Eule
englisch: Owl; französisch: Hibou, chouette; italienisch: Civetta.
Heinrich Schwarz und Volker Plagemann (1970)
RDK VI, 267–322
I.
A. Eigenschaften und Eigenheiten
Die moderne Zoologie kennt mehr als 200 E.-Arten und faßt sie zu der Unterordnung E., Nachtraubvögel, Striges, zusammen. Die Unterordnung enthält eine Familie (Strigidae) mit drei Unterfamilien, den Schleier-E. (Striginae), den Käuzen (Syrniinae) und den durch ohrenähnliche Federbüschel ausgezeichneten Ohren-E. (Buboninae), zu denen die größte E., der Uhu, gehört (Brehms Tierleben, 3. Neudruck der 4. Aufl., hrsg. von Otto zur Strassen, Lpz. 1922, Bd. 8 [= Vögel Bd. 3], S. 194–249; für historische naturwissenschaftliche Abbildungen der E. vgl. Claus Nissen, Die ill. Vogelbücher, Stg. 1953).
Gemeinsame äußere Kennzeichen sind: verhältnismäßig kleiner Körper mit lockerem Gefieder, großen breiten Schwingen, kurzen befiederten Füßen (mit scharfen Fängen), großem, katzenähnlichem Kopf, der sich fast um 180° drehen kann, großen Augen, deren Pupille sich bei jedem Atemzug verändert, und kurzem, krummem Schnabel.
Die E. jagen nachts in lautlosem Flug und stoßen dabei ihre Schreie aus; bei Tage, wenn ihre Sehkraft stark gemindert ist, ruhen sie. Sie nisten in hohlen Bäumen, Felsspalten und alten Gebäuden. Wenn sie sich am Tage zeigen, werden sie von anderen Vögeln verfolgt; sie dienten deshalb bei der Vogeljagd häufig als Lockvogel.
Gewisse Eigenschaften und Eigenheiten der E. haben mythologische, magische, religiöse, symbolische und allegorische Deutungen ausgelöst, die in der Regel auf alle E.-Arten bezogen werden. Zuweilen wird ein Unterschied zwischen den kleineren E. und dem Uhu gemacht.
B. Namen
Die in der griech. Literatur überlieferten Namen bezeichnen einzelne Arten, werden aber auch für mehrere verwendet (γλαῦξ, βύας, ὦτος, σϰώψ, νυϰτιϰόραξ, αἰγωλιός, ἀσϰάλαϕος onomatopoetisch: τυτώ, ϰιϰϰάβη), ebenso die römischen Namen (bubo, noctua, nycticorax, strix – onomatopoetisch: ulula). Die Vulgata kennt bubo (Lev. 11, 17), noctua (Lev. 11, 16; Deut. 14, 15; Bar. 6, 21), nycticorax (Deut. 14, 17; Ps. 101, 7). Die deutschen Bezeichnungen gehen auf das onomatopoetische uww, uwwon, uwwilon zurück. Sie unterscheiden E., ahd. uwila, mhd. iuwel, iule, mnd. ule, engl. owl, und Uhu, älteste Überlieferung uvo, bei Hans Sachs Auff, davon Auffvogel, Stockauff; dazu kommt das erst im Spät-MA nachweisbare Kauz (vgl. Grimm, Bd. 3 Sp. 1193ff., Bd. 5 Sp. 366ff.; Kluge-Mitzka [196319] S. 177, 360). Eine Reihe von volkstümlichen deutschen Bezeichnungen weist auf Interpretationen hin: Totenvogel, Leichenhuhn, Sterbevogel (Hugo Suolahti, Die dt. Vogelnamen, Straßburg 1909, S. 322f.).
II. Quellen
A. Heidnische Antike
Die griech. und röm. Antike hat durch bildliche Darstellungen, jedoch noch mehr durch literarische und volkstümliche Überlieferung auf die Vorstellungen von der E. in der Nachantike eingewirkt.
1 a. Die E. war das Tier der Athena und wurde in der Umgebung ihrer Heiligtümer gehalten.
Die Athena Parthenos des Phidias hatte eine E. als Attribut (Jos. Fink, Mitt. des Dt. Arch. Inst., Athenische Abt. 71, 1956, 90–97; Goffredo Bendinelli, Riv. di filologia e d’istruzione classica, N.Ser. 37, 1959, 40–66; s. a. Reinhard Herbig, Mitt. des Dt. Arch. Inst., Röm. Abt. 66, 1959, 138–43); auf einer Kylix des Töpfers Euphronios aus Caere im Louvre (Ende 6. Jh.) hält Athena eine E. in der Hand (Ad. Furtwängler und K. Reichhold, Griech. Vasenmal., Textbd. 1, Mchn. 1900, S. 27–30, Tafelbd. Taf. 5), auf panathenäischen Preisamphoren erscheint die E. als Schildzeichen der Athena (G. von Brauchitsch, Panathenäische Amphoren, Lpz. und Bln. 1910, S. 116).
Bei den Römern ging sie als Attribut und Symbol auf Minerva über.
b. Die Stadt Athen übernahm die E. als Wahrzeichen.
Seit dem 6. Jh. v. Chr. erscheint die E. auf athenischen Gold-, Silber- und später auch Kupfermünzen, den sog. γλαῦκές [15, Sp. 1071].
c. Als Attribut der Athena-Minerva wurde die E. bei Griechen und Römern zum Sinnbild der Klugheit (vgl. z. B. Fabulae Aesopicae, ed. Carl Halm, Lpz. 1852, Nr. 105).
Die E. trat in der griech. Vasenmal. und Töpferei häufiger auf, ohne daß die Bedeutung des Motivs nachweisbar wäre.
So finden sich Darstellungen auf Gefäßen (Franklin P. Johnson, Americ. Journ. of Arch. 59, 1955, 119–124) oder Gefäße in E.-Gestalt (vgl. Karl-August Wirth, Anz. Germ. Nat.Mus. 1968, S. 42 und 52 Anm. 3).
2 a. Die Sage des einen vorgriech. Namen tragenden Unterweltsdämons Ascalaphus, der zur Strafe für den Verrat an Proserpina in eine E. verwandelt wurde, mag auf einen vorgriech. Dämon in E.-Gestalt, den alten Totenvogel, zurückgehen, der, vom jüngeren griech. Unterweltsglauben verdrängt, im Aberglauben weiterlebte [16, Sp. 891].
b. Auch in anderen, z. T. älteren Kulturen wurde die E. mit Tod und Unterwelt verbunden. In Alt-Babylon erscheint die E. als Begleiterin der babylonischen Lilith (Burney Tonrelief, ca. 600 v. Chr.: Henri Frankfort, Archiv für Orientforschg. 12, 1937–39, 315; derselbe, The Art and Archit. of the Ancient Orient [= The Pelican Hist. of Art 7], Harmondsworth/Middlesex 1954, S. 56). In China haben zeremonielle, dem Ahnenkult gewidmete Weingefäße (Tsun und Yu) aus der Shang-Dynastie (1766–1122 v. Chr.) und Chou-Dynastie (1122 bis 255 v. Chr.) die Form von E. oder sind mit E.-Motiven geschmückt (Kat. Slg. George Eumorfopoulos, Bd. 1, London 1929, Taf. 11, 16f.).
c. Im griech. Prodigienwesen erschien die E. selten (K. Steinhauser, Der Prodigienglaube und das Prodigienwesen der Griechen, Diss. Tübingen 1911), im Aberglauben und seinen Widerspiegelungen in der Literatur dagegen spielte sie stets eine Rolle. Die Begegnung mit einer E. kündigte bei den Griechen Unheil an, ihr Erscheinen im Traum war ein ungünstiges Vorzeichen [16, Sp. 892]. Bei den Römern trat ihre unheilverkündende Bedeutung im Prodigienwesen, in den in der Literatur zahlreich überlieferten abergläubischen Vorstellungen und im Zauber noch stärker hervor ([15] Sp. 1064–71; [16] Sp. 892–94). Amulette mit E.-Darstellungen sollten vor dem bösen Blick schützen [16, Sp. 894].
d. Besonders wichtig für das MA sind Vergil, Georgica I, 467–71; Aeneis IV, 461–65, XII, 862–64, 875–77; Ovid, Metamorphosen V, 549f.; Lucan, Pharsalia VI, 689; Plinius, Nat. hist. X, 34f., 38f. (Ausg. Carl Mayhoff, Bd. 2, Lpz. 1875, S. 167f.).
e. Die im 4. Jh. n. Chr. verfaßte, ins Griech. übersetzte koptische Schrift des Horapollon von Nilopolis über Hieroglyphen gab u. a. an, die E. sei das Zeichen für Tod: „Nycticorax mortem significat: quemadmodum enim hic de repente pullos noctu, sic et mors homines necopinato invadit atque opprimit“ (Ori Apollinis Niliaci de sacris notis et sculpturis libri duo, 2. Ausg. Paris [Jacobus Kerver] 1551, S. 122; vgl. auch S. 148).
B. Christentum
Die antike Überlieferung wurde zum Teil von den christlichen Quellen überlagert.
1. A.T.
Die E. im A.T. Luther gebraucht das Bild von der in Ruinen nistenden E. (Jes. 13, 21) und sagt von blühenden Städten, daß einst in ihren Trümmern E. wohnen werden (Jes. 34, 11). Der klagende Psalmist vergleicht sich in Ps. 102 (101), 7 mit dem Käuzchen in den Ruinen. –
Nach den Speisevorschriften des A.T. waren E.-Vögel unrein und durften nicht gegessen werden (3. Mos. 11, 16f.; 5. Mos. 14, 15f.; dazu ausführlich [16], Sp. 894–96).
2. Kirchenväter
Bei den Kirchenvätern erscheint die E. in der Erklärung der Weltschöpfung. Basilius erwähnt sie in seinen Predigten zum Sechstagewerk, ihm folgen Ambrosius und Eustathius [16, Sp. 897f.]. In Predigten der Kirchenväter werden einige Eigenschaften und Eigenarten der E. genannt: Tagblindheit, Lichtscheu, Fähigkeit im Dunkeln zu sehen, Gesang bei Nacht mit häßlicher Stimme, Großäugigkeit, dünne Beine, großer Kopf, einsame Lebensweise in der Einöde, Vorliebe für Dachfirste und Ruinen (ebd.).
Für die theologische Bewertung der E. durch die Väter war ihre Stellung in der heidnisch-antiken Religion und das Speiseverbot des A.T. von Bedeutung (vgl. [16], Sp. 897f.).
Gregor von Nazianz freut sich in einer Fabel über die Niederlage des Vogels der Athena (Carm. 1, 2, 28, 235/46: Migne, P. G. Bd. 37, Sp. 873f.). Hieronymus bezeichnet ihn als Götzensymbol (Comm. in Joel 3: Migne, P. L. Bd. 25, Sp. 980; vgl. auch Hieronymus Epist. 40, 2, 2, und 22, 27, 8: Corp. Script. Eccl. Lat. Bd. 54, S. 310 und 184). Prudentius erwähnt die E. in einem Angriff auf das heidnische Prodigienwesen (Contra Symm. 2, 574–76: ebd. Bd. 61, S. 268). Basilius, Ambrosius und Eustathius vergleichen sie mit den heidnischen Gelehrten, die sich um unnütze Kenntnisse bemühen und blind für die wahren Erkenntnisse sind (Basilius, Hexaemeron 8, 7: Migne, P. G. Bd. 29, Sp. 181; Ambrosius, Exameron 5, 24, 84, 86: Corp. Script. Eccl. Lat. Bd. 32 a, S. 199f.; Eustathius, Hexaemeron 8, 7: Migne, P. L. Bd. 53, Sp. 953). Ähnlich steht die E. für die, die sich ihrer Bibelkenntnisse rühmen, ohne die Kraft zu christlicher Lebensweise zu haben (Hesychius, In Lev. 11, 13–19: Migne, P. G. Bd. 93, Sp. 910). In der Auslegung des Speiseverbots gilt sie als Symbol der Vanitas (Isidor, Quaestiones in Vet. Test., in Lev. 9, 9: Migne, P. L. Bd. 83, Sp. 326).
3. Physiologus
a. Christussymbol. Die erste griech. Fassung des Physiologus (1. H. 2. Jh.: Sbordone S. XII; dagegen Wellmann S. 10f.: 4. Jh.) zitiert im Kapitel νυϰτιϰόραξ den Vergleich im Ps. 102 (101), 7 und das Speiseverbot des A.T. Die E. erscheint dort als Christussymbol (Sbordone S. 19f.)
Auch in der ältesten lat. Übersetzung, Versio Y (entstanden im 4. oder 5. Jh.: Francis J. Carmody, Physiologus Latinus, Versio Y, Berkeley und Los Angeles 1941, S. 98), wird die E. mit Christus verglichen.
In dieser in S-Deutschland seit karolingischer Zeit in Hss. belegten Version ist der griech. Urtext nahezu wortgetreu übersetzt: „Nicticorax tenebras amat magis quam lucem; ... Dominus autem noster Ihesus Christus amauit qui in tenebris et umbra mortis erant, populum gentium et populum Iudeorum, qui tunc filiorum adoptionem et patrum promissionem habuerunt...“ (Carmody a.a.O. S. 107).
Auf eine griechische Handschrift der ersten Version geht der lat. Text der ersten erhaltenen illum. Physiologus-Hs., Bern, Burgerbibl., cod. 318, 2. Dr. 9. Jh. zurück; sie enthält die erste bildliche Darstellung der E. in diesem Zusammenhang (Physiologus Bernensis, hrsg. von Christ. von Steiger und Otto Homburger, Basel 1964, Text S. 64f.; Abb. 1).
b. Judensymbol. Spätestens im 9. Jh. lag eine zweite lat. Fassung vor, Version AB (entstanden vor 386 – nach Francis J. Carmody, Physiologus Latinus, Versio B, Paris 1939, S. 67f.); sie ist eine Erweiterung der ersten griech. Fassung. Die E. wurde darin zum Judensymbol.
Im Kapitel über die E. heißt es: „... Nycticorax immunda auis est et tenebras amat magis quam lucem. Hic figuram gerit populi Iudaeorum, qui adueniente domino et saluatore nostro ad saluandos eos repulerunt eum a se, dicentes: Nos regem non habemus nisi Caesarem: hunc autem quis sit, nescimus. Ideo plus dilexerunt tenebras quam lucem: tunc dominus conuertit se ad nos gentes, et illuminauit nos: Sedentes in tenebris et in regione nostrae mortis; ...“ (Carmody a.a.O. [1939], S. 18f.).
Im hohen MA wurden die Hss. mit der zweiten Version häufiger, und schließlich verdrängte die Deutung der E. als Judensymbol ihre Deutung als Christussymbol.
Die aus der Fassung AB etwa um 1000 (Herm. Menhardt, Der Millstätter Physiologus und seine Verwandten [= Kärntner Museumsschriften XIV], Klagenfurt 1956, S. 8–18) abgeleiteten, in zwei Hss.-Gruppen über den Süden des Reiches verbreiteten sog. „Dicta Chrysostomi de natura bestiarum“ berichten über die E.: „Nocticorax immunda auis est et magis tenebras amat quam lucem. Ergo conuenienter significat iudeos qui adueniente Domino Ihesu Christo a se repulerunt presentiam eius dicentes Non habemus regem nisi cesarem hunc autem nescimus quis sit. Ideoque plus dilexere tenebras quam lucem ...“ (Frdr. Wilhelm, Denkmäler deutscher Prosa [= Münchner Texte, Heft 8 B], Mchn. 1916, S. 39).
