „petra quadra“ bezeichnet, der im Gegensatz zur rollenden Welt ein sicheres Fundament des Lebens bilde ([54] S. 44-46, Nr. 9). - Unter die größtenteils fiktiven Devisen für die Herrscher Bayerns nahm der Jesuit Andreas Brunner SJ den Wahlspruch „Virtute et Fortitudine Aucupio“ für Hzg. Theodo I. (508-538) auf; die Devise fand ihre bildliche Entsprechung in einer geflügelten Kugel, die der Fürst wie ein Ordenskleinod auf der Brust trägt ([32] ungez. Taf. bei S. 20; vgl. Abb. 53).

Rad: Die rückwärts zu lesende Devise Giuliano de’ Medicis, „GLOVIS = SI VOLG[e]“, wurde auf das sich drehende Glücksrad und damit auf das wandelbare Glück ihres Trägers bezogen ([99] S. 359). Kaiser Maximilian I. wurde die Devise „Per tot discrimina“ zugeschrieben, deren Bildbestandteil ein Rad mit einem Reichsapfel im Zenit bildet, das über einen Granatapfel rollt ([55] Bd. 1, S. 42f., Taf. 18, Nr. 15; vgl. auch [119] S. 315; zum Heroldszeichen des Theuerdank s. Sp. 338). Im „Liber Fortunae“ (s. oben) sind mehrere Embleme mit dem Rad der F. abgebildet (dazu [128] S. 53-58). Julius Wilhelm Zincgref verwandte es 1619 unter dem Motto „Rota volvitur aevi“, um anzudeuten, daß alle sublunaren Wesen und Dinge F. unterworfen seien ([58] Bd. 1, S. 202f., Nr. 94; Bd. 2, S. 212f.). - Die Beobachtung, daß die Nabe des Rades auch dann unbewegt bleibt, wenn das Rad sich dreht, ließ sich vielfältig auslegen: Paolo Aresi nahm z.B. die Devise „In medio non commovebitur“ mit der Pictura eines von der Hand Gottes gehaltenen Rades auf, die in einer ausführlichen Subscriptio christlich gedeutet wurde (Delle Imprese sacre, Tortona 1630, IV, S. 1115-1129, Nr. 93; ebenso F. Picinelli, lib. 24, nr. 76: [48] Bd. 2, S. 253). Übertragen auf die „Constantia“ Marias, wurde das Emblem in die 1654 von Kaspar Meglinger ausgemalte Holzdecke der Wallfahrtskapelle von Hergiswald, Kt. Luzern, einbezogen (Dieter Bitterli, Der Bilderhimmel von Hergiswald ..., Basel 1997, S. 98, Nord Nr. 53; vgl. auch [48] vol. 2, pag. 251f., lib. 24, nr. 65, 67). - Lorbeer- und Ölzweige umflechten das Rad in der fiktiven Devise für Babo Graf von Scheyern in der „Fortitudo Leonina“, 1715, weil das Glück durch Constantia und Pax statisch bleibe („Ne sit volubilis“: [38] S. 87f., Nr. 21; [99] S. 359, Abb. 12). - Negativ aufgefaßt ist das Anhalten des Rades bei Claude Paradin: Unter dem Motto „Fata obstant“ ist ein Rad gezeigt, das oben mit Füllhörnern, unten mit Pfeilspitzen besetzt ist; ein angeketteter Steinquader verhindert jede Bewegung. Nach Aussage der Subscriptio ist es die Armut, die „bonne fortune“ unmöglich macht ([45] S. 151; Übernahme des Emblems bei [50] centuria II, Nr. 90). - Ein zerspringendes Rad, das für das Ende der Macht von F. steht, zeigte Georgette de Montenay unter dem Motto „Frangor patientia“ (Monumenta emblematum christianorum virtutum, FfM. 1619, Nr. 31). Geduld und Gottvertrauen helfen gegen das Wirken einer böswilligen F. Zu weiteren Remedia s. Sp. 389-391.

Segel: Die als Friesornament vervielfachte Segel-Devise des Giovanni di Paolo Rucellai (1403-1481) an den Fassaden seines Pal. und der Loggia Rucellai sowie an S. Maria Novella, Florenz, verbildlichte ebenso wie F. auf dem Schiff in der Helmzier seines Familienwappens (s. Sp. 379) das Glück der Kaufmannsfamilie, das auf ihrer Befähigung basierte, F. und Occasio zu nutzen [138].

Caduceus (mit Füllhörnern): Der von Schlangen umwundene „Friedenstab“ des Andrea Alciato, ab 1542 mit gekreuzten Füllhörnern (s. Sp. 328), wurde bei G. Rollenhagen zum Bild des erfolgreichen Tugendhelden ([50] centuria I, nr. 76), bei J. von Sandrart zum Bild des „Guten Glücks“ ([52] S. 168). Alciatos Erfindung beruht auf antiken Münzbildern (Sonja Brink, Mercurius Mediceus ..., Worms 1987 [Mss. zur K.wiss. in der Wernerschen Verlagges., 13], S. 39-48).

Würfel und Brettspiel: J. W. Zincgref verglich das wechselhafte Menschenleben mit einem Brettspiel ([58] Bd. 1, S. 54f., Nr. 20; Bd. 2, S. 97f.; vgl. auch Sp. 363, 371). Eine entsprechende Deutung des Würfelspiels findet man bei F. Picinelli, lib. 18, nr. 3: [48] Bd. 2, S. 124, und Joannes Kauffmann, Idea hominis christiano-politici XXX symbolis pro omnigeno hominum statu expressa, Augsb. 1709, Nr. 22, mit ausführlicher Auslegung von F.: S. 137-144. Als (fiktive) Devise ordnete A. Brunner die Würfel („Casus ubique valet“) dem Bayernhzg. Garibald II. zu († 616: [32] S. 34-36).

b. Bedeutungen

Die Aussagen der Embleme beziehen sich auf das gesamte Spektrum von Bedeutungen, die F. in Literatur und Kunst zukam. F.s topische Eigenschaften sind überwiegend in ihren negativen Auswirkungen beschrieben.

