Christus als Apotheker

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englisch: Christ as apothecary; französisch: Christ apothicaire; italienisch: Cristo farmacista.


Wolfgang J. Müller (1953)

RDK III, 636–639


RDK III, 637, Abb. 1. Stuttgart, 1. H. 18. Jh.
RDK III, 637, Abb. 2. Nürnberg, 1731.

C. a. A. ist ein fast ausschließlich im deutschen Sprachbereich vorkommender Darstellungsgegenstand volkstümlicher Erbauungsbilder des 17. und 18. Jh. (meist mittelgroße Ölbilder, seltener Glasmalereien, Wirkteppiche, Reliefs). Er geht letzten Endes auf die biblischen Heilungen Christi und auf Mt. 9, 12 zurück.

Herzuleiten ist die Darstellung weniger aus der m.a. Andachtsliteratur, wo sich indessen das Bild der Apotheke vereinzelt in der Mariensymbolik findet (z. B. in einer anonymen deutschen Übersetzung der Marienhymne Adams von St. Viktor). Eher ist die Darstellung C. a. A. abzuleiten aus der Allegorik und Emblematik des späten 16. Jh. (z. B. Goltzius, Allegorische Darstellung des Lebens Christi, 1578; Hirschmann, Verz. d. graph. Werks von H. G., Nr. 56–61), die Christus als Arzt darstellt. Gleichzeitige alchemistisch-naturwissenschaftliche Forschungen dringen über die Rosenkreuzerschriften (1614–1616) in die theologische Spekulation beider Konfessionen ein, wobei sich die Darstellung C. a. A. von der Darstellung Christi als Arzt absondert (s. Bild in Plötzin/Mark Brandenburg: C. a. A. mit Unterschrift Christus coelestis medicus). Der genaue Ursprung der Darstellung im theologischen Schrifttum der beiden Konfessionen ist noch nicht mit Bestimmtheit festgestellt (Johann Valentin Andreae 1586–1654, Johann Arndt 1555–1621, Jakob Böhme 1575–1624).

Die Darstellung C. a. A. tritt in zwei Typen auf:

I. Christus steht als Halbfigur vor neutralem Bildhintergrund hinter dem meist bildparallel in Aufsicht wiedergegebenen Rezepturtisch, mit den dort aufgestellten Apothekergeräten beschäftigt (verschiedenartige Gefäße, Rührlöffel, Destillierapparate, Gewichte; Waage als Anspielung auf die Seelenwaage). Beschriftung der Behältnisse (z. B. genad, lieb, gedult, bestendigkeit, hoffnung, trost), Bibel („Seelenarzneibuch“), manchmal auch Kelch und Hostie, Dornenkrone, Kreuzesfahne und Blumen (z. B. die in der Karwoche erblühende Kreuzwurzel, Stiefmütterchen als Allegorie der Beständigkeit) charakterisieren die Darstellung als geistliche Allegorie (Abb. 1). Dieser Typus verbindet sich E. 18. Jh. bisweilen mit der Herz-Jesu-Darstellung (Salzburg, Hist. Mus.).

II. Christus, als Hauptfigur der Innenraumdarstellung einer Apotheke, versorgt die in der Art des Armen Lazarus dargestellte reuige Menschenseele, wobei ihm Engel oder auch andere Nebenfiguren zur Hand gehen.

Der symbolisch-repräsentative Typus I dürfte die ältere Darstellungsart bezeichnen; sie entwickelt sich seit etwa 1600 und wird im wesentlichen während des 17. Jh. gebraucht. Gegen E. 17. Jh. werden Hintergrund und Raum mit zunehmender Naturtreue gegeben, wodurch der realistisch-szenarische Typus II vorbereitet wird, der im wesentlichen das 18. Jh. beherrscht. Beide Typen werden mit Bibelzitaten ausführlich beschriftet (meist Mt. 11, 28; Ps. 50, 15; Jes. 55, 1 u. a.), wobei konfessionelle Bindung lediglich durch den verschiedenen Wortlaut der deutschen Übersetzung ersichtlich ist. Die einzelnen, selten datierten Darstellungen lassen sich wie die beiden Typen zeitlich nicht genau festlegen, da es sich ausschließlich um Werke der anonymen Volkskunst handelt, die sich in keinem Falle mit einer Künstlerpersönlichkeit in Verbindung bringen lassen.

Auch landschaftlich lassen sich beide Typen nicht sicher eingrenzen: besonders zahlreich tritt die Darstellung C. a. A. im Salzburgischen und im angrenzenden Oberbayern auf; Einzelbeispiele dringen vor bis nach Niederbayern, Mähren und Tirol. Übertragung des Typus I möglicherweise durch Salzburgische Protestanten in die Mark Brandenburg, nach Thüringen und Sachsen. – Ein zweiter Bereich für die Verbreitung der Darstellung C. a. A. liegt im württembergisch-badischen Raum, aus dem sich Einzelbeispiele in der Schweiz herleiten. Ein vereinzeltes Bild in Westfalen (Schloßkapelle Wittgenstein b. Laasphe) ist die freie Kopie eines Gemäldes im G. N. M. (Abb. 2).

Zu den Abbildungen

1. Stuttgart, Rathaus, früher im Kloster der Hospitalkirche. Christus als Apotheker, Ölbild auf Holz. 1. H. 18. Jh. Phot. Landesbildstelle Württemberg 40 118.

2. Nürnberg, G.N.M. Christus als Apotheker, Ölbild auf Leinwand. Datiert 1731. Phot. G.N.M. 2990.

Literatur

1. Anton Nägele, Eine geistliche Apotheke in Wort und Bild. Archiv f. christl. Kunst 26, 1908, 69ff.; 27, 1909, 9ff. – 2. Ders., Christus als Apotheker. Anz. f. schweiz. Alt. Kde. N.F. 27, 1925, 95–109. – 3. M. Brzygowski, Jésus-Christ représenté comme apothicaire. Revue de l’art chrétien 50, 1907, 184ff. – 4. Georg Stuhlfauth, Christus als Arzneimann. Denkmalpflege und Heimatschutz 25, 1923, 88–91.– 5. Ders., Neuschöpfungen christlicher Sinnbilder. „Brauch und Sinnbild“, Festschrift Eugen Fehrle, Karlsruhe 1940, S. 245. – 6. Künstle I S. 395. – 7. Carlo Pedrazzini, Gesù Cristo farmacista, in: La farmazia storica ed artistica italiana, Mailand 1934, S. 233ff. – 8. B. Knipping, De iconografie van de contra-reformatie in de Nederlanden, Hilversum 1939, I S. 82f. – 9. Fritz Ferchl, Christus als Apotheker. Süddt. Apothekerzeitung 89, 1949, 209–16. – 10. Ders., Christus als Apotheker. Festschrift z. 75. Geb. v. Ernst Urban, Stuttgart 1949, 61–71. (Bei [9] und [10] weitere Lit. und Abb. der meisten Darstellungen.)

Verweise