Eine Hs. der „Dicta Chrysostomi“ war wohl die Vorlage für die frühmhd. Physiologus-Version, in der es über die E. heißt: „... Der Nahtram bezeichinet den iuden wante er ist unreine uogil. er minnet die finstere mere, denne daz lieht. uondiu bezeichinet er die iuden. Do christ geborn wart do triben in die iuden uonin. und sprachen. wir newizzen wer dirre ist. dar ane minnoten si die finstere mere. denne daz lieht ...“ (Wilhelm a.a.O. S. 25; Handschriften: Wien, Österr. Nat. Bibl., cod. 223, 11. Jh., aus Hirsau; eine verschollene, im Auftrag Heinrichs des Löwen entstandene, gereimte und bebilderte Fassung Der Name des Attributs „[Person“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann. a.a.O. S. 32–35]; der sog. Millstätter Physiologus, Klagenfurt, Landesarchiv 6/19, 12. Jh., gereimt und bebildert; Wien, Österr. Nat.Bibl., cod. 2721, 12. Jh., ungereimt, mit Aussparungen für Bilder; München, Bayer. Staatsbibl., cod. lat. 17 195, fol. 436v, Fragment des 12. Jh. aus Schäftlarn [nach Menhardt a.a.O.]). Auch im späteren MA waren deutschsprachige Physiologus-Hss. verbreitet (Wolfgang Stammler, Spätlese des MA [= Texte des späten MA und der frühen Neuzeit, Heft 19], Bln. 1965, S. 102–105).
Neben den Physiologus-Hss. in lat. und dt. Sprache waren eingeführte griech. illum. Codices aus mittelbyzantinischer Zeit im Abendland bekannt (s. Menhardt a.a.O. S. 35–37).
In England existiert die lat. Fassung AB in zahlreichen Hss. Bereits im Jahre 1121 entstand nach ihr die von König Heinrich I. in Auftrag gegebene engl. Fassung von Philippe de Thaon (London, Brit.Mus., Ms. Cotton Nero A. V, 12. Jh., Platz für Bilder ausgespart), von der die engl. Bestiarien abstammen, in denen oft die theologisch-symbolische Auslegung fehlt. Im 12. und 13. Jh. waren sie die am meisten verbreiteten Bilderhss. (Montague Rhodes James, The Bestiary, Oxford 1928). Ihre Kenntnis, ebenso wie die der ill. franz. Bestiarien, kann auch in Deutschland vorausgesetzt werden (Rob. Reinsch, Le Bestiaire, Das Thierbuch des normannischen Dichters Guilleaume le Clerc, Lpz. 1890; Florence Mc Culloch, Mediaeval Latin and French Bestiaries [= University of North Carolina Studies in the Romance Languages and Literatures 33], Chapel Hill 1960). Alle Versionen sahen in der E. ein Judensymbol.
4. Enzyklopädien des MA
Die enzyklopädische Literatur des MA enthält ausführlichere Angaben über E. und Uhu als der Physiologus, z. T. auch andere Interpretationen.
Isidor von Sevilla (Etym. XII, 7, 38ff.) erklärt die Namen noctua und bubo, erwähnt (Plinius folgend) die unheilverkündende Bedeutung des Uhu und beschreibt ihn: „Avis feralis, onusta quidem plumis, sed gravi semper detenta pigritia: in sepulcris die noctuque versatur, et semper commorans in cavernis“ und führt Ovid an: „Foedaque fit volucris venturi nuntia luctus / ignavus bubo dirum mortalibus omen“ (Met. V, 549f., s.o. Sp. 272). Er interpretiert die E. als lichtscheuen Vogel, der die Sonne flieht. Seine Schilderung und das Ovidzitat bilden den Kern zahlreicher späterer ma. Beschreibungen.
Hrabanus Maurus (780–856) folgt im wesentlichen Isidor, moralisiert aber „Noctua homines, veritatis lucem fugientes, tenebris obligatos significat“ und „Bubo tenebris peccatorum deditos et lucem iustitiae fugientes significat“ (De universo VIII: Migne, P. L. Bd. III, Sp. 247).
Hugo von St. Victor (1096–1141) sagt über die E. (nycticorax - noctua), der ersten Version des griech. Physiologus folgend, sie liebe das Dunkel mehr als das Licht und bedeute Christus („Habitat nycticorax in ruinis parietum, quia Christus nasci voluit de populo Judaeorum ... Lucem refugit, quia vanam gloriam detestatur et odit“); im Kapitel über den Uhu folgt er Isidor und Hrabanus, aber moralisiert: „Unde per bubonem intelligere possumus quemlibet peccatorem“ und vergleicht den am Tage von andern verfolgten Vogel mit dem ertappten Sünder: „Ab aliis avibus visus, magnis earum clamoribus proditur, magnis etiam incursionibus vexatur. Si enim peccator ad lucem cognitionis, ubi peccata sua cognoscantur, veniat, magnani bene agentibus derisionem praestat ...“ (De bestiis et aliis rebus I, 34 und 44: Migne, P. L. Bd. 177, Sp. 30, 45).
Alanus ab Insulis (1128–1202) erwähnt die E. als Unglückspropheten (De planctu Naturae, prosa I: „Illic bubo, propheta miseriae, psalmodias funereae lamentationis praecinebat. Illic noctua tantae deformitatis sterquilinio sordescebat, ut in ejus formatione Naturam crederes fuisse somnolentam“: Thomas Wright, The Anglo-Latin Satirical Poets and Epigrammatists, Bd. 2 [= Rerum britannicarum medii aevi scriptores], London 1872 [Neudruck 1964], S. 438).
Bartholomaeus Anglicus (gegen Ende 12. Jh.) gab die bekannten Nachrichten ohne Interpretation wieder und fügte u. a. hinzu, die Dohle bekämpfe am Tage den Uhu und raube seine Eier, während er des Nachts die ihren stehle (diese Nachricht stammt aus Aristoteles, De historia animalium IX, I); der Uhu besuche nachts die Kirchen und trinke das Lampenöl (De rerum proprietatibus XII, 5: Ffm. 1601 [Neudruck Ffm. 1964], S. 524). – Vincenz von Beauvais († 1264) stellte die meisten bekannten Nachrichten zusammen und führte Gebrauchsanweisungen zur Verwendung von Körperteilen der E. für volksmedizinische Zwecke an (Speculum naturale XVI, 42: Douai 1624 [Neudruck Graz 1964], Sp. 1182). – Petrus Berchorius († 1362) verwandte die überlieferten Nachrichten als Exempla für vielfach variierte moralisierende Auslegungen (Reductorium morale VII, 15, 53: Opera omnia, Köln 1631–41, Bd. 2, S. 470f., 500f.).
Im späten MA stand ein reiches Material zum Thema E., meistens zweifach unter nycticorax oder noctua und unter bubo behandelt, zur Verfügung, das eine Vielfalt von Möglichkeiten zuließ, den Vogel als Sinnbild zu verwenden. Dazu kam eine Reihe von spätma. Schriften, u. a. das Buch der Natur des Konrad von Megenberg, um 1349 (III b, 12 und 53: ed. Franz Pfeiffer, Stg. 1861), der nach 1350 entstandene Dialogus creaturarum (Gouda Der Name des Attributs „[Person“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann. Leew] 1480, dial. 82) und der Hortus Sanitatis, Mainz (Jacob Meydenbach) 1491 („Bubo“, mit Zitaten aus Plinius, Avicenna, Physiologus u. a.: Hain-Copinger 8944; Schramm, Frühdrucke Bd. 15, Abb. 738, 806, 812, 830).
5. Concordantia caritatis
In der um 1350 entstandenen Conc. car., einem Hilfsmittel zu homiletischem Gebrauch für den niedern Klerus (RDK III 833–53), erscheint die E. an drei Stellen, Temp. Nr. 44, 88, 94 (RDK III 839f., 845f., 847f.): die E., die in der Kirche von Taubeneiern und Mäusen lebt, wurde dem achtfachen Wehe über die Pharisäer (Mt. 23, 13–29) gegenübergestellt, die tagblinde E., von anderen Vögeln angegriffen, dem machtlosen Christus vor Pilatus oder dem Christus der Dornenkrönung, der Uhu, der für seine Jungen sorgt, Christus, der Johannes seiner Mutter empfiehlt.
III.-XII. Darstellungen und ihre Voraussetzungen
III. Athene-Minerva
1. Attribut der Göttin
Die Überlieferung des einen großen antiken Bedeutungskomplexes, der Verbindung der E. mit Athena-Minerva, war im MA fast gänzlich unterbrochen (nur in Italien scheint die E. in dieser Bedeutung nicht ganz in Vergessenheit geraten zu sein). In Deutschland wurde sie seit dem 4. V. 15. Jh. durch Bücher ital. Autoren mit Holzschnittill. bekannt, in denen sie Athena-Minerva begleitet: Boccaccio, De mulieribus claris, Ulm 1473 (Schramm, Frühdrucke Bd. 5, Abb. 21), und De praeclaris mulieribus, Augsburg 1479 (ebd. Bd. 4, Abb. 404). Auf einem Holzschnitt „Pallas und Arachne“ zu Georg Wickram, Ovid, Mainz 1551, Bl. 7, steht die E. neben Pallas in der Gestalt einer alten Frau (Egon Verheyen, Zs. f. Kw. 20, 1966, 85–96, bes. S. 87, Abb. 3). Bei Gabriele Faerno, Fabulae centum ex antiquis auctoribus delectae, Rom 1565, ist auf Taf. 2 Minerva auf einer E. wiedergegeben. Mehrfach erscheint die E. in Verbindung mit Athena-Minerva bei Vicenzo Cartari ([2] S. 185, 193, 326, jeweils mit Abb.). Auf dem Titelblatt von J. Sambucus, Icones Veterum ..., Antwerpen 1574, ist die E. das Wappentier der Athena (Aukt.Kat. Karl und Faber, Mchn., 9.–10.5.1967, Nr. 556 mit Abb.). In der 1600 in Lyon erschienenen Ausgabe von Andreas Alciatis Emblemata heißt es unter dem Stichwort „Prudens magis quam loquax“ ([5] S. 95, Emblema XIX, Abb. 20): „Noctua Cecropiis insignia praestat Athenis, / inter aues sani noctua consilij, / armiferae meritò obsequiis sacrata Mineruae, / garrula quo cornix cesserat antè loco“ (vgl. dazu Ovid, Met. II, 562–65; das Epigramm auch in früheren und späteren Ausgaben des Werkes: Venedig 1546, Lyon 1566, Paris 1602, Padua 1661). Die E. war fortan als Begleiterin der Athena-Minerva wieder allgemein bekannt.
So findet man sie auf einem Kupferstich des Jan Saenredam nach Hendrick Goltzius (B. Bd. 3, Nr. 56; Hollstein, Dutch Fl. Engr. Bd. 8, S. 135 Nr. 341), bei einer Brunnenfigur der Minerva Tritonia, 1660, von Artus Quellinus d. Ä. auf dem Springenberg in Kleve (Helga von Heintze und Hellmut Hager, Athene-Minerva, Jb. d. Max-Planck-Ges. 1961, Teil 1, Abb. 39) und im „Pantheum Mythicum“ des François Pomey (Ausg. Utrecht 1697, Abb. S. 78). In der Umrahmung des Titelkupfers zu Phil. Jacob Crophius, Judicium Paridis (Augsburg 1745) stellt der Stecher Hieronymus Sperling den Pfau, die E. und den Schwan, die Tiere der am Wettstreit beteiligten Göttinnen, einzeln dar (Maria Lanckorońska und Rich. Oehler, Die Buchill. des 18. Jh. in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 1. Teil, o. O. 1932, Abb. 5). Die E. erscheint auch auf einem Bozzetto des Ferd. Dietz „Athena als Beschützerin der Künste“, um 1765, und seiner Gartenplastik des gleichen Themas in Veitshöchheim, 1765–68 (RDK II 1089–1090, Abb. 6 und 7), sowie in einer Meißener Porzellangruppe des Parisurteils von Michel Victor Acier (Abb. 34) als Attribut der Minerva, ebenso auf Berthel Thorvaldsens Marmorrelief „Minerva entscheidet den Streit zwischen Ajas und Odysseus“ im Cortile des Pal. Giraud-Torlonia in Rom, um 1831 (von Heintze und Hager a.a.O. Abb. 45), und auf einem Mosaik am Unterbau des 1896–99 von Max Heilmaier, Heinrich Düll und Gg. Pezold errichteten Friedensdenkmals am Ende der Münchner Prinzregentenstraße: „Athena als Beschützerin der Künste und Wissenschaften“.
2. Athen
Mindestens seit dem späten 15. Jh., vor allem auf Darstellungen des 17., 18. und 19. Jh., wurde die E. wieder mit der Stadt Athen in Verbindung gebracht.
Eine um 1500 entstandene südital. Miniatur in einer Hs. der Nikomachischen Ethik des Aristoteles zeigt eine Stadtansicht von Athen: auf dem als Kuppelbau dargestellten Parthenon steht die Figur der Athena, auf den Türmen des Mauerringes und auf den Mauern sitzen E. (Abb. 12). Auf einem Kupferstich von Jean Charles Delafosse sieht man u. a. eine Tafel mit einer E. an einem Grabmal; dabei steht die Unterschrift „Athenes et Macédoine“ (Nouvelle Iconologie historique ou attributs hiéroglyphiques, Paris 17712, N: Tombeaux, Nr. 19). Jacques-Louis David stellte in seinem Gemälde „Tod des Sokrates“, 1786–87, ein E.-Relief mit der Beischrift „ΑΘΗΝΑΙΩΝ“ an der Steinbank dar, auf der Kriton sitzt (New York, Metrop. Mus., Inv.Nr. 31.45: Cat. of French Paintings, 15–18 C., New York 1955, S. 192–96). In der 1830 voll. Innendekoration der Münchner Glyptothek war die E. im Apollosaal als „Wappen“ Athens (vgl. Ikon und Text bei Alciati: Abb. 20 und Sp. 279) angebracht (Leo von Klenze und Ludw. Schorn, Beschreibung der Glyptothek, Mchn. 1833, S. 69; Volker Plagemann, Das dt. Kunstmuseum 1790–1870, Mchn. 1967, Abb. 46).
3. Weisheit
Zu Beginn der Neuzeit wurde auch die Verbindung von E. und Weisheit wiederhergestellt.
Pierio Valeriano sagt 1579 von der E., sie sei das Zeichen für Sapientia, aber auch für das „Vanae sapientiae Studium“ ([3] Bl. 146v; so schon die Kirchenväter, vgl. Sp. 273). Alciatis Emblem „Prudens magis quam loquax“ und dessen Erklärung verbreitete die Kenntnis der E. als Vogel der Weisheit und des klugen Rats (s. o.). Ripa läßt eine E. auf der linken Hand einer Personifikation des „consiglio“ sitzen ([4] S. 85; Ausg. Rom 1593, S. 48; Paris 1643, Teil 1 Nr. 30, mit Abb.). Gabriel Rollenhagen zeigt eine auf einem Buch sitzende E. mit dem Lemma „Studio et Vigilantia“ und dem Epigramm „Qui vigili studio sapientem (!) scripta volutat, / hic dici doctus, cur mereatur, habet“ (Abb. 23). Joachim von Sandrart gab 1680 im Anhang seiner Iconologia an: „Die E. bedeutet Weisheit / dieweil sie der Minerva / als des Raths und der Weisheit Göttinn / Vogel ist“ ([7] Anhang S. 207). In der Ripa-Ausgabe von Orlandi, 1764–67, wurde „consiglio“ als alter Mann mit geschlossenem Buch in der Hand, auf dem eine E. sitzt, beschrieben [10, Bd. 2, S. 31]. Die Schrift „Iconologie oder Ideen aus dem Gebiete der Leidenschaften ...“ führt im Jahre 1798 die E. unter „der Rath“ für durchdringenden Verstand an [12, Nr. 28].
4. Gelehrsamkeit, Künste
Im 16., besonders aber im 17. Jh. erschien die E. in Druckermarken, Titeln und Illustrationen von Büchern aller Art und wurde in zunehmendem Maße ein Zeichen der Gelehrsamkeit.