Die Blindheit von F. macht sie zu einer schlechten Führerin des Menschen ([47] Nr. 20). Otto van Veen verglich die blinde F. mit der ebenso charakterisierten Liebe bzw. Liebestreue; unter dem von Ovid entlehnten Motto „Et cum Fortuna statque caditque fides“ zeigte er die blinde F., wie sie dem auf einer Kugel stehenden Amorknaben die Augen verbindet (Otho Vaenius, Amorum emblemata, Antw. 1608, Ndr. N. Y.-Ld. 1979, S. 156f.; Kopie in den von Raphael Custos gestochenen Emblemata amoris, Augsb. 1622, II, S. 7; vgl. auch den „Liber Fortunae“: F. und Amor mit dem Motto „Ut talpa talpam“ [27] Taf. 67f.). A. Brunner erfand eine fiktive Devise für den erblindeten Kg. Bernhard von Italien († 818), in der er dessen Erkenntnisfähigkeit für die Blindheit von F. lobte: „Caecus caecam agnosco“ ([32] ungez. Taf. bei S. 81; [38] S. 69f., Nr. 13).

Unbeständigkeit und Flüchtigkeit: Claude Paradin wählte 1557 das Exemplum des scheinbar unendlich glücklichen Polykrates, um die Unbeständigkeit von F. zu zeigen: Unter dem Motto „Invitum Fortuna fovet“ trägt ein Fisch den Ring des Königs im Maul ([45] S. 81; vgl. [33] centuria IV, Bl. 10v-11r, Nr. 10). „Fortunae instabilitas“ ist das Motto eines Emblems bei Hadrianus Junius, dessen Pictura F. ohne Füße auf einer Kugel vorübereilend zeigt, weil sie „nicht stehen kann“ (Emblemata, Antw. 1565, Ndr. ed. John Horden, ... 1972 [Continental Emblem Books, 12], S. 32, Nr. 26; vgl. auch [27] Taf. 21f.; [42] Nr. 21; [58] Nr. 21; zur „Skythischen F.“: [109] S. 86f. und Sp. 331). F. ist daher in keiner Weise vertrauenswürdig: „Fortunae non nimium credendum“ (Mathias Holtzwart, Emblematum tyrocinia sive picta poesis latinogermanica ..., Strbg. 1581, Nr. 29). Mit gleichem Tenor äußerte sich Jean Jacques Boissard 1593 zu ihrer rasch wechselnden Gunst: „Nulli praestat velox Fortuna fidem“ ([29] S. 92f., Nr. 46). Im „Typus mundi“ findet sich unter dem Motto „Sic lusibus aptior orbis“ eine auf Ruder und Rad stehende F., die mit Hilfe von Cupido den Orbis aufbläst, um sich anschließend mit diesem im Ballspiel zu vergnügen. Die Subscriptio warnt vor der Unbeständigkeit von F.s Gunst ([54] S. 76-79, Nr. 17). Guillaume de la Perrière zeigte die blinde F. als Flötenspielerin, die den Menschen im Glück tanzen läßt, warnte jedoch vor ihrem „Gift“, das um so mehr zu fürchten sei, je süßer der Gesang des Glücks erklinge ([47] Nr. 91; vgl. Sp. 361). F-Occasio ist in der Devise Kg. Frederiks von Dän. und Norwegen, „Fedeltà e cosa rara“, Bild für unzuverlässige Treue, weil sie das menschliche Gemüt wandele ([55] Bd. 1, S. 127, Taf. 56, II,1 und S. 129). - Das Dictum „Fortuna ut luna“ verwandte G. Rollenhagen als Motto eines Emblems über die ständig im Wandel begriffene F.; die auf geflügelter Kugel über das Meer gleitende und eine Mondsichel haltende F. ist wie Occasio mit wehender Stirnlocke dargestellt. Die Subscriptio zitiert aus Ovids „Tristium libri quinque“: „Vultus Fortunae variatur imagine lune: Stare loco nescit, passibus ambiguis“ ([50] centuria II, nr. 40). Ähnlich sind die Embleme bei Sebastián de Covarrubias Orozco: „Mutatur in horas“ ([35] II, Nr. 34) und August Casimir Redel, Apophtegmata symbolica per moralia ethica dogmata rhythmice constructa ..., Augsb. um 1690, Taf. 22. „Fortuna varians“ hält im „Liber Fortunae“ ein Chamäleon in der Hand; die Farben ihres Gewandes sind so zahlreich wie Muscheln am Strand („Littore quot conchae“: [27] Taf. 53f.); vgl. auch F. Picinelli, „In varietate stabilis“ mit Chamäleon (lib. 8, nr. 142: [48] Bd. 1, S. 519). Das ebenfalls Ovid paraphrasierende Motto bei Jacobus Boschius „Constans in inconstantia“ verwendet erneut das Bild des Halbmonds ([30] classis III, nr. 420). - Unter dem Motto „Wie gewunnen, so zerrunnen“ zeigten Daniel Meisner und Eberhard Kieser in Küstenlandschaft einen F.-Pokal (vgl. Sp. 349f.), der auf einem labil auf einer Kugel liegenden Spielbrett steht ([43] Bd. 1, T. 4, Nr. 5). Paris Gille OSB charakterisierte das wechselhafte Glück durch eine mit Federn besteckte Windmühle und das Motto „Perpetuus nulli datur usus“ ([40] Nr. 10; vgl. [27] Taf. 116 und [36] Nr. XVII). „Fortunae Inconstantis signum“ ist im „Liber Fortunae“ eine blinde F. mit Rad, die auf dem Drehpunkt einer Wippe sitzt, während zwei disputierende Männer, ihrer Willkür ausgeliefert, auf und ab wippen (Abb. 41). Zur Zerbrechlichkeit des Glücks vgl. ebenfalls den „Liber Fortunae“ ([27] Taf. 55f.), F. Picinelli (lib. 21, nr. 65: [48] Bd. 2, S. 181) und J. Boschius ([30] classis III, nr. 419). - Das Bibelwort vom breiten und schmalen Weg (Mt 7,13f.) klingt in einem Emblem des „Liber Fortunae“ über „Fortunae bivium“ mit dem Motto „Y - litera Pythagorae“ an ([27] Taf. 29f.; vgl. Wolfgang Harms, Homo viator in bivio ..., Mchn. 1970 [Medium aevum, 21], S. 116).