Man findet sie mit dieser Bedeutung als Signet bei Ludovico Castelvetro, Le Rime del Petrarca, Basel (Pietro de Sedabonis) um 1560; bei dem Genfer Drucker Jacques Chouet, verbunden mit der Devise „In nocte consilium“ (Tervarent Sp. 97); bei Michael Drayton, The Ovvle, London 1604, und Erasmus von Rotterdam, Adagia, Amsterdam 1663.
Im 18. Jh. wurde die E. auf Bildnissen von Gelehrten und Antikensammlern wiedergegeben.
Auf einer 1725 von Pier Leone Ghezzi dargestellten Versammlung von römischen Antiquaren um den Sammler Baron Philipp von Stosch sitzt eine E. auf dessen Stuhllehne (Wien; Albertina-Kat. Bd. 3, Wien 1932, Nr. 892 mit Abb.; für die Erklärung der Darstellung s. Leslie Lewis, Connoisseurs and Secret Agents in Rome, London 1961, S. 78 und Taf. 4). Auf einem Kupferstich des Heinr. Frdr. Thomas Schmidt hält eine Agraffe in Form einer E. das antikisierende Gewand desselben Sammlers auf der rechten Schulter. Auf einem Porträt des James Boswell, 1765 von George Willison, sitzt eine E., die auf die Weisheit, aber auch auf die galanten nächtlichen Unternehmungen Boswells anspielt, über dem Porträtierten im Baum (Edinburgh, Scott. Nat. Portrait Gall.: Basil Skinner, Scots in Italy in the 18th C., Edinburgh 1966, Taf. 1, S. 12).
Seit dem 19. Jh. ist die E. Signet zahlreicher gelehrter Gesellschaften – die Zs. f. Kw. führt eine E. im Titelblatt –, Lehranstalten, wissenschaftlicher Verlage und kommt häufig auf Exlibris, Sammlermarken (Lugt Nr. 997f. Der Name des Attributs „[Person“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.], 1816 a, 2700, 2812–16) und Petschaften vor. Auch in der Ikonographie des Museums spielt sie eine Rolle.
Das Akroterium der Münchner Glyptothek (1815 bis 1830) wird aus einer Leier mit einer E. darin gebildet und steht über der Athena als Schutzherrin der Künste (Plagemann a.a.O. Abb. 44); E. erschienen im Portal des Leipziger Museums (1856–58, zerstört: ebd. Abb. 216); E. sind auch im Fries des 1842–85 veränderten Mus. Ferdinandeum in Innsbruck; das Zeichen des 1903 gegründeten Dt. Mus. in München besteht aus einem halben Rad und einer flügelbreitenden E. darüber.
Bis heute ist die E. als Symbol der Gelehrsamkeit und Weisheit geläufig und wird als solches vielfach in der Werbegraphik verwendet.
5. Heilkunde
Die E. findet sich in der Dekoration italienischer Arzneivasen (albarelli) und Majolikateller des 15. und frühen 16. Jh. Sie ist hier wohl nicht nur das bedeutungslose Motiv, als das sie im Kunstgewerbe häufig vorkommt, sondern der Vogel der Weisheit und auch das Tier des Asklepios (nach Gertrude Jobes, Dictionary of Mythology, Folklore and Symbols, New York 1962, Bd. 2 S. 1222, war sie dem Asklepios heilig). Im 17. Jh. erscheint eine E. im Frontispiz von Johannes Riolanus, Encheiridium Anatomicum, Leiden 1649, mit gleicher Bedeutung (Jan Schouten, The Rod and Serpent of Asklepios, Amsterdam 1967, S. 143). Eine bemalte Terrakotta des 18. Jh. aus der PisanelloApotheke in Venedig zeigt E. und Hund als Begleiter des Asklepios (ebd. S. 201, Abb. S. 202). Wie weit die Verbindung der E. mit Asklepios-Äskulap, Heilkunde und Apotheke durch den Zusammenhang des Vogels mit Zauberei, Hexen- und Alchimistenküchen (s. u. Sp. 291f.) angeregt sein kann, ist ungewiß.
IV. Die E. als Unheilverkünderin, Unglücks- und Todesvogel
a. Literarische Kenntnis von der E. als Vogel des Unheils und des Todes gab die Antike an spätere Zeiten weiter. Plinius’ Angaben über die Deutung der Erscheinung von E. als böses, todverkündendes Vorzeichen waren dem MA bekannt, Ovids „Ignavus bubo dirum mortalibus omen“ blieb die ganze Zeit hindurch unvergessen. Von Horapollos „Nycticorax mortem significat ...“ wußte man mindestens wieder seit dem 16. Jh.; es wurde von Gelehrten, die seine Schrift bearbeiteten und seine Angaben übernahmen, verbreitet (Valeriano). Keine Epoche hatte also die Verbindung von E. und Tod gänzlich aus dem Bewußtsein verloren.
Zwei Schriftsteller des 16. Jh. bemühten sich mit gelehrtem Apparat, die Unschuld der E. zu erweisen: sie bringe nicht Seuchen und Tod, sondern ihr jammervoller Gesang kündige das Unheil nur an und warne die Menschen (Joh. Aglycion, Declamatiuncula in noctuae laudem, o. Ö. und J., wahrscheinlich Münster i. W. um 1530 [Unikum in der Zentralbibl. Zürich]; Augustinus Marius, Marianus Bubo, Würzburg 1541; vgl. William L. Cannon, Marianus Bubo, The Translation of a 16th C. Book on Owls, M.A. Thesis Dept. of Art, State Univ. of Iowa 1953). „The Owles-Almanacke, Prognosticating many strange accidents“, London 1618 (ed. Don Cameron Allen, Baltimore 1943), setzt ebenfalls die Kenntnis von der Rolle der E. im antiken Prodigienwesen voraus. Schon auf einer franz. Miniatur, der Darstellung eines Streitgespräches, das Virtus und Fortuna vor Ratio führen, sitzt neben dem Rad der Fortuna warnend die E. (Abb. 8). Ein Titelholzschnitt des Augustin Hirschvogel, Geometria, Nürnberg 1543, zeigt eine E. und die Inschrift „Spero Fortunae Regressum“ (B. Bd. 9, Nr. 135). Eine E. erscheint bei Camerarius unter dem Lemma „Sortem ne despice fati“ Symbolorum et emblematum ... centuria tertia, Ffm. 1654, Nr. 77), als böses Vorzeichen auch auf einer Radierung von Gg. Dan. Schultz d. J. (um 161 5 – um 1683), die die ma. Fabel vom entfiederten Pf au – nach Odo von Cheriton – darstellt (C. G. Boerner, Ddf., Neue Lagerliste 46, Herbst 1967, Taf. 44; vgl. Ben Edwin Perry, Babrius and Phaedrus [The Loeb Classical Libr.], London und Cambridge, Mass. 1965, Appendix Nr. 621). Laur. Wolffgang Woytt zeigt im „Emblematischen Parnassus“ eine E., deren Schreie schwüles Wetter ankündigen (3. Teil, Augsburg 1730, Nr. 358). In der Neuzeit kommt die E. in Frankreich, in Italien und in den Niederlanden bei Würfelspielen (jeux de la chuette) auf dem Unglücksfeld vor (Ilio Negri und Virgilio Vercelloni, I giochi di dadi, Mailand 1958, Taf. B).
Wohl ihrer häßlichen Schreie wegen brachte man die E. in Verbindung mit Saturn; vgl. den „Picatrix“ des Ps.-Mağriti, Dt. Übersetzung von Hellmut Ritter und Martin Plessner (= Warburg Stud., Bd. 27), London 1962, S. 158.
In dieser Verbindung erscheint sie z. B. im Bildnis des Cuspinian von Lucas Cranach (s.u. Sp. 287; Erich Wagner, C. und der Wiener Holzschnitt, Mitt. der Ges. für vervielfält. K. [Beilage der „Graph. Künste“ Jg. 50], 1927, 56–59) und auf dem neuerdings als Darstellung eines Saturn-Kindes – und somit des melancholischen Temperaments – gedeuteten Gem. von Hieron. Bosch (Rotterdam, Mus. Boymans – van Beuningen: Lotte Brand-Philip, The Peddler by H. B., a Study in Detection, Nederl. Kh. Jb. 9, 1958, 1–81; Ausst.Kat. „Jheronimus Bosch“, Herzogenbusch 1967, Nr. 36).
b. Die tötende E. In zahlreichen Darstellungen erscheint die E. als todbringender, einen anderen tötender Vogel.
Auf dem Kupferstich Martin Schongauers „Ornament mit der E.“ hat sie eine Taube in den Fängen (B. Bd. 6, Nr. 108; Berliner Taf. 9). In Hartmann Schedels Weltchronik, Nürnberg 1493, tötet sie einen Vogel am Boden (Bl. 4v: Schramm, Frühdrucke Bd. 17, Abb. 410), auf dem Bildnis des Dr. Joh. Cuspinian, 1502–03 von Lucas Cranach d. Ä., einen im Fluge (Winterthur, Slg. Reinhart: Max J. Friedländer und Jakob Rosenberg, Die Gemälde von L. C, Bln. 1932, S. 28, Abb. 6). Auf dem in der 2. H. 16. Jh. entstandenen Flügel eines Triptychons (?) sitzt unter dem Altar, an dem der Stifter kniet, eine E. auf einer kleinen Kugel mit einem getöteten Vogel im Schnabel; sie ist auf einen Teufel bezogen, der neben dem Stifter erscheint; eine Inschrift lautet: „Sic rapit ut perimat“ (Nivelles, Mus. arch.: Abb. 18). Auf dem Stich des Crispyn de Passe d. Ä., der François Ravaillac, den Mörder Heinrichs IV. von Frankreich, zeigt, sieht man eine E. (Hollstein, Dutch Fl. Engr. Bd. 15, S. 272 Nr. 812). E. mit ihrer Beute in den Fängen kommen auch in der Porzellanplastik vor; vgl. z. B. Carl Albiker, Die Meissner Porzellantiere, Bln. 1935, Abb. 84 und 86: E. mit Maus und Uhu mit Taube, Modelle von Joh. Joach. Kändler, 1731, bzw. von Joh. Friedr. Eberlein, 1735.
c. Die E. auf Todes- und Memento-Mori-Darstellungen. Die Vorstellungen von der E. als todverkündendem und todbringendem Vogel vereinigten sich in Todes- und Memento-Mori-Darstellungen, in denen sie häufig begegnet. Zugleich kann sie dort als Ruinenbewohner und als lichtscheues Geschöpf gekennzeichnet sein.
Ein Florentiner Kupferstich „Liebespaar und Tod“, um 1465–70, stellt eine E. in verfallenem Gemäuer über dem Tod als Skelett mit Bahre dar (London, Brit. Mus.: Hind Bd. 1, S. 70f. Nr. 18, Bd. 2 Taf. 104; Horst Woldemar Janson, Warburg Journ. 3, 1939 bis 1940, 243–48, Taf. 36 a). Die Deckenmalereien in der Kirche St. Margarethen in Ilanz, Kt. Graubünden, zeigt von Tagvögeln umflatterte E. im Zusammenhang mit Gerippen (Inv. Schweiz Bd. 13, S. 56f., Abb. 64 und 66). In einem um 1520 entstandenen Holzschnitt Hans Wechtlins sitzt eine E. auf einem Totenschädel, der auf einem antiken Sarkophag in Ruinen – er soll wohl das Heidentum versinnbildlichen– liegt; die Beischrift lautet: „Ich fyrcht den Tag“ (Abb. 13). Auf dem Epitaph des Generals Detlev von Rumohr († 1678) in der prot. Kirche in Kappeln a. d. Schlei steht eine E. zu Füßen des Toten; sie hat Bezug auf ein Skelett in einer Kartusche darunter (Inv. Schlesw.-Holstein Bd. 8, S. 349, Abb. 162). Eine Sepiazeichnung Caspar David Friedrichs zeigt eine Mondlandschaft mit Ausblick auf das Meer; im Vordergrund sieht man zwischen zwei Disteln die Werkzeuge des Totengräbers, ein offenes Grab, einen Sarg und auf ihm eine große E. (Abb. 39).
d. Ähnliche Bedeutung hatte die E. als Begleiter des Todes und hohen Alters, besonders des Alters von 80 Jahren, in den Darstellungen der Lebensalter (Molsdorf Nr. 1143; Beispiele: Jan van Roome, Winter des Lebens, Tapisserie-Folge der zwölf Lebensalter, um 1520 [New York, Metrop. Mus., Hearst Foundation: Edith A. Standen, The Metrop. Mus. of Art Bull. N. Ser. 12, 1954, 241–48]; Hans Baldung Grien, Lebensalter, um 1540 Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann., Prado: Otto Fischer, H. B. G., Mchn. 19432, Abb. 42]).
e. Ein feststehendes Todes- und Vanitas-Motiv wurde die Darstellung der E. auf dürrem Baum oder dürren Ästen.
Hans Baldung Grien stellte über dem Martyrium des Sebastian auf dem Mittelbild seines Sebastiansaltares, 1507, eine E. auf dürrem Ast dar (Nürnberg, Germ. Nat.Mus.; Ausst.Kat. „H. B. G.“, Karlsruhe 1959, S. 39f., Taf. 1). Dasselbe Motiv zeigt ein Gemälde Guercinos (s. Sp. 117/18 Abb. 1). Ein franz. Holzschnitt vom Ende 16. Jh. „Congnois toy toymesme“ zeigt links ein Liebespaar unter blühenden Bäumen, rechts ein Greisenpaar, das der Tod als Skelett dem Grabe zuführt; in einem dürren Baum darüber sitzt eine E. (Liselotte Möller, Jb. Hamburg 2, 1952, 167; Abb. 22). Ein Kupferstich der Lebensalter von Gerhard Altzenbach, 17. Jh., stellt auf der Seite des Lebensbeginnes einen belaubten Baum dar, auf der Seite des Todes einen dürren mit einer E. (RDK II 553f., Abb. 3). Auf dem um 1800 entstandenen Grabmal des Grafen Hermann von Königsegg († 1799) in der Stadtpfarrkirche in Aulendorf Krs. Ravensburg, Württ., steht ein dürrer Baum, in dem eine E. sitzt, darüber erscheinen Totenschädel und Stundenglas (Hugo Schnell, Die Stadtpfarrkirche in A. [= Kl. Kirchenführer 463/64], Mchn. 1951, S. 12). Ein Epitaph für Joh. Bapt. Dexler aus dem Jahre 1829 an der äußeren N-Wand der Klosterkirche zu Altenmarkt bei Osterhofen Krs. Vilshofen stellt eine E. zusammen mit Urne, Totenschädel, Stundenglas, dürrem Baum und Trauerweide dar.
V. Die E. als dämonisches Tier
1 a. Ascalaphus
Der antike Mythus von Proserpina, die den Unterweltsdämon Ascalaphus in eine E. verwandelt (Ovid, Met. V, 535–50; vgl. auch den Kommentar zu Ovids Met. von Moritz Haupt u. a., Bd. 1, Zürich und Dublin 196610, S. 289; s. Sp. 271), wurde erst wieder mit den Ovidausgaben der frühen Neuzeit verbreitet.
Für die Ascalaphus-Fabel in der Ovid-Ill. vgl. z. B. die Metamorphosen-Radierungen von Joh. Wilh. Baur und ihre Wiederholungen, z. B. von Jeremias Wolff (Augsburg 1709, Kupfer 53), aber auch Gottfried Rogg, Encyclopaedia oder Schau-Bühne ..., 1. Teil, Augsburg 1726, S. 6, Kupfer II, 3; im übrigen s. Proserpina.
Proserpina mit der E. wurde von Enea Vico nach Zchgn. von Parmigianino gestochen (Iván Fenyö, Burl. Mag. 105, 1963, 146, Abb. 8–10). Giorgio Vasari und Cristofano Gherardi stellten sie im Deckenfresko der Sala di Cerere des Pal. Vecchio zu Florenz dar; ebenso Charles Emmanuel Biset auf einem Gem. (Den Haag, Mauritshuis: Kat. 19142, S. 55, Nr. 13), sichtbar auf einer gleichfalls im Mauritshuis verwahrten Galeriedarstellung des Gonzales Coques (Baron Descamps u. a., Trésor de l’art belge au 17e s. Mémorial de l’exposition d’art ancien à Bruxelles en 1910, Bd. 1, Brüssel und Paris 1912, Taf. 137); vgl. Pigler II, S. 40.
Ascalaphus in E.-Gestalt wurde zum Attribut der Proserpina.
Ein Schrank im Schloß Irmelshausen Krs. Königshofen, Ufr., mit gemalten Darstellungen der Tageszeiten in den Türfeldern zeigt als Bild der Nacht die von Ascalaphus begleitete Göttin (Franken-Thüringen, 1625: Abb. bei Heinr. Kreisel, Die K. des dt. Möbels, Bd. 1, Mchn. 1968, S. 209 Taf. VIII).
Im Nymphenburger Park bei München steht eine Skulptur der Proserpina nach dem Modell von Joh. Bapt. Straub, 1772, ausgeführt von Dominik Aulicžek, 1778, der zu Füßen eine E. mit einem Granatapfel in den Fängen sitzt (Abb. 35).
1 b. Höllendämonen in E.-Gestalt
Darstellungen von E.-gestaltigen Unterweltsdämonen in der neuzeitlichen Malerei gehen wohl von der Kenntnis des Ascalaphus-Mythus aus.
Auf einer Miniatur in Charles Angoulême, Le Livre des echecs amoureux, um 1500 (Paris, Bibl.Nat., ms. fr. 143), thronen Pluto und Proserpina im weitgeöffneten Rachen einer großen E., zu ihren Füßen liegt Cerberus. Auf dem Gem. eines Boschnachfolgers, einer Höllendarstellung, erscheint im Hintergrund eine riesige E. (New York, Metrop. Mus., Inv.Nr. 26.244: Enrico Castelli, Il demoniaco nell’arte, Mailand und Florenz 1952, Taf. 32).
2. Die E. und der böse Blick
Im frühen MA behauptete sich der antike Glaube an die magische Kraft von E. und Uhu im Dienste des bösen Blickes oder als Schutzmittel gegen ihn.
Ein Fresko des 6.–7. Jh. stellt den Reiterheiligen Sizinios aus Bawit dar, der eine Dämonin mit der Lanze durchbohrt; über der Hexe erscheint das von Skorpion und Schlange umgebene böse Auge, darüber eine E. ([16] Sp. 899f.; vgl. A. A. Barb, Warburg Journ. 29, 1966, 6f. Abb. 5 a). – Ein münzförmiges Amulett der gleichen Zeit, das gegen den bösen Blick schützen sollte, zeigt auf der einen Seite einen Uhu im Kreise von sieben Sternen, den sieben Buchstaben „DOMINUS“ und der aus Apok. 5, 5 entnommenen vulgärlat. Inschrift „bicit te leo de tribus Juda, radis Dauit“, auf der anderen Seite die Inschrift: „Iesu Christus ligabit te, bratius dei (= bracchium Dei) et sigillus Salomonix. abis notturna, non baleas ad anima pura et supra quisuis sis!“ (Ernst Diehl, Inscriptiones Latinae Christianae Veteres, Bln. 19612, siehe Nr. 2388). Zwei ähnliche karthagische Amulette stellen eine von 6 Sternen umgebene E. mit der exorzistischen Formel „bicit leo ...“ und einem Beschwörungstext auf der Rückseite dar (ebd. Nr. 2388 A, 2388 B).
3. Hexen und Dämonen
In der Neuzeit wurde die E. häufig in Zusammenhang mit Hexen und Dämonen oder auch Alchimisten dargestellt.
Auf Dosso Dossis Bild „Circe und ihre verwandelten Liebhaber“ erscheint die E. (Washington, Nat.Gall.: John Walker, Die Nat.-Gal. W., Mchn. und Zürich [1964], Abb. S. 137), ebenso auf der Radierung von Giov. Benedetto Castiglione „Circe“ (B. Bd. 21, Nr. 22: fälschlich „Mélancolie“). Auf einem 1526 dat. Gem. des Jakob Cornelisz. van Oostsanen „Saul bei der Hexe von Endor“ sitzt die Hexe mit einer Begleiterin auf einem Thron, unter dem E. hervorsehen (Amsterdam, Rijksmus.: Cat. of Paintings 1960, Nr. 722; Friedländer Bd. 12, Abb. 250). Auch Joh. Heinr. Schönfeld gab der Hexe von Endor eine E. bei (Abb. 31). – In zahlreichen Darstellungen der Versuchung des hl. Antonius kommt die E. unter anderen Dämonen vor, z. B. bei Jan Mandyn (Haarlem, Frans-Hals-Mus.: Castelli a.a.O. [s. Sp. 291], Taf. 50). – David Teniers stellte eine E. zusammen mit Katze und Pferdeschädel in einer Alchimistenwerkstatt dar (Philadelphia, John G. Johnson Coll.). – Auf der Zchg. Honoré Fragonards „Befragung des Orakels“ gehört die E. zum Interieur eines Wahrsagers (Ausst. Mchn., Rokoko Nr. 276). In einem um 1795 entstandenen Farbdruck „Hekate“ von William Blake erscheint eine E. als Begleiterin (Abb. 37). – Eine Zchg. Heinr. Füßlis mit einer E. illustriert eine Szene aus Edmund Spensers „The Faerie Queene“ (1589–96), die Ankunft von Rederosse und Una in der Höhle der Verzweiflung (Book I, Canto IX, 33; Chicago, Art Institute: Ulrich Middeldorf, Burl. Mag. 88, 1946, Abb. nach S. 300, identifiziert von Helmut von Erffa, Burl. Mag. 89, 1947, 106). Auch auf Füßlis Aquatintaradierung „Hexe und Alraun“ fehlt die E. nicht, ebensowenig auf Goyas Bild „Escena de brujas“ (Madrid, Mus. Lazaro Galdiano); „bruja“ kann dabei sowohl Hexe wie große Nacht-E. bedeuten. Auch den „bösen Genius“ begleitet eine E.: „Dieser nächtliche, nichts Gutes verheißende Vogel ist nach dem Virgil sein Attribut“ [12, Nr. 48]. In Illustrationen zu Goethes „Faust“ können E. als Zeichen des Dämonischen auftreten (Federzeichnung von Peter von Cornelius „Walpurgisnacht“, 1811, gestochen von Ferd. Ruscheweyh und erschienen bei Wenner in Frankfurt a.M.: David Koch, P.C., Stg. 1905, Abb. 30; Lithographie von Achille Devéria: Abb. 40).
4. Aberglaube
Die E. ist heute wie in der Antike und im MA Gegenstand zahlreicher abergläubischer Vorstellungen (Bächtold-Stäubli Bd. 2, Sp. 1073–79; G. Jobes a.a.O. [Sp. 283]). Sie gilt als dämonisches Tier, als Hexen- und Teufelsvogel; Zauber und Gegenzauber werden mit ihr betrieben. Die Volksmedizin verschrieb Teile des E.-Körpers (vgl. Vincenz von Beauvais a.a.O. [Sp. 277]) und tut dies gelegentlich noch heute.
VI. Die E. in der Einöde
Die im A.T. und bei den Kirchenvätern hervorgehobene Lebensweise der E. in der Einöde führte zu Darstellungen von E. auf Bildern heiliger Eremiten.
Bereits auf einer toskanischen Tafel des 13. Jh. erscheint die E. in einer Darstellung der Thebais (Slg. des Earl of Crawford and Balcarres, London: Art Bull. 33, 1951, Taf. vor S. 221).
Später wurde die E. häufig im Zusammenhang mit dem büßenden Hieronymus in der Einöde dargestellt. Sie sitzt meist auf dürren Ästen und ist zuweilen einem anderen Vogel gegenübergestellt. Sie kann dann auch als Zeichen überwundener Lasterhaftigkeit und Versuchung interpretiert werden (s. u. Sp. 304–11).
Mantegna malte auf seinem Tafelbild „Hieronymus in der Wildnis“, um 1445, eine E. neben einem Adler oder Falken (Washington, Nat.Gall.: Preliminary Cat. 1941, S. 122, Inv.Nr. 32); ohne Gegenüberstellung: Andrea Mantegna, Hieronymus in der Wüste, um 1470 (Mus. de Arte de São Paulo: Kat. 1963, S. 16f. Nr. 15, mit Abb.); Pietro Perugino, büßender Hieronymus, linker Flügel eines Triptychons, um 1485 (Washington, Nat.Gall.: Preliminary Cat. 1941, S. 150, Inv.Nr. 27; J. Walker a.a.O. [Sp. 291], S. 87 mit Abb.). Bartolommeo di Giovanni stellt auf seinem Gem. „Hieronymus“, 2. H. 15. Jh., die E. einem Stieglitz (Florenz, Accad.: Ugo Procacci, La Gall. dell’Accad. di F., Rom 1951, S. 46 Nr. 8630), Cosimo Tura auf seinem um 1480 entstandenen Bild des büßenden Hieronymus die E. einem Specht gegenüber (Fragment, London, Nat.Gall., Inv.Nr. 773: Eberhard Ruhmer, C. T., London 1958, S. 178, Taf. 69). Hier. Bosch gibt auf seinem Gem. des betenden Hieronymus, um 1500, eine E. und einen Stieglitz wieder (Gent, Mus. des B.-A.: Jacques Combe, H. B., Paris 1946, Taf. 68). Auch auf Cranachs d. Ä. Hieronymus-Darstellungen sieht man E. (dat. 1502, Wien, Kh. Mus: Friedländer und Rosenberg a.a.O. Abb. 4; um 1525, Innsbruck, Mus. Ferdinandeum: ebd. Abb. 144); vgl. ferner die „teilnahmslos“ auf einem Baumstamm sitzende E. auf einem Brüsseler Gobelin der 1. H. 16. Jh. im Escorial (Juan de Contreras y Lopez de Ayala Marqués de Lozoya, The Escorial, New York 1967, S. 133).
E. begegnen auch auf Darstellungen anderer Heiliger in der Einöde.
Sie erscheinen z. B. im Bild der Stigmatisation des hl. Franziskus auf La Verna (1224) von Bartolommeo della Gatta (Abb. 9; Venturi Bd. 7, 2, S. 416, 438; van Marle Bd. 16, S. 166), auf Jan de Cocks Gem. „Die Heiligen Antonius und Paulus in der Einöde vom Raben mit Brot bedacht“, um 1520 (Vaduz, Slg. Fürst Liechtenstein: Friedländer Bd. 11, Taf. 47), und einem Fresko des Ant. Solari „Der hl. Benedikt erhält den Mönchshabit vom hl. Romanus“, um 1500 (Neapel, ehem. Kloster SS. Severino e Sossio: Fot. Alinari, Florenz, Nr. 12 188).
Noch im 19. Jh. war die Verbindung von Einöde, Einsiedelei, Einsamkeit und E. geläufig, so im Rahmen des Bildes „Eine Symphonie“ von Moritz von Schwind, 1852: zwei ähnlich gewachsene Bäume bilden je eine Astgabel, im rechten hängt ein Eremitenglöckchen, im linken sitzt eine E. (München, Bayer. Staatsgem.slgn., Inv.Nr. WAF 1017: Kat. N.Pin. 1922, S. 74, Nr. H. G. 345).
VII. Die E. als Nachtvogel
Der Physiologus verbreitete, daß die E. die Nacht mehr als den Tag liebe.
1. Physiologus-Illustrationen
In den frühen Physiologus-Illustrationen ist die E. als Vogel im Dunkeln dargestellt.
Im dt. Sprachgebiet noch vorhandene ill. Physiologus-Hss. sind der 825–45 entstandene Codex Bernensis (Abb. 1 [s. a. Sp. 274]), drei Hss. der Dicta Chrysostomi (Wien, Österr. Nat.Bibl., cod. 1010, aus St. Florian, 2. H. 12. Jh. [Beschr.Verz. Österr. 8, 2, S. 186]; ehem. Göttweig, Klosterbibl., cod. 101, 12. Jh. [Gustav Heider, Archiv f. Kde. österr. Gesch.quellen 3, 1850, 2. Bd., S. 523–606]; München, Bayer. Staatsbibl., cod. lat. 6908, aus Fürstenfeld, 13. Jh.) und eine frühmhd. Hs. aus Millstatt (Menhardt a.a.O. [s. Sp. 275]). Der Codex Bernensis stellt fünf E., deren eine auffliegen will, zwischen Pflanzen auf dem Boden dar; dunkler Grund und Mondsichel deuten die Nacht an. Die Hss. aus St. Florian, fol. 72, und Göttweig (verschollen) zeigen eine E. in Vorderansicht: sie sitzt im Gehäuse und reckt den Hals nach links. Die Fürstenfelder Hs., fol. 83v, gibt eine E. mit der Abbreviatur eines Felsens im Hintergrund. Die Millstätter Hs., fol. 98, stellt eine E. dar, die bei Tage im Käfig sitzt und zum Zeichen der Lichtscheu den Kopf unter die Federn steckt.
In einer byz. Physiologus-Illustration, um 1100, sitzt der „Nachtrabe“ in der Hand der Personifikation der Nacht (Strzygowski S. 14, Taf. 1).
2. Die E. und die Nacht
In der Neuzeit sind Darstellungen von E. im Zusammenhang mit der Nacht recht häufig.
Michelangelo stellte eine E. unter dem Knie der Nacht am Grabmal des Giuliano de Medici dar (Florenz, Neue Sakristei von S. Lorenzo, 1525–31). In den Malereien Vasaris in der Sala degli Elementi im Florentiner Pal. Vecchio, um 1565, kommen Nacht und E. zusammen vor. In einem Chiaroscuro-Holzschnitt des Hendrick Goltzius wird Nox von der E. begleitet (B. Bd. 3, Nr. 237; Otto Hirschmann, Verz. des graph. Werks von H. G., Lpz. 1921, Nr. 372). An einer Uhr, Paris, um 1700, erscheint die E. zu Seiten einer Chronosmaske als Sinnbild der Nacht, ein Hahn als Sinnbild des Tages (Aukt.Kat. Weinmüller, Mchn., 23.–25. 6. 1965, Nr. 1137). An der Kanzel des Domes zu Antwerpen von Michiel van der Voort, 1713, steht eine E. für den Abend, eine Lerche für den Morgen (Hugo Kehrer, Alt-Antwerpen, Mchn. 1917, S. 29). Nach Ramler soll die Nacht auf einem Wagen stehen, der von Nacht-E. gezogen wird [11, S. 14]. Philipp Otto Runges Federzchg. „Die Nacht“, 1803, enthält E. in der Umrahmung (Hamburg, Kunsthalle: Johannes Langner, Ph. O. R. [= Bilderhefte der Hamburger Kunsthalle, 4], Hamburg 1963, Taf. 16). 1882 erscheint die E. auf allegorischen Darstellungen der Nacht: [14] Nr. 26, 29. – Karl Frdr. Schinkel verzierte das Gesims des Schlafzimmers der Königin Luise mit flügelbreitenden E. (RDK IV 381/82, Abb. 6).
Die E. erscheint auf einer Reihe von Darstellungen der geflügelten Göttin Nyx mit Hypnos und Thanatos, ihren Söhnen (vgl. Roscher Bd. 3, Lpz. 1908, Sp. 569–76; Herbert von Einem, Asmus Jacob Carstens, Die Nacht mit ihren Kindern [= Arbeitsgem. für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 78], Köln und Opladen 1958).