Macht und Willkür: Andrea Alciato betonte 1531, daß selbst Virtus von einer widrigen F. vernichtet werden könne: „Fortuna virtutem superans“ ([25] Bl. C). Mit entsprechender Bedeutung zeigte Johannes Sambucus 1566 unter dem Motto „Imperatoris virtutes“ einen Feldherrn zu Pferd sowie F. mit Ruder und Füllhorn: Auch ein tugendhafter Feldherr hat keinen Erfolg, wenn F. ihn hindert ([51] S. 64; vgl. auch [27] Taf. 111). Nicht einmal Nobilitas kann F. widerstehen (ebd., Taf. 89f.). F.s Macht erstreckt sich jedoch insbesondere auf den Armen (zur gegenteiligen Ansicht s. Sp. 391), den sie dreht wie einen Kreisel: „Pauper ubique jacet“ ([40] Nr. 17; [36] Nr. X). „Fortuna jocans et illudens“ zeigt der „Liber Fortunae“; F. stülpt willkürlich Würfelbecher über Säuglinge: „Sic hominum sortes“ ([27] Taf. 45f.). - In seiner Devise überantwortete sich Roberto Malatesta gänzlich einer (als Dienerin Gottes verstandenen) F.: „Omnia Fortunae committo“ ([55] Bd. 3, S. 169, Taf. 193 und S. 172). Daß F. auch fürsorglich handeln könne, setzt ein Emblem bei Philipp Jakob Crophius voraus: Unter dem Motto „Fortuna faciet“ ist F. in den Wolken zu sehen, die ihr Rad mit Pfauenfedern ausgepolstert hat, um in diesem Nest ein Ei auszubrüten ([36] Nr. XVIII).

Auch für Melancholie ist F. verantwortlich: Unter dem Motto „Non ridente Fortuna“ zeigten D. Meisner und E. Kieser eine müde aufgestützte F. mit einer Viola, deren Saiten zerrissen im Wind flattern, neben ihr ein in sich gekehrtes Paar ([43] Bd. 1, T. 6, Nr. 3). Eine entschwindende F. zieht *Fides mit sich ([27] Taf. 158). - F.s Macht hat zur Folge, daß man sie nicht ungestraft verspottet. A. Alciato bezog das Emblem über die um ihren Tod würfelnden Mädchen, von denen die lachende Verliererin umgehend stirbt, zwar zunächst auf deren „Fatum“, aber spätere Ausg. führen das Emblem unter F. auf (z.B. Emblemata Andreae Alciati ..., Lyon 1548, S. 105). - Eine böswillige F. kann dem Menschen jedoch letztendlich Nutzen bringen. G. de la Perrière verglich den von F. geplagten Menschen mit einem dem Nordwind ausgesetzten Baum: So wie dessen Rinde an der Windseite widerstandsfähiger werde, so gewinne der Mensch durch Unglück Kraft ([47] Nr. 56; vgl. auch [27] Taf. 85f., 185f.). Die gleiche Vorstellung lag vermutlich bereits der Devise „Fortune - infortune - fort une“ der Marguerite d’Autriche († 1530) zugrunde, die sie nach dem Tod ihres zweiten Ehemanns angenommen hatte (Alphonse Antoine Louis Chassant und Henri Tausin, Dict. des devises, Paris 1878, S. 120; RDK III, Sp. 1348).

Beschränktheit von F.s Macht: Otto van Veen bildete 1607 eine blinde F. mit Schleiersegel und Ruder ab, die einen königlich gekleideten Affen in ihre Obhut genommen hat; das Motto macht deutlich, das F. den Affen zwar mit allen weltlichen Würden ausstatten, aber seine Natur nicht ändern kann (Abb. 46). Das gleiche Motto mit der Pictura eines Löwen diente F. Picinelli als Emblem über die von F. nicht zu verändernde „Magnanimitas“ (lib. 5, nr. 455: [48] Bd. 1, S. 399). Als „Sors“ ist eine nackte F. auf einer Kugel mit Flügeln bei D. Meisner und E. Kieser benannt; ihr Wirken ist von Gott bestimmt: „Nulla potestas nisi a Deo“ ([43] Bd. 1, T. 8, Nr. 7). Am deutlichsten sprechen Embleme bei Gilles Corrozet F. jegliche Macht ab: „Fortune mendiante“ sei keinerlei Göttlichkeit zuzumessen, und sie habe keine Wirkungsmöglichkeit auf das menschliche Leben ([34] Bl. F VIIb, M VII b).

Die Frage, ob F. dem tugendhaften oder dem seines Glücks unwürdigen Menschen gewogener sei, schlug sich in Emblemen mit gegensätzlicher Aussage nieder.

F. als Gefährtin des Tugendhelden: Besondere Beliebtheit erfuhr Ciceros Dictum, daß F. dem folge, dessen Führerin *Virtus sei (vgl. Sp. 280, 360f.). A. Alciato nahm in die ed. princ. seines „Emblematum liber“ 1531 ein Emblem auf, das unter dem Motto „Virtuti Fortuna comes“ einen Caduceus zeigte und damit auf die Führerrolle der Virtus verwies ([25] Bl. B; die in der Subscriptio erwähnten Füllhörner wurden erst in Ausg. ab 1542 verbildlicht: A. Alciato, Les Emblèmes ..., Paris und Lyon 1542, S. 46f., Nr. 18). Nach Paolo Giovio führte Alciato diese Pictura auch als Devise ([41] S. 136). G. Rollenhagen übernahm das Emblem und paraphrasierte in einem zweiten Alciatos Motto, wobei folgende Pictura aus Giulio Cesare Capaccio, Delle imprese trattato, Neapel 1592, Verwendung fand: Ein Greif sitzt auf einem Steinquader, an dem die geflügelte Kugel der F. hängt; im Hintergrund ist die Bekehrung des Paulus zu sehen. Die von Virtus abhängige Gunst von F. wird als Hilfe Gottes interpretiert ([50] centuria II, nr. 5). D. Meisner und E. Kieser griffen ebenfalls Alciatos Motto auf, doch formten sie es zu einem Emblem des Neides um: Die nackte F. präsentiert einen gekrönten, mit Laub umwundenen Obelisken, auf den Pfeile zielen ([43] Bd.-1, T. 2, Nr. 8). - Im „Liber Fortunae“ hält Virtus F. aufrecht, wie ein mit einem palmenbesetzten Balken abgestütztes F.-Relief anschaulich macht ([27] Taf. 99f.). -

Für G. de la Perrière ist die Machtposition eines Königs davon abhängig, daß Tugend und Glück verbunden sind; Virtus und F. halten in der Pictura gemeinsam seine Krone ([47] Nr. 68). S. de Covarrubias Orozco zeigte eine Pers. der Virtus, die auf dem Rad der F. Platz genommen hat und „a la ocasion, y al tiempo, y con prestezza“ einen Nagel in dessen Reifen schlägt, um sich das Glück dauerhaft zu sichern ([35] I, Nr. 65). - Garant unwandelbaren Glücks kann in panegyrischen Emblemen auch die Abstammung eines Fürsten sein: Die dem Salzburger Fürstbisch. Max Gandolph von Khuenburg 1668 gewidmete F. in einer aufbrechenden Eischale unter dem Motto „Retinet connata colorem“, Kupferstich von Wolfgang Kilian nach Entw. von Burkhard Schramman, gilt als Beleg für dessen angeborenes Glück, das aus den Verdiensten seiner Eltern und seinen eigenen Tugenden erwachsen ist (Juvavi ter felix urna ..., Salzburg 1668, o. S.).