Francesco Albani stellte in seinen um 1610 entstandenen Fresken im Pal. Verospi, Rom, die E. auf einer Wolke neben der Nacht mit ihren Kindern dar (ebd. Abb. 8). In Guercinos Fresken des Casino Ludovisi, um 1622, sitzt die E. in einem Mauerloch nahe der Nacht (ebd. Abb. 14). Eine verschollene Zchg. des Annibale Carracci wurde 1764 von Francesco Bartolozzi gestochen: die über das Land fliegende Gestalt der Nacht trägt ihre Kinder Schlaf und Tod in den Armen; eine E. und Fledermäuse flattern durch die Luft (ebd. Abb. 11). Joachim von Sandrart schildert die Nacht bei Lampenlicht halb aufgerichtet mit Schlaf und Tod im Schoß (Wien, Kh. Mus.: Kat. „Die Gem.-Gal. des Ah. Kaiserh.“, Wien 1896, S. 447 Nr. 1536; vgl. die eigenhändige Zchg. in der Albertina, Abb. 30; Nachstich von Jonas Suyderhoff: Nagler, Künstlerlex. Bd. 20, S. 164 Nr. 102). Auf einem Gem. des Pieter Thys nach Entwurf von Jan van den Hoecke steht die Nacht mit Schlaf und Tod an der Brust in einem dorischen Portal; links oben flattert eine E. (Wien, Kh. Mus.: Kat. Engerth Bd. 2, Wien 1884, Nr. 1328). Bertel Thorvaldsens Marmortondo „Die Nacht“, 1815 entstanden, stellt die Nacht im Fluge mit dem Schlaf und dem Tod in den Armen und eine E. dar (Kopenhagen, Thorvaldsen-Mus.: Kat. 1953, S. 41, Inv.Nr. 367; Sigurd Müller, Th., Kopenhagen 1893, Taf. nach S. 70).
3. Die E. und der Traum
Die E. tritt auch bei Darstellungen von Träumenden auf.
Sie erscheint in dem Gem. Dosso Dossis oder seines Umkreises „Der Traum“ (Dresden, Gem.gal., Inv.Nr. 131: Kat. 1929, S. 65 mit Abb.; Guy de Tervarent, Les énigmes de l’art 3: L’héritage antique, Paris 1947, Abb. 30), in einer Zchg. von Lelio Orsi (London, Brit. Mus.: ebd. Abb. 32), auf dem „Raffaels Traum“ genannten Kupferstich des Giorgio Ghisi aus dem Jahr 1561 (B. Bd. 15, Nr. 67) und auf einer von Gg. Frdr. Schmidt 1749 radierten Vignette zu (Friedrich d. Gr.), „Œuvres du philosophe de Sans-Souci“ Bd. 1 (M. Lanckorońska und R. Oehler a.a.O. [s. Sp. 280], Abb. 80; Ignaz Eman. Wessely, Gg. Friedr. Schmidt. Verz. seiner Stiche und Radierungen, Hamburg 1887, Nr. 291). Goyas Capricho 43 „El sueño de la razón produce monstruos“ stellt einen schlafend niedergebeugten Mann dar, hinter dem E., Fledermäuse und eine große Katze erscheinen (Abb. 38).
4. Bild der Juden
Der aus späteren Physiologusversionen und den spätma. Bestiarien stammende Vergleich der E. mit den Juden war weit verbreitet. In den Bestiarien von Philippe de Thaon (nach 1121) und Guilleaume le Clerc (1210–21) näherte sich das Wort für E. „fresaie“ oder „effraye“ dem Begriff Jude; das dem franz. „chouette“ und dem ital. „civetta“ verwandte katalanische Wort „xuet“ ist in Portugal und Mallorca gleichbedeutend mit Jude (Charles Cahier, Du Bestiaire et de quelques questions qui s’y rattachent, Nouveaux mélanges d’arch., d’hist. et de litt., Paris 1874, S. 122; A. Rovira i Virgili, Diccionario Català-Castellà, Barcelona 1914). In zahlreichen Darstellungen tritt die E. als dem Licht des Heils blind abgewandter Zeuge der verschiedenen Stationen des Heilsgeschehens oder als Symbol der Synagoge auf.
Bereits in einer Darstellung des fünften Schöpfungstages auf einem Mosaik der Kathedrale von Monreale, um 1183–85, erscheint eine E. als einziger von Gott abgewandter Vogel (Ernst Kitzinger, The Mosaics of Monreale, Palermo 1960, Taf. 7f.).
In Dürers Holzschnitt „Verlobung Maria“ aus dem Marienleben-Zyklus ist eine steinerne E. über dem Portal des Tempels das Zeichen der Synagoge (Erwin Panofsky, A. D., Princeton 19483, Bd. 2 Nr. 302; anders Ludwig Grote, Dürerstudien, Zs. f. Kw. 19, 1965, 167).
In Bertholdus’ „Zeitglöcklein“, Basel 1492, sitzt eine E. in der Bordüre der Verkündigungsdarstellung (erwähnt ebd. S. 167 Anm. 23).
Zahlreich sind E. auf Darstellungen der Geburt Christi. Das früheste bekannt gewordene Beispiel ist eine wahrscheinlich um 1100 in Südengland entstandene Beinschnitzerei „Anbetung der Könige“ (Abb. 2; vgl. John Beckwith, The Adoration of the Magi in Whalebone, London 1966). Weitere Beispiele sind ein Schrotblatt des Meisters des Jesus in Bethanien „Anbetung der Könige“, 15. Jh. (Schreiber, Hdb. Bd. 7, S. 158 Nr. 2203 b; Campbell Dodgson, Prints in the Dotted Manner, London 1937, Nr. 42, Taf. 7; vgl. den Kupferstich des Meisters I A M von Zwolle: B. Bd. 6, Nr. 1; Lehrs Bd. 7, S. 176 Nr. 1), Juan de Flandes „Geburt Christi“, um 1510 entstanden (Washington, Nat.Gall. of Art: Kat. „Paintings and Drawings from the Kress Coll.“, 1950, Nr. 40), Joos van Cleves „Geburt Christi“, um 1511–15 (Wien, Kh.Mus., Inv. Nr. 6347: Kat. Wien 1963, S. 29 Nr. 87), Hans Baldung Griens „Geburt Christi“, 1520 (München, A. Pin., Inv.Nr. 6280: Kat. „Altdt. Mal.“ 1963, S. 43, Abb. S. 267). Eine Kupferstich-Ill. zu Joh. Mich. Dilherr, „Christliche Betrachtungen des gläntzenden Himmels“, Nürnberg 1657, von Melchior Küsel nach einer Vorzchg. von Gg. Strauch, zeigt E. im Rahmen einer Geburtsszene („Christliche Welt- und Zeitbetrachtungen“, Mchn. 1961, S. 55). Die Geburtsszene mit einer E. in dem von Peter Cornelius gezeichneten Titelblatt eines „Kalenders auf das Jahr 1843“ beweist, daß die Tradition bis ins 19. Jh. reicht (Abb. 41). Eine von dem Neapolitaner Tommaso Schettino für eine Krippe geschnitzte E. gehört möglicherweise in den gleichen Zusammenhang (Rud. Berliner, Die Weihnachtskrippe, Mchn. 1955, Abb. 52).
Auf Dürers aquarellierter Zchg. „Maria mit den vielen Tieren“ (Wien, Albertina: W. 295 [Vorstudie], 296–296 a) erscheinen, von Madonna und Kind abgewandt, im Dunkel halb versteckt, Uhu und Kauz.
Ein bolognesisches Tafelbild, 2. H. 14. Jh., zeigt die Arma Christi mit einer E. über dem Kreuztitel (Rud. Berliner, Münchner Jb. III. F. 6, 1955, 77 und Abb. 23).
Antonellos da Messina „Kreuzigung Christi“, 1475, enthält eine Darstellung der vom Gekreuzigten abgewandten E., die jedoch auch das verlassene Golgatha versinnbildlichen dürfte (Antwerpen, Mus. des B.-A.: Kat. 1958, S. 6f. Nr. 4; Jan Lauts, A. da M., Wien 19403, Abb. 39 und 42). Der die Bestrafung eines lügnerischen Mönches schildernde Holzschnitt in (Heinrich Suso), „Buch der Seusse“, Augsburg (Anton Sorg) 1482, stellt eine E. auf dem Kreuztitulus dar (Schramm, Frühdrucke Bd. 4, S. 24, Abb. 774).
Eine Monstranz im Kölner Dom zeigt auf der Vorderseite den Schmerzensmann, rechts und links Leidenswerkzeuge, auf der Rückseite – abgewandt – eine in Ranken sitzende E. (Lotte Perpeet-Frech, Kölner Domblatt 12–13, 1957, S. 93).
Ein emblematisches Bild der Auferstehung Christi gibt u. a. eine von anderen Vögeln verfolgte E. wieder, Sinnbild des verfolgten, ungläubigen Juden (Gg. Stengel, Ova Paschalia, Mchn. 1634, Titelkupfer).
Im ersten Zustand eines Kupferstichs von Benedetto Montagna ist Orpheus, der vor den Tieren auf der Lira di braccio spielt, Symbol Christi und der Menschen; die E. sitzt abseits auf einem dürren Ast und bleibt ungerührt (Unikum der Albertina in Wien: B. Bd. 13, Nr. 25; Hind, Ital. Engr. Bd. 5, S. 178 Nr. 10; vgl. K. Goldammer, Zs. f. Kirchengesch. 74, 1963, 217–43).
Auf einer um 1250–65 entstandenen Miniatur in einem flämischen Psalter predigt Franziskus den Vögeln und wendet sich besonders an eine E. mit ausgeprägt jüdischen Zügen (Abb. 5; Ausst.Kat. „The Animal Kingdom“, New York 1940/41, S. 56ff. Nr. 120); vgl. auch die Darstellung der Vogelpredigt auf einem Glasgem. in der Klosterkirche Königsfelden, Kt. Aargau, um 1325–30 (Inv. Schweiz Bd. 32, Abb. 154 und 166), sowie eine Radierung des Giacomo Franco in des hl. Bonaventura „Vita del serafico S. Francesco“, Venedig 1593.
Die E. kann als Symbol des vom Christentum überwundenen Judentums (auch des Heidentums?) auftreten.
Ein Neujahrswunsch, Holzschnitt um 1490–1500, stellt den Jesusknaben – mit Weltkugel und Taube – auf dem Kopf einer E. dar (Abb. 11; s. auch Paul Heitz, Neujahrswünsche des 15. Jh., Straßburg 1900, Nr. 37). In Tobias Stimmer, Neue künstliche Figuren Biblischer Historien usw., Basel 1576, sind in einem der mehrfach verwendeten Holzschnittrahmen E. und Taube einander gegenübergestellt und von Gesetzestafeln und Kreuz begleitet (Neudruck: Liebhaber-Bibl. Alter Ill. in Facs.-Reprod. 4, Mchn. 1923). Den Obelisken auf der Piazza S. Giovanni in Laterano, aufgerichtet 1588 von Domenico Fontana, krönt eine E., die ein Kreuz auf dem Kopf trägt (Chr. K.bll.71, 1930,79).
Die von anderen Vögeln verfolgte E. kann in seltenen Fällen die Bedeutung des verachteten und verfolgten Juden haben (vgl. auch Sp. 305), z. B. auf der Miniatur eines in England Ende 12. Jh. entstandenen lateinischen Bestiarius (Abb. 4).
Auch als Attribut des Juden konnte die E. dargestellt werden (Kupferstich des Meisters der Spielkarten, „Bärtiger Mann mit Käuzchen“: Lehrs Bd. 1, S. 166 Nr. 18).
5. Unglaube
Neuzeitliche Darstellungen des Begriffes Unglaube übernahmen die E. als Symboltier aus der ma. Verbindung von E. und Judentum.
Bei Hertel-Ripa ist die Ungläubigkeit als Frau mit Eselsohren und einer E. im Kopfschmuck dargestellt [9, S. 125].
VIII. Die tagblinde E.
Die enzyklopädische Literatur des Mittelalters weist regelmäßig darauf hin, daß der Nachtvogel E. am Tage blind sei. In zahlreichen Darstellungen erscheint daher die E. als Sinnbild der Blindheit. Dabei ist häufig Blindheit und Unwissenheit gegenüber dem Wahren und Guten gemeint, entsprechend der Blindheit des Juden gegenüber dem christlichen Heil.
1. Gesichtssinn
Die Blindheit der E. konnte Anlaß für die Darstellung des Vogels als Exemplum für den Gesichtssinn sein.
Auf dem Bilde „Das Gesicht“ von Michiel Sweerts aus einer Folge von Sinnesdarstellungen hält ein junger Orientale einer E. einen Kneifer vor die Augen (Eduard Plietzsch, Holländ, und fläm. Maler des 17. Jh., Lpz. 1960, Taf. 379). Als Exempel für „Visus“ stellt ein Stich aus einem Zyklus der fünf Sinne von Frederick Bloemaert nach Abraham Bloemaert Jungen bei der Vogeljagd mit einer tagblinden E. als Lockvogel dar (Abb. 26; Hollstein, Dutch Fl. Engr. Bd. 2, S. 90 Nr. 244).
2. Unwissenheit
In der Neuzeit tritt die E. bei Personifikationen der Unwissenheit oder in Emblemen auf Unbelehrbarkeit auf.
In Hertels Ripa-Ausgabe erscheinen auf dem Blatt mit der „Ignorantia“ die Nachttiere E. und Fledermaus [9, S. 142]. Jac. Boschius schreibt die E., die sich vom Sonnenaufgang abwendet, als Emblem auf die rohen Verächter der schönen Künste vor mit dem Lemma „II bel lume del ciel odio et isdegno“ (e disdegno; [8] Classis 4, Taf. 6 Nr. 116).
In Darstellungen von Schulzimmern erscheinen an der Wand bisweilen lebende E. oder an die Wand genagelte Abbildungen von E., meist mit einer Kerze. Sie können dort ein die Schüler warnendes Beispiel der Unbelehrbarkeit und Unwissenheit sein oder satirisch auf die in der Schule herrschende Unwissenheit anspielen.
Auf einem fälschlich Adriaen Brouwer zugeschr. Bild eines Schulzimmers ist ein Flugblatt mit der E. als Sinnbild der Unwissenheit an die Wand genagelt (New York, Priv.bes.). Jan Steens „Die Schule“ zeigt eine E. an der Wand des Zimmers (Edinburgh, Earl of Ellesmere; Wilh. Martin, J. St., Amsterdam 1954, Abb. 68). Noch ein Distichon Frdr. Schillers von 1796 „Falscher Studiertrieb“ bezeichnet die „Feinde der Wahrheit“ als „Eulengeschlecht“ (Aus dem Musenalmanach für 1797: Histor.-krit. Ausg., hrsg. von Karl Goedecke, Bd. 11, Stg. 1871, S. 184).
Narrheit
3. Vor allem in den Niederlanden wurde die E. ausdrücklich im Zusammenhang mit Unwissenheit, Dummheit und besonders Narrheit dargestellt.
Sie erscheint in dieser Bedeutung in Werken von Hieronymus Bosch, Lucas van Leyden, Peter Huys und Jacob Jordaens, aber auch schon früher (Dirk Bax, Ontcijfering van Jeroen Bosch, Den Haag 1949, S. 158–62; Seymour Slive, On the Meaning of Frans Hals’ „Malle Babbe“, Burl. Mag. 105, 1963, 435). – Eines der seltenen italienischen Beispiele ist Angelo Bronzinos Bildnis des nackten Zwerges (Hofnarren?) Morgante als Jäger, mit erlegten Vögeln und einer Lock-E. auf der Schulter, um 1553 (Florenz, Uffizien: Erica Tietze-Conrat, Dwarfs and Jesters in Art, London 1957, Abb. 12). – Bartholomäus Maton stellte einen Narren mit einer E. auf der Schulter dar mit der Beischrift: „Wijse lui siet toe dat’s raer / een geck een uyl een klughtich paer“ (weise Leute, seht her, das ist selten, ein Narr, eine E., ein witziges Paar; Slive a.a.O. Abb. 13; H. Schneider, Oude Kunst 5, 1920, 224–26). Auf Karel van Manders Blatt „der Narr und die E.“, aus der Folge von vier Zchgn., die die menschliche Narrheit verspotten, versuchen zwei Narren einem bebrillten und doch blinden Falkenjäger eine E. als Falken vorzutäuschen (Wien, Albertina, Inv.Nr. 8013: Albertina-Kat. Bd. 2, 1928, Nr. 363). Siehe auch Eulenspiegel.
IX. Die lichtscheue E.
1. Die E. als Zeichen der Sünder
Erhard Schöns Holzschnittflugblatt „Wer arges thut / hasset das liecht / und kumpt nit an das liecht / auff das seyne werck nicht gestrafft werden“ (Joh. 3, 20; Abb. 10) wiederholt die Deutung des Uhu, die schon Hrabanus Maurus gab (s. Sp. 277); einer E. mit Sonne, Kerzenlicht und Brille sind Verse von Hans Sachs beigefügt: „Was hilfft mich sunn / licht oder prill / weyl ich doch selbs nicht sehen will“; in der moralisierenden Unterschrift heißt es u. a.: „... So seind auch aller menschen kindt / verstockt, verstarret und erblindt / In wucher, geytz und Tyranney / In lügen, list und triegerey / Im Ehbruch, hurerey und fraß / In kriegen, zoten, neyd und haß ...“. Flugblätter ähnlichen Inhalts waren weit verbreitet und sind auch auf zahlreichen Bildern wiedergegeben (s. Sp. 308). Die E., die als lichtscheu und böswillig blind gegen das Gute dargestellt ist, steht als Zeichen für den Sünder.
Ein Stich Cornelis Bloemaerts nach Hendrick Bloemaert stellt eine E. mit Kneifer dar; die Beischrift lautet: „Wat baet keers off bril, als den wl niet sienen wil“ (Abb. 27; Hollstein, Dutch Fl. Engr. Bd. 2, S. 96 Nr. 8). Ein ähnliches Thema wird in einem Gem. des Frans van Mieris d. Ä. von 1668 behandelt: zwei Männer stehen am Fenster, der vordere hat die Augen zugekniffen und macht eine abwehrende Geste, der hintere hält eine Brille und weist auf ihn; auf der Fensterbank stehen Kerze und E.; eine holländ. Beischrift besagt: „Was soll man Kerze oder Brille reichen, die E.-Brut will doch nicht sehn“ (Slg. Earl of Lansborough; Rob. Keyszelitz, Der [sic!] „Clavis interpretandi“ in der holländ. Mal. des 17. Jh., Diss. Mchn. 1956, S. 90).
Für die Deutung des besonders häufigen Motives der von anderen Vögeln verfolgten, bei Tag blinden und daher hilflosen E. überwog im späten MA die Erklärung, die diesem Phänomen von der enzyklopädischen Literatur, besonders von Hugo von St. Victor (s. Sp. 277) gegeben wurde. Die E. erschien als der ertappte und verfolgte Sünder (vgl. die E. als verfolgter Jude: Sp. 302).
Unter zahlreichen Beispielen: Kapitell des 13. Jh. in der Kathedrale von Le Mans (Cahier a.a.O. [Sp. 299], S. 141f.; Mâle II, S. 62) und um 1310 entstandene Marginalzchgn. in Queen Mary’s Psalter, die die Verfolgung in zwei Phasen darstellen (London, Brit. Mus., Royal Ms. 2 B. VII, fol. 128v und 129: ed. Sir George Warner, London 1912, S. 32–34, 38, Taf. 171f.).
Dieser Gedanke wurde in der neuzeitlichen Emblematik aufgenommen. Jac. Boschius richtete unter dem Lemma „In omnes et ab omnibus“ ein Emblem, das eine von anderen Vögeln verfolgte E. darstellt, „in hominem contentiosum et odiosum“ ([8] Classis 4, Taf. 10 Nr. 175).
Ungewöhnlich stellt ein Gem. Adriaen van de Vennes die Sündhaftigkeit dar; es zeigt im Vordergrund ein schlittschuhlaufendes E.-Paar, abgesetzt gegen im Hintergrund fliegende andere Vögel; eine Inschrift besagt: „Wie gut passen wir doch zusammen.“ Die männliche E. mit vor der Brust herabhängendem Kneifer im Schnabel ist eine Anspielung auf die blinde und sündhafte E. des Flugblattes, die weibliche E. mit einer Ratte entspricht der Dirne der „E.-Beize“ (s. u. Sp. 309); der Schlittschuhlauf bedeutet: Sünder kommen leicht zu Fall (Kopenhagen: Cat. Roy. Mus. of Fine Arts, 1951, S. 333 Nr. 743 mit Abb.; zum Schlittschuhlauf vgl. die Zchg. mit Schlittschuhläufern von Pieter Bruegel d. Ä., 1559 [Ludwig Münz, B., The Drawings, London 1961, Abb. 137], die gestochen den Titel „Lubricitas vitae humanae“ trägt [René van Bastelaer, Les estampes de Peter Bruegel l’ancien, Brüssel 1908, Nr. 205]).
2. Die E. und die Hauptsünden
Eine E. als Zeichen böswilliger Blindheit gegenüber dem Guten, als Zeichen sündhaften Tuns, konnte Darstellungen nahezu aller Laster und Sünden beigegeben werden (eine nähere Erklärung – auch zu Superbia – versucht Jak. Rosenberg in: „De artibus opuscula XL, Essays in Honor of Erwin Panofsky“, New York 1961, Bd. 1 S. 424). Besonders zahlreich sind E. im Zusammenhang mit Völlerei und Wollust. In dieser Bedeutung tritt die E. vor allem im deutsch-niederländischen Kunstkreis seit dem 15. Jh. auf.
a. Völlerei.
Eine E. kann in Szenen vorkommen, die ausdrücklich als Exempla für Völlerei hingestellt werden. Das ist „offenbar auf die eigentümlichen Erscheinungen der Verdauungstätigkeit“ des Tieres zurückzuführen (s. Walter Stengel, Mitt. des German. Nat.Mus. 1911, 104f.).
Auf einer bemalten Tischplatte mit Szenen zu den sieben Hauptsünden (Kopie nach Hieronymus Bosch) sitzt sie in einer Wandnische bei den Fressern und Säufern (Madrid, Prado: Kat. 1963, S. 66 Nr. 2822).
Sie erscheint als Attribut der personifizierten Völlerei.
In Heinrich Aldegrevers Stichfolge der Tugenden und Laster, 1552, reitet die Völlerei auf einem Eber, hat einen Igel im Banner und führt ein Wappen mit einer Katze und einer E. (Abb. 17).
Seit Hier. Bosch kommt sie auch in Szenen vor, auf denen Prasser dargestellt sind.
In Boschs „Versuchung des heiligen Antonius“ sitzt eine E. auf dem Kopf eines schweinsgesichtigen Fressers an einem Tisch mit Trinkenden (Lissabon, Nat.-Mus.). Auf Pieter Aertsens Gem. „Die fette Küche“ hockt eine große E. über den in der Küche aufgehäuften Vorräten (Abb. 19).
Häufig wurde die E. in dieser Bedeutung in der holländ. Malerei des 17. Jh. Sie kommt dort besonders bei Wirtshausszenen und Gelagen, entweder in einem Versteck oder als Darstellung auf Blättern an der Wand vor.
In Adriaen Brouwers Bild „Der eingeschlafene Wirt“, Sinnbild der Trägheit (s. Sp. 309f.), sitzt eine E. auf dem Dunkelheit versinnbildlichenden Fensterladen über dem dicken Prasser, Schweine teilen ihr Futter mit einem am Boden liegenden Betrunkenen (Wilh. von Bode, A. B., Bln. 1924, Abb. 67). Auf einem Bauerngelage Brouwers hängt die Zchg. einer E. an der Wand (ebd. Abb. 15). Auf dem Bilde eines Raucherkollegiums ist ein E.-Bild über der Tür der Wirtsstube angebracht (München, A. Pin.: ebd. Abb. 4). Zahlreich sind die Beispiele im Werk des Jan Steen. Auf der „Familientafel“ sieht man im Hintergrund in den Hof, wo eine E. in einer Fensteröffnung sitzt (Amsterdam, Rijksmus.: W. Martin a.a.O. [s. Sp. 304], Abb. 39). Auf dem Bilde „Nach dem Trinkgelage“ hängt, deutlich erkennbar, eines der bekannten Flugblätter (s. Sp. 304) mit E., Kerze und moralisierendem Text: „Wat baeter kaers of Bril als den Uil niet zienen wil“ (ebendort, Abb. 28; siehe oben Sp. 304; da sowohl Völlerei wie Wollust im Bild angedeutet sind, kann die E. sich auf beide beziehen). Ein bekanntes Beispiel ist die E. auf der Schulter der „Malle Babbe“ von Frans Hals (vgl. Slive a.a.O. [s. Sp. 304], S. 435). Ein Kupferstich (1670) des Hendrick Bary nach Frans Mieris „DE WIJN IS EEN SPOTTER“, 1664, stellt ebenfalls eine E. über einer betrunkenen Frau dar (Hollstein, Dutch Fl. Engr. Bd. 1, S. 108 Nr. 11). Bis ins 19. Jh. hat sich ein holländ. Sprichwort erhalten: „Hij is zoo beschonken als een uil“ (Er ist so betrunken wie eine E.; P. J. Harrebomée, Spreekwoordenboek der Nederlandsche Taal, Utrecht 1861, Bd. 2 S. 351); auch in einigen dt. Gegenden ist die Bezeichnung „Volleule“ für Betrunkene gebräuchlich.
b. Wollust.
In Verbindung mit erotischen Symbolen kommt die E. bereits im 13. und 14. Jh. in England vor.
Auf der bemalten Holzdecke der Kathedrale in Peterborough aus dem 13. Jh. ist ein rücklings auf einem Bock reitender Affe mit einer E. auf dem Arm in der Manier eines Falkenjägers dargestellt (Horst Woldemar Janson, Apes and Ape Lore in the Middle Ages and the Renss. [= Stud. of the Warburg Inst., 20], London 1952, S. 166, Taf. 23 c); ein ähnliches Motiv erscheint auch in dem um 1340 entstandenen Lutrell-Psalter (ebd. S. 166, Taf. 23 d). In einer Randleiste des Ormesby-Psalters reitet ein Affe auf einem Hund, eine E. auf einem Hasen (ebd. S. 166, Taf. 24 b).
In der dt. Kunst des 15. Jh. war die E. ein beliebtes Motiv bei erotischen Szenen.
Zusammen mit Affen erscheint sie im Figuren-Alphabet des Meisters E. S. beim „g“, das sich zusammensetzt aus einem Mönch, zwei Nonnen und vier Tieren; der Mönch mit entblößtem Gesäß liebkost eine der Nonnen und streichelt die Flügel der E. (Lehrs Bd. 2, S. 361 Nr. 289; Janson a.a.O. [Sp. 308], Taf. 34 c; vgl. auch den Buchstaben „b“: Alan Shestack, Master E. S., Ausst. Kat. Philadelphia Mus. of Art, 1967, Nr. 72). Auf der Mauer des Liebesgartens mit den Schachspielern von Meister E. S. sitzt eine E. in der Nähe der spielenden Paare (Lehrs Bd. 2, S. 302 Nr. 214; Abb. 7).
Da die E. beim Vogelfang als Lockvogel gebraucht wurde (s. unten XI, Sp. 312), stellte man sie in der Bedeutung der Verlockung zur Wollust dar. Sie wurde zum Dirnenattribut.
Die „Dame mit dem Buchstabenwappen“ vom Hausbuchmeister, die eine E. als Helmzier führt, könnte als lockende Buhlerin interpretiert werden (Lehrs Bd. 8, S. 161 Nr. 88; Max Geisberg, Gesch. der dt. Graphik vor Dürer, Bln. 1939, Taf. 84 a). Auch in der Umrahmung des Holzschnittes „Von Buolschafft“ aus Sebastian Brants Narrenschiff, Basel 1494, der die „Frow Venus“ zeigt, erscheint eine E. (Janson a.a.O. [s. Sp. 308], S. 205, Abb. 10). Der Kupferstich „Duck Dich“ des Meisters M Z, um 1500, von Bartsch „Lueur et Obscurité“ betitelt, stellt eine reich gekleidete Frau dar, die unter ihren Röcken eine auf dürrem Ast sitzende E. vor den Strahlen des Lichts zu verbergen sucht; die Frau ist wohl als Buhlerin, als Frau Venus oder als Verkörperung der Luxuria zu deuten (B. Bd. 6, Nr. 21; Lehrs Bd. 8, S. 371f. Nr. 19). Eine 1504 datierte kolorierte Federzchg. eines mittelrheinischen Meisters stellt einen Jüngling mit dem Falken, ein Mädchen mit einer E. dar, die als Liebes- oder als Lockvogel zu deuten sein dürfte (Abb. 13). Auf der Darstellung eines Bordells im Holzschnitt eines niederl. Monogrammisten A P erscheint die E. als Teil einer allegorischen Kaminbekrönung (Hollstein, Dutch Fl. Engr. Bd. 13, S. 16). Auf dem „Heuwagen“ des Hier. Bosch ist eine E. als Lockvogel an einem Stock festgebunden (Madrid, Prado: Kat. 1963, S. 64 Nr. 2052). Ein Holzschnitt Christ. Ambergers von 1526 mit einem derben Vierzeiler stellt ein Bauernpaar im Gespräch über die E.-Beize dar (Geisberg, Einblattholzschnitt-Kat. Nr. 51). Ein Holzschnitt Niclas Störs behandelt ebenfalls „Die Ewlen Bays“: eine Kupplerin fängt mit einer Dirne Männer ein, eine flügelbreitende E., der Lockvogel der E.-Beize, sitzt dabei; ein umfangreicher Text kommentiert den Vorgang (ebd. Nr. 1356). Im Stich „Desidia“ nach Pieter Bruegel d. Ä. sitzt eine E. über einem Hurenbett (René van Bastelaer a.a.O. [Sp. 306], Nr. 126). Zahlreich sind E.-Darstellungen im Zusammenhang mit erotischen Versuchungen des hl. Antonius (z. B. Jan de Cock, Lugano, Slg. Thyssen: Castelli a.a.O. [s. Sp. 291], Taf. 88; Jan de Cock, Genf, Mus. d’Ariana: Friedländer Bd. 11, Taf. 48; David Teniers II: Brüssel, Mus. Roy., Cat. de la peinture ancienne 1953, S. 127 Nr. 459). Im „Mundus symbolicus“ des Filippo Picinelli, lat. Ausg. Köln 1681, Bd. 1 S. 313, steht die E. als Lockvogel in Zusammenhang mit „voluptas terrena“ (lib. IV, Nr. 498: „Dum ludit, illudit“; sie bezeichnet aber auch ganz allgemein Verlockung und Betrug: ebd. Nr. 496: „Allicit, et decipit“). Jac. Boschius gibt eine als Lockvogel abgerichtete E. mit kleinen Vögeln als Emblem auf Verführer und Verführte mit dem Lemma: „Capta capit“ ([8] Classis 4, Taf. 4 Nr. 72). Auf einer der acht Vorlagen Bouchers „La chasse chinoise“ für Tapisserien, 1742 (Besançon, Mus. des B.-A.), von denen eine Serie das Appartement der Madame Pompadour schmückte, ist ein Klappnetzfang von Singvögeln mit einer E. als Lockvogel dargestellt. Ein Stich des Martin Engelbrecht (?) zeigt eine „Voglerin“ mit einem „Kleid von Vogelgarn“ und einer E. auf dem Kopf (Abb. 32). Im Italienischen bedeutet das Wort für E., „civetta“, noch heute eine Dirne oder kokette, Männer verlockende Frau.
c. Trägheit.