Florentius Schoonhovius betonte, daß die Bitten träger Menschen F. nicht erweichten, daß sie hingegen die Aktiven, Mutigen bevorzuge: Unter dem Motto „Nihil ignavis votis“ flehen Schiffbrüchige vergeblich zu F., die auf Orbis und Glücksrad stehend an ihnen vorüberfährt ([53] S. 15-17, Nr. 5). Daniel Cramer machte klar, daß der Faule nichts von F. zu hoffen habe, indem er einen eselsköpfigen Menschen untätig bei der Beobachtung fleißiger Ameisen zeigte: „Ignavis Fortuna repugnat“ (Emblemata moralia nova, das ist: Achtzig Sinnreiche Nachdenckliche Figuren ..., FfM. 1630, Ndr. Hdhm.- N.Y. 1981, S. 256f.).

Daß die Aktivität des Menschen F.s Gunst fördere, drückt das Emblem einer Galeere mit geschwellten Segeln unter dem Motto „Adspirat Fortuna labori“ bei J. W. Zincgref aus ([58] Bd. 1, S. 52, Nr. 19; Bd. 2, S. 96f.; als Wunsch formuliert bei [27] Taf. 187f.: „Faveat fortuna labori“). Entsprechend zeigte G. Rollenhagen unter dem Motto „Par sit fortuna labori“ einen Spaten auf der geflügelten Kugel: Anstrengung und Tugend sollen durch Glück belohnt werden ([50] centuria II, Nr. 81; zur Paraphrase in einer Emblemhs. von 1621: Elisabeth Klecker, „Me fovet atque movet“. Dichter und Kaiser in einer Emblemschrift für Ferdinand II. ..., in: [112] S. 453, 455, Abb. 12). Jacob Typotius führte für Erzhzg. Karl II., Sohn Kaiser Ferdinands I., die Devisen „Audaces Fortuna iuvat“ und „Audaces iuvo“ auf, jeweils mit dem Bild einer über das Meer fahrenden F.-Occasio; sie beziehen sich auf den Wagemut, den F. belohnt ([55] Bd. 2, S. 98-100; vgl. auch die Devisenkartusche im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses, vor 1622: [119] S. 315). Entsprechende Embleme sind bei P. Gille unter dem von Vergil entlehnten Motto „Audentes Fortuna juvat“ ([40] Nr. 7), ebenso bei F. Picinelli (lib. 3, nr. 46: [48] Bd. 1, S. 155) und P. J. Crophius (Abb. 55) verzeichnet.

Die Tugend kann auch in Fortitudo bestehen: Das von Erasmus aufgegriffene Sprichwort „Fortes Fortuna adiuvat“ gab A. Dürer 1513 einer Zeichnung bei, die emblemartig das Motto mit dem Bild eines Löwen auf einem geflügelten, entenfüßigen Deckelgefäß verbindet („Weltei“: Fedja Anzelewsky und Hans Mielke, A. Dürer. Kritischer Kat. der Zchgn., Bln. 1984, S. 76-78, Nr. 74; s. Sp. 340). Dem „starken“ Guidobald Graf Thun, Fürstbisch. von Salzburg, wurde 1654 ein Emblem mit dem Motto „Sunt obvia praemia forti“ gewidmet; die Pictura zeigt ein Seestück mit F., die auf einem schwimmenden Widder stehend, einem Schiff mit Einhorn als Galionsfigur (der Schildfigur des Fürsten) die Ordenskette des Goldenen Vlieses überbringt (Horizon Juvaviensis sub novo sidere ... Guidobaldi e Comitibus de Thun ..., Salzb. 1654, Nr. 10).

Bei Henricus Engelgrave ist das Martergerät der hl. Katharina zum Rad der F. umgedeutet: Die Heilige mit dem wehenden Schleier der F. steht auf dem liegenden Rad, um ihren Sieg über das Glück zu zeigen (Caelum Empyreum, Köln 1668, Bd. 2, S. 520-529; dazu [130] S. 127, Abb. 11). - Politische Aussagekraft besaß ein Emblem, das 1689 Joseph I. als Kg. von Ungarn nach der Rückeroberung von Mainz gewidmet wurde: Ein Gewappneter hindert F., die auf einem mit den franz. Lilien bez. Globuswagen tänzelt, an der Weiterfahrt, indem er eines der Wagenräder abschlägt: „Fortis“ siegt über „superba Galliae sors“ (Abb. 51). - Schließlich gehen auch F. und Eloquentia zusammen. Unter dem Motto „Eloquentiae comes bona Fortuna“ erscheint F. im „Liber Fortunae“ mit dem Füllhorn in der linken Hand, während sie mit der Rechten den Caduceus mit gekreuzten Füllhörnern ausstreckt ([27] Taf. 113f.).

F. liebt die Unwürdigen: Daß ein tugendhafter, fleißiger Mensch seltener von F. beschenkt werde als sein fauler, lasterhafter Zeitgenosse, besagt z.B. ein Emblem von G. de la Perrière: Einem untätigen Feldherrn bringt F. das Modell einer Burg und gibt ihm ein mit Gaben gefülltes Netz in die Hand ([46] Nr. 29). Eine Fischreuse mit Stadtmodellen zeigte C. Paradin unter dem - hier ironisch zu verstehenden - Motto „Virtutis Fortuna comes“; das Emblem bezieht sich auf den wohl schon von G. de la Perrière gemeinten Athener Feldherrn Timotheus, dem F. Städte im Schlaf geschenkt habe ([45] S. 147). Auf das gleiche Exemplum bezieht sich das Emblem „Plus heureux que sage“ bei Denis Lebey de Batilly (Dionysius Lebeus-Batillius, Regii mediomatricum praesidis emblemata, FfM. 1596, Nr. 30; vgl. [124] S. 26-28, Abb. 6). Im „Liber Fortunae“ verteilt eine blinde F. Rosen an Vertreter der Stände, deren Unwürdigkeit durch körperliche Fehler verdeutlicht ist („Indignis fortuna favens“). Als komplementäres Emblem dient das sich im Schlamm suhlende Schwein: „Amica luto sus“ ([27] Taf. 39f.). Auch G. Rollenhagen verwandte das Schwein als Bild des Unwürdigen: Einer Sau, Bild eines Günstlings der F., ist ein kostbarer Fingerring durch die Nase gezogen (Abb. 47; [50] centuria II, Nr. 66). P. Gille zeigte eine auf einem Riesenfisch sitzende F., die einen verblühenden Rosenzweig hält, unter dem von Lucan entlehnten Motto „Servat Fortuna Nocentes“ ([40] Nr. 8). Vgl. auch F. Picinelli (lib. 3, nr. 47: [48] Bd. 1, S. 155), P. J. Crophius ([36] Nr. 4) und J. Boschius ([30] classis III, nr. 415f.).

Als Remedia gegen eine ungerecht handelnde F. galten Tugenden: Gleichmut, Geduld und Genügsamkeit, Klugheit, Weisheit und Gelehrsamkeit sowie Vorsicht und Hoffnung.

Im „Liber Fortunae“ triumphiert Virtus als Inbegriff aller Tugenden über F. („Virtus citra Fortunam valida“): Die Pers. der Virtus hält ein Buch „Domini Timor“ hoch; ihr zu Füßen liegen ein zerbrochenes Rad, Füllhorn und Segel von F. ([27] Taf. 87; Zweikampf von F. und Virtus s. ebd., Taf. 91).

Giovanni Pierio Valeriano empfahl die Schildkröte unter dem Motto „Fortunarum contemptus“ aufgrund ihres harten Panzers als Bild für den Gleichmut gegenüber dem wechselhaften Geschick ([57] S. 282f.; vgl. Sp. 380). Joachim Camerarius zeigte unter dem Motto „Flectimur non frangimur“ vom Wind gepeitschte Schilfpflanzen, die für den Gleichmut eines von Unglück zwar gebeugten, doch nicht gebrochenen Menschen stehen ([33] centuria I, Bl. 105rv, Nr. 95; vgl. auch ebd., centuria III, Bl. 64rv, Nr. 64; zur Vorlage: [41] S. 64f. und ähnlich: S. 72f.). Nicolaus Reusner bildete den in Geduld leidenden Hiob mit dem Motto „Victrix fortunae patientia“ ab (Emblemata partim ethica et physica, partim vero historica et hieroglyphica, FfM. 1581; Ndr. hg. von Michael Schilling, Hdhm. usw. 1990, S. 223, Nr. 17). Im „Liber Fortunae“ steht Patientia über der überwundenen F. ([27] Taf. 93). Die Indifferenz Kaiser Ferdinands III. gegenüber dem wechselhaften Glück lobten emblematische Dekorationen zu seinen Exequien, die 1657 von den Wiener Jesuiten ausgerichtet und von den Brüdern Melchior und Matthäus Küsel in Kupferstichen publiziert wurden: F. mit dem Rad unter dem Arm peitscht das kaiserliche Herz, das sich wie ein Kreisel dreht, aber aufrecht stehenbleibt (Cenotaphium piis manibus Ferdinandi III. ..., Augsb. 1657, Titelbl. und Taf. 12: [98] S. 779, 781, Abb. 23b).

Niederl. Emblematiker griffen auf das ma. Literaturmotiv vom Sieg der Armut über F. (s. Sp. 323f.) zurück: Die bis auf ihr Schleiertuch nackte F. („De vvankel Avonthuur“) bei Laurentius Haechtanus liegt auf ihrem Rad und wird unter Bezug auf Iob 1 von der Genügsamkeit in Gestalt eines armen Mannes gefesselt ([42] Nr. 21, mit dt. Subscriptio der Ausg. FfM. 1644 bei [114] Sp. 1800; wiederverwendet von Joost van

den Vondel, Den Gulden Winckel, Amst. 1613, Ndr. SoestHolland 1978, S. 26f., Nr. 22). F. Schoonhovius versah 1618 eine motivisch gleiche Pictura mit dem Motto „Sapiens supra Fortunam“ ([53] S. 4-8, Nr. 2).

Als Beleg für die Meinung, daß menschliche Klugkeit F. zügeln könne, zeigte Johannes Sambucus eine Pers. der Sapientia mit Triciput, die einem Menschen die Schlange der Klugheit übergibt, während im Hintergrund F. über das Meer fährt ([51] S. 217). Im „Liber Fortunae“ stürzt Prudentia mit Spiegel und Schlange den in den Lüften fahrenden Wagen der F. ([27] Taf. 109). Unter den Devisen der Paduaner Akademiemitglieder, die Luca Contile 1574 abbildete und erläuterte, zeigt diejenige des Paolo Fiamberti ein Schiff vor der Hafeneinfahrt mit dem Motto „Arte et Labore“; im Rahmen ist die doppelgesichtige Prudentia zu sehen, die F. am Zügel führt - klug eingesetztes Können und Fleiß sind ausschlaggebend für das Glück des Devisenträgers (Ragionamento ... sopra la proprietà delle imprese con le particolari de gli academici affidati et con le interpretationi et croniche ..., Pavia 1574).

Jean Jacques Boissard erläuterte die Überlegenheit der Weisheit gegenüber F.: „Expers Fortunae est Sapientia“ ([29] S. 102f., Nr. 51). Der auf einem Sockel thronende Weise, den die einbeinige F. und Amor sowie Pers. von Tod, Armut und Gefangenschaft umgeben, bleibt von diesen unberührt, wie das Motto „Sapientiae libertas“ auf Otto van Veens horatianischem Emblem erläutert ([56] S. 82f.). J. Camerarius verwandte das Bild der ihr Haus tragenden Schnecke unter dem Motto „Fert omnia secum“, um einen Menschen zu charakterisieren, der durch Tugend und Weisheit alles Wesentliche mit sich führt, ohne auf F. angewiesen zu sein ([33] centuria IV, Bl. 100v-101r, Nr. 100). Der über Unwetterwolken fliegende Reiher steht für Klugheit und Vorsicht, mit der man F. begegnen solle (ebd., centuria III, Bl. 42r+v, Nr. 42). Eine bei J. Typotius für Kg. Edward III. von England aufgeführte Devise zeigt unter dem Motto „Sapientia Fortunam“ F.s Rad auf dem Globus, das jedoch von zwei Händen aus den Wolken, der Göttlichen Vorsehung, an seiner Bewegung gehindert wird ([55] Bd. 1, S. 97f., Taf. 45, Nr. X,2).