In Verbindung mit der Acedia – vgl. oben Sp. 308 – erscheint die E. weniger häufig als Esel (RDK V 1508–13) und Schwein, die traditionellen Symboltiere dieses Lasters (vgl. Siegfr. Wenzel, The Sin of Sloth: Acedia in Medieval Thought and Lit., Chapel Hill 1967). In einer franz. Hs. wird um 1390 „La Paresse“ als auf einem Esel reitender Bauer, der eine E. in der Hand trägt, dargestellt (Abb. 6). In einer Darstellung der Temperamente gibt Virgil Solis auf dem Stich „Flegmaticus“ eine auf einem Esel reitende weibliche Figur wieder, auf deren Schulter eine E. sitzt (Raymond Klibansky, Erwin Panofsky, Fritz Saxl, Saturn and Melancholy, London 1964, Abb. 121). Als „Pigritia – Die Faulheit“ stellt Gottfr. Bernh. Götz auf Blatt 14 einer Kupferstichfolge von Tugenden und Lastern, Augsburg (J. A. Pfeffel, um 1740), die zugleich eine Folge von Planetenkindern ist, eine schläfrig gelagerte „Luna“ mit einer E. auf dem Knie dar; die E. steht sowohl mit dem Planeten Mond als auch mit dem Laster Faulheit in Verbindung (Berliner Taf. 387, 1).
d. Zorn.
Zuweilen kommt die E. auch als Attribut des Zorns vor (Molsdorf Nr. 1086).
Ein Ende 14. Jh. entstandener fränkischer Bildteppich mit dem Kampf der Tugenden und Laster zeigt die E. als Helmzier des auf einem Eber reitenden Zorns (RDK IV 671, Abb. 4).
e. Neid und Geiz.
Neid und Geiz können vereinzelt auch von einer E. begleitet werden (Morton W. Bloomfield, The Seven Deadly Sins. An Introduction to the History of a Religious Concept, with Special Reference to Medieval English Literature, Michigan 1952, S. 245ff.).
3 a. Sündenfall
Eine E. als Zeichen der Sündhaftigkeit erscheint auf mehreren Darstellungen des Sündenfalls.
Auf dem linken Flügel des Triptychons mit dem Garten der Lüste, um 1500, stellte Hieronymus Bosch über der Szene der Erschaffung Evas eine E. in einem brunnenähnlichen Gebilde versteckt dar, wohl als Zeichen des bevorstehenden Sündenfalles (Madrid, Prado: Ludwig Baldass, H. B., Wien 1959, Abb. 62, S. 235). Ein Einblattholzschnitt von Hans Springinklee zeigt eine flügelbreitende E., die sich im Augenblick des Sündenfalles vom Baum über Adam und Eva erhebt (Abb. 16). Auf den Außenflügeln eines Altares von Jan Gossaert sitzt eine von anderen Vögeln umflatterte E. im Baum über dem Menschenpaar (Palermo, Gall. Naz.: H. Schwarz, Jan Gossaert’s Adam and Eve Drawings, Gaz. des B.-A. 95 [42] 1953, 145–68, Abb. 2). Ein anderes Bild des Sündenfalles von Gossaert stellt die E. am Fuße des Baumes neben einem Affen dar (Berlin, Gem.gal.: ebd. Abb. 3). Auch auf zwei Darstellungen des Sündenfalles von Cornelis Cornelisz (von Haarlem) kommt die E. vor (Amsterdam, Rijksmus.: Cat. of Paintings 1960, Nr. 719: zusammen mit Affe und Katze; Hamburg, Kunsthalle: Führer 1955, S. 39, Inv.Nr. 67).
3 b. Ermordung Abels
Bei der Ermordung Abels erscheint bisweilen eine E.
Man findet sie z. B. auf der Miniatur eines im späten 13. Jh. entstandenen engl. Psalters (Cambridge, St. John’s College, Ms. K. 26, fol. 6: George Henderson, Warburg Journ. 30, 1967, 88 und Taf. 4 b).
X. Die verfolgte E.
1. Christussymbol
Die aus der Conc.car. stammenden Deutungen der E. (s. o. Sp. 278) haben sich über die Hss. des Werkes hinaus in der bildenden Kunst ausgewirkt, vor allem der Vergleich der von anderen Vögeln verfolgten E. mit dem Christus der Dornenkrönung oder Christus vor Pilatus (s. Sp. 278).
In einer Miniatur mit der Dornenkrönung und Verspottung Christi aus dem Stundenbuch der Sophia von Bylant, dat. 1475, erscheint im Rahmen unter Christus, auf ihn bezogen, die von anderen Vögeln angegriffene und verspottete E. (Köln, Wallr.-Rich.-Mus.: Ausst.Kat. „Kölner Maler der Spätgotik“, Köln 1961, S. 69f., Farbtaf. 1; abzulehnen die Deutung bei Grote a.a.O. [Sp. 300], S. 167). Auf einem Albrecht Dürer zugeschriebenen Andachtsbild, Christus als Schmerzensmann, ist über dem Haupte Christi eine E., die von anderen Vögeln angegriffen wird, in den Goldrahmen punziert (ebd., unzutreffend auch hier).
2. Zu Unrecht Verfolgte
Die verfolgte E. konnte auch allgemein als der zu Unrecht Verfolgte erscheinen.
In Dürers (?) Holzschnitt „Der Eulen seyndt alle Vogel neydig und gram“ wendet sich ein anonymes Gedicht gegen den Neid und Haß der angreifenden Vögel (Abb. 14; E. Panofsky, A.D. [s. Sp. 299f.], Bd. 2, S. 48 Nr. 404; dort auch Zuschreibungsfragen). Gabriel Rollenhagen gab 1613 zu einem Emblem mit der von verschiedenen Vögeln verfolgten Lock-E. das Lemma „Nequeo compescere multos“ („Selectorum emblematum centuria“, Utrecht 1613, Nr. 51). – Das Motiv der verfolgten E. kommt auf einer Reihe von Buchtitel-Holzschnitten aus der 1. H. 16. Jh. vor (Karl Schottenloher, Die E. im Buchschmuck des 16. Jh., in: „Gutenberg-Fs.“, Mainz 1925, S. 97 bis 102), später auf Ornamentstichblättern (Berliner Taf. 181, 192, 196, 215), ferner auf den Bildern der niederl. Tiermaler des 16. und 17. Jh.
XI. Die E. als Lockvogel
1. Jagd
Die E. wurde mindestens seit dem MA in Käfigen oder auf T-förmigen Eulenstöcken gehalten und bei der Vogeljagd mit Netzen, Leimruten oder Schußwaffen als Lockvogel benutzt.
Die Millstätter Physiologus-Hs. des 12. Jh. stellt die E. in einem Käfig dar (s. o. Sp. 295). In einer Randleiste des ost-engl. Arundel-Psalters, A. 14. Jh., fol. 14, hält ein Mann eine Lock-E. (London, Brit. Mus., Arundel Ms. 83: Eric G. Miliar, La min. anglaise aux XIVes. et XVes., Paris und Brüssel 1928, S. 4f. und 53f., Taf. 7). Ein Kupferstich des Johann Šmišek (vor 1585 – um 1650) in „Neues Groteschgen Buͤchlein“, Mchn. 1618, Nr. 14 (Entwurf für einen Gewehrverschluß), schildert den Vogelfang mit Klappnetz und Lock-E. Im Castello dei Castelbarco bei Avio, Prov. Trient, befindet sich unter den Wandmalereien des Hauptturms ein aufgepflockter Jagduhu (14. Jh., wahrscheinlich veronesisch: Altes K.handwerk 1, 1928, Taf. 206f.). Ein Ornamentstich der 1. H. 17. Jh. zeigt einen Jäger mit Flinte und einem Stock, auf dem eine E. sitzt (Berliner Taf. 215, 3).
Oft erscheint die E. in Dekorationen von Jagdzimmern und in den Bildprogrammen der Jagdschlösser des 17. und 18. Jh. mit Darstellungen von zur Jagd verwendeten oder gejagten Tieren:
Vgl. z. B. ein Augsburger Kabinett, A. 17. Jh. (Hamburg, Mus. für K. und Gewerbe, Inv.Nr. 1877, 462), ein Emblem auf die Jagd in den 1670 in Paris herausgegebenen „Tapisseries du Roy“ des Andre Félibien (dt. Ausgabe von Johann Ulrich Kraus, Augsburg 1687, Nr. 27), ein Relief am Triumphtor des Schlosses Ahaus, Ende 17. Jh., sowie Ornamente in der Wanddekoration des Hundekabinetts und am Mittelrisalit der Ostfassade der Amalienburg im Nymphenburger Park (Abb. 33), schließlich eine Sopraporta des Vittorio Amadeo Raposa in Stupinigi, 1766 (Augusto Telluccini, Le decorazioni della già reale palazzina di caccia di St., Turin 1924, Taf. 37).
2. Satire
In ihrer Eigenschaft als Lockvogel spielt die E. eine Rolle nicht nur in Flugblättern erotisch-moralischen Inhalts (s.o. Sp. 304, 308f.), sondern auch in politischen Satiren, die die Darstellung des Vogelfangs mit Hilfe des Klappnetzes als Metapher gebrauchen (William A. Coupe, The German Illustrated Broadsheet in the 17th C, Historical and Iconographical Studies, Bd. 1, Baden-Baden 1966, S. 153–55; Paul Perdrizet, La chasse à la chouette. Contribution à l’hist. de la peinture satirique, Rev. de l’art ancien et moderne 22, 1907, 143–50, Abb. 1–3).
XII. Weitere Darstellungen
1. Tierkonzert
Eine besondere Rolle kann die E. im Themenkreis der Tierkonzerte spielen. Seit dem 17. Jh. erscheint sie dort häufig als Dirigent, zuweilen auf einem aufgeschlagenen Notenbuch sitzend (David Teniers II: Abb. 29; im einzelnen vgl. A. P. Mirimonde, Les concerts parodiques chez les maîtres du nord, Gaz. des B.-A. 64 [106], 1964, 253–84).
2. Sonderfälle der Emblematik
In der Emblematik kommt die E. des öfteren vor und wird in den verschiedenen genannten Deutungen verwendet (s. d.). In Einzelfällen können diese jedoch für spezielle Themen verändert oder ergänzt werden. So wird bei Boschius [8, Classis 1 Nr. 764] die im Dunkeln sitzende E. (Abb. 24) von dem Fatto begleitet: „S. Dionysius Areopagita, visâ Solis defectione, conversus ad Christum“ (weitere Beispiele: Cl. 3, Taf. 33 Nr. 624, Taf. 37 Nr. 698, Taf. 51 Nr. 988 und Cl. 4, Taf. 9 Nr. 167; Laur. Wolfg. Woytt, Emblematischer Parnassus, 2. Teil, Augsburg 1728, Nr. 286, 3. Teil, Augsburg 1730, Nr. 72).
3. Freimaurersymbolik
In dem von Karl Phil. Moritz herausgegebenen Büchlein „Die symbolische Weisheit der Aegypter ... Ein Theil der aegyptischen Maurerey ...“ (Bln. 1793) wird die E. erklärt als „Bild der Weisheit, auch der Zauberey und Giftmischerey“ und – im Anschluß an Valeriano (vgl. Sp. 281) – als Symbol für „alle eitle menschliche Weisheit, oder vielmehr Sophisterey, Ueberklugheit, falsche Politik, Ränke, Hinterlist“; ferner sind „E.-Eyer ... das Mittel der Enthaltsamkeit“. Die E. erscheint als Auflösung des „Ägyptischen Räthsels“: „Den Namen gab die Nacht und manche böse Sage / Im Dunkeln sitz ich stets und zeig mich nie am Tage“ (ebd. S. 165). In einem „Nachtrag über das Ceremoniel bey den Einweihungen in die aegyptischen Mysterien“ wird der Orden beschrieben, der dem Eingeweihten nach dem 4. Grad überreicht wurde: „Es war die Isis oder Minerva, in Gestalt einer E., und bedeutete, daß der Mensch bey seiner Geburt so blind wie eine E. wäre, aber durch Proben und Weisheit ein Mensch würde“ (ebd. S. 179f.).
Franz Anton Zauner, der Freimaurer war, fertigte 1785 eine „Genio Bornii“ bezeichnete Gipsstatuette an, die als Entwurf eines Denkmals für den Naturforscher und Meister vom Stuhl Ignaz von Born gedacht war (Abb. 36; Herm. Burg, Der Bildhauer F. A. Z., Wien 1915, S. 74f., 168): ein geflügelter Genius hält in der Rechten eine Frauenstatuette, in der Linken eine E. an der Kette; neben ihm steht ein Säulenstumpf mit Freimaurergeräten. Die E. erscheint hier als tagblindes Tier der Finsternis. Vermutlich ist die vom Genius angekettete E. eine Anspielung auf die von Born geführten noch blinden Neueingeweihten, vielleicht auf den Bildhauer selbst, der unter Born eingeweiht wurde.
4. E.-Kapitelle
Eine größere Rolle spielte die E. in der franz. Bauornamentik des Hoch-MA, vor allem in der Kapitellplastik (Abb. 3; Victor-Henry Debidour, Le bestiaire sculpté du moyen âge en France, Grenoble und Paris 1961, S. 214f., Abb. 103, 181, 245, 246, 277, 300, 301, 307). Sie kann mit geschlossenen oder ausgebreiteten Flügeln an die Front oder an die Ecke von Kapitellen gestellt sein, vergleiche die häufigeren *Adlerkapitelle (RDK I 180–88). Von Frankreich hat sich das Motiv auch nach Deutschland verbreitet. E.-Kapitelle gibt es u. a. auf der W-Empore und in der Ostapsis der Abteikirche von Maria Laach, 2. bzw. 3. V. 12. Jh. (Adalbert Schippers und Theodor Bogler, Das Laacher Münster, Köln 19672, Abb. 13 und 22). Wahrscheinlich wurde das Motiv den Bestiarien entnommen, seine Bedeutung ist jedoch nicht erkennbar (vgl. auch das E.-Motiv in ma. Schnitzereien, z. B. am Chorgestühl des Kölner Domes, um 1311: Bernh. von Tieschowitz, Das Chorgestühl des Kölner Domes, Bln. 1930, Taf. 93 b, und an Misericordien in engl. Kirchen: Francis Bond, Wood Carvings in Engl. Churches. Misericords, London 1910, S. 47).
5. Kunstgewerbe
In allen Jahrhunderten der Neuzeit kommen Geräte in Form von E.
vor, die als Trinkgefäße, Zuckerdosen, Riechdosen und Parfümbüchsen verwendet wurden (s. *Eulengefäße). Porzellan-E. konnten als Tafelschmuck und zur Dekoration von Innenräumen dienen (z. B. eine Schleier-E., wohl nach einem Modell Kändlers von 1731: C. Albiker a.a.O. [Sp. 287], Abb. 85; vgl. ferner Hugh Tait, Birds in European Ceramic Art, I: The Owl, Apollo 1958, 112ff.).
6. Künstlersignatur
Karel van Mander berichtet über den Maler Herri met de Bles, er habe eine E. als Signatur verwendet (Het Schilder-Boeck, Haarlem 1604, Bl. 219v). Ein Bildnis des Herri met de Bles von Hieronymus (?) Wierix, 1572, stellt ihn mit einer E. dar (Louis Alvin, Cat. raisonné de l’œuvre des trois frères W., Brüssel 1866, Nr. 1866). Christian von Mechel (Verz. der Gem. der K.K. Bilder Gall. in Wien, Wien 1783, S. 337), Alfred von Wurzbach (Niederl. Künstler-Lex. Bd. 1, Wien und Lpz. 1906, S. 105–07) und Theod. von Frimmel (Hdb. der Gemäldekunde, Lpz. 19042, S. 180) verzeichnen die E. als Signatur des Herri met de Bles. Friedländer (Bd. 13, S. 39) hält mit Recht van Manders Bericht für zweifelhaft. Tatsächlich können die E. in den Bildern des Herri met de Bles fast immer durch das Thema motiviert werden.
Der holländ. Stillebenmaler Jan Jansz. den Uyl hat dagegen eine E. als Signatur benutzt (Thieme-Becker Bd. 34, S. 15f.; Bernt Bd. 3, Nr. 851). – E. als Merkzeichen von Goldschmieden erwähnt Rosenberg Nr. 438, 864, 6615.