A. Alciato zeigte den auf festem Quader sitzenden Merkur, wie er die auf der Kugel tänzelnde F. zum Handeln anweist, unter dem Motto „Ars naturam adiuvans“, um die Bedeutung der „bonae artes“ als Helfer im Unglück zu betonen (Emblemata ..., Lyon 1550, Ndr. hg. von Betty I. Knott, Aldershot 1996, S. 107). - Bei D. Meisner und E. Kieser rudert „Doctrina“ das Muschelboot der blinden F.; „freye Künst und Studium“ dämpfen die Folgen eines widrigen Glücks ([43] Bd. 2, T. 2, Nr. 7).

Im „Liber Fortunae“ gibt die thronende Providentia der vor ihr knienden F. Befehle; das gegenüberliegende Motto „Tela praevisa minus ferunt“ erläutert, daß weniger die (göttliche) Vorsehung als menschliche Vorsicht gegen F.s Pfeile helfen ([27] Taf. 107f.; vgl. dazu [128] S. 39). - G. Corrozet bildete einen vom Rad der F. beschwerten Menschen ab, der sich auf ein Zepter mit Armillarsphäre stützt; das Motto „Esperence conforte l’homme“ und die Subscriptio machen deutlich, daß es die Hoffnung ist, die ihm hilft, sein Unglück zu ertragen ([34] Bl. G VIII b). Vgl. auch „Infortunatos spes alit“ ([27] Taf. 41f.).

Gelegentlich bot auch die postulierte Willensfreiheit des Menschen gegenüber F. Anlaß für die Erfindung von Emblemen: Der Mensch sei seines Glückes Schmied und ebenso der seines Unglücks.

G. de la Perrière ließ einen Bildhauer, der ein F.-Relief meißelt, für den Menschen stehen, der sein Glück zum eigenen Nutzen gestaltet ([47] Nr. 78). Ähnlich zeigten die Autoren des „Liber Fortunae“ sowie S. Covarrubias de Orozco unter Sallusts Dictum „Suae quisque fortunae faber“ (s. Sp. 280, 334, 358f.) die Verfertigung des eigenen Glücks: Im „Liber Fortunae“ schmieden drei Ständevertreter ihr Handwerkszeug, bei S. Covarrubias hält eine Hand aus den Wolken ein F.-Figürchen über einen Amboß ([27] Taf. 19f.; [35] III, Nr. 267). Dem Salzburger Domkapitular Karl Graf von Liechtenstein wurde anläßlich seiner Wahl zum Bischof von Olmütz 1664 eine Gratulationsschrift überreicht, die ein Emblem mit dem Motto „Fortuna maior cuditur“ und der Zurichtung einer F.-Statue auf dem Amboß zeigt (Infula illustrissimo et reverendissimo Domino Domino Carolo ex comitibus de Liechtenstein Episcopo Olomucensis & c. Candido Lapillo Lecta & adcantata ab Apolline et Musis Salisburgensibus, Salzburg 1664, Bl. C). - Unter dem Motto „Vix audior ulli“ geißelte eine Affixio der Univ. Salzburg zur Fronleichnamsoktav 1681 das Laster der Trägheit: Ein Student verschläft in gefährlich labiler Lage am Brunnenrand liegend die Ankunft der flüchtigen F.-Occasio; die Subscriptio betont, daß auch der Unwissende seines Glückes Schmied sei (Vigiliae rhetorum et somnia poetarum ..., Salzburg 1681, Nr. 6; eine vergleichbare Pictura, jedoch auf die Güte einer hilfreichen F. bezogen, bei Claude François Menestrier SJ, L’art des emblèmes ..., Paris 1684, S.-182). In Erinnerung an den erfolgreichen Kampf der Armut gegen F., der die Fesselung von „Malheur“ zur Folge hatte (s. Sp. 323f.), führte G. Corrozet das Unglück von Menschen auf deren eigene Fehler zurück: „Estre cause de son mal“ ([34] Bl. L IIIb).

Zu den Abbildungen

1. Kultus

Montecassino, Archivio dell’Abbazia, ms. 189, fol. 146r. Ital., 11. Jh. Nach: Ausst.kat. „Virgilio e il Chiostro ...“, Montecassino 1996, S. 140, Abb. 21.

2. Gestalt und Attribute

München, Bayer. St.bibl., cod. lat. mon. 13 002, fol. 3v. Prüfening bei Regensburg, 1158-1165. Foto Marburg 102 459.

3. Eigenschaften und Wirkungen

Kopie nach Herrad von Landsberg, Hortus deliciarum, Hohenburg, Elsaß, E. 12. Jh. Ehem. Straßburg, Stadtbibl. Nach: [19] Bd. 2, S. 351.

4. Cambridge, The Parker Libr., Corp. Christi College, ms. 66 (Historia de origine Anglorum ...), fol. 66r. Engl., um 1180-1190. Foto Bibl.

5. Bern, Burgerbibl., cod. 120 (Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti), fol. 146r. Palermo, E. 12. Jh. Nach: [89] S. 239.

6. Rochester, Kathedrale. Wandgem. im Chor, 2. V. 13. Jh. Foto: Paul Diemer, Gilching.

7. Villard de Honnecourt, Schemazeichnung eines Glücksrades mit F., Frankr., um 1235. Nach: [84] Taf. 42.

8. München, Bayer. St.bibl., cod. lat. mon. 17 404 (Josephus Flavius, De bello Judaico), fol. 203v. Sche yern, 1241. Foto Marburg 103 168.

9. Paris, BNF, ms. lat. 11 560 (Bible moralisée), fol. 129v (Detail). Frankr., M. 13. Jh. Nach: [87] Bd. II,2, Taf. 353.

10. Paris, BNF, ms. fr. 1586 (Guillaume de Machaut), fol. 30v. Frankr., um 1360. Foto Bibl.

11. Alcobaça, Abteikirche, Relief am Grabmal Kg. Pedros I., 1361-1364. Foto: Maria José Goulão.

12. Paris, BNF, ms. fr. 6272 (Augustinus, De civitate Dei), fol. 203r. Burgund, 1405. Nach: [88] Bd. 3, Taf. 22.

13. München, Bayer. St.bibl., cod. gall. mon. 114 (Christine de Pisan, Mutacion de Fortune), fol. 13r. Paris, nach 1404. Nach: Wege in die Stadt der Frauen ..., hg. von Margarete Zimmermann, Zh. 1996, S. 51.

14. Valencia, Bibl. Hist., Univ. de València, ms. 387 (Roman de la Rose), fol. 43v. Frankr., A. 15. Jh. Foto Bibl.

15. Oxford, Bodl. Libr., ms. Douce 371 (Roman de la Rose), fol. 40v. Frankr., um 1410. Nach: [91] Taf. 7.

16. Paris, Bibl. de l’Arsenal, ms. 5193 (G. Boccaccio, De casibus ...), fol. 88r. Frankr., 1409-1419. Foto Bibl.

17. Genf, Bibl. Publ. et Univ., ms. fr. 190 (G. Boccaccio, De casibus ...), fol. 83r. Paris, um 1410. Foto Bibl.

18. Rom, Bibl. Casanatense, ms. 1404, fol. 4v.. Erfurt (?), 2. V. 15. Jh. Fotoslg. RDK.

19. Wien, Österr. Nat.bibl., ms. 2559 (F. Petrarca, De remediis ...), fol. 5v. Frankr., M. 15. Jh. Nach: [88] Taf. 64.

20. Ebd. fol. 133r. Nach: ebd. Taf. 65.

21. Brüssel, BR, ms. 9510 (Martin le Franc, L’estrif de fortune et de vertu), fol. 3r. Simon Marmion, nach 1447. Nach: [80] Frontispiz.

22. München, Bayer. St.bibl., cod. gall. mon. 6 (G. Boccaccio, De casibus ...), fol. 200v. Frankr., 1458. Foto Bibl.

23. Lille, Bibl. mun., ms. 342 (Pierre de Michault, La danse aux aveugles), fol. 18r. Frankr., 1464. Nach: [60] Abb. S. 94.

24. Wolfenbüttel, Hzg. August Bibl., cod. Guelf. 18.2 Aug. 4° (Naturkunde des „Broeder Gheraerd“), fol. 123r. Niederl., um 1465-1470. Foto Bibl.

25. Paris, BNF, ms. Rothschild 2973 (Liederhs. des Jean de Montchenu mit Kompositionen von Johannes Ockeghem und Guillaume Dufay), fol. 1r. Frankr., um 1476. Nach: Ausst.kat. „La passion des mss. enluminés. Bibliophiles franç. 1280-1580“, Paris 1991, S. 99.

26. London, BL, ms. Harley 4338 (Boethius, De consolatione philosophiae), fol. 1v. Frankr., 1476. Nach: [83] Abb. 91.

27. Paris, BNF, ms. fr. 9197 (Evrart de Conty, Livre des Echecs amoureux), fol. 7r (Detail). Hainault, um 1490-1495. Nach: [22] ungezählte Seite.

28. London, BL, ms. Roy. 16 F. IV (Martin le Franc, L’estrif de Fortune et de vertu), fol. 3r. Frankr., E. 15. Jh. Nach: [80] Frontispiz.

29. S. Lorenzo, El Escorial, Cod. Escurialensis 28 II 12, fol. 48v, um 1491. Nach: Hermann Egger (Hg.), Cod. Escurialensis 28 II 12, Wien 1906 (Sonderschrn. des Österr. Arch. Inst. in Wien, 4), S. 122.

30. Niccolò Fiorentino, Medaille für Giuliano Daniele Nicolai, Florenz, um 1495-1500. Nach: Hill Bd. 1, Taf. 163, Nr. 993.

31. Albrecht Dürer, „Das kleine Glück“, um 1495-1496. Kupferstich, 11,4 × 6,7 cm. Nach: [132] Bd. 1, S. 36.

32. Pinturicchio (Entw.), F. am Berg der Weisheit, 1505-1506. Siena, Dom. Marmor, geschnitten und graviert, Bitumen-Füllungen. Nach: Enzo Carli, Il Duomo di Siena, Siena 1979, Taf. 251 (Detail).

33. Hans Baldung, gen. Grien, F. auf Kugeln balancierend, von Amor gestützt, dat. „151.“ (1514?). Feder in Schwarz, weiß gehöht, 27 × 19,5 cm. Wien, Albertina, Inv.nr. 3222. Foto Mus.

34. Antonio Allegri, gen. Correggio, F. mit Ruder. Camera di S. Paolo, Parma, um 1518-1519. Nach: Francesco Barocelli (Hg.), Il Correggio e la Camera di S. Paolo, Mail. 1988, S. 135, Abb. 94.

35. Wirkteppich „F.“ (Detail) aus der Serie „Los Honores“, Werkstatt des Peter van Aelst, Brüssel, dat. 1520. Leinen, Seide, Gold- und Silberlahn, 490 × 860 cm. Patrimonio Nac. de España, A. 265-7818 (S. Ildefonso, Pal. de la Granja, Mus. de Tapices). Nach: Fotoslg. RDK.

36. Statuette einer F., Augsburg, um 1520-1525. Lindenholz, H. 55 cm. Berlin, StMPK, Skulpturenslg. Foto Schwarz.

37. F. mit dem Reichsapfel, Südniederlande, um 1530. Tempera auf Holz, 31 × 20 cm. Straßburg, Mus. des B.-A. Foto Mus.

38 Hans Sebald Beham, F. bona, 1541. Kupferstich, 7,9 × 5,1 cm. Foto Staatl. Graph. Slg. München, Inv. 15083.

39. Dirck Volkertsz. Coornhert nach Entw. von Maarten van Heemskerck, F. arbeitet am Sturz ihres Günstlings, M. 16. Jh. Kupferstich, 20,5 × 24 cm. Nach: B. ill. 55 (Supplement), S. 239.

40. Guillaume du Choul, Discours de la religion des anciens romains, Lyon 1556, S. 200.

41. Emblem mit dem Motto „Ex formica elepantem“, voll. 1568. Nach: [27] Taf. 33.

42. Philips Galle nach Melchior Lorichs, F. vaga et instabilis, 1574. Kupferstich, 31,5 × 22,4 cm. Nach: B. ill. 56, S. 314.