7. Sonstiges
Verschiedene im MA überlieferte Fabeln und Erzählungen über angebliches Tun der E. haben sich auf Darstellungen in der bildenden Kunst ausgewirkt.
Die Erzählung von der Fehde zwischen Rabe (oder Krähe oder Dohle) und E. (s. o. Sp. 277) wurde zum Anlaß für die Gegenüberstellung beider Vögel in ornamentalen Darstellungen, so auf einer Randleiste des Tiptoft Missale (New York, Morgan Libr., Ms. 107, fol. 218: Janson a.a.O. [Sp. 308], Taf. 34 b). Camerarius gibt eine Darstellung des Streites zu dem Lemma „Implacabile bellum“ (Abb. 21).
Auch die Behauptung, die E. trinke das Öl des ewigen Lichts in den Kirchen, schlug sich in einigen Darstellungen nieder: auf dem Grabmal des Hubertus Mielemans in Ste-Croix zu Lüttich, M. 16. Jh., erscheinen Lampe und E. als Zeichen des Todes (Tervarent Sp. 97, Abb. 3), bei Pierre Woeriot, Emblèmes Chrestiennes, Lyon 1571, löscht eine E. eine Lampe aus (A. P. F. Robert-Dumesnil, Le peintre-graveur français, Bd. 7, Paris 1844, S. 63 Nr. 41); s. auch das Emblem bei Daniel Meisner (Abb. 25).
Im ma. England war das im 13. Jh. entstandene, als Fragment erhaltene Gedicht „The Owl and the Nightingale“ weit verbreitet (dem Nicolas de Guildford zugeschr., um 1250 [?]: Dict. of National Biography, Neudruck Oxford 1949–50, Bd. 8 S. 770; s. auch Angela Carlson, Speculum 42, 1967, 92–103).
Das häufige Vorkommen von E. in der Märchenliteratur hat sich in der Märchenill. niedergeschlagen (s. *Märchen; Ilse Bang, Die Entwicklung der dt. Märchenill., Mchn. 1944, Abb. Einband, 72, 153).
Auf elf der 23 „Scherzi di fantasia“ betitelten Radierungen des Giov. Batt. Tiepolo kommen E. vor (Alex. Baudi de Vesme, Le peintre-graveur italien, Mailand 1906, Nr. 13, 21f., 24f., 27, 29, 30f., 33f.). Würde es auch bei einzelnen Radierungen, wenn man jede für sich betrachten dürfte, vielleicht naheliegen, dem verwendeten E.-Motiv eine der schon genannten Deutungen zu geben, so spricht hier doch der Umstand, daß es sich in der Mehrzahl dieser „Phantasiespiele“ der Erklärung entzieht, gegen solche Deutungsversuche.
Erwähnung verdienen Edward Lear’s (1812 bis 1888) Ill. zum „Book of Nonsense“, dem „Nonsense Alphabet“ und dem Gedicht „The Owl and the Pussycat“ (Houghton Libr., Harvard University, Cambridge, Mass: Ausst.Kat. „Drawings by Edward Lear“, Henri E. Huntington Libr. and Art Gall., 1962, Nr. 51).
Zu den Abbildungen
1. Bern, Burgerbibl., cod. 318 (Physiologus), fol. 10, fünf Eulen. Reims, 2. Dr. 9. Jh. Nach Faks.-Ed. von Christ. von Steiger und Otto Homburger, Basel 1964.
2. London, Vict. Alb. Mus., Inv.Nr. 142 – 1866, Anbetung der Könige (Ausschnitt; Gesamtabb.: Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen Bd. 4, Taf. 4 Nr. 14). Knochen, Gesamtgröße 36,5 × 16 cm. Südengland (?), um 1100 (?). Nach ebd.
3. Autun, Eulenkapitell in der Apsis der Kath. St-Lazare. Kalkstein, 1. H. 12. Jh. Nach Denis Grivot und George Zarnecki, Gislebertus, sculpteur d’A., Paris 19652, S. 62, A 4.
4. London, Brit. Mus., Ms. Harley 4751 (Bestiar), fol. 47, Eule, von anderen Vögeln angegriffen. England, Ende 12. Jh. Fot. Mus.
5. New York, Morgan Libr., Ms. 72 (Psalter), fol. 139v, Vogelpredigt des hl. Franziskus. Flämisch, um 1250–65. Fot. Bibl.
6. Paris, Bibl. Nat., ms. fr. 400 (Sammelhs.), fol. 54v (Ausschnitt), Trägheit. Frankreich, um 1390. Fot. Bibl.
7. Meister E. S., Liebesgarten mit Schachspielern. Kupferstich, 16,6 × 20,8 cm. Berlin, Kk. Um 1450. Fot. Mus.
8. Leningrad, Staatl. Saltykov-Ščedrin-Bibl., Ms. Fr. F. v. XII [XV?], 6 (Martin Le Franc, Streit zwischen Virtus und Fortuna), fol. 1v, Gespräch zw. Virtus und Fortuna vor Ratio. Frankreich, M. 15. Jh. Nach Alex. de Laborde, Les principaux mss. à peintures conservés dans l’ancienne Bibl. imp. publ. de St-Pétersbourg, 1ière partie, Paris 1936, Taf. 40.
9. Bartolommeo della Gatta, Stigmatisation des hl. Franziskus. Gem. a. Holz, 1,61 × 1,79 m. Castiglion Fiorentino, Pin. comm., Inv.Nr. 10. Dat. 1487. Fot. Alinari, Florenz, Nr. 42455.
10. Erhard Schön, Flugblatt, Ausschnitt (Gesamtabb. bei Geisberg a.a.O. [Sp. 309], Nr. 1164). Holzschnitt, 36 × 25,9 cm. 1540. Nach ebd.
11. Neujahrswunsch. Holzschnitt, 9,2 × 6,4 cm. Wohl Elsaß, um 1490–1500 (Schreiber, Hdb. Bd. 2, Nr. 792). Fot. E. Irving Blomstrann, New Britain, Conn.
12. Wien, Nat.Bibl., cod. philos. gr. 4 (Aristoteles, Nikomachische Ethik), fol. 80v, Stadt Athen (Ausschnitt; Gesamtabb.: Beschr. Verz. Österr. 8, 6, 4, Taf. 43). Süditalien, um 1500. Nach ebd.
13. Hamburg, Kunsthalle, Inv.Nr. 23 906, Jüngling und Mädchen. Kolorierte Federzchg., 20,8 × 29,8 cm. Mittelrhein, dat. 1504. Fot. Mus.
14. Albrecht Dürer (?), die verfolgte Eule. Einblattholzschnitt (Ausschnitt; Gesamtabb.: Geisberg, Einblattholzschnitt Bd. 16 Nr. 19), Gesamtmaße 34,7 × 22,1 cm. Um 1515. Nach ebd.
15. Hans Wechtlin, Allegorie. Einblattholzschnitt, 32,7 × 23,5 cm. Inschrift: „Ich fyrcht den Tag.“ Cambridge, Mass., Fogg Art Mus. Um 1520. Fot. Mus.
16. Hans Springinklee, Adam und Eva. Holzschnitt, 29,5 × 14,6 cm. Wohl 1518. Fot. Metrop. Mus., New York.
17. Heinrich Aldegrever, Völlerei, Kupferstich, 10,2 × 6,3 cm. Boston, Mus. of Fine Arts. Dat. 1552. Fot. Mus.
18. Nivelles (Belgien), Mus.arch., Stifter mit Heiligem. Flügel eines Triptychons (?), Maße unbekannt. Schule von Antwerpen (?), 2. H. 16. Jh. Nach Fot. unbekannter Herkunft (Karl-August Wirth).
19. Pieter Aertsen, „Die fette Küche“. Gem. a. Holz, 1,10 × 2,13 m. Kopenhagen, Statens Mus. for K., Cat. of Old Foreign Paintings 1951, Nr. 3. 1572 (?). Fot. Mus.
20. Emblem Nr. 19 aus Alciati [5], S. 95. Holzschnitt, 6,0 × 6,5 cm. Nach dem Original.
21. Emblem Nr. 78 aus Joachim Camerarius a.a.O. [s. Sp. 285f.], S. 78. Kupferstich, 7,0 cm Dm. Nach dem Original.
22. Paris, Bibl. Nat., Cabinet des Estampes, „Oracle Divin (Congnois toy toymesme)“. Einblattholzschnitt, 35,5 × 46,2 cm. Frankreich, Ende 16. Jh. Fot. Bibl.
23. Emblem Nr. 67 aus Gabriel Rollenhagen, Selectorum emblematum centuria, Utrecht 1613. Kupferstich, 13,8 × 10,3 cm. Nach dem Original.
24. J. C. Schalk (Entw.) und Jacob Müller (Ausf.), Emblem. Kupferstich (7,6 × 6,2 cm) aus Jacob Boschius [8], Classis 1, Taf. 32 Nr. 764. Nach dem Original.
25. Ill. zu Daniel Meisner, Thesaurus Philo-Politicus, Buch 2 Teil 7, Ffm. 1631. Nach Faks.-Ed. von Fritz Hermann und Leonh. Kraft, Hdbg. 1927, S. 790.
26. Frederick Bloemaert (um 1610 – um 1669) nach Abraham Bloemaert, „Visus“. Kupferstich aus einer Folge der fünf Sinne, 10,8 × 15,7 cm. Amsterdam, Rijksmus. Fot. Mus.
27. Cornelis Bloemaert (um 1603 – um 1684) nach Hendrick Bloemaert, Eule mit Kneifer. Kupferstich, 22,2 × 18,1 cm. Amsterdam, Rijksmus. Fot. Mus.
28. Jan Steen, „Nach dem Trinkgelage“. Gem. a. Eichenholz, 52,5 × 64,0 cm. Amsterdam, Rijksmus. Kat.Nr. 2234. Um 1660–70. Fot. Mus., Neg. Nr. 1662.
29. David Teniers II (1610–90), Tierkonzert. Gem. a. Holz, 26,0 × 31,0 cm. München, Bayer. Staatsgem. Sign., Inv.Nr. 815. Fot. Mus.
30. Joachim von Sandrart, Personifikation der Nacht. Zchg. (Steinkreide und Pinsel), 30,7 × 25,7 cm. Wien, Graph. Slg. Albertina, Inv.Nr. 3519. Dat. 1643. Nach Albertina-Kat. Bd. 5, Nr. 631.
31. Johann Heinr. Schönfeld, Saul bei der Hexe von Endor. Angefangener Kupferstich, mit Feder und Tuschpinsel überarbeitet, 42,7 × 31,4 cm. Stuttgart, Graph. Slg. der Staatsgal., Inv.Nr. 571. Um 1670. Fot. Mus.
32. Martin Engelbrecht (?), Vogelfängerin. Kupferstich (35 × 27 cm) aus Martin Engelbrecht (Verleger?), Assemblage nouveau des manouvries habilles. Neu-eröffnete Sammlung der mit ihren eigenen Arbeiten und Werkzeugen eingekleideten Künstlern, Handwerkern und Professionen ..., Augsburg o. J. (um 1730), Bl. 108. Fot. E. Irving Blomstrann, New Britain, Conn.
33. Joseph Pasqualini Moretti, gen. Joseph Pascalin, Jagddekoration. Holzvertäfelung, Bemalung blau auf weißem Grund. Gewehr- und Hundekammer der Amalienburg, München, Schloßpark Nymphenburg, 1734–39. Fot. Bayer. Verwaltung der Staatl. Schlösser, Gärten und Seen, München.
34. Michel Victor Acier, Urteil des Paris (Ausschnitt; Gesamtabb. in der Fot.-Slg. des ZM). Porzellan, 56 cm h. München, Residenzmus. Meißen, nach 1763. Fot. Bayer. Verwaltung der Staatl. Schlösser, Gärten und Seen, München.
35. Joh.Bapt. Straub (Modell) und Dominik Aulicžek (Ausf.), Proserpina mit Ascalaphus. Marmor, 2,30 m h. (Ausschnitt; Gesamtabb.: Aug. Alckens, Die Plastiken im Schloßpark Nymphenburg, Augsburg 1938, S. 24). München, Schloßpark Nymphenburg. 1772 (Modell) und 1778 (Ausf.). Fot. RDK.
36. Franz Anton Zauner, Entwurf zu einem Denkmal für Ignaz von Born. Gips, bronziert, 69 cm h. (ohne Sockel). Wien, Österr. Gal., Leihgabe des österr. Mus. f. angewandte K. Dat. 1785. Fot. Gal.
37. William Blake, Hekate. Farbdruck und Wasserfarben, 44,0 × 59,0 cm. London, Tate-Gall., Inv.Nr. 5056. Um 1795. Fot. Mus.
38. Francisco de Goya, Capricho Nr. 43: „El sueño de la razon produce monstruos“. Radierung mit Aquatinta, 18,2 × 12,2 cm. Um 1797. Nach der Ausgabe Madrid um 18563.
39. Caspar David Friedrich, Eule auf einem Sarg. Pinselzchg. in Sepia, 38,5 × 38,5 cm (?). Hamburg, K.halle, Inv.Nr. 41 119. Um 1808–09. Fot. Mus.
40. Achille Devéria, Umschlag zu „Faust. Tragédie de ... Goethe. Traduit en français par Albert Stapfer“, Paris 1828. Lithographie, 50 × 37 cm. Nach Alfr. Robaut, L’œuvre complet de Eugène Delacroix, Paris 1885, Nr. 230.
41. Peter Cornelius (Entw.), Geburt Christi, Titelblatt zu einem „Kalender auf das Jahr 1843“. Holzschnitt, 25,9 × 21,0 cm (Ausschnitt 8,7 × 7,0 cm; Gesamtabb.: Gg. Hermann, Das Biedermeier im Spiegel seiner Zeit, Oldenburg und Hbg. 1965, S. 249). Nach ebd.
Literatur
1. Andrea Alciati, Emblematum libellus, Ausg. Paris 1535. – 2. Vicenzo Cartari, Imagini delli Dei de gl’ Antichi, Ausg. Venedig 1647 (Neudruck Graz 1963). – 3. Valeriano 1579. – 4. Ripa 1603. – 5. Alciati, Emblemata, Ausg. Lyon 1600. – 6. Valeriano 1604. – 7. Joachim von Sandrart, Iconologia Deorum oder Abbildung der Götter, Nürnberg 1680. – 8. Jac. Boschius, Ars Symbolica, Augsburg und Dillingen 1701. – 9. Hertel-Ripa. – 10. Orlandi-Ripa. – 11. Karl Wilhelm Ramler, Allegorische Personen zum Gebrauche der bildenden Künstler, Berlin 1788. – 12. Iconologie oder Ideen aus dem Gebiete der Leidenschaften und Allegorien, ... für Zeichner, Mahler, Dichter, Gelehrte, Erzieher und Freunde höherer Geschmacksbildung, Wien 1801 (1. Ausg. 1798). – 13. Carl August Menzel, Versuch einer Darstellung der K.-Sinnbilder, insofern sie der jetzigen Zeit angemessen sind, Berlin, Posen und Bromberg 1840. – 14. Allegorien und Embleme, hrsg. von Martin Gerlach, Wien 1882.
15. Max Wellmann, Art. „Eule“, in: Pauly-Wissowa Bd. 6, Sp. 1064–71. – 16. Ilona Opelt, Art. „Eule“, in: RAC Bd. 6, Sp. 890–900. – 17. Arthur Henkel und Albr. Schöne (Hrsg.), Emblemata. Hdb. zur Sinnbild-K. des 16. und 17. Jh., Stg. 1967, Bildregister Sp. 1960 (Eule) und 2020 (Uhu). – 18. Kathleen L. Scott, A Mid-Fifteenth C. English Illuminating Shop and Its Customers, Warburg Journ. 31, 1968, 170–96. – 19. Heinrich Schwarz, The Symbolic Owl, in Vorbereitung.
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