43. Alessandro Allori, Unwandelbares Glück. Detail aus F. und Herkules im Garten der Hesperiden, Lünettenfresko im Salone di Leone X., Villa Medici in Poggio a Caiano, voll. 1578. Nach: Silvestro Bardazzi und Eugenio Castellani, La Villa Medicea di Poggio a Caiano, Prato 1981, Bd. 2, S. 501, Abb. 482.

44. Wappenscheibe des Johann Gerung (Nördlingen), dat. 1597, Werkstatt des Christoph Murer (?). Flachglas mit Überfang in Rot und Blau, Silbergelb, Schwarzlot, 31,5 × 20,5 cm. Bad. L.mus. Karlsruhe, Inv.nr. C 6247. Foto Mus.

45. Muschelpokal mit F., A. 17. Jh. Seemuschel in silbervergoldeter Fassung, getrieben, graviert, punziert, H. 40 cm. Dresden, Grünes Gewölbe, Inv.nr. III 263. Nach: Ausst.kat. „Kgl. Dresden ...“, München 1991, S. 75, Nr. 57.

46. Emblem mit dem Motto „F. non mutat genus“, 1607. Kupferstich, 18,4 × 14,9 cm (Plattenrand) aus: [56] S. 155. Nach dem Original.

47. Emblem mit dem Motto „Indignum F. fovet“, 1613 (Detail). Kupferstich 14,1 × 11 cm, aus: [50] centuria II, Nr. 66. Nach dem Orig.

48. Esaias van Hulsen, Aigentliche, wahrhafte Delineation ..., Stg. 1618, Nr. 67. Nach: Ausst.kat. „Dem Volk zur Schau ...“, Stuttgart 2002, Nr. 15.

49. Flugblatt mit Kf. Friedrich V. von der Pfalz auf dem Glücksrad, 1621 (Detail). Kupferstich, 31 × 26,8 cm. Coburg, K.slgn. der Veste, Inv.nr. XIII,321,56. Foto Mus.

50. Johann Jacob Sandrart nach Entw. von Joachim von Sandrart, F. Bona, 1680. Kupferstich mit Radierung, 31,5 × 21 cm (Detail). [52] T. III, Taf. S. Nach dem Original.

51. Emblem mit dem Motto „Iam scit stare loco“, aus: Josepho Regi Hungariae, spei Germaniae, delicis Austriae ..., Augsb. 1689, S. 5. Foto Bayer. St.bibl. München.

52. Andreas Haid (?), F.-Figur vom F.-Portal des ehem. Stadtschlosses in Potsdam, um 1701. Kupfer, vergoldet, H. ca. 200 cm. Foto Stiftung Preuß. Schlösser und Gärten, Potsdam (René Charpentier).

53. Kupferstich von Andreas Matthäus Wolfgang in: [38]. Foto Bayer. St.bibl. München.

54. Nachstich einer Gemme in der Slg. Maffei, 1719, bei [44] Bd. I,2, Taf. 198, Nr. 4, bei S. 312. Nach dem Original.

55. Emblem mit dem Motto „Audentes F. juvat“, um 1740. Aus [36]. Kupferstich von Hieronymus Sperling. Foto Abb.slg. RDK.

56. David Herrliberger nach Bernard Picart, F.-Prudentia. Zürich, 1743. Kupferstich, 9,9 × 13,1 cm (Bildrand). Nürnberg, Priv.bes. Foto Verf.

57. Monumenta mnemoneutica ..., hg. von Johann Andreas Pfeffel, Augsb. (4. Ausg.) April 1747. Kupferstich nach Johann Esaias Nilson. Foto Abb.slg. RDK.

58. Johann Christian Ehrlich, F.-Statue mit Füllhorn und Ruder am „Englischen Haus“ in Wörlitz, um 1773. Foto Verf.

59. „F. in varj modi“, 1821. Aquatinta, aquarelliert, 16,1 × 11,2 cm (Plattenrand). [49] Nr. 122. Nach dem Original.

60. Lotterietrommel mit F., Bayern, zw. 1806 und 1835. Lindenholz mit Lüsterfassung, vergoldet, H. 260 cm, B. 146 cm, T. 73 cm. München, Bayer. Nat.mus. Nach: [67] S. 159, Abb. 367.

61. Georg Peter Groß, Schützenscheibe mit F. nach A. Dürer, Schwäbisch Hall, 1829. Schwäbisch Hall, Hällisch-Fränk. Mus. Foto Verf.

62. Edward Burne-Jones, F. rotans, zw. 1875 und 1883. Öl auf Lwd., 199 × 100 cm. Paris, Musée d’Orsay. Nach: Stephen Wildman und John Christian, E. Burne-Jones ..., N.Y. 1998, S. 154, Abb. 52.

63. Adolph Halbreiter nach Entw. von Ferdinand Barth und Lorenz Gedon, F. auf Kugel, München, 1879.

Silber, getrieben und graviert, teilvergoldet (verschollen). Nach: Das dt. K.gewerbe zur Zeit der Weltausst. in Chicago 1893, Mchn. 1893, Taf. 49.

64. Ignatius Taschner, Modell der F.-Figur für das Neue Stadthaus, Berlin, 1911. Nach: Ludwig Hoffmann, Neubauten der Stadt Berlin, Bd. 10, Bln. 1911, S. 8, Abb. 17.

65. Jean Tinguely, Dreifaches Glücksrad im „Giardino dei Tarocchi“ bei Garavicchio, Toskana, 1987-1988. Foto Andrea Teuscher, München.

66. Jörg Immendorff, Ohne Titel, 2000. Öl auf Lwd., 280 × 210 cm. Foto: Jörg Immendorff, Courtesy Gal. Michael Werner, Köln und New York.

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Hinweise gaben: Monika Butzek, Florenz; Albert Dietl, Regensburg; Guy Delmarcel, Leuven; HansJoachim Eberhardt, München; Sigrid Epp, München; Ignaz Fischer-Kerli, Eichenau; Maria José Goulão, Coimbra; Bernhard Graf, München; Walter Haug, Tübingen; Elisabeth Klecker, Wien; Friedrich Kobler, Olching; Federico Rausa, Rom; Ulrich Rehm, Bonn; Bernhard Teuber, München; Harald Wolter-von dem Knesebeck, Kassel.

Verweise